Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Veilchen und Flieder

Kurzbeschreibung
OneshotTragödie, Liebesgeschichte / P16 / Gen
26.02.2017
26.02.2017
1
2.476
1
Alle Kapitel
noch keine Reviews
Dieses Kapitel
noch keine Reviews
 
 
 
26.02.2017 2.476
 
Autorin: Lilith Edwardian

Musiker: Kazuki (ex.SCREW)

Genre: Romanze, Tragödie

Kapitel: Oneshot

Warnings: OC, Charaktertod

Disclaimer: Kazuki gehört sich selbst und die Geschichte ist natürlich frei erfunden. Ich verdiene auch kein Geld damit.

Claimer: Die Fanfiction gehört mir. Es ist nicht erlaubt, sie zu kopieren, woanders wieder hochzuladen und als Eigenwerk auszugeben.

Lieber Kazuki,
bevor du weiterliest, möchte ich dich noch einmal daran erinnern, dass du immer der wichtigste Mensch in meinem Leben gewesen bist. Hörst, nein, liest du?


Mir war klar, dass dieser Tag einmal kommen würde und ich hatte wirklich Angst, diesen Brief zu lesen. Aber ich musste diesen Brief lesen, denn das war alles, was ich jetzt noch von dir hatte. Ich wollte, konnte einfach nicht und strich gedankenlos über deine ordentliche Handschrift auf dem dicken, nach Veilchen und Flieder duftenden Papier. Wolltest du mir mit dem Flieder etwas sagen? Du hattest diesen Duft nie verwendet. Nicht ein einziges Mal.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viel du wirklich über mich weißt. Was du aus meinen Taten und Reden gedeutet hast, aber vermutlich hast nicht einmal du das wirkliche Ausmaß in meinem Inneren erkannt. Mach dir bloß keine Vorwürfe, bitte, denn ich hab ja ziemlich viel verschwiegen, damit du dir nicht Kopf wegen mir zerbrichst. Wahrscheinlich hast du es dennoch getan, stimmt’s? Ich schäme mich so dafür, weil du immer ehrlich zu mir gewesen bist. Danke, dass du mir immer so viel, dein ganzes, Vertrauen entgegen gebracht hast. Das bedeutet mir wirklich viel. Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraut hätte, denn du bist wohl der einzige, dem ich so viel von mir preisgegeben habe.
Jede meiner Schwärmereien, von denen ich wusste, dass daraus sowieso nichts werden würde, und ich des-wegen bei dir ankam. Was du wohl gedacht hast, wenn ich von den Personen erzählt habe? Was ich so toll an ihnen fand, dass sie mir aus dem Kopf gingen und ich wie ein Stalker jede Bewegung von ihnen verfolgte. Schlimm, oder? Und nicht einmal habe ich dich gefragt, wie du dich dabei gefühlt hast. Entschuldige – und ich hab dir doch nicht von jeder Person erzählt. Eine habe ich dir vorenthalten, die wichtigste Person von allen. Die wichtigste Person in meinem Leben. Bemerkst du den Flieder? Er ist ganz allein für dich. Behalte ihn in Erinnerung, denn der Duft wird nicht für immer währen, obwohl du den Brief aufbewahrst.


Das … das konntest du nicht Ernst meinen. Du wusstest doch immer, dass du dich auf mich verlassen kannst. Warum bist du dann diesen Schritt gegangen, nachdem wir schon so viel zu-sammen durchgestanden haben? War ich doch wirklich noch so unwissend? Du hättest mir al-les erzählen können. Alles. Natürlich war ich nun überrascht, dass du auch für mich ge-schwärmt hast. Ich wäre es auch gewesen, hättest du es mir erzählt. Du hast es wirklich gut vor mir geheim gehalten. Dabei habe ich dir sonst immer angesehen, wenn du dich mal wieder in jemanden verguckt hattest. Deine glänzenden Augen, die jemand anderem galten, deine erröteten Wangen, die jemand anderem galten, dein fast schon schüchternes Lächeln, das je-mand anderem galt – aber nicht mir. In meinen Augen warst immer nur du. Ich hatte immer Zeit für dich. Du hättest genau wissen müssen, dass nur du mich interessierst. Wir hätten wohl beide noch viel ehrlicher sein müssen.

Eigentlich war es doch trotzdem offensichtlich gewesen, oder etwa nicht? Denk mal daran, wir haben im Prinzip über alles geredet, selbst wenn ich einiges verschwiegen habe. Ich bin nie an all die Personen heran getreten, meistens mochten sie mich ja nicht einmal sonderlich, weil ich ihnen zu aufdringlich war. Ich hätte nie gedacht, dass ich solche Stalker-Ambitionen entwickele. Irgendwie schon gruselig. Aber du, Kazuki, du hast mich an dich heran gelassen und ich dich an mich. In Wirklichkeit waren all die anderen Personen plötzlich völlig egal, wenn du ebenfalls in der Nähe warst. Hast du nie meine Blicke auf dir gespürt oder warst du nur zu sehr an sie gewöhnt, dass sie dir nichts ausmachten – oder gar auffielen. Oder mein Lä-cheln auf den Lippen, von dem ich immer das Gefühl hatte, es würde absurd dümmlich aussehen? Ich moch-te mein Lächeln sowieso nie sonderlich. Es sah so falsch aus, während du immer von Herzen gelächelt hast – es sah so schön aus. Ja, bezaubernd. Jaja, ich weiß, Jungen wollen sowas nicht hören, aber dein Lächeln und auch dein Lachen bezauberten mich jedes Mal aufs Neue, erwärmten mein Herz und machten mich schier glücklich. Und meines galt immer nur dir. Frag irgendjemanden aus meinem Umfeld – keiner hat mich je lächeln gesehen, außer dir.

War es tatsächlich so offensichtlich gewesen? Jetzt, wo du es beschriebst. Stimmt, du warst immer bei mir, hast dich auf mich konzentriert, nicht auf dein aktuelles Objekt der Begierde. Bin ich es immer insgeheim gewesen, so wie du meines gewesen bist – und es hat sich bis jetzt nichts daran geändert. Keine ist wie du, aber dich kann ich nicht haben. Haben? Nein, besitzen könnte ich dich sowieso nicht, aber du hättest dich sicherlich in meine Arme, meine Obhut, begeben. Ich würde alles für dich tun. Wirklich alles.

Ich erinnere mich noch gut daran. An meinen fünfzehnten Geburtstag. Nur du hast an mich gedacht. Die Kette, die du mir geschenkt hast – danke, wirklich danke. Sie ist so wunderschön und seit du sie höchstper-sönlich in meinem Nacken verschlossen hast, habe ich sie nie wieder abgelegt. Ich spüre noch immer deine sanften Finger in meinen Nacken, mit denen wohl alles an diesem Abend begonnen hatte. Ich bin so gerührt gewesen, dass mir einfach die Tränen in die Augen stiegen. Deine Umarmung darauf war so beruhigend und ich habe mich so geborgen gefühlt in deinen Armen. Wie es dann zu diesem Kuss, diesem unglaublich sanf-ten, ehrlichen Kuss gekommen war – ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Vielleicht lag es einfach an der Situation. Hattest du vor mir schon mal jemanden geküsst? Von deiner Seite her hat es sich gar nicht unbe-holfen angefühlt. Dadurch fühlte ich mich sicher. Bis zu dem Zeitpunkt war mir gar nicht bewusst gewe-sen, wie viel Gefühl in so einem Kuss stecken kann.
Aber es blieb ja nicht bei diesem Kuss. Es geschah so viel mehr an meinem fünfzehnten Geburtstag. Egal, wie genau es jetzt alles zustande gekommen ist, ich werde diesen Tag – oder auch Nacht – nie vergessen. Ich habe ja sowieso nie ein sonderlich gutes Gedächtnis gehabt, aber an deine Lippen, deine Finger, daran erinnere ich mich noch sehr genau. An diese sanften Berührungen, an deine Haarspitzen, die an meiner Wange gekitzelt haben. Die so ungewohnten Bewegungen unserer Körper, die ich bis dato gar nicht kannte, sie mir nicht einmal vorstellen konnte, weil sie so viel besser waren als jeder einzelne Gedanke, den ich ir-gendwie dazu gehabt habe. Kannst du dir das vorstellen? Dass ich solche Gedanken über uns hatte? Ich weiß es nicht. Aber nur du bist in diesen Gedanken und Überlegungen aufgetaucht, niemand anderes. Das ist die Wahrheit. Ich glaube, mit den anderen Leuten habe ich mich nur von dir ablenken wollen, weil ich in der Überzeugung festgefahren war, dass du in mir nur eine gute Freundin gesehen hast. Total bescheuert, oder?


Doch, ich konnte das verstehen. Ich weiß ja, dass du hinter deiner großen Klappe kaum Selbstbewusstsein hattest. Selbst wenn du mal etwas getan hattest, das von Selbstbewusstsein zeugte, hast du wiederum alles getan, um das zu verstecken. Als du bei mir ankamst und mir völlig überraschend mitgeteilt hast, dass du auch deine Ohrlöcher dehnen möchtest, habe ich dir meine Sachen, die du benötigtest, ausgeliehen. Die Dehnstäbe, Tunnel und Plugs hast du jedoch immer unter deinen dichten, dicken Haaren versteckt. Wahrscheinlich haben nur du und ich überhaupt davon gewusst. Dabei stand er dir so gut, als man – ich – es langsam er-kennen konnte, und du hast dir echt schönen Schmuck zugelegt, den du einfach versteckt hast.
Ich wusste, dass du einfach so viel aus dir machen wolltest, aber dich einfach nicht getraut hast. Nicht nur dein Aussehen, auch was du beruflich machen wolltest, obwohl es fast noch wackeliger war als mein Berufswunsch. Irgendwo waren wir beide schon hoffnungslose Fälle.

Irgendwo sind wir beide schon hoffnungslose Fälle, oder? Obwohl deine Familie immer hinter dir stand – wie habe ich dich darum beneidet – oder gerade weil deine Familie hinter dir stand, wolltest du es wagen, Musiker zu werden und nicht Tennisspieler wie deine Brüder oder Koch wie dein Vater. Wahrscheinlich ist es hierzulande um einiges realisierbarer, Musiker zu werden, statt als Frau Arbeit zu finden. Ich habe es ja immer gesagt: Eine Frau wird nicht als Frau geboren – sie wird zur Frau gemacht. Und dann auch noch im sozialen Bereich, weil es hier ja auch so viel Sozialarbeit gibt. So gerne hätte ich mit Jugendlichen zusammen gearbeitet, damit sie nicht so enden wie ich. Ich weiß gar nicht, ob ich das gepackt hätte – vor allem mit meinen schlechten Noten. Du meintest zwar immer, dass ich gar nicht so dumm sei und schon was im Köpfchen habe, aber ich habe es trotzdem nicht hinbekommen.
Das hat mich einfach so sehr fertig gemacht, dass ich einfach nicht mehr konnte. Wenn morgens der Wecker klingelte, da wollte mein Körper einfach nicht. Klar, fast jeder Schüler hat mal solche Momente, aber doch nicht ständig! Ich schlief immer schlechter bis ich mich nachts nur wach hin und her gerollt habe. Mein Kopf dröhnte ständig, sodass ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren konnte. Atembeschwerden, Schwindel, Magenschmerzen. Meine Familie meinte immer nur, ich simuliere nur und wir stritten deswegen ständig, wobei ich mich ständig ins Bad eingeschlossen habe – mein Zimmer hatte schließlich keinen Schlüs-sel. Weißt du, wie oft ich auf diese blöden, so verlockend aussehenden Rasierklingen meines Vaters gestarrt habe? Manchmal habe ich sie sogar in die Hand genommen, von allen Seiten betrachtet – wie im Delirium. Aber dann habe ich an dich gedacht und habe sie voller Schock von mir geworfen. Sie hat immer leicht ge-klirrt, als sie den Boden berührte. Wir haben uns von da an immer seltener gesehen – es tut mir wirklich, wirklich Leid. Irgendwann schockte mich der Gedanke an dich nicht mehr. Alles entglitt mir. Ich konnte nicht mehr rational denken. Ich verschloss mich immer mehr vor dir. Was du wohl gedacht hast? Worüber du dir wohl Gedanken gemacht hast? War dir klar, was mit mir los war? Ich glaube schon, aber das volle Ausmaß war dir wahrscheinlich doch nicht bekannt.


Nein, nicht wirklich. Ja, ich hatte bemerkt, wie noch ruhiger und stiller wurdest. Obwohl du bei mir immer sehr redselig gewesen warst, mutiertest du langsam zu dem Selbst, das du be-reits im Unterricht warst. Zusammengesunken, nervös, ruhig, abgelenkt. Oh, ich hätte dich stärker darauf ansprechen sollen, sehr viel hartnäckiger. Ich habe einfach zugelassen, dass du dich auch vor mir immer mehr verschlossen hast. Sag bloß, ich bin letzten Endes an allem Schuld?

Mach dir bloß keine Vorwürfe. Ich mache dir nämlich auch keine. Die Schuld liegt nur bei mir selber, weil ich weder mir noch dir zugetraut habe, dass wir alles soweit wie möglich wieder hinbiegen können. Ziemlich dumm von mir, aber Menschen tun manchmal dumme Dinge. Ich habe auch schon viele Dummheiten in meinem Leben gemacht. Das hier war wohl eine der größten Dummheiten. Ich fasse es einfach nicht, dass ich so dämlich sein konnte. Ich hätte mehr mit dir sprechen müssen, mich dir noch mehr anvertrauen müssen. Du hättest mir geholfen, das weiß ich, aber das war mir trotzdem nicht so bewusst. Irgendwie wollte mein Schädel das nicht so wahr haben. Ich habe doch immer gesagt, dass ich einen Knacks habe – vermutlich ei-nen ziemlich gewaltigen Knacks. Das hätte dir auch nichts ausgemacht, du hast dich ja schließlich immer mit mir abgegeben. Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich dir bin. Ich kann das gar nicht in Worte fassen wie sehr eigentlich. Du glaubst mir das, oder?
Natürlich glaubst mir das. Warum zweifele ich immer noch an dir. Es gibt keinen Grund dazu. Vielleicht, weil ich an mir gezweifelt habe. So sehr, dass aus Zweifel Verzweiflung wurde. Ich bin schier verzweifelt. Meine Familie hasste mich. Ich hasste mich – und du warst nicht mehr da. Natürlich konntest du nichts dafür. Ich habe mir ja schließlich allen möglichen Quatsch in meiner Verzweiflung eingeredet. Als ob du mich allein gelassen hättest, aber ich habe mich trotzdem so alleine und einsam gefühlt. Dadurch war mir so kalt. Ich hasse die Kälte und will sie vertreiben. Und ich bin so unfassbar müde. Ich will nur noch schlafen, aber erst schreibe ich diese Zeilen für dich auf, damit du nicht vergisst, dass du mir so viel bedeutet hast. Ich werde ihn bei euch im Briefkasten einwerfen, nachdem ich mit einem gefälschten Rezept meines Vaters – wenigstens dafür ist es praktisch, dass er Arzt ist – in der Apotheke etwas zum Schlafen hole. Dann lasse ich ein schönes, warmes Bad ein, wärme mich endlich wieder auf und lege mich dank der Tabletten schlafen. Schlaf, den ich so sehr verdient habe.
Also, denke noch einmal daran: Kazuki, du bist der wichtigste Mensch auf der Welt für mich. Vergiss das bitte niemals.

Deine Kaori


Das Gegenstück deiner Kette liegt in meiner Hand. Das Silber funkelt im hellen Licht. Hat dich das so sehr fasziniert? Dieses Funkeln? Das dicke Papier deines Briefes flattert kaum im Wind. Wie hast du es geschafft, den Brief zu schreiben ohne zu weinen? Nicht ein Wort, ein Buchstabe, ist verwischt. Selbst ich stehe nun hier, den Brief in meiner Hand, der so verlo-ckend duftet – und Tränen rinnen über mein Gesicht. Ich stehe dazu, dass ich weine. Männer dürfen weinen. Du hättest es sicher auch so gesehen.
Schon so lange bist du fort und bis heute hatte ich nicht den Mut, deinen Brief zu öffnen, weil ich Angst hatte. Angst davor, was hier drin stehen würde. Warum? Weil Papa den Brief gleichzeitig mit der restlichen Post und der Zeitung hineinbrachte und alles auf den Küchen-tisch beim Frühstück legte. Wir aßen alle in Ruhe, den Brief wollte ich später öffnen, während Papa wie gewohnt nach der Zeitung griff. Er las nur den Sportteil, aber ich konnte das Titel-blatt sehen. Ich habe es glauben können und riss sie an mich. In unserem Dorf passierte nie etwas, sodass das natürlich auf der Titelseite stand – „Oberschülerin begeht Selbstmord“. Es ging zweifellos um dich, denn dein Name wurde genannt und ein Bild, auf dem du ehrlich ge-sagt nicht sonderlich glücklich ausgesehen hast, war mit abgebildet worden.
Auf deiner Beerdigung waren nur deine Familie und ich. Obwohl deine Mutter geweint hat, klang es nicht wirklich ehrlich. Nur ich habe dich vermisst und tue es immer noch. Die meisten haben dich vermutlich vergessen oder waren sogar froh, dass du endlich warst. Ich bin immer noch für dich da und lebe für dich mit, weil du auch für mich der wichtigste Mensch auf der Welt bist.

»Lebewohl, Kaori.«
P.S. Ich liebe dich.
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast