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Ein Mann. Eine Kugel. Ein Wort.

von Av4l4rion
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P12 / Het
Aramis Athos OC (Own Character) Porthos
04.02.2017
18.09.2023
58
108.827
20
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18.09.2023 2.094
 
Eine Stunde später öffnete die Tür sich erneut und Porthos erschien im Türrahmen, einen Teller Eintopf in der Hand.
„Hunger?“, fragte er gut gelaunt, als wäre nichts.
Ich wandte mich wieder dem Fenster zu und antwortete: „Nein danke.“
„Hm. Na dann stelle ich dir den Teller auf den Tisch. Kommt vielleicht noch.“, erklärte er und ging durch den Raum. Fünf Schritte hin, dann fünf Schritte wieder zurück. Ich wartete auf das Klicken des Türschlosses, wenn er diese wieder schloss, doch es blieb aus.
Stattdessen räusperte Porthos sich und meinte versöhnlich: „Nimm es Aramis nicht übel. Er macht sich eben Sorgen um dich. Und er kennt sich mit solchen Dingen aus. Seinem Urteil kannst du ruhig vertrauen.“
Ich antwortete nicht, konnte mir aber ein Schnauben nicht verkneifen. Eigentlich hatte ich auch große Lust, Porthos zu zeigen, was ich davon hielt, hier eingesperrt zu sein, was ich in dem Ausmaß gar nicht von mir kannte. Am liebsten hätte ich den Teller Suppe nämlich nach ihm geworfen.
Wenn Aramis recht hatte und ich dem Laudanum so verfallen war, dass ich es nicht mehr selber absetzen konnte, war dann diese anhaltende Aggressivität auch ein Symptom?
Porthos hatte mittlerweile das Zimmer wieder verlassen und ich schloss die Augen und legte den Kopf an die kühlende Scheibe. Ich merkte schon wieder, dass ich Kopfschmerzen bekam und auch meine Hände hatten wieder zu zittern begonnen, was ich vor Porthos tunlichst verborgen hatte. Bei meinem Glück hatte er es sicher dennoch bemerkt und erzählte es Aramis bei der nächsten Gelegenheit.
Ich öffnete die Augen wieder und stand auf. Ein bisschen frische Luft war vielleicht nicht die blödeste Idee. Das Bleiglasfenster war in drei schmale Partiellen von vielleicht 10 Zentimetern unterteilt. An der mittleren fand ich einen Haken, mit dem ich diese öffnen konnte. Die anderen beiden waren, wie ich bei näherer Betrachtung feststellte, vernagelt worden.
Hatte Aramis wirklich geglaubt, ich würde durch das Fenster fliehen, wenn es durch die Tür nicht ging? Und hatte er mich deswegen hier eingesperrt und nicht in meinem eigenen Zimmer?
Meine Sympathie für ihn sank immer mehr. Wenn wir das hier hinter uns gebracht hatten, würde er sich das wieder hart erarbeiten müssen. Andererseits war ich ihm in letzter Zeit nicht sehr unnachgiebig gegenüber gewesen. Wahrscheinlich würde meine Standfestigkeit daher auch wieder dahinschmelzen, sobald er mich ungefragt in den Arm nahm.
Ohne wirklich auf das Treiben auf dem Hof zu achten, schaute ich hinaus, bis plötzlich Minard meine Aufmerksamkeit auf sich zog, der, das Gesicht zur Faust geballt, über den Hof trabte und Trévilles‘ Zimmer zustrebte.
Mit großen Schritten sprang er die Treppe hinauf und pochte an die Tür, dass die ganze Garnison wackelte. Als sich nichts rührte, pochte er erneut und rief dann alarmierend: „Hauptmann Tréville? Ich muss Meldung machen!“
Hilfesuchend blickte er sich um und zu seinem Glück ritt in dem Augenblick der Captain in den Hof und sprang vom Pferd.
„So? Welche Meldung denn?“
Deutlich langsamer ging er ebenfalls die Treppe hinauf. Minard senkte ein wenig die Stimme, damit nicht die ganze Straße seine Meldung hören konnte, doch ich verstand ihn trotzdem, als er antwortete: „Die Mademoiselle Elisabeth, die Zeugin in dem Bourbon-Busset-Fall ist verschwunden.“
Er erntete ein schnaubendes Lachen, während Tréville sein Büro öffnete, dann antwortete Tréville: „Minard, Ihr solltet Euch hier in der Garnison wieder ein bisschen aktiver und vor allem mit offenen Ohren einbringen. Die ganze Garnison weiß mittlerweile, dass die Mademoiselle ein paar Tage hier schläft. Nebenbei bemerkt hatte ich Euch bereits einmal untersagt, unaufgetragene Nachtschichten zu schieben.“
Damit hielt er Minard auffordernd die Tür auf, durch die dieser geschlagen trat und schloss diese dann hinter sich.
Eine geschlagene Stunde dauerte die Unterredung zwischen den beiden und es schien sich dabei nicht um ein Kaffeekränzchen zu handeln, denn als Minard wieder raus kam, warf er die Tür mit deutlich mehr Schwung, als nötig, wieder ins Schloss.
Dann rauschte er die Treppe hinunter und strebte seinem Zimmer zu.
„Minard.“, schallte da Athos‘ Stimme über den Hof, einen Augenblick später erschien der in meinem Sichtfeld, blieb lässig stehen und stützte sich leicht auf seinem Degen, den er in der Rechten hielt, ab.
„Was, Athos? Tréville hat mir schon den Kopf gewaschen, da musst du das nicht auch noch tun.“, antwortete Minard mit einer Schärfe, die ich ihm gar nicht zugetraut hatte. Ein paar Kadetten sahen sich vielsagend an und brachten sich in Position für ein weiteres Schauspiel. Ich wusste, warum. Ich war mittlerweile lange genug unter Musketieren, um zu wissen, dass Athos einen ausgezeichneten Ruf hatte und unter den Musketieren sehr angesehen war. Keiner der Soldaten und erst recht niemand von den Kadetten, die er ja ausbildete, wagte es je, ihm gegenüber so einen Ton anzuschlagen.
Athos allerdings blieb überraschend ruhig. Er grinste sogar ein wenig.
„Ich weiß nicht, was Tréville dir gesagt hat, aber wenn du mich fragst, solltest du dringend ein paar Tage schlafen. Du siehst schon aus, wie unsere kleine Drogenabhängige.“ Er nickte in meine Richtung und wies dann mit dem Degen auf Minards Gesicht. Der schaute fragend zurück und antwortete: „Elli? Wo ist sie eigentlich? Letzte Nacht…“ Er hielt inne, aber Athos hatte schon verstanden. Sein Blick wurde wieder finsterer, als er antwortete: „Ja, sie schläft im Augenblick hier in der Garnison. Für dich die ideale Gelegenheit, um Schlaf nachzuholen, von deinem Dienst mal abgesehen.“
„Hatte ich gerade vor. Und Tréville hat mich für ein paar Tage vom Dienst frei gestellt.“, giftete Minard zurück, drehte sich um und ließ Athos dann einfach stehen.
Der blieb zurück, weiterhin gelassen dastehend und ließ sich, in seiner üblichen Manier, nichts anmerken.
Dann zuckte er die Schultern, wandte sich den anderen Kadetten zu, die ein wenig enttäuscht wirkten und fragte scharf: „Habt ihr nichts zu tun?“
Sofort sprangen die Männer auf und brachten sich wieder in Position.
Athos nickte befriedigt, warf dann einen Blick zu mir nach oben und ging nach drinnen.
Ich schloss das Fenster wieder – es war empfindlich kalt im Zimmer, obwohl wir mittlerweile April hatten, wann wurde es eigentlich endlich wieder wärmer – und ging mit schweren Kopf hinüber zum Bett.
Meine Abhängigkeitssymptome hatten weiter zugenommen und ich spürte auch, dass ich fieberte. Gleichzeitig klapperte ich zum Gotterbarmen mit den Zähnen und ich hoffte, dass ein paar Stunden Schlaf Linderung brachten.

Es dämmerte bereits, als ich wieder wach wurde. Mein Blick fiel sofort auf Athos, der seinen Platz an der Tür wieder eingenommen hatte und mich beobachtete. Er nickte mir zu, als ich mich aufrichtete.
„Trink was, du schwitzt sehr viel Wasser aus.“
Gehorsam griff ich nach dem Becher auf meinem Nachtschränkchen, das ein unsichtbarer Geist wieder gefüllt hatte und fragte dann: „Wo ist Aramis denn den ganzen Tag?“
„Er hat Schicht. Hat versucht, bei Tréville einige Tage frei zu erwirken, aber der konnte ihn nicht entbehren, weil ein Mann ausgefallen ist.“
Demnach schob Aramis wohl Minards Schicht, während der sich ausschlief.
Ich ließ mich wieder in die Kissen fallen und drehte mich zur Wand. Durch den Schlaf fühlte ich mich ein wenig erholter, als nach der letzten Nacht, aber er hatte weder mein Fieber, noch den Schüttelfrost gelindert, sodass ich es nicht über mich brachte, Athos weiter nach Minard auszufragen, dabei konnte ich mir denken, dass Athos dessen Dienstpläne gut genug kannte, um mir Auskunft zu geben. Andererseits, wie ich im wegdämmern bemerkte, war es vielleicht besser, keinen der Musketiere mit meinen Fragen zu Minard misstrauisch zu machen. Ob die Dienstpläne längere Zeit gelagert wurden? Ich wusste schon, dass sie für jeden Musketier wöchentlich ausgehängt wurden. Somit musste ich nur herausfinden, ob es die Pläne der letzten paar Monate noch gab und wo man sie aufbewahrte.
Ich schlief wieder ein und fand mich diesmal in der Uni in einem Vorlesesaal wieder. Vorn am Professorenpult stand eine Liege, auf der unverkennbar ein menschlicher Körper unter einem Laken lag.
Ich stand auf und murmelte den Kommilitonen links von mir zu: „Ich muss mal raus, ich glaub, ich bin im falschen Studiengang.“
In dem Augenblick trat der Prof in den Raum. Ich erstarrte, als ich den Duc d’Antoin erkannte, der sich in Lichtgeschwindigkeit zu bewegen schien.
„Wie kann der nur so schnell hier sein?“, fragte ich und erntete ein: „Liebling, ich bin schon eine ganze Weile wieder hier.“ Aus dem Mund des Profs, der sich ausschließlich an mich wandte. Peinlich berührt ließ ich mich wieder auf meinen Platz fallen, doch ich hatte nichts zum Schreiben dabei, meine Tasche war verschwunden.
„Kann ich mir dein Tablet leihen?“, murmelte ich meinem Nachbarn zu, der mit der Stimme des Profs antwortete: „Was ist ein Tablet?“
Ich schaute ihn fragend an, einerseits, weil er so komisch redete, andererseits, weil er nicht wusste, was ein Tablet war und meinte: „Ich nehm‘ auch einen Kugelschreiber, hauptsächlich was zum Schreiben.“
„Sie phantasiert wieder. Lass sie einfach.“, sagte mein Nachbar auf der anderen Seite und beide wandten sich von mir ab.
Vorne referierte der Duc d’Antoin über Mumien und die Leichenschau und zog auf dann mit einem Ruck das Laken von dem menschlichen Körper.
„Francois ist tot!!!“, rief ich gellend aus, als ich diesen auf der Liege erkannte und einen Augenblick später fand ich mich in einem anderen Zimmer wieder, in dem nur ein Schreibtisch und eine Liege standen.
„War ja klar, dass ich nach all der Geschichte beim Seelenklempner lande.“, brummte ich, als die Tür aufging und ein Arzt mit Klemmbrett herein kam. Er schaute überrascht und fragte: „Seelenklempner?“
„Na ein Psychodoktor. Sind Sie doch, oder? Bisher kenne ich Ihre Sorte zum Glück nur aus dem Fernsehen.“
Er trat näher und drückte mich sanft auf das Bett, dann fragte er mich direkt neben meinem Ohr: „Ellibelle, ich verstehe weder das eine, noch das andere.“
Dann wandte er sich an einen weiteren Arzt, der eingetreten war und sagte: „Bringst du mir bitte ein paar kalte Wickel? Das Fieber ist wieder gestiegen.“
„Wie können Sie das wissen, ohne Fieberthermometer?“, fragte ich.
Er antwortete nicht auf meine Frage, sondern drehte mich an den Schultern zu sich und sagte: „Gut, Ellibelle. Wir sind ein wenig unter uns. Vielleicht magst du mir endlich ein paar Fragen beantworten.“
Das Gesicht des Arztes wandelte sich. Nun war es Lion, der mich anblickte und fragte: „Vielleicht fangen wir mit der Frage an, wer deine Waffe für dich gefertigt hat, denn eine solch innovative Technik habe ich noch nie gesehen.“
„Lion, was bin ich froh, dich zu sehen.“, rief ich stattdessen aus. „Du glaubst nicht, was mir passiert ist. Ich.. glaube, ich bin irgendwie durch die Zeit gefallen.“
Lion schien nichts zu verstehen, er schaute nicht einmal fragend, sondern sagte stattdessen geduldig: „Du benutzt ständig so eigenartige Begriffe. Metro, Kaffeemaschine…“
„Gibt’s Kaffee? Ich glaube, den brauche ich mittlerweile intravenös. Ich bin so müde…“
„Dann solltest du auch wirklich schlafen.“, antwortete Lion.
Frustriert rief ich aus: „Lion, verstehst du mich denn nicht? Ich hab ein Problem, ich bin nicht mehr im 21. Jahrhundert.“
Ich wurde auf die Liege gedrückt, Lions Gesicht über mir und wehrte mich gegen seinen Griff, während ich gleichzeitig schrie und weinte, dass er mich verstehen und mir helfen sollte, dann sagte er plötzlich mit veränderter Stimme: „Hier. Die Wickel.“
Einen Moment später wurde ich äußerst unsanft wieder in das Krankenzimmer und mein Bett da gerissen, als Aramis nasskalte Tücher um meine Waden wickelte. Mein Gesicht war nass, teils vor Schweiß, teils, weil ich tatsächlich im Schlaf geweint hatte. Aramis‘ Gesicht erschien in meinem Blickfeld und er strich mit einem kalten Lappen über mein Gesicht.
„Ist schon wieder Morgen?“, fragte ich desorientiert. „Hm.. sehr, sehr früher Morgen.“
Er half mir in eine Sitzende Position und tatsächlich war das Zimmer in das goldene Licht einer Kerze getaucht.
„Trink was.“, ordnete Aramis an und hielt mir einen Becher an die Lippen. Ich nahm ihn und trank gierig, denn ich fühlte mich so ausgedörrt, als wäre ich Stunden durch die Sahara gelaufen. Ich trank den ganzen Becher aus und gab ihn dann Aramis wieder. Der stellte ihn zur Seite.
„Geht’s wieder?“
Ich nickte. „Ich hab ziemlich wirr geträumt. Und bestimmt auch viel wirres geredet, oder?“, fragte ich, da mir nun die Erinnerung an meinen Traum wieder kam.
Aramis musterte mich eigenartig wissend und fragte: „War es denn wirres Zeug?“
Ich blickte auf meine Hände und dann wieder in sein Gesicht. Eine ganze Zeit lang schwieg ich, dann antwortete ich: „Nein, war es nicht.“
Ich wusste nicht, woher das kam. Aber ich sehnte mich mit jeder Faser meines Körpers, ihm zu erzählen, woher ich kam und was ich ihm seit Wochen verschwieg. Und doch war da eine Blockade in mir. Was, wenn er mir nicht glaubte? Oder noch schlimmer, mich der Hexerei bezichtigte?
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