Nicht allein
von Idris1707
Kurzbeschreibung
Manchmal liegt er nachts wach und fragt sich, ob das nicht ein großes, kosmisches Missverständnis ist, dass er Teil dieses Clusters geworden ist. Was hat er überhaupt hier zu suchen? [Sense8, Wolfgang-zentriert]
GeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
25.01.2017
25.01.2017
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6.426
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Dieses Kapitel
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25.01.2017
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Was zur Hölle ist Sense8:Kennt hier überhaupt jemand Sense8? Wenn nein .... uhm, das ist schwer zusammen zu fassen. Es geht um 8 Menschen auf der ganzen Welt, die eines Tages merken, dass sie "connected" sind und das fühlen was die anderen auch fühlen und sogar ihre Fähigkeiten und ihr Wissen anzapfen können (ein Cluster). Klingt total Banane (ist es auch) aber macht halt echt Spaß zu gucken. HIer ein Trailer, wenn jemand interessiert ist: https://www.youtube.com/watch?v=E9c_KSZ6zMk
Auf jeden Fall ist Wolfgang ein Kleinkrimineller in Berlin (der von dem wirklich ganz entzückenden Max Riemelt gespielt wird). Kann ich nur empfehlen.
Und weil ich immer gerne Werbung für meine unbekannten Lieblingsserien mache:
https://www.youtube.com/watch?v=sIItFuIBQ5I
http://goldandcold.tumblr.com/tagged/sense8
Fandom: Sense8
Charaktere: Wolfgang + der Rest des Clusters (winzige Kala/Wolfgang hints)
Warnungen: schamloser hurt/comfort, Wolfgang hat issues
Vorwort: Ich hab das angefangen bevor das Weihnachtsspecial rauskam und beziehe mich wirklich rein gar nicht darauf. Außerdem habe ich Litos und Wills eigene Storylines mal komplett außer Acht gelassen für diese Geschichte. Das musste leider sein. Aber ich gehe davon aus, dass sie Whispers irgendwann los werden.
„Dein Onkel hatte viele Freunde“, zischt die Stimme direkt an seinem Ohr. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, du Penner.“
Bullshit.
Das ist das Erste was Wolfgang denkt. Buuuull~shit! Denn wenn sein Onkel eins ganz sicher nicht war und auch niemals gewesen ist, dann ein guter Freund für irgendjemanden. Der hatte keine Freunde. Nie im Leben.
Er spricht das nicht laut aus, denn da wird ein Messer in seine Nierengegend gedrückt und er ist nicht völlig lebensmüde.
Nicht komplett wenigstens. Vielleicht ein bisschen, aber nur manchmal. Und nicht grade jetzt.
Unter ihm rauscht die Spree und in der Ferne grummelt ein herannahendes Gewitter, und er ist wütend auf sich selbst, weil er sich hat überrumpeln lassen wie ein Anfänger.
Sie sind zu fünft oder zu sechst, schätzt er, er kann sie nur aus den Augenwinkeln sehen. Zwei von ihnen drücken ihnen gegen das Geländer und da ist das dämliche Messer unterhalb seiner Rippen, dessen Spitze sein T-Shirt durchlöchert hat und sich unangenehm fest in seine Haut bohrt. Wolfgang hat nicht viel Bewegungsspielraum, vorne bohren sich die Eisenstangen in seine Rippen und Schlägertyp Nr. 2 hat seinen Arm schmerzhaft auf den Rücken gedreht.
Er fragt sich, ob es sich lohnt Sun dafür zu wecken. Das ist sein zweiter Gedanke.
Sun verspeist Berliner Kleinkriminelle vermutlich zum Frühstück und kann danach direkt weiterschlafen.
Aber die Typen hier… die wollen ihn nicht umbringen. Er ist zumindest halbwegs sicher, dass sie das nicht wollen. So… 75% sicher.
Die wollen nur spielen.
Sein dritter Gedanke ist einfach nur Dankbarkeit, darüber, dass Felix heute eine Verabredung mit einem ‚heißen Feger‘ hat (Felix‘ Worte, nicht seine), und deswegen nicht hier ist. Felix ist loyal bis zum Schluss, aber er hat eine viel zu große Klappe und irgendwann redet er sich noch um Kopf und Kragen.
Aber nicht hier, nicht heute.
„Heilige Scheiße!“ japst eine Stimme und er hält inne. Einen Moment lang hat er das schwindelerregende Gefühl an drei Orten gleichzeitig zu sein, er spürt die kalte Berliner Nachtluft und die mexikanische Nachmittagssonne zugleich, es ist heißkalthelldunkel… und dann steht er plötzlich neben Lito und kann aus drei Metern Entfernung dabei zusehen wie er gegen das Geländer gedrückt wird.
So sieht das also aus.
Nicht besonders cool.
„Wirklich?“ fragt Lito vorwurfsvoll. „Schon wieder?“ Er trägt eine schwarze Lederhose mit Fransen und ein mit Kunstblut durchtränktes weißes Hemd, dass zur Hälfte aufgerissen ist und seinen eingeölten Oberkörper präsentiert.
Wolfgang spürt wie ein Grinsen an seinen Mundwinkeln zerrt. „Das war nicht geplant. Diesmal nicht.“
„Du findest dich öfter vor Waffen wieder als ich – und ich drehe Actionfilme!“ Lito gestikuliert heftig und wedelt mit einer silberbeschlagenen Pistole hin und her. Wie immer kommt sein spanischer Akzent noch deutlicher zum Vorschein wenn er sich aufregt. „Was ist dein Plan? Hast du einen? Wer sind die Typen überhaupt?“
„Keine Ahnung. Geschäftspartner von meinem Onkel, nehme ich an.“ Wolfgang versucht ein paar der Kerle zu erkennen, aber in der Dunkelheit ist es schwer. „Ich versuche es herauszufinden, aber über mehr als Beleidigungen sind sie noch nicht hinausgekommen.“
Plötzlich verzieht Lito schmerzhaft das Gesicht und packt sich reflexartig an die Seite. Als er die Hand wieder löst, klebt Blut an seinen Fingern. „Was…“
Wolfgang runzelt die Stirn. „Was hast du-…?“ beginnt er, aber Lito unterbricht ihn.
„Das ist nicht mein-… Wolfgang!“ Es klingt scharf und dann findet sich Wolfgang schlagartig wieder ans Geländer gepresst wieder und… shit, fuck, das darf doch nicht wahr sein. Der Vollpfosten hat tatsächlich so fest mit dem Messer zugedrückt, dass er seine Haut geritzt hat.
„… uns nochmal alles vermasselt, kannst du was erleben“, raunzt der Typ grade.
Blut sickert warm und klebrig in sein T-Shirt. Wolfgang beißt die Zähne zusammen.
Ein Blitz zuckt über den schwarzen Nachthimmel, eine Sekunde lang blendet ihn das Kameralicht, es ist heiß und grell, und dann ist es schlagartig wieder kalt und dunkel.
Er wird gegen das Geländer gepresst und dann steht er wieder neben Lito, drei Meter entfernt und kann sich selbst sehen.
Das hört niemals auf seltsam zu sein.
„Oh mein Gott, oh mein Gott“, japst Lito atemlos. Er zerrt an Wolfgangs Arm, als möchte er ihn am liebsten sofort von hier wegschleifen. „Wir brauchen Hilfe. Lass mich schnell Will… oder Sun…“
„Nein!“ befiehlt Wolfgang scharf.
„Was? Entschuldige mal, aber die sind dabei dich abzustechen!“
„Die spielen sich nur auf, machen einen auf dicke Hose.“ Wolfgang zuckt mit den Schultern. Mit solchen Kerlen kennt er sich aus.
Mit solchen Kerlen ist er aufgewachsen.
Einer davon war sein Vater.
„Ist das dein Ernst?“ Lito rauft sich die perfekten Haare.
„Ich muss rausfinden, was sie wollen“, sagt er widerwillig als Lito immer noch nicht glücklich aussieht. „Typen wie der? Die hören sich einfach gerne selber reden. Wenn man sie nur lange genug reden lässt, erzählen sie einem auch das was man wissen will.“
Nicht zu wissen wer der Feind ist, ist in seinem Leben immer das Gefährlichste gewesen. Wenn sie ihn nur ein bisschen rumschubsen und beleidigen wollen, ist das ein geringer Preis dafür rauszufinden vor wem er sich in acht nehmen muss.
Wenn er sie jetzt mit Hilfe von Sun oder Will zusammenschlägt, dann ist er auch nicht schlauer als vorher. Und dann hat er spätestens in einer Woche genau das gleiche Problem wieder.
„Ich nehme nicht an, dass du auch diesmal eine Bazooka aus dem Kofferraum herbeizaubern kannst?“ fragt Lito hoffnungslos.
Wolfgang schüttelt den Kopf und hebt einen Mundwinkel. „Kein Auto, keine Bazooka.“
Lito flucht leise. Er hebt die Hand und feuert wütend eine Ladung Platzpatronen auf die Typen, was rührend, aber leider nutzlos ist. „Ich bin am Drehen“, sagt er schließlich. „Aber ich bin hier, okay?“ Eindringlich sieht er Wolfgang an. „Wenn du mich brauchst…“
„Ich weiß“, sagt Wolfgang.
„Also mach keinen Mist.“
„Ich? Niemals.“
„Komm her.“ Und dann umarmt Lito ihn und klopft ihm nachdrücklich auf die Schultern, so wie jedes Mal wenn sie sich verabschieden. Das ist eine von vielen Kleinigkeiten, die Wolfgang an Felix erinnern und einer von vielen hundert Gründen wieso er Lito so gut leiden kann.
„Keine Sorge, ich weiß, was ich tue“, versichert Wolfgang.
„Ich glaub dir kein Wort.“
„Wirklich.“
Als er es sagt, ist das auch durchaus ernst gemeint.
Zehn Minuten später fragt er sich, ob diese Aussage nicht vielleicht ein bisschen voreilig war.
Zehn Minuten später weiß Wolfgang zumindest schon mal, dass die Typen deswegen so angepisst sind, weil sein Onkel offenbar ihr Kontakt zur Russenmafia gewesen ist, und sie jetzt nicht mehr wissen, wie sie an die Drogen kommen sollen, die sie vertickern.
Es ist die Rede von einem zwei Millionen Deal, den Wolfgang versaut hat.
Und das sind natürlich zwei Millionen guter Gründe auf ihn sauer zu sein.
Aber zehn Minuten später liegt er auch mit blutigem Gesicht auf dem Boden und irgendjemand tritt ihm in die Rippen. Jemand zerrt ihm seine Lederjacke von den Schultern, weil die offenbar zu schade ist um im Dreck zu liegen. Im Gegensatz zu ihm.
Gelächter hallt in seinen Ohren, verzerrt wie durch einen Lautsprecher. Feuchtigkeit sickert durch sein T-Shirt. Er blinzelt durch den Regen und sieht Pflastersteine und Springerstiefel in Großaufnahme, und aus den Augenwinkeln das eiserne Geländer mit dem sein Kopf grade schmerzhafte Bekanntschaft gemacht hat.
Sein Kopf dröhnt und irgendjemand hat ihm definitiv grade ein paar Rippen angeknackst.
Das ist okay.
Wirklich.
Er hat das im Griff.
Er hat damit gerechnet, dass sie ihn verprügeln. Wolfgang hat keine Angst vor ein bisschen Dresche. Wenn er eins kann, dann einstecken.
Kein Heulen, kein Zusammenzucken. Zähne zusammenbeißen und durch.
Womit er nicht gerechnet hat, ist das einer der Vollpfosten auf einmal eine Knarre zieht und auf ihn richtet.
„Verdammter Hurensohn, ich mach dich kalt!“ faucht er.
Panik schießt durch seine Adern.
Eine Sekunde lang sieht er Kalas Gesicht vor sich und er schließt diese Tür so fest er kann.
Das will er ihr nicht auch noch antun. Nicht das.
Dass sie ihn hier sterben sieht.
Im Regen. Auf der Straße.
Kaltes Metall wird gegen seine Schläfe gepresst.
Er denkt an Felix, der völlig aufgeschmissen ist ohne ihn und er beißt die Zähne zusammen.
Die Blitze zucken über den Himmel, immer schneller immer dichter und ein ohrenbetäubender Donner zerreißt die Nacht. Der kalte Asphalt ist hart und nass unter seinen Händen, als er sich nach oben stemmt.
Mit einem Mal ist der Regen weg und er kniet in einer winzigen, dunklen Zelle. Betonwände rechts und links. Schwer atmend hebt er den Kopf.
„Hi“, bringt er hervor.
Sun hebt die Augenbrauen.
„Ich… ich könnte vielleicht ein bisschen Hilfe gebrauchen“, gibt er zu.
Einen Augenblick lang sieht Sun ihn an, bevor sie ihm eine Hand entgegenstreckt. „Du hast Glück“, sagt sie leise und zieht ihn hoch. „Ich bin grade wach geworden.“
Regen prasselt auf sein Gesicht. Er kniet auf dem kalten Asphalt, die Waffe bohrt sich in seine Schläfe. Und dann steht er neben sich, im wahrsten Sinne des Wortes, und es ist Sun, die am Boden kniet, die Knarre an ihrem Kopf.
Die Welt kippt um ihn herum zur Seite. Eine Hand greift nach seinem Ellbogen und hält ihn aufrecht.
Normalerweise zuckt Wolfgang zusammen, wenn man ihn unerwartet anfasst. Schon immer. Und ohne, dass er es ändern kann. Aber diesmal nicht und deswegen weiß er, dass es einer der anderen sein muss.
„Sun. Sei vorsichtig“, sagt eine ruhige Stimme neben ihm. Es ist Will.
Wolfgang ist nicht ganz sicher ob er erleichtert oder peinlich berührt ist, dass Will hier ist. Will hat ihm schon mal den Arsch gerettet. Das wird langsam zur Gewohnheit.
„Was ist das für eine Waffe?“ fragt Sun durch zusammengebissenen Zähnen. Ihre Augen flackern von einem Typ zum nächsten und Wolfgang kann sehen wie sie die Situation mit wenigen Blicken erfasst.
„Walter PP. Halbautomatik. Standardpolizeiwaffe. Er hat einen Schuss, bevor er neu entsichern muss. Geringes Risiko, dass sie bei Erschütterungen losgeht“, rasselt Will hinunter.
„Gut.“ Sun nickt.
Sie bewegt sich so schnell, dass Wolfgang ihr kaum mit den Augen folgen kann. Sie springt auf und wirbelt herum, alles in einer einzigen fließenden Bewegung. Ein Schuss zerreißt die Stille und Wolfgang spürt den Luftzug an seinem Gesicht als die Kugel Zentimeter entfernt von ihm vorbeisaust. Sun explodiert in einen Wirbel aus Armen und Beinen. Sie tritt und schlägt um sich, alles so geschmeidig und so schnell, dass Wolfgang schwindelig wird. Er ist hier und in ihrer Zelle, er kniet am Boden, er wirbelt herum. Alles passiert gleichzeitig und sein Kopf pulsiert schmerzhaft im Rhythmus seines pochenden Herzen. Noch nie ist er so froh gewesen, dass jemand anderes grade seinen Körper steuert wie jetzt.
Er kann zuschlagen. Er kann einstecken und austeilen und er kommt meistens nicht einmal schlecht weg in einer Prügelei. Aber das was Sun macht ist auf einem ganz anderen Level. Das ist die Art ‚Ballet des Todes‘ die man sonst nur in gut choreografierten Actionfilmen sieht.
Einer der Typen landet mit einem Stöhnen auf dem Boden, der nächste prallt gegen das Geländer.
„Hinter dir!“ Wills Stimme ist scharf.
Sun wirbelt herum. Wolfgang wirbelt herum. Sun schlägt zu. Das Messer fällt scheppernd zu Boden. Wolfgang hört das unangenehm laute Knacksen als das Handgelenk gebrochen wird. Mit einem Aufschrei geht der Typ zu Boden.
Jemand packt nach seiner Schulter und Sun packt die Hand und macht eine Rolle rückwärts. Sie knallt dem Typen ihren Ellbogen ins Gesicht und sie gehen gemeinsam zu Boden.
„Die Waffe“, befiehlt Will. „Weg mit der Waffe.“
Wolfgang krabbelt eilig zu der Pistole, die immer auf dem Boden liegt, dort wo Arschkeks Nummer zwei sie fallen gelassen hat. Gehorsam wirft er sie über das Geländer und hört das dumpfe Platschen als sie im Wasser landet.
Erst jetzt registriert sein Körper, was er grade alles getan hat. Sterne explodieren hinter seinen Augenlidern vor Schmerz und er würgt nach Luft. Er zwingt sich vorsichtig weiter zu atmen und presst eine Hand auf seine Rippen.
„Shit“, haucht er. „Shit. Fuck.“
„Kannst du aufstehen?“ Will klingt besorgt. „Hey.“
Wolfgang nickt. Als er schwer atmend den Kopf hebt, werden ihm zwei Hände entgegengestreckt.
Falscher Stolz schnürt ihm die Kehle zu. Er möchte ablehnen.
Er schafft das schon. Er schafft es immer.
Ganz alleine.
Er braucht niemanden.
„Komm schon“, sagt Will sacht. Sun nickt auffordernd.
Wolfgang lässt sich von ihnen auf die Beine ziehen. Regen perlt ihm über das Gesicht. Seine Jacke ist irgendwo hin verschwunden (vermutlich auf nimmer Wiedersehen in der Spree gelandet) und ihm fällt jetzt erst auf wie kalt es ist.
„Irgendjemand hat die Polizei gerufen“, sagt Will und hat den Kopf aufmerksam zur Seite geneigt. „Ich höre die Sirenen.“
„Wir sollten verschwinden“, stellt Sun fest. „Cops machen nie irgendwas besser.“
„Hey“, protestiert Will indigniert.
Wolfgang nickt und fährt sich mit dem Handrücken über seine aufgeplatzte Unterlippe, um das Blut wegzuwischen.
Sun hat recht. Er muss wirklich hier weg. Er kann jetzt nicht verhaftet werden.
„Wartet“, sagte er. „Ich muss…“
Er atmet tief durch und schließt die Augen. Er ist nicht sicher, wie es funktioniert, weil es ihm nie jemand erklärt hat und es doch irgendwie komplizierter ist als einen Anruf zu tätigen. Aber als er sie wieder öffnet, steht er einem bunt eingerichteten Wohnzimmer. Warme Nachmittagssonne flutet durch die Glasperlenvorhänge nach drinnen.
„Oh mein Gott!“ Nomi springt von der Couch auf.
Amanita, die ihre Füße eben noch in Nomis Schoss hatte, lässt ihr Buch fallen und erhebt sich langsam, während sie sich verwirrt herumdreht. „Was? Was ist?“
„Was ist passiert?“ fragt Nomi. Zu Amanita gewandt, erklärt sie hastig: „Es ist Wolfgang.“
„Wuhuu!“ Amanita stößt eine Faust in die Luft. „Ist er nackt?“
Wolfgang schnaubt. „Sag deiner Freundin ‚hi‘.“
„Nein, er ist verletzt. Er sagt ‚hi‘ – was zur Hölle ist passiert?“ Vorsichtig tastet Nomi nach seinem Gesicht.
Wolfgang schüttelt den Kopf und wedelt reflexartig ihre Hand beiseite. „Nicht so wichtig. Kannst du- kannst du was für mich tun?“
„Natürlich“, erwidert sie ohne zu Zögern. Sie hebt die Augenbrauen, als sei das eine selten dämliche Frage.
Klar. Das ist es ja auch. Wolfgang würde ja auch alles, alles für sie machen. Für jeden einzelnen von ihnen. Was super seltsam ist, denn sie kennen sich eigentlich alle gar nicht.
Aber eigentlich doch. Er kennt sie besser als er irgendeinen anderen Menschen kennt, vielleicht sogar besser als Felix, und er hätte nicht gedacht, dass das möglich ist.
Er hat sich nur immer noch nicht so richtig daran gewöhnt, dass das auch anders herum gilt. Dass es jetzt auch noch andere Menschen außer Felix gibt, die bereit sind alles stehen und liegen zu lassen für ihn. Immer. Jederzeit.
Nomi greift nach seiner Hand und dann stehen sie nebeneinander im Regen.
Sie starrt auf die Kerle hinab, die sich stöhnend und halb bewusstlos auf dem Boden winden. Ihr Blick flackert zu Sun und Will hinüber, und Wolfgang kann sehen wie es hinter ihrer Stirn arbeitet. Aber Nomi ist nichts als effizient, wenn es darauf ankommt. Sie schluckt sämtliche Fragen hinunter, die sie offensichtlich hat und fragt: „Was soll ich tun?“
Wolfgang zerrt sein Handy aus der Hosentasche. „Wenn du Bilder von ihnen hättest… könntest du sie durch den Computer jagen und etwas über sie herausfinden? Ich hab keine Namen. Ich weiß nur, dass sie mit der Russenmafia rumhängen und Drogen in Berlin vertickern.“
Nomi nickt. Wortlos nimmt sie ihm das Handy ab.
Das Blitzlicht zuckt durch die Dunkelheit, als sie eilig ihre Gesichter abfotografiert. „Ich schick sie an mein Handy.“
Wolfgang nickt dankbar. „Sie haben immer irgendwas von ‚Pika‘ erzählt“, ergänzt er. „Ich bin nicht sicher, ich glaube das ist…“
„…Crystal Meth“, sagt eine andere Stimme neben ihm und er wendet überrascht den Kopf.
Es ist Riley. Sie hat die Kopfhörer von den Ohren gezogen und ihre Augen sind weit und erschrocken. „Das ist ein Straßenname für Crystal Meth. Pika, Yabba, Ice, Hard Pep“, rattert sie herunter. Ihre Augen flackern zu den Typen auf dem Boden und zu Wolfgangs blutigem Gesicht und sie ist noch bleicher als sonst. „Was ist passiert?“
„Familienstress“, erwidert Wolfgang.
„Hey“, sagt Will behutsam. In zwei Schritten steht er neben ihr und berührt vorsichtig ihren Ellbogen. „Es ist okay, wir haben alles im Griff.“
Riley nickt zögernd.
„Sorry“, sagt Wolfgang. Er weiß nicht genau was los ist, er weiß nicht, was ihr passiert ist; alles was er spürt ist, dass sie erschrockenverunsicherterschüttert ist und dass es etwas mit der ganzen Gewalt und den Drogen zu tun hat.
Aber sie haben ja alle eine Vergangenheit. Er weiß das besser als die meisten.
Riley schluckt und er kann beinah sehen wie sie sich zusammenreißt. „Sei vorsichtig“, sagt sie. „Und wenn du irgendwas über das Zeug wissen musst…“
„…dann weiß ich wo ich dich finde.“ Wolfgang nickt. „Ich frag auch nicht, wieso du so viel Ahnung von Drogen hast. Ich respektiere jede Art von krimineller Vergangenheit.“
Riley lächelt matt. Sie drückt Wills Hand und sie küssen sich zum Abschied.
Wolfgang wendet den Blick ab, auch wenn Privatsphäre beinah ein Fremdwort geworden ist zwischen ihnen.
Als er sich umdreht, ist Riley fort, und Will sieht beunruhigt über seine Schulter.
„Komm schon. Wir müssen uns beeilen“, sagt er. Die Sirenen werden immer lauter und lauter. „Hast du alles, was du brauchst?“ fragt er Nomi.
„Ja.“ Sie gibt Wolfgang das Handy zurück und greift gleichzeitig nach seiner Hand. „Pass auf dich auf, okay?“
Er nickt.
Er weiß im Nachhinein nicht mehr wie er weg von der Spree gekommen ist, hinein ist das Gewühl dunkler Seitenstraßen, weg von dem bedrohlich herannahenden Blaulicht der Polizei. Er stolpert durch die Dunkelheit, in seinem Kopf nichts als Nebel.
Er hat Wills Stimme im Ohr und Blutgeschmack im Mund. Will verteilt kurze, präzise Kommandos (‚Bleib stehen!‘ ‚Lauf weiter‘, ‚Links‘, ‚Rechts‘), denen er gehorcht, ohne nachzudenken. Sein Körper läuft wie auf Autopilot, aber vielleicht ist es Will, vielleicht es Sun, vielleicht ist es Nomi, die läuft.
Es ist kalt und dunkel, und die helle Sonne blendet ihn, ihm ist heiß, er ist draußen, er ist in einer Zelle, er ist in Wills Auto, er ist in Nomis Wohnzimmer.
Ein Mal, ein einziges Mal findet er sich plötzlich in Kalas Schlafzimmer wieder. Weil er schwach ist und weil er sich nicht von ihr fernalten kann und weil er nicht aufhören kann an sie zu denken.
Aber in Bombay ist es vier Uhr morgens und Kala schläft.
Wolfgang kappt diese Verbindung so abrupt, dass der Boden unter ihm wankt.
„Taxi“, befiehlt Sun. Sie sind an einer großen Straße. Der Verkehr rauscht an Wolfgang vorbei. Er lehnt an einer Hauswand und ringt nach Luft.
„Die Polizei…“ gibt Will zu Bedenken.
„Er klappt gleich zusammen!“ Nomi klingt aufgewühlt. In ihrem Wohnzimmer riecht es nach Kaffee und nach Amanitas Erdbeershampoo.
Will nickt.
Wolfgang ist nicht ganz sicher, was er anstellt um nachts in Berlin ein Taxi dazu zu bringen anzuhalten (das ist so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto), aber irgendwie gelingt es ihm.
Ein Taxi hält neben ihm am Bordstein und lässt das Beifahrerfenster herunter.
Wolfgang japst die Adresse vom erstbesten Hotel was ihm einfällt. Er hält sich am Autodach fest. Seine Knie sind butterweich und er fühlt sich als ob er gleich zusammenklappt. Er weiß nur, dass er nicht nach Hause kann. Nicht nach Hause. Weil diese Typen werden irgendwann wieder aufstehen und die wissen garantiert wo er wohnt.
Der Taxifahrer zögert. Sein Blick haftet auf Wolfgangs zerrissenem T-Shirt und seinem blutigen Gesicht und Wolfgang kann genau sehen wie es hinter seinen Augen arbeitet. Blaulicht und Sirenen jagen bedrohlich durch seinen Kopf.
Sein Herz hämmert.
„Lass mich das machen“, sagt ein Stimme neben ihm.
Lito.
Wolfgang nickt und überlässt ihm erschöpft die Kontrolle.
„Sieht total echt aus, oder?“ sagt Lito entschuldigend. Es klingt seltsam in Wolfgangs Stimme, denn Wolfgang macht sowas wie ‚entschuldigend‘ nicht. „Man sollte meinen, dass Kunstblut besser wieder abgeht, aber nein. Total klebrig, das Zeug.“
„Kunstblut?“
„Dachten Sie, ich laufe immer so rum? Ich komme vom Filmdreh dahinten.“ Lito macht eine Handbewegung in eine unbestimmte Richtung und lächelt charmant. Wolfgang war bis eben nicht sicher, dass sein Gesicht zu so einer Mimik fähig ist.
Zum ersten Mal flackert so etwas wie Erkenntnis über das Gesicht des Taxifahrers. „Ach, der neue Tatort.“ Er klingt gelangweilt.
Lito nickt. „Ich bin die Leiche in der nächsten Folge. Leider keine Sprechrolle. Aber jetzt muss ich echt dringend duschen. Das kriegt man sonst ewig nicht aus den Haaren.“ Er wiederholt die Adresse von dem Hotel und dieses Mal rasselt der Taxifahrer einen furchtbar überteuerten Preis herunter, den Wolfgang widerspruchslos akzeptiert, bevor er sich auf die Rückbank fallen lässt. Sein Kopf rollt kraftlos nach hinten auf die Rückenlehne. Alles dreht sich um ihn herum.
„Dios Mio“, sagt Lito erschüttert. Er sitzt neben ihm und wirft ihm besorgte Blicke zu. Sein Hemd ist zerrissen und von oben bis unten mit Kunstblut beschmiert. Dramatische Kratzer ziehen sich quer über seine Wange und in seinen sorgfältigen gestylten Haaren klebt Erde. „Du hast gesagt, du hast es im Griff!“ Es klingt vorwurfsvoll.
Wolfgang klappt ein Auge auf um einen vorsichtigen Blick nach vorne zum Taxifahrer zu werfen. Aber der ist damit beschäftigt die Musik seines Radios lauter zu drehen und achtet nicht darauf, ob sein Beifahrer Selbstgespräche führt.
„Ich hatte es im Griff“, murmelt er.
„Du siehst halbtot aus!“
„Ich hatte es halb im Griff?“
„Das ist kein Scherz! Du siehst schlimmer aus als ich - und ich bin grade von einer Klippe gesprungen, habe mit einem Bären gerungen, wurde einem Auto überfahren und vier Mal angeschossen!“
Unwillkürlich lächelt Wolfgang. „Was zur Hölle wird das für ein Film? Klingt großartig.“
Der Rest der Fahrt ist ein Kaleidoskop aus vorbeirasenden Autolichtern, den wummernden Bässen aus dem Radio und Lito, der an seiner Seite sitzt und zulässt, dass Wolfgangs Kopf auf seine Schulter rutscht.
„Ich hab dir online ein Zimmer gebucht“, sagt Nomi vom Beifahrersitzt aus. „Ich hab auch schon eine Kreditkartennummer eingegeben. Du musst nur noch einchecken.“
„‘Kay“, murmelt Wolfgang und versucht erfolglos seine Augen offenzuhalten.
„Wolfie.“
Wolfgang hebt die Augenlider und wirft Will, der plötzlich neben ihm sitzt einen wenig begeisterten Blick zu. „Nein.“
Er weiß nicht einmal wie das angefangen hat mit diesem dämlichen Spitznamen. Felix nennt ihn so. Aber Felix nennt ihn schon seit der Grundschule so, das ist was anderes. Felix darf das.
Es ist nicht okay, dass sie ihn ausgerechnet jetzt und hier rauskramen, wenn er verletzt ist und sich nicht wehren kann.
Es zuckt um Wills Mundwinkel und er kapiert verspätet, dass es Absicht war.
„Schlaf nicht ein“, befiehlt Will.
„Ist auch schwer, wenn mich alle zutexten“, murmelt Wolfgang.
„Du musst aufhören uns auszusperren“, sagt Will leise. „Ich hätte dich beinah nicht gehört.“
Wolfgang seufzt. Es ist schwer angepisst zu sein wenn er alles fühlen kann was Will fühlt und wenn er genau weiß wie besorgterschrockenfrustriert Will grade ist.
Er fühlt sich durchlässig, wie aus Papier. Als ob alles haltlos in ihn rein und aus ihm hinausströmt, ohne dass er es aufhalten kann.
Er will sie ja nicht aussperren. Nicht alle wenigstens.
Er will nur Kala aussperren. Weil es besser so ist. Weil sie was Besseres verdient, als einen selbstzerstörerischen Kleinkriminellen vom anderen Ende der Welt.
Es ist nur so schwer eine einzelne selektive Verbindung zu kappen. Es ist viel leichter einfach generell die Mauern hochzufahren.
Er hat nicht damit gerechnet, dass er die anderen so sehr vermissen würde.
Kein Musikhören mehr mit Riley, wo sie einträchtig ihre Kopfhörer teilen, eine Flasche Guinness hin und herreichen und dabei zusehen wie die Sonne im Meer untergeht.
Keine Filmabende mehr mit Capheus und Lito, wo sie dramatisch die besten Szenen nachstellen und darüber diskutieren ob Van Damme oder Schwarzenegger der bessere Actionstar ist.
Keine ziellosen Spaziergänge durch den Tiergarten, damit Sun mal was anderes zu sehen bekommt als ihre Zelle.
Keine Joints mehr teilen mit Nomi und Amanita, bis Amanita so high ist, dass sie anfängt Nancy Drew Romane laut vorzulesen.
Kein Will mehr, der manchmal nach Feierabend bei ihm auftaucht und Blut an der Uniform hat und sich wortlos neben Wolfgang auf die Couch fallen lässt. Es gibt diese schrecklichen Tage bei der Polizei, hat Wolfgang herausgefunden, wo alles schiefläuft und wo zu viel geschossen wird und immer jemand verletzt wird und über die Will nicht reden kann.
Aber das ist ja das Gute an Clusterbuddies. Man muss nicht reden.
Er bekommt nur am Rande mit wie sie ihn im Hotel einchecken. Da ist Will, der eine erstaunlich überzeugende Darstellung eines besoffenen amerikanischen Touristen abliefert, der im Suff über ein Fahrrad gefallen ist und Lito, der kritische Kommentare zu seiner Schauspielerei beisteuert.
Wolfgang wusste nicht mal, wie seltsam es klingt wenn seine Stimme einen amerikanischen Akzent hinlegt.
Die Empfangsdame sieht nicht sonderlich überrascht aus (scheinbar passiert das öfter als man denkt) und bietet an einen Arzt drauf gucken zu lassen.
Will sagt ‚Yes please’, noch bevor Wolfgang ablehnen kann.
Ugh. Na gut.
Wenigstens sind Hotels diskret. Nicht wie Krankenhäuser. Die schalten ständig die Polizei ein, wenn irgendwas suspekt wirkt. Und einfach alles an Wolfgang wirkt immer suspekt.
Wolfgang ist in einem Aufzug und er ist in Wills Wohnzimmer und er liegt auf Nomis Couch. Es ist verwirrend wie sehr alles durcheinander geht, jetzt wo die Tore offen sind und er sie nicht mehr schließen kann. Er sieht Kameralicht und Sonnenlicht und Wills Wohnzimmerlampe und dann leuchtet ihm ein Mann mit einer Taschenlampe in die Augen.
Nichts, was der Arzt sagt, ist irgendwie überraschend.
Ein paar geprellte Rippen und eine Gehirnerschütterung, und er würde ihn lieber über Nacht im Krankenhaus sehen.
Danke, das hat Wolfgang alles schon selber diagnostiziert. Wow, er hätte Medizin studieren sollen. Da bezahlen die Leute einen dafür, dass man ihnen wehtut.
Er lässt ihm ein paar Ibuprofen gegen die Schmerzen da. Sogar die 800er, die es sonst nur auf Rezept gibt. Die kann Wolfgang bestimmt irgendwo vertickern.
Auffordernd schiebt Nomi sie ihm entgegen.
Wolfgang schüttelt den Kopf. „Nein.“
„Komm schon.“
„Nein!“
Nomi seufzt frustriert. „Wieso willst du nicht einmal…?“
„Die machen mich müde, okay?“, faucht Wolfgang. „Ich kann jetzt nicht schlafen. Was ist wenn…“ Er bricht ab. „Darum“, sagt er rau.
Das muss die verdammte Gehirnerschütterung sein. Normalerweise rutschen ihm solche Dinge nicht einfach raus.
Nomis Gesicht wird erst ganz traurig und dann sehr weich und sie tauscht einen Blick mit Will. Wortlos sehen sie dabei zu wie Wolfgang erst die Vorhänge vor den Fenstern zuzieht und dann mit dem Kabel der Nachttischlampe und dem Zahnputzbecher ein wackeliges Gebilde baut, das ihn warnen soll, wenn jemand durch die Tür kommt.
Es ist nicht Paranoia wenn sie wirklich hinter dir her sind.
Es flimmert vor seinen Augen und er reibt sich nachdrücklich mit den Handballen über die Augen.
„Ihr müsst nicht…“ Er macht eine Handbewegung in ihre generelle Richtung. „Ihr könnt ruhig abhauen. Es ist okay. Ich bin okay.“
Keiner weist ihn darauf hin, was für eine offensichtliche Lüge das ist, weil sie alle so verdammt nette und anständige Menschen sind.
Alle außer ihm.
Manchmal liegt er nachts wach und fragt sich, ob das nicht ein großes, kosmisches Missverständnis ist, dass er Teil dieses Clusters geworden ist.
Was hat er überhaupt hier zu suchen?
Vielleicht war er ursprünglich für ein… für ein Mafia-Cluster vorgesehen.
Oder für gar keins. Das ist sogar noch wahrscheinlicher.
Gute Dinge passieren ihm nicht einfach so.
Gute Dinge passieren nie einfach so.
Außerdem hat er Felix. Er hat das Gefühl, das ist schon mehr als er verdient, und dass er sich über den ganzen Rest wirklich nicht beschweren darf. Er hat Felix, und das Wichtigste ist, er hat ihn immer noch… sogar nachdem…
Er schauert.
In schlimmen Momenten kann Wolfgang immer noch das Blut spüren, das warm und klebrig über seine Hände läuft, und die Scherben, die sich in seine Knie bohren, während er hilflos auf den Krankenwagen wartet. Wenn es eine Top Drei der schlimmsten Momente seines Lebens gibt, dann ist dieser hier ganz vorne mit dabei.
Jemand berührt seine Schulter und Wolfgang registriert, dass er regungslos auf dem Boden kniet und das vermutlich schon minutenlang.
Es ist Lito. Er ist allein. Die anderen sind fort, und ein Teil von Wolfgang ist erleichtert deswegen.
„Da drüben steht ein riesiges und sehr teuer aussehendes Bett“, sagt Lito hilfreich. „Aber wenn du hier auf dem Teppich mit den zweifelhaften Flecken sitzen möchtest, tu dir keinen Zwang an, Amigo.“
Wolfgang seufzt, weil er recht hat. Und weil er weiß, dass Lito tatsächlich einfach hier neben ihm sitzen bleiben würde, sogar ganz ohne sich über die Flecken im Teppich zu beschweren.
Wortlos lässt er sich von Lito auf die Beine ziehen. Der Raum kreiselt um ihn und er reibt sich nachdrücklich über die Augen. „Ich werde nicht schlafen“, bestimmt er nachdrücklich, während Lito ihn zum Bett dirigiert. „Das kannst du knicken, man.“
„Okay.“
„Das ist viel zu riskant.“
„Was immer du sagst.“ Lito nickt einvernehmlich. „Was dagegen wenn ich es mir hier gemütlich mache? Im Gegensatz zu dir, war mein Tag echt hart!“
Wolfgang verdreht die Augen und macht eine resignierte Geste neben sich. Es ist ja nicht so, als ob das Bett nicht Platz genug für fünf Leute hätte. Lito legt sich neben ihn, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und drei Kissen in seinem Nacken. Er macht ein wohliges Geräusch und zerfließt in die Matratze.
Wolfgang lehnt neben ihm am Kopfende und kann nicht aufhören den Raum nach potentiellen Waffen abzusuchen. Die Wasserflasche. Das Kabel der Lampe. Der Stuhl. Der Glastisch am Fenster. Die Vorhangkordeln. Sein Adrenalin ist verbraucht und seine Gedanken drehen sich im Kreis. Es flimmert vor seinen Augen. Wieso hat er die Pistole weggeworfen? Er hätte sie behalten sollen. Ihm ist flau vor lauter Anspannung und das Zimmer hört nicht auf sacht um ihn herum zu schaukeln. Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln. Er sagt es im Kopf vor sich her wie ein Mantra. Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln.
„Lass mich dir von dem Meisterwerk erzählen, indem ich grade mitspiele“, sagt Lito ohne Vorankündigung. „Es ist oskarverdächtig, es ist ganz große Kunst, es hat Drama, es hat Action, es hat Liebe, es hat einfach ALLES. Und der Soundtrack, man. Der Soundtrack!“
Wolfgang wirft ihm einen Blick zu und denkt Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln, und fuck, wie soll er Lito beschützen wenn jemand hier eindringt.
Aber nein, nein, das stimmt ja nicht. Lito ist ja nicht wirklich hier. Lito kann gar nichts passieren. Lito ist irgendwo anders, in Sicherheit und das ist ein ganz wundervoller, beruhigender Gedanke.
„…und dann haben der Drehbuch-Autor und ich uns zusammengesetzt und gesagt – aber wieso muss er einen geschorenen Kopf haben, nur weil er jahrelang in Gefangenschaft gewesen ist? Ist das wirklich notwendig für unsere künstlerische Intention? Ich glaube nicht! Und dann…“
Wolfgang lächelt gegen seinen Willen. „Du hast bestimmt was besseres zu tun, als hier rumzuhängen.“
„Hm? Nein.“ Lito winkt ab. „Ich liege bei uns auch nur auf der Couch und lasse mir von Dani die Fußnägel lackieren. Wieso? Willst du mit rüber kommen?“
„Nicht wirklich, nein.“ Es klingt nicht mal so übel, ehrlich gesagt. Aber er kriegt das grade nicht geregelt mit dem hin und her wechseln. Sein Kopf kreiselt und manchmal hört er das Ratten der Straßenbahn neben Wills Wohnung, oder er riecht Amanitas Erdbeershampoo oder spürt den grauen Beton von Suns Zelle unter seinen Knien. Er spürt die Waffe an seiner Schläfe und er weiß, dass er Felix im Stich lässt, wenn er sich hier umbringen lässt. Er kann nicht. Er muss…
„Sehr schön. Also hör zu: Da ist dieser Mann, unser Held, und er hat dieses düstere Geheimnis in seiner Vergangenheit. Sein Vater hat nämlich…“
Lito erzählt von absurden Heldentaten und abstrusen Plotverwicklungen, und seine Stimme ist warm und einlullend, bis es alles ist, worauf Wolfgang sich konzentrieren kann.
-
Als er aufwacht, streichelt ihm jemand durch die Haare.
Es sind kleine, zarte Hände und er weiß, dass es Kala ist, noch bevor er die Augen aufmacht. Die Luft riecht nach schweren Gewürzen, nach Blumen und nach frischer Wäsche. Er spürt die Sonne auf seinem Gesicht.
Er ist hier, bei ihr.
Einen Moment lang gönnt er sich die Illusion, dass das etwas ist, was er haben kann.
„Ich liege in deinem Bett“, stellt er fest und macht langsam die Augen auf. „Ich erinnere mich, dass das schon mal passiert ist und du nicht begeistert warst.“
Kala gibt ein Geräusch von sich, das halb Schluchzen und halb Lachen ist. Ihre dunklen Augen füllen sich mit Tränen und sie wischt sie hastig weg. „Du bist so ein Idiot.“
„Ich weiß.“ Er liegt in ihrem Schoß und weiß, dass er nie wieder hier weg möchte. Nie wieder.
„Wie konntest du mich einfach schlafen lassen?! Das letzte Mal hattest du wenigstens den Anstand dich zu verabschieden, als du dachtest, du würdest draufgehen!“
„Ich hatte diesmal berechtigte Hoffnung nicht sofort drauf zu gehen?“ sagt er entschuldigend. Er würde gerne einwenden, dass er ja auch nicht drauf gegangen ist, aber er weiß genau, dass das nicht sein Verdienst ist. Ohne die anderen… wer weiß, was passiert wäre.
Einen Moment lang sieht Kala aus, als ob sie ihn ohrfeigen möchte und er hätte das auch verdient. Er ist der Erste, der das zugeben würde. Aber dann lässt sie die Hand wieder sinken und fährt fort ihm behutsam durch die Haare zu streicheln.
„Ich bin so wütend auf dich“, stellt sie konträr dazu fest.
Wolfgang lächelt unwillkürlich. „Hm, ich steh drauf wenn du…“
„Nein!“ Sie knufft ihm gegen die Schulter. „Untersteh dich! Wag es ja nicht darüber Witze zu machen!“
„Okay, okay.“ Er blinzelt zu ihr hoch. „Ich sage nur, wenn wir ohnehin grade in einem Bett sind, dann…“
„Heiliger Ganesha!“ Sie presst eine Hand auf seinen Mund. „Du… du bist der furchtbarste Mensch, den ich kenne!“
Er nimmt ihre Hand weg und küsst ihre Handinnenfläche. „Es tut mir leid“, sagt er ehrlich.
Weil es leichter ist, sich dafür zu entschuldigen schamlos und unanständig zu sein, als dafür, was er ihr antut.
Er will nicht, dass sie wütend ist, aber noch weniger will er, dass sie traurig ist.
Wenn es nach ihm ginge, dürfte Kala die ganze Zeit glücklich sein, von morgens bis abends, und genau deswegen kann er nicht mit ihr zusammen sein. Weil er noch nie zu etwas anderem getaugt hat als andere Menschen unglücklich zu machen.
Ihre Augen ruhen aufmerksam auf seinem Gesicht als versucht sie aus ihm schlau zu werden. Aber vermutlich weiß sie ohnehin was in ihm vor sich geht, so wie sie es immer weiß, so wie es immer alle wissen. Er fühlt sich nackt und entblößt vor ihr, und er weiß nicht, wieso ihn das nicht mehr beunruhigt.
„Okay“, sagt sie. Und dann: „Du sollest Felix anrufen.“
„Was? Nein!“ Alarmiert schüttelt er den Kopf, bereut die unvorsichtige Bewegung sofort wieder und blinzelt durch die Tränen zu ihr hoch. „Bist du verrückt? Nein!“ Es wird schärfer als beabsichtigt. Aber sie, mehr als jeder andere muss doch wissen, dass er Felix nicht in Gefahr bringen kann. Nicht schon wieder. Nicht nachdem was letztes Mal passiert ist.
„Er ist dein bester Freund. Denkst du nicht, er möchte wissen, wenn es jemand auf dich abgesehen hat?“
Natürlich würde Felix das wissen wollen. Aber Felix hat keine Ahnung und keinen Plan und keinerlei Selbsterhaltungstrieb. Er läuft nie weg, wenn Wolfgang es ihm sagt. Er geht nie aus dem Weg, er bringt sich nie in Sicherheit, immer stellt er sich genau in die Schusslinie und das ist das allerletzte was Wolfgang will.
„Es gibt Dinge, die muss er nicht wissen.“
Kala verdreht die Augen. „Männer. Ihr seid so dämlich, alle miteinander. Ich werde nie aus euch schlau werden.“
„Ich schaff das allein“, gibt er zurück.
Kalas Gesicht wird weich und ein bisschen traurig. Ihre Finger sind vergraben in seinen Haaren, zärtlich und unnachgiebig zugleich und er will gar nicht darüber nachdenken, was das mit ihm macht. „Du bist aber nicht allein.“
Wolfgang blinzelt.
Als er den Kopf wendet, sind sie wieder in dem Hotelzimmer in Berlin, sein Kopf in ihrem Schoß.
Sein Blick gleitet durch das Zimmer, überrascht und resigniert zugleich. Er ist nicht ganz sicher wieso er jemals etwas anderes erwartet hat.
Lito und Riley sitzen neben ihm auf der Bettkante und teilen sich Kopfhörer. Am Schreibtisch sitzt Nomi und tippt eifrig auf ihrem Laptop herum. Capheus bewundert mit aufgerissenen Augen die Minibar, und Sun und Will bewachen die Tür, schweigsam und gründlich wie zwei Bodyguards.
Er ist nicht allein.
Ende
Nachwort: Ich hatte tatsächlich das ehrgeizige Ziel den gesamten Cluster mit einzubauen und kurz vor Ende wurde mir klar, dass ich Capheus vergessen hatte. Deswegen ist der jetzt nur am Rande aufgetaucht - sorry Capheus. ._. Lito & Wolfgang sind ein Quell der Freude und ihre Freundschaft macht mich super glücklich! <333
Wolfgang und Nomi sind DIE clusterbuddies von denen ich mir am dringendsten Interaktion wünsche, weil omg, sie hätten so viel Grund zum bonden???? I mean ??? Sie sind die beiden mit der meisten kriminellen Energie und könnte flawless irgendwo einbrechen (sie hackt die Computer, er knackt die Schlösser - das wäre so großartig), sie haben beide die mit Abstand beschissensten Eltern (ugh ich meine Nomis Mutter oder Wolfgangs Vater - schwer zu entscheiden wer da schlimmer ist??) und sie hatten schon mindestens zweimal irgendwie Sex miteinander. Also hey, mein Wunsch für Staffel 2 - Nomi & Wolfgang Interaktion. Sonst muss ich das auch noch als fic schreiben. ;)
Uuund Felix. Felix hätte ich so gerne eingebaut, aber das hat leider nicht mehr gepasst. Aber hey, ich sehe mich schon Felix & Wolfgang fics zu schreiben weil äh ja ... Die hätten ja nicht so hintig sein müssen im Weihnachtsspecial, das ist ja nicht meine Schuld!
(http://goldandcold.tumblr.com/post/154907924946/wolfie-felix-all-the-unnecessary-touching )
Auf jeden Fall ist Wolfgang ein Kleinkrimineller in Berlin (der von dem wirklich ganz entzückenden Max Riemelt gespielt wird). Kann ich nur empfehlen.
Und weil ich immer gerne Werbung für meine unbekannten Lieblingsserien mache:
https://www.youtube.com/watch?v=sIItFuIBQ5I
http://goldandcold.tumblr.com/tagged/sense8
Fandom: Sense8
Charaktere: Wolfgang + der Rest des Clusters (winzige Kala/Wolfgang hints)
Warnungen: schamloser hurt/comfort, Wolfgang hat issues
Vorwort: Ich hab das angefangen bevor das Weihnachtsspecial rauskam und beziehe mich wirklich rein gar nicht darauf. Außerdem habe ich Litos und Wills eigene Storylines mal komplett außer Acht gelassen für diese Geschichte. Das musste leider sein. Aber ich gehe davon aus, dass sie Whispers irgendwann los werden.
„Dein Onkel hatte viele Freunde“, zischt die Stimme direkt an seinem Ohr. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, du Penner.“
Bullshit.
Das ist das Erste was Wolfgang denkt. Buuuull~shit! Denn wenn sein Onkel eins ganz sicher nicht war und auch niemals gewesen ist, dann ein guter Freund für irgendjemanden. Der hatte keine Freunde. Nie im Leben.
Er spricht das nicht laut aus, denn da wird ein Messer in seine Nierengegend gedrückt und er ist nicht völlig lebensmüde.
Nicht komplett wenigstens. Vielleicht ein bisschen, aber nur manchmal. Und nicht grade jetzt.
Unter ihm rauscht die Spree und in der Ferne grummelt ein herannahendes Gewitter, und er ist wütend auf sich selbst, weil er sich hat überrumpeln lassen wie ein Anfänger.
Sie sind zu fünft oder zu sechst, schätzt er, er kann sie nur aus den Augenwinkeln sehen. Zwei von ihnen drücken ihnen gegen das Geländer und da ist das dämliche Messer unterhalb seiner Rippen, dessen Spitze sein T-Shirt durchlöchert hat und sich unangenehm fest in seine Haut bohrt. Wolfgang hat nicht viel Bewegungsspielraum, vorne bohren sich die Eisenstangen in seine Rippen und Schlägertyp Nr. 2 hat seinen Arm schmerzhaft auf den Rücken gedreht.
Er fragt sich, ob es sich lohnt Sun dafür zu wecken. Das ist sein zweiter Gedanke.
Sun verspeist Berliner Kleinkriminelle vermutlich zum Frühstück und kann danach direkt weiterschlafen.
Aber die Typen hier… die wollen ihn nicht umbringen. Er ist zumindest halbwegs sicher, dass sie das nicht wollen. So… 75% sicher.
Die wollen nur spielen.
Sein dritter Gedanke ist einfach nur Dankbarkeit, darüber, dass Felix heute eine Verabredung mit einem ‚heißen Feger‘ hat (Felix‘ Worte, nicht seine), und deswegen nicht hier ist. Felix ist loyal bis zum Schluss, aber er hat eine viel zu große Klappe und irgendwann redet er sich noch um Kopf und Kragen.
Aber nicht hier, nicht heute.
„Heilige Scheiße!“ japst eine Stimme und er hält inne. Einen Moment lang hat er das schwindelerregende Gefühl an drei Orten gleichzeitig zu sein, er spürt die kalte Berliner Nachtluft und die mexikanische Nachmittagssonne zugleich, es ist heißkalthelldunkel… und dann steht er plötzlich neben Lito und kann aus drei Metern Entfernung dabei zusehen wie er gegen das Geländer gedrückt wird.
So sieht das also aus.
Nicht besonders cool.
„Wirklich?“ fragt Lito vorwurfsvoll. „Schon wieder?“ Er trägt eine schwarze Lederhose mit Fransen und ein mit Kunstblut durchtränktes weißes Hemd, dass zur Hälfte aufgerissen ist und seinen eingeölten Oberkörper präsentiert.
Wolfgang spürt wie ein Grinsen an seinen Mundwinkeln zerrt. „Das war nicht geplant. Diesmal nicht.“
„Du findest dich öfter vor Waffen wieder als ich – und ich drehe Actionfilme!“ Lito gestikuliert heftig und wedelt mit einer silberbeschlagenen Pistole hin und her. Wie immer kommt sein spanischer Akzent noch deutlicher zum Vorschein wenn er sich aufregt. „Was ist dein Plan? Hast du einen? Wer sind die Typen überhaupt?“
„Keine Ahnung. Geschäftspartner von meinem Onkel, nehme ich an.“ Wolfgang versucht ein paar der Kerle zu erkennen, aber in der Dunkelheit ist es schwer. „Ich versuche es herauszufinden, aber über mehr als Beleidigungen sind sie noch nicht hinausgekommen.“
Plötzlich verzieht Lito schmerzhaft das Gesicht und packt sich reflexartig an die Seite. Als er die Hand wieder löst, klebt Blut an seinen Fingern. „Was…“
Wolfgang runzelt die Stirn. „Was hast du-…?“ beginnt er, aber Lito unterbricht ihn.
„Das ist nicht mein-… Wolfgang!“ Es klingt scharf und dann findet sich Wolfgang schlagartig wieder ans Geländer gepresst wieder und… shit, fuck, das darf doch nicht wahr sein. Der Vollpfosten hat tatsächlich so fest mit dem Messer zugedrückt, dass er seine Haut geritzt hat.
„… uns nochmal alles vermasselt, kannst du was erleben“, raunzt der Typ grade.
Blut sickert warm und klebrig in sein T-Shirt. Wolfgang beißt die Zähne zusammen.
Ein Blitz zuckt über den schwarzen Nachthimmel, eine Sekunde lang blendet ihn das Kameralicht, es ist heiß und grell, und dann ist es schlagartig wieder kalt und dunkel.
Er wird gegen das Geländer gepresst und dann steht er wieder neben Lito, drei Meter entfernt und kann sich selbst sehen.
Das hört niemals auf seltsam zu sein.
„Oh mein Gott, oh mein Gott“, japst Lito atemlos. Er zerrt an Wolfgangs Arm, als möchte er ihn am liebsten sofort von hier wegschleifen. „Wir brauchen Hilfe. Lass mich schnell Will… oder Sun…“
„Nein!“ befiehlt Wolfgang scharf.
„Was? Entschuldige mal, aber die sind dabei dich abzustechen!“
„Die spielen sich nur auf, machen einen auf dicke Hose.“ Wolfgang zuckt mit den Schultern. Mit solchen Kerlen kennt er sich aus.
Mit solchen Kerlen ist er aufgewachsen.
Einer davon war sein Vater.
„Ist das dein Ernst?“ Lito rauft sich die perfekten Haare.
„Ich muss rausfinden, was sie wollen“, sagt er widerwillig als Lito immer noch nicht glücklich aussieht. „Typen wie der? Die hören sich einfach gerne selber reden. Wenn man sie nur lange genug reden lässt, erzählen sie einem auch das was man wissen will.“
Nicht zu wissen wer der Feind ist, ist in seinem Leben immer das Gefährlichste gewesen. Wenn sie ihn nur ein bisschen rumschubsen und beleidigen wollen, ist das ein geringer Preis dafür rauszufinden vor wem er sich in acht nehmen muss.
Wenn er sie jetzt mit Hilfe von Sun oder Will zusammenschlägt, dann ist er auch nicht schlauer als vorher. Und dann hat er spätestens in einer Woche genau das gleiche Problem wieder.
„Ich nehme nicht an, dass du auch diesmal eine Bazooka aus dem Kofferraum herbeizaubern kannst?“ fragt Lito hoffnungslos.
Wolfgang schüttelt den Kopf und hebt einen Mundwinkel. „Kein Auto, keine Bazooka.“
Lito flucht leise. Er hebt die Hand und feuert wütend eine Ladung Platzpatronen auf die Typen, was rührend, aber leider nutzlos ist. „Ich bin am Drehen“, sagt er schließlich. „Aber ich bin hier, okay?“ Eindringlich sieht er Wolfgang an. „Wenn du mich brauchst…“
„Ich weiß“, sagt Wolfgang.
„Also mach keinen Mist.“
„Ich? Niemals.“
„Komm her.“ Und dann umarmt Lito ihn und klopft ihm nachdrücklich auf die Schultern, so wie jedes Mal wenn sie sich verabschieden. Das ist eine von vielen Kleinigkeiten, die Wolfgang an Felix erinnern und einer von vielen hundert Gründen wieso er Lito so gut leiden kann.
„Keine Sorge, ich weiß, was ich tue“, versichert Wolfgang.
„Ich glaub dir kein Wort.“
„Wirklich.“
Als er es sagt, ist das auch durchaus ernst gemeint.
Zehn Minuten später fragt er sich, ob diese Aussage nicht vielleicht ein bisschen voreilig war.
Zehn Minuten später weiß Wolfgang zumindest schon mal, dass die Typen deswegen so angepisst sind, weil sein Onkel offenbar ihr Kontakt zur Russenmafia gewesen ist, und sie jetzt nicht mehr wissen, wie sie an die Drogen kommen sollen, die sie vertickern.
Es ist die Rede von einem zwei Millionen Deal, den Wolfgang versaut hat.
Und das sind natürlich zwei Millionen guter Gründe auf ihn sauer zu sein.
Aber zehn Minuten später liegt er auch mit blutigem Gesicht auf dem Boden und irgendjemand tritt ihm in die Rippen. Jemand zerrt ihm seine Lederjacke von den Schultern, weil die offenbar zu schade ist um im Dreck zu liegen. Im Gegensatz zu ihm.
Gelächter hallt in seinen Ohren, verzerrt wie durch einen Lautsprecher. Feuchtigkeit sickert durch sein T-Shirt. Er blinzelt durch den Regen und sieht Pflastersteine und Springerstiefel in Großaufnahme, und aus den Augenwinkeln das eiserne Geländer mit dem sein Kopf grade schmerzhafte Bekanntschaft gemacht hat.
Sein Kopf dröhnt und irgendjemand hat ihm definitiv grade ein paar Rippen angeknackst.
Das ist okay.
Wirklich.
Er hat das im Griff.
Er hat damit gerechnet, dass sie ihn verprügeln. Wolfgang hat keine Angst vor ein bisschen Dresche. Wenn er eins kann, dann einstecken.
Kein Heulen, kein Zusammenzucken. Zähne zusammenbeißen und durch.
Womit er nicht gerechnet hat, ist das einer der Vollpfosten auf einmal eine Knarre zieht und auf ihn richtet.
„Verdammter Hurensohn, ich mach dich kalt!“ faucht er.
Panik schießt durch seine Adern.
Eine Sekunde lang sieht er Kalas Gesicht vor sich und er schließt diese Tür so fest er kann.
Das will er ihr nicht auch noch antun. Nicht das.
Dass sie ihn hier sterben sieht.
Im Regen. Auf der Straße.
Kaltes Metall wird gegen seine Schläfe gepresst.
Er denkt an Felix, der völlig aufgeschmissen ist ohne ihn und er beißt die Zähne zusammen.
Die Blitze zucken über den Himmel, immer schneller immer dichter und ein ohrenbetäubender Donner zerreißt die Nacht. Der kalte Asphalt ist hart und nass unter seinen Händen, als er sich nach oben stemmt.
Mit einem Mal ist der Regen weg und er kniet in einer winzigen, dunklen Zelle. Betonwände rechts und links. Schwer atmend hebt er den Kopf.
„Hi“, bringt er hervor.
Sun hebt die Augenbrauen.
„Ich… ich könnte vielleicht ein bisschen Hilfe gebrauchen“, gibt er zu.
Einen Augenblick lang sieht Sun ihn an, bevor sie ihm eine Hand entgegenstreckt. „Du hast Glück“, sagt sie leise und zieht ihn hoch. „Ich bin grade wach geworden.“
Regen prasselt auf sein Gesicht. Er kniet auf dem kalten Asphalt, die Waffe bohrt sich in seine Schläfe. Und dann steht er neben sich, im wahrsten Sinne des Wortes, und es ist Sun, die am Boden kniet, die Knarre an ihrem Kopf.
Die Welt kippt um ihn herum zur Seite. Eine Hand greift nach seinem Ellbogen und hält ihn aufrecht.
Normalerweise zuckt Wolfgang zusammen, wenn man ihn unerwartet anfasst. Schon immer. Und ohne, dass er es ändern kann. Aber diesmal nicht und deswegen weiß er, dass es einer der anderen sein muss.
„Sun. Sei vorsichtig“, sagt eine ruhige Stimme neben ihm. Es ist Will.
Wolfgang ist nicht ganz sicher ob er erleichtert oder peinlich berührt ist, dass Will hier ist. Will hat ihm schon mal den Arsch gerettet. Das wird langsam zur Gewohnheit.
„Was ist das für eine Waffe?“ fragt Sun durch zusammengebissenen Zähnen. Ihre Augen flackern von einem Typ zum nächsten und Wolfgang kann sehen wie sie die Situation mit wenigen Blicken erfasst.
„Walter PP. Halbautomatik. Standardpolizeiwaffe. Er hat einen Schuss, bevor er neu entsichern muss. Geringes Risiko, dass sie bei Erschütterungen losgeht“, rasselt Will hinunter.
„Gut.“ Sun nickt.
Sie bewegt sich so schnell, dass Wolfgang ihr kaum mit den Augen folgen kann. Sie springt auf und wirbelt herum, alles in einer einzigen fließenden Bewegung. Ein Schuss zerreißt die Stille und Wolfgang spürt den Luftzug an seinem Gesicht als die Kugel Zentimeter entfernt von ihm vorbeisaust. Sun explodiert in einen Wirbel aus Armen und Beinen. Sie tritt und schlägt um sich, alles so geschmeidig und so schnell, dass Wolfgang schwindelig wird. Er ist hier und in ihrer Zelle, er kniet am Boden, er wirbelt herum. Alles passiert gleichzeitig und sein Kopf pulsiert schmerzhaft im Rhythmus seines pochenden Herzen. Noch nie ist er so froh gewesen, dass jemand anderes grade seinen Körper steuert wie jetzt.
Er kann zuschlagen. Er kann einstecken und austeilen und er kommt meistens nicht einmal schlecht weg in einer Prügelei. Aber das was Sun macht ist auf einem ganz anderen Level. Das ist die Art ‚Ballet des Todes‘ die man sonst nur in gut choreografierten Actionfilmen sieht.
Einer der Typen landet mit einem Stöhnen auf dem Boden, der nächste prallt gegen das Geländer.
„Hinter dir!“ Wills Stimme ist scharf.
Sun wirbelt herum. Wolfgang wirbelt herum. Sun schlägt zu. Das Messer fällt scheppernd zu Boden. Wolfgang hört das unangenehm laute Knacksen als das Handgelenk gebrochen wird. Mit einem Aufschrei geht der Typ zu Boden.
Jemand packt nach seiner Schulter und Sun packt die Hand und macht eine Rolle rückwärts. Sie knallt dem Typen ihren Ellbogen ins Gesicht und sie gehen gemeinsam zu Boden.
„Die Waffe“, befiehlt Will. „Weg mit der Waffe.“
Wolfgang krabbelt eilig zu der Pistole, die immer auf dem Boden liegt, dort wo Arschkeks Nummer zwei sie fallen gelassen hat. Gehorsam wirft er sie über das Geländer und hört das dumpfe Platschen als sie im Wasser landet.
Erst jetzt registriert sein Körper, was er grade alles getan hat. Sterne explodieren hinter seinen Augenlidern vor Schmerz und er würgt nach Luft. Er zwingt sich vorsichtig weiter zu atmen und presst eine Hand auf seine Rippen.
„Shit“, haucht er. „Shit. Fuck.“
„Kannst du aufstehen?“ Will klingt besorgt. „Hey.“
Wolfgang nickt. Als er schwer atmend den Kopf hebt, werden ihm zwei Hände entgegengestreckt.
Falscher Stolz schnürt ihm die Kehle zu. Er möchte ablehnen.
Er schafft das schon. Er schafft es immer.
Ganz alleine.
Er braucht niemanden.
„Komm schon“, sagt Will sacht. Sun nickt auffordernd.
Wolfgang lässt sich von ihnen auf die Beine ziehen. Regen perlt ihm über das Gesicht. Seine Jacke ist irgendwo hin verschwunden (vermutlich auf nimmer Wiedersehen in der Spree gelandet) und ihm fällt jetzt erst auf wie kalt es ist.
„Irgendjemand hat die Polizei gerufen“, sagt Will und hat den Kopf aufmerksam zur Seite geneigt. „Ich höre die Sirenen.“
„Wir sollten verschwinden“, stellt Sun fest. „Cops machen nie irgendwas besser.“
„Hey“, protestiert Will indigniert.
Wolfgang nickt und fährt sich mit dem Handrücken über seine aufgeplatzte Unterlippe, um das Blut wegzuwischen.
Sun hat recht. Er muss wirklich hier weg. Er kann jetzt nicht verhaftet werden.
„Wartet“, sagte er. „Ich muss…“
Er atmet tief durch und schließt die Augen. Er ist nicht sicher, wie es funktioniert, weil es ihm nie jemand erklärt hat und es doch irgendwie komplizierter ist als einen Anruf zu tätigen. Aber als er sie wieder öffnet, steht er einem bunt eingerichteten Wohnzimmer. Warme Nachmittagssonne flutet durch die Glasperlenvorhänge nach drinnen.
„Oh mein Gott!“ Nomi springt von der Couch auf.
Amanita, die ihre Füße eben noch in Nomis Schoss hatte, lässt ihr Buch fallen und erhebt sich langsam, während sie sich verwirrt herumdreht. „Was? Was ist?“
„Was ist passiert?“ fragt Nomi. Zu Amanita gewandt, erklärt sie hastig: „Es ist Wolfgang.“
„Wuhuu!“ Amanita stößt eine Faust in die Luft. „Ist er nackt?“
Wolfgang schnaubt. „Sag deiner Freundin ‚hi‘.“
„Nein, er ist verletzt. Er sagt ‚hi‘ – was zur Hölle ist passiert?“ Vorsichtig tastet Nomi nach seinem Gesicht.
Wolfgang schüttelt den Kopf und wedelt reflexartig ihre Hand beiseite. „Nicht so wichtig. Kannst du- kannst du was für mich tun?“
„Natürlich“, erwidert sie ohne zu Zögern. Sie hebt die Augenbrauen, als sei das eine selten dämliche Frage.
Klar. Das ist es ja auch. Wolfgang würde ja auch alles, alles für sie machen. Für jeden einzelnen von ihnen. Was super seltsam ist, denn sie kennen sich eigentlich alle gar nicht.
Aber eigentlich doch. Er kennt sie besser als er irgendeinen anderen Menschen kennt, vielleicht sogar besser als Felix, und er hätte nicht gedacht, dass das möglich ist.
Er hat sich nur immer noch nicht so richtig daran gewöhnt, dass das auch anders herum gilt. Dass es jetzt auch noch andere Menschen außer Felix gibt, die bereit sind alles stehen und liegen zu lassen für ihn. Immer. Jederzeit.
Nomi greift nach seiner Hand und dann stehen sie nebeneinander im Regen.
Sie starrt auf die Kerle hinab, die sich stöhnend und halb bewusstlos auf dem Boden winden. Ihr Blick flackert zu Sun und Will hinüber, und Wolfgang kann sehen wie es hinter ihrer Stirn arbeitet. Aber Nomi ist nichts als effizient, wenn es darauf ankommt. Sie schluckt sämtliche Fragen hinunter, die sie offensichtlich hat und fragt: „Was soll ich tun?“
Wolfgang zerrt sein Handy aus der Hosentasche. „Wenn du Bilder von ihnen hättest… könntest du sie durch den Computer jagen und etwas über sie herausfinden? Ich hab keine Namen. Ich weiß nur, dass sie mit der Russenmafia rumhängen und Drogen in Berlin vertickern.“
Nomi nickt. Wortlos nimmt sie ihm das Handy ab.
Das Blitzlicht zuckt durch die Dunkelheit, als sie eilig ihre Gesichter abfotografiert. „Ich schick sie an mein Handy.“
Wolfgang nickt dankbar. „Sie haben immer irgendwas von ‚Pika‘ erzählt“, ergänzt er. „Ich bin nicht sicher, ich glaube das ist…“
„…Crystal Meth“, sagt eine andere Stimme neben ihm und er wendet überrascht den Kopf.
Es ist Riley. Sie hat die Kopfhörer von den Ohren gezogen und ihre Augen sind weit und erschrocken. „Das ist ein Straßenname für Crystal Meth. Pika, Yabba, Ice, Hard Pep“, rattert sie herunter. Ihre Augen flackern zu den Typen auf dem Boden und zu Wolfgangs blutigem Gesicht und sie ist noch bleicher als sonst. „Was ist passiert?“
„Familienstress“, erwidert Wolfgang.
„Hey“, sagt Will behutsam. In zwei Schritten steht er neben ihr und berührt vorsichtig ihren Ellbogen. „Es ist okay, wir haben alles im Griff.“
Riley nickt zögernd.
„Sorry“, sagt Wolfgang. Er weiß nicht genau was los ist, er weiß nicht, was ihr passiert ist; alles was er spürt ist, dass sie erschrockenverunsicherterschüttert ist und dass es etwas mit der ganzen Gewalt und den Drogen zu tun hat.
Aber sie haben ja alle eine Vergangenheit. Er weiß das besser als die meisten.
Riley schluckt und er kann beinah sehen wie sie sich zusammenreißt. „Sei vorsichtig“, sagt sie. „Und wenn du irgendwas über das Zeug wissen musst…“
„…dann weiß ich wo ich dich finde.“ Wolfgang nickt. „Ich frag auch nicht, wieso du so viel Ahnung von Drogen hast. Ich respektiere jede Art von krimineller Vergangenheit.“
Riley lächelt matt. Sie drückt Wills Hand und sie küssen sich zum Abschied.
Wolfgang wendet den Blick ab, auch wenn Privatsphäre beinah ein Fremdwort geworden ist zwischen ihnen.
Als er sich umdreht, ist Riley fort, und Will sieht beunruhigt über seine Schulter.
„Komm schon. Wir müssen uns beeilen“, sagt er. Die Sirenen werden immer lauter und lauter. „Hast du alles, was du brauchst?“ fragt er Nomi.
„Ja.“ Sie gibt Wolfgang das Handy zurück und greift gleichzeitig nach seiner Hand. „Pass auf dich auf, okay?“
Er nickt.
Er weiß im Nachhinein nicht mehr wie er weg von der Spree gekommen ist, hinein ist das Gewühl dunkler Seitenstraßen, weg von dem bedrohlich herannahenden Blaulicht der Polizei. Er stolpert durch die Dunkelheit, in seinem Kopf nichts als Nebel.
Er hat Wills Stimme im Ohr und Blutgeschmack im Mund. Will verteilt kurze, präzise Kommandos (‚Bleib stehen!‘ ‚Lauf weiter‘, ‚Links‘, ‚Rechts‘), denen er gehorcht, ohne nachzudenken. Sein Körper läuft wie auf Autopilot, aber vielleicht ist es Will, vielleicht es Sun, vielleicht ist es Nomi, die läuft.
Es ist kalt und dunkel, und die helle Sonne blendet ihn, ihm ist heiß, er ist draußen, er ist in einer Zelle, er ist in Wills Auto, er ist in Nomis Wohnzimmer.
Ein Mal, ein einziges Mal findet er sich plötzlich in Kalas Schlafzimmer wieder. Weil er schwach ist und weil er sich nicht von ihr fernalten kann und weil er nicht aufhören kann an sie zu denken.
Aber in Bombay ist es vier Uhr morgens und Kala schläft.
Wolfgang kappt diese Verbindung so abrupt, dass der Boden unter ihm wankt.
„Taxi“, befiehlt Sun. Sie sind an einer großen Straße. Der Verkehr rauscht an Wolfgang vorbei. Er lehnt an einer Hauswand und ringt nach Luft.
„Die Polizei…“ gibt Will zu Bedenken.
„Er klappt gleich zusammen!“ Nomi klingt aufgewühlt. In ihrem Wohnzimmer riecht es nach Kaffee und nach Amanitas Erdbeershampoo.
Will nickt.
Wolfgang ist nicht ganz sicher, was er anstellt um nachts in Berlin ein Taxi dazu zu bringen anzuhalten (das ist so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto), aber irgendwie gelingt es ihm.
Ein Taxi hält neben ihm am Bordstein und lässt das Beifahrerfenster herunter.
Wolfgang japst die Adresse vom erstbesten Hotel was ihm einfällt. Er hält sich am Autodach fest. Seine Knie sind butterweich und er fühlt sich als ob er gleich zusammenklappt. Er weiß nur, dass er nicht nach Hause kann. Nicht nach Hause. Weil diese Typen werden irgendwann wieder aufstehen und die wissen garantiert wo er wohnt.
Der Taxifahrer zögert. Sein Blick haftet auf Wolfgangs zerrissenem T-Shirt und seinem blutigen Gesicht und Wolfgang kann genau sehen wie es hinter seinen Augen arbeitet. Blaulicht und Sirenen jagen bedrohlich durch seinen Kopf.
Sein Herz hämmert.
„Lass mich das machen“, sagt ein Stimme neben ihm.
Lito.
Wolfgang nickt und überlässt ihm erschöpft die Kontrolle.
„Sieht total echt aus, oder?“ sagt Lito entschuldigend. Es klingt seltsam in Wolfgangs Stimme, denn Wolfgang macht sowas wie ‚entschuldigend‘ nicht. „Man sollte meinen, dass Kunstblut besser wieder abgeht, aber nein. Total klebrig, das Zeug.“
„Kunstblut?“
„Dachten Sie, ich laufe immer so rum? Ich komme vom Filmdreh dahinten.“ Lito macht eine Handbewegung in eine unbestimmte Richtung und lächelt charmant. Wolfgang war bis eben nicht sicher, dass sein Gesicht zu so einer Mimik fähig ist.
Zum ersten Mal flackert so etwas wie Erkenntnis über das Gesicht des Taxifahrers. „Ach, der neue Tatort.“ Er klingt gelangweilt.
Lito nickt. „Ich bin die Leiche in der nächsten Folge. Leider keine Sprechrolle. Aber jetzt muss ich echt dringend duschen. Das kriegt man sonst ewig nicht aus den Haaren.“ Er wiederholt die Adresse von dem Hotel und dieses Mal rasselt der Taxifahrer einen furchtbar überteuerten Preis herunter, den Wolfgang widerspruchslos akzeptiert, bevor er sich auf die Rückbank fallen lässt. Sein Kopf rollt kraftlos nach hinten auf die Rückenlehne. Alles dreht sich um ihn herum.
„Dios Mio“, sagt Lito erschüttert. Er sitzt neben ihm und wirft ihm besorgte Blicke zu. Sein Hemd ist zerrissen und von oben bis unten mit Kunstblut beschmiert. Dramatische Kratzer ziehen sich quer über seine Wange und in seinen sorgfältigen gestylten Haaren klebt Erde. „Du hast gesagt, du hast es im Griff!“ Es klingt vorwurfsvoll.
Wolfgang klappt ein Auge auf um einen vorsichtigen Blick nach vorne zum Taxifahrer zu werfen. Aber der ist damit beschäftigt die Musik seines Radios lauter zu drehen und achtet nicht darauf, ob sein Beifahrer Selbstgespräche führt.
„Ich hatte es im Griff“, murmelt er.
„Du siehst halbtot aus!“
„Ich hatte es halb im Griff?“
„Das ist kein Scherz! Du siehst schlimmer aus als ich - und ich bin grade von einer Klippe gesprungen, habe mit einem Bären gerungen, wurde einem Auto überfahren und vier Mal angeschossen!“
Unwillkürlich lächelt Wolfgang. „Was zur Hölle wird das für ein Film? Klingt großartig.“
Der Rest der Fahrt ist ein Kaleidoskop aus vorbeirasenden Autolichtern, den wummernden Bässen aus dem Radio und Lito, der an seiner Seite sitzt und zulässt, dass Wolfgangs Kopf auf seine Schulter rutscht.
„Ich hab dir online ein Zimmer gebucht“, sagt Nomi vom Beifahrersitzt aus. „Ich hab auch schon eine Kreditkartennummer eingegeben. Du musst nur noch einchecken.“
„‘Kay“, murmelt Wolfgang und versucht erfolglos seine Augen offenzuhalten.
„Wolfie.“
Wolfgang hebt die Augenlider und wirft Will, der plötzlich neben ihm sitzt einen wenig begeisterten Blick zu. „Nein.“
Er weiß nicht einmal wie das angefangen hat mit diesem dämlichen Spitznamen. Felix nennt ihn so. Aber Felix nennt ihn schon seit der Grundschule so, das ist was anderes. Felix darf das.
Es ist nicht okay, dass sie ihn ausgerechnet jetzt und hier rauskramen, wenn er verletzt ist und sich nicht wehren kann.
Es zuckt um Wills Mundwinkel und er kapiert verspätet, dass es Absicht war.
„Schlaf nicht ein“, befiehlt Will.
„Ist auch schwer, wenn mich alle zutexten“, murmelt Wolfgang.
„Du musst aufhören uns auszusperren“, sagt Will leise. „Ich hätte dich beinah nicht gehört.“
Wolfgang seufzt. Es ist schwer angepisst zu sein wenn er alles fühlen kann was Will fühlt und wenn er genau weiß wie besorgterschrockenfrustriert Will grade ist.
Er fühlt sich durchlässig, wie aus Papier. Als ob alles haltlos in ihn rein und aus ihm hinausströmt, ohne dass er es aufhalten kann.
Er will sie ja nicht aussperren. Nicht alle wenigstens.
Er will nur Kala aussperren. Weil es besser so ist. Weil sie was Besseres verdient, als einen selbstzerstörerischen Kleinkriminellen vom anderen Ende der Welt.
Es ist nur so schwer eine einzelne selektive Verbindung zu kappen. Es ist viel leichter einfach generell die Mauern hochzufahren.
Er hat nicht damit gerechnet, dass er die anderen so sehr vermissen würde.
Kein Musikhören mehr mit Riley, wo sie einträchtig ihre Kopfhörer teilen, eine Flasche Guinness hin und herreichen und dabei zusehen wie die Sonne im Meer untergeht.
Keine Filmabende mehr mit Capheus und Lito, wo sie dramatisch die besten Szenen nachstellen und darüber diskutieren ob Van Damme oder Schwarzenegger der bessere Actionstar ist.
Keine ziellosen Spaziergänge durch den Tiergarten, damit Sun mal was anderes zu sehen bekommt als ihre Zelle.
Keine Joints mehr teilen mit Nomi und Amanita, bis Amanita so high ist, dass sie anfängt Nancy Drew Romane laut vorzulesen.
Kein Will mehr, der manchmal nach Feierabend bei ihm auftaucht und Blut an der Uniform hat und sich wortlos neben Wolfgang auf die Couch fallen lässt. Es gibt diese schrecklichen Tage bei der Polizei, hat Wolfgang herausgefunden, wo alles schiefläuft und wo zu viel geschossen wird und immer jemand verletzt wird und über die Will nicht reden kann.
Aber das ist ja das Gute an Clusterbuddies. Man muss nicht reden.
Er bekommt nur am Rande mit wie sie ihn im Hotel einchecken. Da ist Will, der eine erstaunlich überzeugende Darstellung eines besoffenen amerikanischen Touristen abliefert, der im Suff über ein Fahrrad gefallen ist und Lito, der kritische Kommentare zu seiner Schauspielerei beisteuert.
Wolfgang wusste nicht mal, wie seltsam es klingt wenn seine Stimme einen amerikanischen Akzent hinlegt.
Die Empfangsdame sieht nicht sonderlich überrascht aus (scheinbar passiert das öfter als man denkt) und bietet an einen Arzt drauf gucken zu lassen.
Will sagt ‚Yes please’, noch bevor Wolfgang ablehnen kann.
Ugh. Na gut.
Wenigstens sind Hotels diskret. Nicht wie Krankenhäuser. Die schalten ständig die Polizei ein, wenn irgendwas suspekt wirkt. Und einfach alles an Wolfgang wirkt immer suspekt.
Wolfgang ist in einem Aufzug und er ist in Wills Wohnzimmer und er liegt auf Nomis Couch. Es ist verwirrend wie sehr alles durcheinander geht, jetzt wo die Tore offen sind und er sie nicht mehr schließen kann. Er sieht Kameralicht und Sonnenlicht und Wills Wohnzimmerlampe und dann leuchtet ihm ein Mann mit einer Taschenlampe in die Augen.
Nichts, was der Arzt sagt, ist irgendwie überraschend.
Ein paar geprellte Rippen und eine Gehirnerschütterung, und er würde ihn lieber über Nacht im Krankenhaus sehen.
Danke, das hat Wolfgang alles schon selber diagnostiziert. Wow, er hätte Medizin studieren sollen. Da bezahlen die Leute einen dafür, dass man ihnen wehtut.
Er lässt ihm ein paar Ibuprofen gegen die Schmerzen da. Sogar die 800er, die es sonst nur auf Rezept gibt. Die kann Wolfgang bestimmt irgendwo vertickern.
Auffordernd schiebt Nomi sie ihm entgegen.
Wolfgang schüttelt den Kopf. „Nein.“
„Komm schon.“
„Nein!“
Nomi seufzt frustriert. „Wieso willst du nicht einmal…?“
„Die machen mich müde, okay?“, faucht Wolfgang. „Ich kann jetzt nicht schlafen. Was ist wenn…“ Er bricht ab. „Darum“, sagt er rau.
Das muss die verdammte Gehirnerschütterung sein. Normalerweise rutschen ihm solche Dinge nicht einfach raus.
Nomis Gesicht wird erst ganz traurig und dann sehr weich und sie tauscht einen Blick mit Will. Wortlos sehen sie dabei zu wie Wolfgang erst die Vorhänge vor den Fenstern zuzieht und dann mit dem Kabel der Nachttischlampe und dem Zahnputzbecher ein wackeliges Gebilde baut, das ihn warnen soll, wenn jemand durch die Tür kommt.
Es ist nicht Paranoia wenn sie wirklich hinter dir her sind.
Es flimmert vor seinen Augen und er reibt sich nachdrücklich mit den Handballen über die Augen.
„Ihr müsst nicht…“ Er macht eine Handbewegung in ihre generelle Richtung. „Ihr könnt ruhig abhauen. Es ist okay. Ich bin okay.“
Keiner weist ihn darauf hin, was für eine offensichtliche Lüge das ist, weil sie alle so verdammt nette und anständige Menschen sind.
Alle außer ihm.
Manchmal liegt er nachts wach und fragt sich, ob das nicht ein großes, kosmisches Missverständnis ist, dass er Teil dieses Clusters geworden ist.
Was hat er überhaupt hier zu suchen?
Vielleicht war er ursprünglich für ein… für ein Mafia-Cluster vorgesehen.
Oder für gar keins. Das ist sogar noch wahrscheinlicher.
Gute Dinge passieren ihm nicht einfach so.
Gute Dinge passieren nie einfach so.
Außerdem hat er Felix. Er hat das Gefühl, das ist schon mehr als er verdient, und dass er sich über den ganzen Rest wirklich nicht beschweren darf. Er hat Felix, und das Wichtigste ist, er hat ihn immer noch… sogar nachdem…
Er schauert.
In schlimmen Momenten kann Wolfgang immer noch das Blut spüren, das warm und klebrig über seine Hände läuft, und die Scherben, die sich in seine Knie bohren, während er hilflos auf den Krankenwagen wartet. Wenn es eine Top Drei der schlimmsten Momente seines Lebens gibt, dann ist dieser hier ganz vorne mit dabei.
Jemand berührt seine Schulter und Wolfgang registriert, dass er regungslos auf dem Boden kniet und das vermutlich schon minutenlang.
Es ist Lito. Er ist allein. Die anderen sind fort, und ein Teil von Wolfgang ist erleichtert deswegen.
„Da drüben steht ein riesiges und sehr teuer aussehendes Bett“, sagt Lito hilfreich. „Aber wenn du hier auf dem Teppich mit den zweifelhaften Flecken sitzen möchtest, tu dir keinen Zwang an, Amigo.“
Wolfgang seufzt, weil er recht hat. Und weil er weiß, dass Lito tatsächlich einfach hier neben ihm sitzen bleiben würde, sogar ganz ohne sich über die Flecken im Teppich zu beschweren.
Wortlos lässt er sich von Lito auf die Beine ziehen. Der Raum kreiselt um ihn und er reibt sich nachdrücklich über die Augen. „Ich werde nicht schlafen“, bestimmt er nachdrücklich, während Lito ihn zum Bett dirigiert. „Das kannst du knicken, man.“
„Okay.“
„Das ist viel zu riskant.“
„Was immer du sagst.“ Lito nickt einvernehmlich. „Was dagegen wenn ich es mir hier gemütlich mache? Im Gegensatz zu dir, war mein Tag echt hart!“
Wolfgang verdreht die Augen und macht eine resignierte Geste neben sich. Es ist ja nicht so, als ob das Bett nicht Platz genug für fünf Leute hätte. Lito legt sich neben ihn, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und drei Kissen in seinem Nacken. Er macht ein wohliges Geräusch und zerfließt in die Matratze.
Wolfgang lehnt neben ihm am Kopfende und kann nicht aufhören den Raum nach potentiellen Waffen abzusuchen. Die Wasserflasche. Das Kabel der Lampe. Der Stuhl. Der Glastisch am Fenster. Die Vorhangkordeln. Sein Adrenalin ist verbraucht und seine Gedanken drehen sich im Kreis. Es flimmert vor seinen Augen. Wieso hat er die Pistole weggeworfen? Er hätte sie behalten sollen. Ihm ist flau vor lauter Anspannung und das Zimmer hört nicht auf sacht um ihn herum zu schaukeln. Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln. Er sagt es im Kopf vor sich her wie ein Mantra. Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln.
„Lass mich dir von dem Meisterwerk erzählen, indem ich grade mitspiele“, sagt Lito ohne Vorankündigung. „Es ist oskarverdächtig, es ist ganz große Kunst, es hat Drama, es hat Action, es hat Liebe, es hat einfach ALLES. Und der Soundtrack, man. Der Soundtrack!“
Wolfgang wirft ihm einen Blick zu und denkt Wasserflasche. Kabel. Stuhl. Glastisch. Kordeln, und fuck, wie soll er Lito beschützen wenn jemand hier eindringt.
Aber nein, nein, das stimmt ja nicht. Lito ist ja nicht wirklich hier. Lito kann gar nichts passieren. Lito ist irgendwo anders, in Sicherheit und das ist ein ganz wundervoller, beruhigender Gedanke.
„…und dann haben der Drehbuch-Autor und ich uns zusammengesetzt und gesagt – aber wieso muss er einen geschorenen Kopf haben, nur weil er jahrelang in Gefangenschaft gewesen ist? Ist das wirklich notwendig für unsere künstlerische Intention? Ich glaube nicht! Und dann…“
Wolfgang lächelt gegen seinen Willen. „Du hast bestimmt was besseres zu tun, als hier rumzuhängen.“
„Hm? Nein.“ Lito winkt ab. „Ich liege bei uns auch nur auf der Couch und lasse mir von Dani die Fußnägel lackieren. Wieso? Willst du mit rüber kommen?“
„Nicht wirklich, nein.“ Es klingt nicht mal so übel, ehrlich gesagt. Aber er kriegt das grade nicht geregelt mit dem hin und her wechseln. Sein Kopf kreiselt und manchmal hört er das Ratten der Straßenbahn neben Wills Wohnung, oder er riecht Amanitas Erdbeershampoo oder spürt den grauen Beton von Suns Zelle unter seinen Knien. Er spürt die Waffe an seiner Schläfe und er weiß, dass er Felix im Stich lässt, wenn er sich hier umbringen lässt. Er kann nicht. Er muss…
„Sehr schön. Also hör zu: Da ist dieser Mann, unser Held, und er hat dieses düstere Geheimnis in seiner Vergangenheit. Sein Vater hat nämlich…“
Lito erzählt von absurden Heldentaten und abstrusen Plotverwicklungen, und seine Stimme ist warm und einlullend, bis es alles ist, worauf Wolfgang sich konzentrieren kann.
-
Als er aufwacht, streichelt ihm jemand durch die Haare.
Es sind kleine, zarte Hände und er weiß, dass es Kala ist, noch bevor er die Augen aufmacht. Die Luft riecht nach schweren Gewürzen, nach Blumen und nach frischer Wäsche. Er spürt die Sonne auf seinem Gesicht.
Er ist hier, bei ihr.
Einen Moment lang gönnt er sich die Illusion, dass das etwas ist, was er haben kann.
„Ich liege in deinem Bett“, stellt er fest und macht langsam die Augen auf. „Ich erinnere mich, dass das schon mal passiert ist und du nicht begeistert warst.“
Kala gibt ein Geräusch von sich, das halb Schluchzen und halb Lachen ist. Ihre dunklen Augen füllen sich mit Tränen und sie wischt sie hastig weg. „Du bist so ein Idiot.“
„Ich weiß.“ Er liegt in ihrem Schoß und weiß, dass er nie wieder hier weg möchte. Nie wieder.
„Wie konntest du mich einfach schlafen lassen?! Das letzte Mal hattest du wenigstens den Anstand dich zu verabschieden, als du dachtest, du würdest draufgehen!“
„Ich hatte diesmal berechtigte Hoffnung nicht sofort drauf zu gehen?“ sagt er entschuldigend. Er würde gerne einwenden, dass er ja auch nicht drauf gegangen ist, aber er weiß genau, dass das nicht sein Verdienst ist. Ohne die anderen… wer weiß, was passiert wäre.
Einen Moment lang sieht Kala aus, als ob sie ihn ohrfeigen möchte und er hätte das auch verdient. Er ist der Erste, der das zugeben würde. Aber dann lässt sie die Hand wieder sinken und fährt fort ihm behutsam durch die Haare zu streicheln.
„Ich bin so wütend auf dich“, stellt sie konträr dazu fest.
Wolfgang lächelt unwillkürlich. „Hm, ich steh drauf wenn du…“
„Nein!“ Sie knufft ihm gegen die Schulter. „Untersteh dich! Wag es ja nicht darüber Witze zu machen!“
„Okay, okay.“ Er blinzelt zu ihr hoch. „Ich sage nur, wenn wir ohnehin grade in einem Bett sind, dann…“
„Heiliger Ganesha!“ Sie presst eine Hand auf seinen Mund. „Du… du bist der furchtbarste Mensch, den ich kenne!“
Er nimmt ihre Hand weg und küsst ihre Handinnenfläche. „Es tut mir leid“, sagt er ehrlich.
Weil es leichter ist, sich dafür zu entschuldigen schamlos und unanständig zu sein, als dafür, was er ihr antut.
Er will nicht, dass sie wütend ist, aber noch weniger will er, dass sie traurig ist.
Wenn es nach ihm ginge, dürfte Kala die ganze Zeit glücklich sein, von morgens bis abends, und genau deswegen kann er nicht mit ihr zusammen sein. Weil er noch nie zu etwas anderem getaugt hat als andere Menschen unglücklich zu machen.
Ihre Augen ruhen aufmerksam auf seinem Gesicht als versucht sie aus ihm schlau zu werden. Aber vermutlich weiß sie ohnehin was in ihm vor sich geht, so wie sie es immer weiß, so wie es immer alle wissen. Er fühlt sich nackt und entblößt vor ihr, und er weiß nicht, wieso ihn das nicht mehr beunruhigt.
„Okay“, sagt sie. Und dann: „Du sollest Felix anrufen.“
„Was? Nein!“ Alarmiert schüttelt er den Kopf, bereut die unvorsichtige Bewegung sofort wieder und blinzelt durch die Tränen zu ihr hoch. „Bist du verrückt? Nein!“ Es wird schärfer als beabsichtigt. Aber sie, mehr als jeder andere muss doch wissen, dass er Felix nicht in Gefahr bringen kann. Nicht schon wieder. Nicht nachdem was letztes Mal passiert ist.
„Er ist dein bester Freund. Denkst du nicht, er möchte wissen, wenn es jemand auf dich abgesehen hat?“
Natürlich würde Felix das wissen wollen. Aber Felix hat keine Ahnung und keinen Plan und keinerlei Selbsterhaltungstrieb. Er läuft nie weg, wenn Wolfgang es ihm sagt. Er geht nie aus dem Weg, er bringt sich nie in Sicherheit, immer stellt er sich genau in die Schusslinie und das ist das allerletzte was Wolfgang will.
„Es gibt Dinge, die muss er nicht wissen.“
Kala verdreht die Augen. „Männer. Ihr seid so dämlich, alle miteinander. Ich werde nie aus euch schlau werden.“
„Ich schaff das allein“, gibt er zurück.
Kalas Gesicht wird weich und ein bisschen traurig. Ihre Finger sind vergraben in seinen Haaren, zärtlich und unnachgiebig zugleich und er will gar nicht darüber nachdenken, was das mit ihm macht. „Du bist aber nicht allein.“
Wolfgang blinzelt.
Als er den Kopf wendet, sind sie wieder in dem Hotelzimmer in Berlin, sein Kopf in ihrem Schoß.
Sein Blick gleitet durch das Zimmer, überrascht und resigniert zugleich. Er ist nicht ganz sicher wieso er jemals etwas anderes erwartet hat.
Lito und Riley sitzen neben ihm auf der Bettkante und teilen sich Kopfhörer. Am Schreibtisch sitzt Nomi und tippt eifrig auf ihrem Laptop herum. Capheus bewundert mit aufgerissenen Augen die Minibar, und Sun und Will bewachen die Tür, schweigsam und gründlich wie zwei Bodyguards.
Er ist nicht allein.
Ende
Nachwort: Ich hatte tatsächlich das ehrgeizige Ziel den gesamten Cluster mit einzubauen und kurz vor Ende wurde mir klar, dass ich Capheus vergessen hatte. Deswegen ist der jetzt nur am Rande aufgetaucht - sorry Capheus. ._. Lito & Wolfgang sind ein Quell der Freude und ihre Freundschaft macht mich super glücklich! <333
Wolfgang und Nomi sind DIE clusterbuddies von denen ich mir am dringendsten Interaktion wünsche, weil omg, sie hätten so viel Grund zum bonden???? I mean ??? Sie sind die beiden mit der meisten kriminellen Energie und könnte flawless irgendwo einbrechen (sie hackt die Computer, er knackt die Schlösser - das wäre so großartig), sie haben beide die mit Abstand beschissensten Eltern (ugh ich meine Nomis Mutter oder Wolfgangs Vater - schwer zu entscheiden wer da schlimmer ist??) und sie hatten schon mindestens zweimal irgendwie Sex miteinander. Also hey, mein Wunsch für Staffel 2 - Nomi & Wolfgang Interaktion. Sonst muss ich das auch noch als fic schreiben. ;)
Uuund Felix. Felix hätte ich so gerne eingebaut, aber das hat leider nicht mehr gepasst. Aber hey, ich sehe mich schon Felix & Wolfgang fics zu schreiben weil äh ja ... Die hätten ja nicht so hintig sein müssen im Weihnachtsspecial, das ist ja nicht meine Schuld!
(http://goldandcold.tumblr.com/post/154907924946/wolfie-felix-all-the-unnecessary-touching )