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Dark Salvation

Kurzbeschreibung
GeschichteHorror, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Hoggle Jareth Lubo Sarah Sir Didymus
31.08.2016
15.04.2023
43
56.915
10
Alle Kapitel
70 Reviews
Dieses Kapitel
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04.09.2016 1.932
 
//Viel Spaß.//


***

Sarah war so schnell gerannt, wie sie konnte. Sie wäre fast gestolpert, als sie auf die Veranda gestürmt war, und hatte eiligst die Tür hinter sich verschlossen und die Kette davor gelegt. Erst dann sank sie mit dem Rücken daran zu Boden, atmete schnell und flach und spürte ihre brennenden Lungen; erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihren Walkman bei ihrer Flucht verloren haben musste. Das war doch vollkommen paranoid, was sie da gerade getan hatte!

Lag vielleicht daran, dass sie, seit sie in einer Großstadt lebte, enorm vorsichtig geworden war. Es war ihr nicht nur einmal passiert, dass sie von fremden Männern auf offener Straße belästigt worden war. Sie schluckte und ihre Augen tränten von der Anstrengung; bevor sie in ihr Zimmer ging, checkte sie noch die Hintertür und lief nach oben. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass es gerade mal sechs Uhr abends war. Was sollte sie jetzt noch tun? Vor die Tür würde sie heute sicher nicht mehr gehen.

„Okay, Sarah - was hat dir dein Arzt gesagt, wann du deine Tabletten nehmen sollst?“, fragte sie sich leise und gab sich sogleich selbst die Antwort: „Immer, wenn der Druck zu groß wird.“ Niemand musste von ihren Ängsten, die sie seit Jahren begleiteten, wissen - nicht einmal ihr Vater. Sie kramte in ihrer Tasche, zog schließlich zwei orangene Döschen hervor, das sie gut versteckt hatte. Ihre Hand zitterte, als sie jeweils eine Pille rausschüttelte und gleich in ihrem Mund verschwinden ließ und anschließend mit Wasser aus dem Hahn runter spülte.

Eine für einen angenehmen, schweren Schlaf, die andere, um ihre Ängste und depressiven Phasen endlich in den Griff zu bekommen. Ihr Spiegelbild blickte müde und abgemagert zurück. Ganz unrecht hatte Mary wohl nicht ... Sie schlüpfte in ein altes, viel zu großes Shirt und linste noch einmal aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, dass ihr niemand gefolgt war, und kuschelte sich dann in ihr Bett. Diesmal lag kein Buch auf ihrem Kissen, sodass sie erleichtert seufzte. Ihre Fantasie und Paranoia waren wieder mit ihr durchgegangen, hatten ihr wie schon so oft, einen Streich gespielt. Kein Grund zur Sorge also. Sie schloss die Augen und wartete darauf, dass die Wirkung einsetzte.

Sarah hustete, fasste sich an den Hals, der unglaublich kratzte. Ihr Mund war trocken und sie fühlte einen leichten Schwindel. Die unangenehmen Nebenwirkungen ihrer Medikamente, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie eingeschlafen war; jedenfalls erfüllten sie ihren Zweck und verschafften ihr erholsamen Schlaf, also nahm sie diese Wirkungen gerne in Kauf. Sie konnte sich nicht gleich orientieren und saß erstmal ein paar Minuten aufrecht im Bett, ehe sie vollkommen schlaftrunken in das Bad wankte und mit einem kleinen Glas Wasser zurückkehrte, das sie bereits einmal geleert hatte.

Sie bemerkte erst jetzt, wie der Regen laut gegen das Fenster prasselte. Sie nahm noch einen Schluck, bevor sie das Glas abstellte und sich fröstelnd in die Decke wickelte; es war kalt hier drin. Verdammt kalt. Zu kalt für diese Jahreszeit, wie Sarah zitternd fand.
An Schlaf war im Augenblick nicht zu denken. Sie knipste das Lichtchen an ... und entdeckte das kleine, rote Buch auf dem Tisch, das sie eigentlich entsorgen hatte wollen. Nachdenklich verzog sie den Mund, klopfte ungeduldig auf ihre Knie. Inwiefern konnte ihr dieses kleine Buch denn schaden? Was damals geschehen war, war rein auf ihre kindliche Fantasie und ihre damaligen Probleme zurückzuführen. Schließlich war es für lange Zeit Sarahs Lieblingswerk gewesen ...

Sie schlug es auf und ließ die alten, vergilbten Seiten zwischen ihren Fingern fliegen; es enthielt Zeichnungen merkwürdiger Wesen, und sie erkannte ihre eigenen Kritzeleien darin. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Wie fantasievoll und naiv sie doch gewesen war.
Dann entdeckte sie eine leere Seite und ihre eigene, hastige Handschrift wieder, und ihr Lächeln schwand. Sie hatte sich ihre eigene Geschichte gesponnen, um der Realität zu entfliehen und einmal mehr damit bewiesen, wie sehr sie ihre Stiefmutter und das Baby gehasst hatte, die ihr ihren Vater genommen hatten.
Leise begann sie vorzulesen, was sie geschrieben hatte:

Once upon a time, there was a beautiful young girl whose stepmother always made her stay home with the baby. And the baby was a spoiled child, and wanted everything to himself, and the young girl was practically a slave. But what no one knew is that the king of the goblins had fallen in love with the the girl, and he had given her certain powers. So one night, when the baby had be particularly cruel to her, she called on the goblins for help ...

Genau das, was da stand, hatte sie damals ihrem kleinen Bruder erzählt, und ihn danach verwunschen. Mit welchen Worten wusste sie nicht mehr, jedoch nur, dass sie sich damit in eine merkwürdige Fantasiewelt katapuliert hatte, die sie bisher nur zu gern verdrängt hatte.
König der Kobolde ... er war der Märchenprinz, den sie sich geschaffen hatte, und der sie von ihrer Last befreien sollte; wenn sie die Augen schloss, konnte sie ihn vor sich sehen: dunkles kurzes Haar, das sein Gesicht mit den dunklen Augen umrahmte, und der ihr sein bezauberndes Lächeln schenkte, bevor er ihr auf sein Pferd half und mit ihr in den Sonnenuntergang ritt. Aber er war nie gekommen, um sie zu holen. Stattdessen hatte ihre Fantasie etwas ganz anderes erscheinen lassen, und zum ersten Mal seit Jahren zuckten Bilder vor ihren Augen, von denen sie geglaubt hatte, sie vergessen zu haben.

Ein boshaftes Grinsen, das spitze Eckzähne zum Vorschein brachte. Strähnen blonden Haars, die im Wind wehten. Augen, wie sie sie noch nie gesehen hatte.
Unwillig schüttelte Sarah den Kopf, um diese scheinbaren Erinnerungen ihrer Hirngespinste los zu werden. Er war nicht real gewesen. Oder war doch etwas Wahres dran ...? Sie lachte leise. Lächerlich - natürlich nicht ... und trotzdem durchblätterte sie das Buch, als würde sie eine Antwort darin finden, ob ihr Verstand erneut versagte.
Sie hörte ein leises Klopfen und blickte erschrocken auf, nur um recht schnell zu erkennen, dass es ein dünner Ast war, der gegen das Fenster klopfte; sonst war nichts Ungewöhnliches zu sehen, sodass sie sich wieder dem Buch widmete - und erstarrte.

In tiefroter, scheinbar frischer Farbe stand etwas geschrieben, das sie nicht verfasst hatte. Zögerlich strich sie über die Linien und betrachtete dann voller Entsetzen ihren Finger, auf dem fremdes Blut haftete.

du bist in Gefahr
hüte dich versteck dich
vor ihm


Sarah schloss die Augen und atmete tief durch. „Ich bilde mir das alles nur ein“, sagte sie sich selbst, „vielleicht sollte ich die Tabletten absetzen.“ Ihr Puls beruhigte sich und das Pfeifen in ihren Ohren ließ nach. Als sie die Augen öffnete, war die mysteriöse Nachricht tatsächlich fort. Nein, sie hatte nur in ihrem Kopf existiert. Kein Wunder, dass ihr niemand bedeutendere Rollen geben wollte, wenn sie immer so abwesend war.
Dann blieben ihre Augen an ein paar Worten haften, und eine schmerzliche Erinnerung kam hoch. Wie sie es auch schon zuvor getan hatte, las sie flüsternd vor.

„Ich kann es nicht mehr ertragen; Koboldkönig, Koboldkönig, wo auch immer du bist, nimm dieses Kind ... und bring es weit weg von mir!“

Sarah ertappte sich dabei, wie sie inne hielt und lauschte; sie hörte den prasselnden Regen und ein Auto, das vorbeifuhr, sowie das leise Ticken der Standuhr. Nichts geschah, so wie sie es erwartet hatte. Sie schnaubte und klappte das kleine Buch zu, um es im nächsten Augenblick ins Eck zu werfen, wo es im Dunklen verschwand und dumpf gegen die Wand schlug, bevor es auf dem Boden landete.
Sie machte es sich bequem, löschte das Licht und rollte sich auf die Seite; jetzt, wo sie die Gewissheit hatte, dass sie nicht verrückt wurde, fiel es ihr leichter, den Schlaf über sich kommen zu lassen, im Hintergrund das monotone Ticken, bis sie es nicht mehr hörte ... sie blinzelte irritiert. Die Uhr war tatsächlich stehen geblieben.

Tok. Tok. Tok.

Nein, das ist nur der Ast, rief sie sich in Erinnerung, rappelte sich aber dennoch auf. Da war nichts, nur die dünnen Schatten der Äste und Zweige im fahlen Licht der Laterne draußen. Trotzdem erinnerten sie Sarah an bedrohliche Hände, die immer näher zu rückten und nach ihr zu greifen schienen. Energisch ließ sie sich zurückfallen und erinnerte sie dabei an ein Kind, das sich zum Schutz vor Monstern im Bett verkroch.
Sie umklammerte die Decke noch fester. Kleine, weiße Dampfwölkchen ihres Atems stiegen auf.
Ihr Atem stockte und die feinen Härchen auf ihren Armen und Nacken sträubten sich, als sie das leise, gutturale Lachen hörte, das aus der Finsternis kam.

Niemals hatte sie gedacht, dass sie je eine solche Angst empfinden würde, dass sie wie gelähmt in ihrem Bett saß; sie wollte davon laufen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie spürte nur diese unerträgliche Kälte, die sich in ihrem Körper breit machte, und sah hilflos zu, als sich etwas aus der Dunkelheit löste;

Tok. Tok. Tok.

Der Gehstock schlug hart auf dem Boden auf; ein schwarzer Handschuh ruhte auf dem Knauf, knarrte leise, als er sich fester darum schloss. Eine hochgewachsene Gestalt trat aus dem Schutz des Schattens, das Gesicht von einer skurrilen Pestmaske verdeckt und auf dem Haupt einen schwarzen Zylinder. Es blickte in Sarahs Richtung, ohne sich ihr weiter anzunähern. Das Wesen legte beide Hände auf den Stock.
„Oh mein Gott“, flüsterte Sarah trocken, und rieb sich die Augen. Es war nicht verschwunden. Diesmal nicht.

„Haben sie dich nicht ausdrücklich gewarnt?“, schnarrte das unheimliche Wesen mit krächzender Stimme. „Das ist nicht echt. Ich bilde es mir nur ein.“ Sie kniff die Augen angestrengt zusammen. „Geh weg, verschwinde!“
Die Matratze senkte sich; Sarah wagte es kaum, hinzusehen, doch sie überwand sich und presste sich mit dem Rücken gegen das Holz. Das Wesen hatte sich an der Seite nieder gelassen, den Kopf fragend zur Seite geneigt. „Aber, aber. Behandelst du so deine Gäste?“ Diese Stimme hatte nichts Menschliches an sich; es erinnerte sie tatsächlich an das Krähen eines Rabens. „Sieh nur: ich habe ein Geschenk für dich mitgebracht.“ Es zog eine Rose unter seinem Umhang hervor, drehte sie vor Sarah im fahlen Licht; sie war tiefrot und von ungewöhnlicher Schönheit. Eine schwarze Schleife aus breiter Seide war um den Stiel gebunden.

„Wer bist du“, stieß Sarah hervor und hatte Mühe, das Klappern ihrer Zähne zu unterdrücken, „und was willst du von mir?“ Sie griff nicht nach der Rose, sodass die Kreatur sie ihr hinlegte.
Die Maske keckerte. „Du stellst die falschen Fragen, Mädchen. Und ich – ich bin ein Freund.“ Es tippte sich mit seinen langen, klauenartigen Fingern gegen die Krempe des Zylinders. „Ich bin hier, um dir zu geben, wonach du verlangst. Doch nun sag‘ mir, wo es ist.“
Sarah starrte die Kreatur verständnislos an, bis sie endlich begriff. Es konnte sich dabei nur um einen ihrer bösen Träume handeln. „Das Buch …“, stammelte sie, „ich habe nur vorgelesen, was darin stand.“

„Na, na“, machte die Kreatur und wackelte provokant mit dem Zeigefinger vor Sarahs Nase. „du hast die Worte gesprochen und deinen Wunsch geäußert; wo ist das Kind, mein Mädchen? Wir wollen den König nicht reizen, nicht wahr?“
Sarah stutzte. „Du … bist der Koboldkönig? Ich … habe kein Kind, ich bin allein hier.“
Die Maske des Wesens kam ihr bedrohlich nahe, sodass Sarah erkennen konnte, dass statt der Schlitze für die Augen zwei ebenso schwarze, funkelnde Steine saßen. Der lange Schnabel berührte sie beinahe. Handelte es sich dabei überhaupt um eine Maske …?

„Nein“, flüsterte die Kreatur und stieß für Sarah völlig unerwartet eine Wolke aus dunklem Rauch aus seinen Nasenlöchern in ihr Gesicht. Sie japste, umklammerte ihren Hals, als sie keine Luft mehr bekam und schließlich bewusstlos zusammensackte. „ … aber mein Herr wird nicht sehr erfreut sein, dass er umsonst gerufen wurde.“
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