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Dark Salvation

Kurzbeschreibung
GeschichteHorror, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Hoggle Jareth Lubo Sarah Sir Didymus
31.08.2016
15.04.2023
43
56.915
9
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Dieses Kapitel
3 Reviews
 
08.01.2017 1.627
 
//Happy Birthday to our beloved goblin king ... you moved the stars for us.//


***

Das Blut rauschte in Sarahs Ohren, sodass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte; wäre da nicht immer noch die Hand an ihrem Hals gewesen, hätte der enorme Schwindel sie wohl stürzen lassen. In der Sekunde eines Lidschlags hatten sie den zerstörten Ort hinter sich gelassen und fanden sich inmitten ihres alten Kinderzimmers wieder, in dem soeben reges Treiben herrschte – es wurde getanzt und gefeiert; Kobolde und andere Kreaturen hüpften auf dem Bett herum, während Sarah ihrem fünfzehnjährigen Ich dabei zusah, wie sie ihre lieb gewonnenen Freunde herzte. „Dann und wann, wann immer ich euch brauche …“, hörte sie sich sagen, doch der Rest des Gesprächs ging in dem Lärm unter; sie kannte diese Szene, und eine seltsame Bitterkeit feststellte.

Der Griff löste sich, und Sarah wollte die Gelegenheit nutzen um sich los zu winden, doch der König kam ihr zuvor; unsanft stieß er die junge Frau von sich und musterte sie mit einem Ausdruck, der kaum in Worte zu fassen war. „… aber du hast sie nie wieder gerufen; tatsächlich hast du es schon damals treffend formuliert: du hast sie nur gebraucht, um deinen Willen durchzusetzen. Sie waren nur ein Mittel zum Zweck.“
Ein dumpfer kurzer Schmerz kroch durch ihre Eingeweide, und als sich ihre Blicke trafen, wusste Sarah, dass er mit seinen Worten soeben alte Wunden aufgerissen hatte. Die Gefühle, die sie nun überkamen, erinnerten an kraftvolle Wellen, die an Felsen brachen. „Das ist nicht wahr!“, hörte sie sich selbst aufgebracht fauchen, „das – das ist nicht fair!“
Sarah vernahm sein dunkles, samtenes Lachen und fühlte, wie sich ihre Brust immer weiter zuschnürte; niemand der Feiernden schien etwas mitzubekommen, auch nicht, als sie sich an ihrem alten Frisiertischchen abstützen musste, als sie glaubte, ersticken zu müssen.

„Was ist schon fair“, raunte der Koboldkönig, musterte erst die tanzenden Kreaturen, von denen er sich jedoch jäh abwandte und dann interessiert die alten Spielsachen in den Regalen betrachtete; besonders jenes mit den unzähligen alten Märchenbüchern schien ihn zu faszinieren.
Der dunkle Handschuh strich bedächtig über die Buchrücken. „Ich frage mich immer noch, woher du deinen Sinn für Gerechtigkeit hast; hm.“ Seine Finger blieben auf einem dunkelroten, abgenutzten Einband liegen. Er kümmerte sich nicht um die junge Frau, die ihn mit Tränen in den Augen anstarrte, und zog das kleine Buch hervor; der goldene, abgegriffene Schriftzug Labyrinth blitzte hervor, ehe er es sorgsam durchblätterte. „Die blutjunge Schönheit, die ihrer bösen Stiefmutter immer ein Dorn im Auge war, und gezwungen wurde, auf deren und ihres Vaters‘ Kind zu achten, obwohl sie es fast genauso sehr hasste wie die neue Frau des Vaters …“, las er grausam langsam vor, den Blick auf das vergilbte Papier gesenkt, „… der die Probleme seiner Tochter nicht sehen wollte … unverstanden, und ganz allein auf dieser kalten Welt. Ihre Fantasie war der einzige Ausweg in ein besseres Dasein, in der sie die Prinzessin sein und tun und lassen konnte, was sie wollte. Wenn sie ihn rief-“, der König warf ihr einen kurzen, vielsagenden Blick zu, ehe er weiterlas, „jenen, den sie ihren Prinzen nennen konnte, der sie weit, weit fort von diesem Ort brächte, und ihr nicht nur mit seiner Macht, sondern auch mit seiner unsterblichen Liebe dienen würde.“

Ämusiert schnellte die spitzzulaufende Augenbraue nach oben. „Eine nette Vorstellung deines Prinzen hast du da gezeichnet. Nun, es wird dich gefreut haben, dass es tatsächlich ein König war – und wohl weniger erfreulich, dass ich in keinster Weise deiner Darstellung entspreche.“ Er schlug das Buch zu, warf es nun achtlos nach hinten, wo es durch einen der Gäste hindurch fiel; als wäre das das Stichwort gewesen, lief nun eine Kreatur nach der anderen zu dem Spiegel, in dem sie der Reihe nach verschwanden. Mit gerunzelter Stirn beobachtete Sarah, was soeben geschah, bis nur noch ihr kindliches Ego und Hoggle übrig waren; als die beiden auf den Frisiertisch zusteuerten, wich Sarah unwillkürlich zurück.
„Ich danke dir für deine Hilfe“, hörte sie sich selbst sagen, „ich werde dich nie vergessen. Wenn ich euch rufe, kommt ihr mich dann besuchen, ja?“
„Naja, also … wenn du das wirklich möchtest“, stotterte Hoggle und nestelte unsicher an seiner Schmucksammlung herum, „wenn’s keine Umstände …-“
„Blödsinn“, warf ihr junges Ego ein und umarmte den Zwerg für sie typisch stürmisch; er zappelte, bis er sich schließlich befreit hatte. Seine Wangen und Nase waren gerötet, die großen Augen glänzten feucht. „Na gut“, murmelte er, hob dann langsam die Hand zum Gruß. „Wir sehen uns. Bis bald, Sarah.“ Er lächelte, und eine dicke Träne stahl sich davon.

Ihr junges Dasein hob ebenso die Hand, Tränen glitzerten in ihren Augen. „Bis bald, Hoggle.“
Was als Nächstes geschah, erinnerte Sarah an jenen Augenblick im Theater, wenn ein Stück endete: ihr altes Zimmer und ihr jugendliches Ich verschwanden in plötzlicher Dunkelheit, und ein Lichtkegel richtete sich auf sie und den Koboldkönig, als wären sie nun die Darsteller im Mittelpunkt.
Lautlosen, schnellen Schrittes kam der Koboldkönig auf sie zu, sodass sie schützend die Hände vor das Gesicht hielt – doch es geschah nichts. Langsam löste sie sich aus ihrer starren Haltung, und fing sich in den dunklen Augen. „Du hast sie nie wieder gerufen“, sprach er leise und taxierte sie; die ruhige Art und Weise, wie er sprach, beunruhigte Sarah. „Schon bald danach hattest du sie vergessen, alles hinter dir gelassen.“ Das grelle Licht zeigte, wie bleich … und schön er war. Ein merkwürdiger Schauer kroch über ihren Rücken. „Komm.“

Ein weiterer Lichtkegel, jedoch deutlich schwächer, erschien; er beleuchtete eine einzelne rot lackierte Tür, die sich von der sonstigen Dunkelheit abhob. „Was ist dahinter?“, fragte Sarah, doch sie erhielt keine Antwort. Der Koboldkönig war fort.
Sie fluchte leise, näherte sich dann aber nach kurzem Zögern der Tür. Was sollte sie sonst tun? Wenn er wollte, konnte der König sie hier für alle Ewigkeit festhalten.
Ihre Hand legte sich um den runden Knauf, den sie langsam drehte; die Tür öffnete sich und Sarah betrat einen Ort, der ihr ebenso vertraut wie fremd war. Sie fand sich in dem kleinen Eingangsbereich ihres Appartements, das sie nie als ihr Zuhause angesehen hatte. Es war klein und enthielt nur das Notwendigste, das Sarah zum Leben brauchte, seit sie den kleinen Heimatort verlassen und in die Großstadt gezogen war, um ihre Schauspielkarriere voran zu treiben.

Sie betrachtete stirnrunzelnd die offenbar hastig ausgezogenen Schuhe, die herum lagen, und betrat dann das Wohnzimmer, in dem sich der offene Kamin befand. Ein Blick aus den Fenstern am Erker, gegen die der Regen prasselte, verriet ihr, dass draußen ein Sturm tobte. Ihr Blick fing sich für einen kurzen Augenblick an dem gerahmten, alten Foto auf dem Kaminsims; es zeigte eine kleine Familie. Der Mann lächelte breit, hatte die Hand auf die Schulter seiner schönen Frau gelegt, die ebenso lächelte, aber dennoch müde wirkte. In ihren Armen hielt sie ein Baby. Wie oft hatte sie im Laufe der Jahre von unzähligen Menschen im Beisein ihres Vaters gehört, dass sie ihrer verstorbenen Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war? Allein die Erinnerung, dass ihr Vater dann jedes Mal mit einem traurigen Lächeln zu stimmte, schmerzte; irgendwann hatte sie diese Vergleiche regelrecht gehasst, sodass selbst der Blick in den Spiegel sich falsch anfühlte.
Ihr Blick fiel auf ein schwarzes Stück Stoff, das auf dem Boden lag; sie bückte sich danach und erkannte das Kleid, das sie meist für Dateabende wählte … und erstarrte. Ein dumpfes Geräusch ertönte, das aus ihrem Schlafzimmer am Ende des kurzen Flurs zu kommen schien. Mit einem unbehaglichen Gefühl und dem Kleid in den Händen steuerte sie auf eben jenes Zimmer zu, wo sie für einen kurzen Augenblick die Augen schloss, bevor sie die Tür langsam aufschwingen ließ.

Ihre Intuition hatte sie nicht gettäuscht; das Kleid glitt leise raschelnd zu Boden, und sie vergrub voller Scham ihr Gesicht in den Händen, bevor sie erneut zu dem Bett blickte.
Ihr nackter Rücken bewegte sich rhytmisch und eindeutig, während sie sich durch das dunkle Haar fuhr. Die Hände eines Mannes, dessen Gesicht Sarah von ihrem Platz aus nicht erkennen konnte, hielten an ihren Hüften fest. Das Stöhnen drang leise zu ihr, und am liebsten wäre sie zu ihrem Ego gestürmt, um sich selbst zu ohrfeigen und dieser Schmach ein Ende zu bereiten …
Ein Schimmern, das sich in ihrem Augenwinkel fing, gewann ihre Aufmerksamkeit. Auf dem alten, antikwirkenden Polsterstuhl, der seine besten Tage bereits hinter sich hatte, saß der Koboldkönig; er hatte ein Bein über das andere geschlagen, ein Arm lag auf der Lehne, während er mit der anderen Hand mehrere Kristalle balancierte; das fahle Licht brach sich darin. Sein Blick ruhte auf dem Paar, das ihrer beiden Anwesenheit nicht bemerkte; die Augenbrauen waren kaum merklich zusammengezogen.

„Hör auf!“ Sarah lief auf ihn zu, spürte, wie die Wut in ihr kochte, dass er sie derart bloß stellte. Unsäglich langsam und immer noch vollkommen ruhig löste sich sein Blick von der anderen Sarah, die sich soeben zu ihrem Liebhaber hinab ließ, bevor sie sich wieder aufrichtete.
Ein kurzes Lächeln zuckte über die schmalen Lippen. „Womit denn, Sarah? Willst du diese eine Erinnerung leugnen, so wie du es jeden Morgen danach getan hast? Du kennst seinen Namen nicht einmal mehr, nicht wahr? Hast du je eine solche Reue empfunden, sie im Stich gelassen zu haben?“ Seine Stimme klang beinahe sanft, als er sprach, doch in den schwarzen Augen loderte etwas auf; ein wütendes Donnergrollen des Sturms, untermalt von einem grellen Blitz, lösten etwas in Sarah aus, das sie von sich bisher nicht gekannt hatte.

„Hör-“ Die Zeit blieb stehen. „auf!“ Sie sah ihren eigenen gestreckten Arm, der ausholte, spürte ihr vor Wut und Scham verzerrtes und angespanntes Gesicht. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen; der nächste, das Zimmer erhellende Blitz, die Kristalle, die sich in seiner Hand drehten und wanden, der dunkle Obsidian, der sich ihr langsam zu wandte ...
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