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mirror in us all|

von Nayle
Kurzbeschreibung
OneshotAngst / P16 / Gen
Königin Ravenna Snow White
28.08.2016
28.08.2016
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Achtung - Andeutungen von sexuellem Missbrauch!





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†   †   †







Als du noch ein Kind warst und noch nichts von der Dunkelheit in der Welt wusstest, war die Welt schön und hell und strahlend und das Leben ein nicht enden wollender Traum gewesen.

Damals, und es erschien dir wie vor einer Ewigkeit, als du nichts gekannt hast außer weißem, weißem Schnee, der die weiten Länder deiner Heimat bedeckt hatte, der dein goldenes Haar wie die Sonne glitzern ließ, der so unbefleckt und schön und rein war wie einst auch du.

Du warst ein Mädchen mit Träumen und Sonnenschein und Liebe im Herzen.

Dort wo du aufwuchst, waren die Menschen arm und bescheiden, doch nichtsdestotrotz fleißige und zufriedene Leute und obwohl du nichts hattest, warst du auf eine Weise reich, wie du es nie mehr erfahren hast.
Behütet und geliebt von Mutter und Vater. Vergöttert von Bruder und Schwester.

Du spieltest mit ihnen und lachtest mit den anderen Kindern, die mit dir aufwuchsen, ranntest mit ihnen über die weiten Felder als hättest du die weitgeschwungenen Flügel eines Raben, hörtest mit Faszination alle Geschichten und Legenden, die dir von den Alten eurer Gemeinschaft erzählt wurden, von schönen Prinzessinnen und ihren heldhaften Prinzen, von bösen Drachen und verzauberten Tieren, von siegreichen Königen und grausamen Königinnen.

Nur manchmal verirrten sich leise flüsternde Schatten in dunklen Nächten in deine Kinderstube, doch verschwanden sie, wenn du deinen Kopf in Mutters Schoß legtest und sie dir über dein Haar strich, und du dich zu deinem Bruder in das Bett gekuschelt hast, seinem unbesorgten Atem lauschend.


Seltsame Dinge geschahen um dich herum, du sahst es, hast es immer gesehen, doch die Wahrheit blieb vor dir verschlossen, bis zu jener Nacht als deine Mutter dich aus dem Schlaf holte, leise um deinen Bruder nicht zu wecken, und sie dich an der Hand in den Wald führte.

Der kalte Stein des Altars hatte sich gegen deinen nackten Körper gepresst, deine weiße Haut entblößt unter Vollmondschein, und dein blondes Haar war im Licht wie ein silberner Wasserfall über deinen Rücken gefallen, als dein erstes Mondblut an deinen Schenkeln hinabrann.

Und du lerntest, dass altes, mächtiges, magisches Blut in dir floss, die Wahrheit, die man so lange vor der verschlossen gehalten hatte. Es war das erste Mal, als du einen Hauch einer Ahnung von der Größe, zu der du bestimmt warst, gefühlt hast. Als du den seligen Blick in den Augen Mutter erkannt hast und du zurückgelächelt hast.

Und dennoch, warst du immer noch unwissend, immer noch ohne Angst, immer noch voller Glück in deinem kleinen Fleckchen Kindheit.



Dann kamen sie.


Mit prachtvollen Rüstungen, mit schneidenden Klingen, mit Feuer, mit Tod und mit Blut und mit Schmerz, mit Grausamkeit in der Seele.

Niemand wusste wer sie waren und woher sie kamen, doch auf einmal waren sie da und brachten die Hölle über dich. Alles was du tun konntest war zu sehen.

Du sahst wie die Menschen, mit denen du aufgewachsen bist, die Männer die euch beschützt haben, einer nach dem anderen unter dem Schwert fiel.

Du sahst Kinder und Frauen schreien und im Flammenmeer verbrennen.

Du sahst, wie sie deiner Mutter johlend die Kleider vom Leib rissen.

In den Nächten hörst du immer noch deine Mutter schreien, deinen Bruder weinen und noch immer hörst du ihr Lachen wie Schatten an den Wänden widerhallen.


Du hättest sterben sollen und du wärst es auch beinahe.

Doch du warst schön und dein Bruder stark und statt deines Todes erwartete dich ein noch viel schrecklicheres Schicksal.

Sklavin.


Nicht Tochter, nicht Schwester, nicht Kind, nicht Mensch. Sklavin.


Du hattest Angst und deine Kräfte waren zu schwach, um dich zu retten.
Von dem Gott, den du um Hilfe erflehtest, wurde dir keine Errettung gewährt. Du verlorst den Glauben an Gott und hörtest auf zu beten.

Du wolltest dich in den Tod werfen, doch du musstest deinen Bruder beschützen. Wie schwach er war, wie hilflos … du hattest so viel Prügel für ihn eingesteckt, so viele Schläge für ihn ertragen …

Niemals in dein Gesicht.
Sie liebten dein schönes Gesicht.

Sie liebten dein goldenes Lockenhaar, das schimmerte wie gesponnenes Gold. Deine vollen Lippen, deine Augen so glänzend wie schimmerndes Metall.

Als du zur Frau erblühtest, wurde deine Schönheit dein Verderben.

Du starbst so viele Tode in weichen Betten und wurdest wiedergeboren, erneut und erneut und erneut bis alles Gute in dir für immer erloschen war. Sie nahmen von dir und doch gabst du ihnen letztendlich nichts. Sie würden in dein statuenhaftes Gesicht sehen und außer deinen engelsgleichen Zügen doch nichts darin finden, während sie sich an deinen Formen labten, nicht wissend, dass du langsam zu Eis wurdest.


In den Nächten hörtest du erneut die Stimmen flüstern. Als Kind hattest du Angst vor ihnen, vor den Schatten, die dich des Nachts heimgesucht hatten, während dein Bruder friedlich in dem Bett neben dir geschlafen hatte, die nur du hören konntest, doch nun fandest du Trost und Stärke in ihrem lieblichen Geflüster. Du sahst sie an den Mauern tanzen. Sie lehrten dich unaussprechliche, furchterregende Dinge, von deren Existenz du niemals zu träumen vermocht hattest. Sie versprachen dir bittersüße Rache und die Angst in dir schwand und verwandelte sich in etwas, das du niemals zu glauben vermocht hattest, zu etwas viel Größerem, Unvorstellbarem, Machtvollem.

Du pflegtest deinen Hass und mit ihr wuchs deine Kraft. Langsam begannst du es zu verstehen, es in deinen Händen formen, es begreifen zu können, dass dein Weg noch lange nicht geendet hatte.

Dies war dein Anfang.

Und so wurdest du des Königs Verderben.
Ein Geschenk, als seine Frau alt und verbraucht worden war.

Dein totes Herz lachte in jener Nacht, in der der König dich in dein Bett verlangte. Er wollte dich kosten und du gabst ihm den Geschmack des Todes auf deinen Lippen, ein Sakrileg für alle, die da noch kommen sollten. Dein erstes Königreich fiel zu deinen Füßen im königlichen Bettgemach, als du den goldenen Dolch in sein Herz stießt und dich an seinem Ende ergötztest. Du konntest seine Lebenskraft in dich strömen fühlen. Niemals hattest du etwas Schöneres gesehen als das warme Blut auf den seidigen Leinentüchern.


Du wurdest Königin mit deinem achtzehnten Lebensjahr.



Du wusstest nicht ob du es gewesen warst, die den Spiegel fand, oder der Spiegel dich, doch du begrüßtest ihn wie einen alten Freund, als ob du ihn seit Jahren kanntest. Du wusstest, dass er immer schon da gewesen war, ein flüsternder Schatten im Geflecht deiner Gedanken.
Du hast dich und deine Seele mit Freuden an den Teufel verkauft, als er sich in seiner Pracht vor dir offenbart hat, als er dir die goldene Hand gereicht und du sie ergriffen hast um einen mächtigen Pakt zu schließen.

Und letztendlich zeigte er dir die Wahrheit, die du doch schon so lange kanntest.
Du warst auserwählt. Du warst zu Höherem bestimmt. Du hieltst unbegrenzte Macht in deinen Händen, besiegelt durch deine unantastbare Schönheit. Du hast seine Worte wie süßen Nektar in dich aufgenommen, während du nackt vor deinem Spiegelbild standst und dich endlich wirklich gesehen hast.

Wunderschön.

Atemberaubend.

Grauenvoll.

Mächtig.

Grenzenlos.


Und du zogst Resümee über alles was du in deinem Leben gelernt hattest.


Du lerntest, dass Liebe eine Illusion und nur für Narren war.  

Du lerntest, dass Männer widerliche Schweine waren, die nahmen und nahmen und nahmen und nicht gaben.

Du lerntest, dass mit einem Augenaufschlag dir die Welt zu Fußen lag.

Du warst besser als sie alle, eine Göttin in sterblicher Hülle, du warst ihre Träume, ihre Albträume, du warst Dunkelheit, du warst der Tod, du warst die Zeit, du warst die Nacht, du warst alles. DU WARST ALLES.


Und du durftest sie das niemals vergessen lassen.


Alle Welt soll deinen Namen kennen. Sie sollen deine Schönheit und Güte lobpreisen, dich fürchten wie lieben und vor deiner grenzenlosen Macht erzittern.

Du warst dazu bestimmt aufzusteigen, über sie alle zu triumphieren, unbesiegbar, so unaufhaltsam, warst du bestimmt über alle zu herrschen, alle Königreiche der Welt unter dir zu vereinen, sodass niemand mehr über dir stehen würde, niemand mehr nach dir kommen würde. So dachtest du einst.  

Bis eine andere kam.

Eine Jüngere.

Eine Schönere.

Ein Mädchen mit Haar so schwarz wie die Nacht.

Lippen so rot wie Blut.

Haut so weiß wie Schnee.


Snow White.


Du hättest es wissen sollen, nicht wahr? Du hättest es in dem leisen Spott der goldenen Stimme erkennen sollen. Du hättest deiner Vorahnung vertrauen sollen, dem Zittern deiner Hände, der Gänsehaut die deinen ganzen Körper bei ihrem Anblick befiel, als sie erst ein Kind war. Du hättest es wissen sollen.

Bereits damals, als du das erste Mal in diese Augen gesehen hast, in deinem prachtvollen Hochzeitkleid vor der zarten Kindsgestalt thronend, und du diese entwaffnende, verletzliche Unschuld in einer Farbe, zu blau für den Himmel, zu grün für eine Sommerwiese, erblickt hattest.
Als du an deinem Hochzeitstag den Thronsaal entlanggeschritten warst, anmutig und von überirdischer Schönheit, als wärst du ein Engel des Himmelreiches, herabgestiegen in die Welt der Sterblichen, und niemand dich angesehen hatte, niemand dich auch nur eines Blickes gewürdigt hatte, dich, die du doch die Schönste von allen warst. Doch alle Augen waren von dir abgewendet gewesen, nur auf eine einzige gerichtet, nur auf sie.


Du hättest sie töten sollen.


In jener Nacht, als du ihren Vater von ihr gerissen hast, ihr Königreich, ihr Erbe, hättest du sie ebenfalls zerfetzen sollen, sie vernichten, ihr wie einem Insekt die Gliedmaßen einzeln ausreißen sollen.

Du hättest ihre unerträglichen Augen aus diesem Puppengesicht reißen, sie in eine gepolsterte Kiste sperren und in deinem Schlafgemach stellen sollen. Wie ein liebliches Kleinod. Ein kleines bisschen Unschuld in deinem Himmel.


Warst du denn nicht auch einst unschuldig wie weißer, weißer Schnee gewesen? Unberührt und rein und schön? Warst du mit deinen Fingern nicht durch seine Weichheit hindurchgeglitten? Hattest du nicht seinen Geschmack auf deiner Zunge gekostet?

Es war ein Scherz, ein grausamer Scherz. Und allein ihr Name zeugte von dem grenzenlosen Hass, der dich bei ihrer bloßen Erwähnung befällt.  Denn beinahe hatte sie dich vergessen lassen, wofür du bestimmt warst. Wer du warst.

Du warst die Sonne.

Sie war wie Schnee. Hübsch anzusehen in seiner weißen Zartheit, wie eine seltene Blume, die nur zu einer bestimmten Zeit erblühte, verleitete er zum Träumen und doch wurde er so leicht befleckt, so schnell beschmutzt von unachtsamen, groben Tritten. Er war vergänglich.
Er wich vor den mächtigen Strahlen der Sonne, schmolz unter ihrer unendlichen Wärme hinweg, bis all seine Schönheit zu dreckigem, braunen Schmutz geworden war. Unter ihr erwachte und erblühte die Welt von neuem in all ihren Farben. Sie hielt alles Leben in ihren Händen, denn ebenso wie sie die Felder fruchtbar machte, so konnte sie in ihrer Ungnade alle Ernte verdorren und alle Erde verbrennen lassen. Unerreichbar, für die Ewigkeit unantastbar, herrschte sie über sie alle in ihrer Glorie und Göttlichkeit, konnte niemand auch nur in ihre Nähe gelangen ohne zu verbrennen, niemand sie mit bloßen Augen ansehen, ohne zu erblinden, so grenzenlos war ihre Macht.  


Sie alle werden sich vor deiner Herrlichkeit verneigen.

Und Snow White´s Herz würde dir deine Ewigkeit schenken.

Stolz und erhaben waren deine Schritte als du über die ausgetrockneten Mädchenleichen hinweg die goldenen Treppen zu deinem Abbild emporstiegst, gewandet in deinem schwarzen Kampfkleid, das sich wie eine zweite Haut, wie ein sanftes Federkleid, an deinen Körper schmiegte.
„Ich bin Königin Ravenna. Ich bin Schönheit und Perfektion. Ich bin ewige Jugend. Ich bin Unsterblichkeit“, wiederholtest du in einem Singsang, sprachst zu der einzigen Göttin, der du vertrautest, in dich und dich allein.


Liebevoll fuhrst du mit deiner Fingerspitze über das glatte Metall. Es war warm unter deinen Fingern, warm im Angesicht des vernichtenden Feuers, das du über sie alle regnen lassen wirst. Dein Antlitz spiegelte sich in dem vertrauten goldenen Schein wider, deine Augen brennend vor Feuer und Verlangen und dem Versprechen unaussprechlicher Grausamkeit, und beinahe konntest du es sehen, konntest du ihre Vernichtung sehen.


Vor dir wird sie knien.

Um Gnade wird sie flehen.

Ihr kleines, weißes Gesicht von Tränen überströmt, verzerrt vor Verzweiflung, vor unaussprechlichem Grauen und Todesangst.


Kein Gedanke hatte dir je größere Freude bereitet.


Wie lieblich ihre Schreie klingen würden, wie herrlich ihr Schmerz, wenn du mit bloßen Händen jeden ihrer Rippen brechen würdest, ihre Brust aufreißen und ihr herrliches, rotes, rotes Herz dort finden würdest.

Ein Lachen brach aus deinem Inneren hervor, fremd und grauenvoll und in hasserfülltem Triumph.



Bald schon würdest du deine Vollendung finden.

Du wirst aller Dinge Anfang und aller Dinge Ende sein.





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Hallo liebe Leute!
jaaa also ich hoffe, euch hat dieser kleine OS gefallen ^^
Ich wollte mich mal an ein neues Fandom heranwagen und tja, das ist dabei herausgekommen ... vielleicht ist es more creepy geworden als ursprünglich geplant, aber irgendwie mag ich es so xD

Anyway, Vielen Dank fürs Lesen!
Über Rückmeldung jeglicher Art würde ich mich natürlich sehr freuen ;-D

Liebe Grüße,
Eure Nayle
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