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Die Bürde der schwarzen Magier III - Das Heiligtum von Yukai

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Mix
Hoher Lord Akkarin Lord Dannyl Lord Dorrien Lord Rothen Regin Sonea
02.08.2016
04.06.2019
56
813.938
87
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
4 Reviews
 
12.06.2018 14.777
 
Hallo ihr Lieben, zunächst einmal eine schlechte Nachricht für alle, die sich gefreut haben, im Herbst die Fortsetzung „Das Erbe der schwarzen Magier I – Die Königsmörderin“ zu lesen und die mir weder auf Social Media folgen noch samstags Akkarins Geschichte lesen:

Der Start verschiebt sich auf nächstes Jahr. Mehr dazu und zu meinen Gründen für diese kurzfristige Entscheidung findet ihr auf meinem neuen Blog. Dort findet ihr übrigens auch ein paar Leseproben.

Von Klagen über lange Wartezeiten bitte ich abzusehen, da sie nicht hilfreich sind.



Nachdem im letzten Kapitel nur Beschlüsse gemacht wurden, die schon in Yukai geschehen gemacht worden wären, hätten gewisse andere Parteien dies nicht verhindert oder die Konferenz nicht zum Scheitern gebracht, geht es heute ans Eingemachte.
Und jetzt, wo die Gefahr gebannt ist, gibt es ein langersehntes Wiedersehen ;)


Ganz lieben Dank an Black Glitter, Lady Kadala, Silberschatten, Emmi, Full Moon und Lady Alanna für die Reviews zum letzten Kapitel <3




***



Kapitel 48 – Die Verhandlungen beginnen erneut



Im Hof des Forts hatte sich die seltsamste Konstellation von Menschen zusammengefunden, die Dannyl je bei dem Empfang eines Königs gesehen hatte. Die Ashaki waren in ihren bunten Gewändern und begleitet von nicht immer züchtig bekleideten Sklaven in einer Ecke versammelt. Die Krieger der Duna hätten mit ihren Hosen und Westen aus Pferdeleder nicht weniger fehl am Platz wirken können, während die Verräter und die Rebellen ähnlich zweckmäßig gekleidet waren. Neben zahlreichen Gildenmagiern in roten Roben, einigen wenigen in Grün und Purpur und den beiden schwarzgewandeten Magiern hatte sich zudem die komplette Dienerschaft des Forts versammelt.

„Ich bin gespannt, was der König für Augen machen wird, wenn er hier eintrifft“, murmelte Dannyl.

„Wahrscheinlich rechnet er nicht mit einem solchen Auflauf“, erwiderte Sonea erheitert.

„Es ist das erste Mal, dass der König allen Kriegsparteien persönlich begegnet“, sagte der Hohe Lord. „Dieses Treffen wird zweifelsohne einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“

Am anderen Ende des Hofes wandten sich erste Köpfe in Richtung des Tunnels. Nur wenige Augenblicke später erklang das sanfte Klackern beschlagener Pferdehufe auf Stein. Dann ritt ein in prächtige Gewänder gehüllter Mann gefolgt von mehreren Höflingen und einigen weiteren Gildenmagiern, darunter die Oberhäupter der Disziplinen Alchemie und Heilkunst, in den Hof.

König Merin von Kyralia.

Diener eilten herbei und führten die Pferde der Reiter zu den Ställen, als nacheinander erst der König und dann seine Gefolgschaft absaßen. Von den Stufen zum Haupteingang aus beobachtete Dannyl, wie der König mit wallendem Umhang ihm, dem Hohen Lord und Sonea entgegen schritt.

Wie auf ein unausgesprochenes Kommando gingen die beiden schwarzen Magier auf ein Knie. Dannyl beeilte sich, es ihnen nachzutun. Die anderen Kyralier folgten, und als Dannyl den Kopf hob, sah er, dass sogar die Sachakaner der Geste des Hohen Lords gefolgt waren. Von den Duna hatte er derweil nichts anderes erwartet. Sie waren stolz, aber Überheblichkeit lag ihnen fern.

So viel Einigkeit … Für die Sachakaner muss das einer Unterwerfung gleichkommen. Die Erkenntnis bewegte etwas in Dannyl. Das alles war vor allem sein Verdienst. Nicht ausschließlich, aber es wäre nicht dazu gekommen, hätte er diese Herausforderung nicht angenommen.

„Willkommen im Fort, Euer Majestät“, sagte Akkarin.

„Hoher Lord“, sprach König Merin. „Erhebt Euch.“

Akkarin erhob sich. Ihm folgte der Rest der im Hof Versammelten. Die grünen Augen des Königs wandten sich zu Dannyl. „Auslandsadministrator Dannyl. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr ich Euch für Euren Einsatz zum Wohle eines Friedens zu danken habe. Ohne Euch wären wir heute nicht hier, um diese Angelegenheit ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.“

Dannyl neigte den Kopf. „Ich danke Euch, Euer Majestät.“

Der König zwinkerte ihm zu und trat dann zu Akkarins Frau. „Lady Sonea, auch Euch muss ich meinen Dank aussprechen. Ihr habt den Auslandsadministrator mit Eurem Leben beschützt und, wie ich gehört habe, selbst keine unbedeutende Rolle bei diesem Ergebnis gespielt.“

Ein Hauch von Rosa flog über Soneas Wangen. „Euer Lob ehrt mich, Euer Majestät.“

Dannyl verkniff sich ein Lächeln. Sie hatte einige Redewendungen aus dem Sachakanischen übernommen. Wie sehr wurde ihm erst bewusst, seit sie zurück in Kyralia waren. Selbst während seines halben Jahres bei den Verrätern hatte er nicht so viel Sachakanisch gesprochen.

„Ich werde nun meine Gemächer beziehen“, erklärte König Merin. „Und danach wünsche ich über den Friedensvertrag zu sprechen.“

„Selbstverständlich, Euer Majestät.“ Akkarin winkte einen Diener herbei. „Zeige dem König und seinem Gefolge ihre Gemächer.“

Der Diener verneigte sich hastig und verschwand gefolgt von Merin und seinem Hofstaat im Fort.

„So viele Adelige hat das Fort mit Sicherheit noch nicht zu sehen bekommen“, murmelte Dannyl, während Merins Gefolge an ihnen vorbei schritt. „Ein sehr unwirtlicher Ort für die Angehörigen der Häuser.“

„Sie werden es überleben“, sagte Sonea.

Dannyl lachte. „Daran zweifle ich nicht!“

Einer der Gefolgsleute war vor ihnen stehengeblieben. „Erkennt Ihr mich nicht mehr, Auslandsadministrator?“

Für einen Augenblick war Dannyl ob der vertraut klingenden Stimme verwirrt. Als er den jungen Mann vor sich erkannte, machte sein Herz einen Sprung.

„Tayend!“, rief er. „Wie kommst du denn hier her?“

Der Gelehrte grinste. In seinem dunkelgrünen Obergewand und der dazu passenden Kopfbedeckung – zweifelsohne die neuste kyralische Mode – hatte Dannyl ihn hinter dem Rest von Merins Gefolge nicht gesehen. Es war ihm wahrhaftig gelungen, sich anzupassen.

„Mit dem Pferd, natürlich.“ Strahlend neigte Tayend den Kopf zur Seite. „Nun, ich hätte auch in einer Kutsche reisen können, aber so konnte ich mehr von diesem Land sehen.“

„Aber das erklärt nicht, wieso du hier bist.“

„Ah, ich wollte schon immer das kyralische Hinterland bereisen!“

Aus den Augenwinkeln sah Dannyl, wie Akkarin eine Hand zwischen Soneas Schulterblätter legte und sie ins Fort führte. Die übrigen Gildenmagier schlossen sich ihnen an, während sich der Rest allmählich zerstreute und wieder jenen Tätigkeiten nachging, die sie für die Ankunft des Königs unterbrochen hatten.

„Und wie ist es dir gelungen, dich in Merins Hof einzuschleusen?“

„Gar nicht.“ Tayend grinste. „Tatsächlich hielt dein Hoher Lord es für eine gute Idee, dir deinen Assistenten zu den finalen Verhandlungen als moralischen Beistand zu senden, nachdem er und Lady Sonea die Gefahr gebannt hatten.“

Dann musste Akkarin dies nach der Schlacht vor dem Fort veranlasst haben. Dannyl verspürte eine ungeahnte Sympathie für den Hohen Lord. Doch vor allem verspürte er eines: Wärme.

„Und mir hat er kein einziges Wort gesagt“, murmelte er.

„Wahrscheinlich wollte er, dass es eine Überraschung wird. Immerhin haben wir uns lange nicht gesehen und du bist bei den barbarischen Duna sicher völlig verwildert.“

Dannyl lachte. „Ich passe mich nur den Sitten an. Im Übrigen sind die Duna gar nicht so barbarisch, wie der erste Eindruck glauben lässt. Eigentlich sind sie sogar überraschend zivilisiert.“

„Aber sie schlafen in Zelten und jagen mit altertümlichen Waffen, richtig?“

„Über die Jagd definieren sie ihre kriegerischen Fähigkeiten. Und man muss nicht in einem Haus wohnen, um zivilisierte Grundsätze zu vertreten“, stellte Dannyl richtig. „Von ihnen könnten noch so manch sesshafte Völker lernen.“

„Du musst mir unbedingt alles erzählen!“, verlangte Tayend. „Ich bin schon so gespannt, alles von deiner Reise zu erfahren.“

„Dann gehen wir am besten nach drinnen“, schlug Dannyl vor. „Weißt du schon, wo du schlafen wirst?“

„Einer der Magier, die mit uns gekommen sind, meinte, man würde mir ein Zimmer auf dem Flur der höheren Magier bereitstellen.“ Tayend unterdrückte ein Kichern. „Weil ich sozusagen zu dir gehöre.“

Und wie du das tust!, dachte Dannyl, wagte es jedoch nicht, das laut auszusprechen. Ob Akkarin auch dafür gesorgt hatte? Dannyl hätte dem Hohen Lord zugetraut, sich auf diese Weise für seinen Einsatz erkenntlich zu zeigen. Auch wenn das nicht bedeutete, dass sie leichtsinnig werden durften.

Ein Diener folgte ihnen mit Tayends Gepäck zu den Wohnebenen. Während sie die Stufen erklommen, berichtete Tayend ausführlich von dem Ritt in die Berge und beschrieb die Reaktionen der Adeligen auf den geringen Komfort bis ins kleinste Detail. „Ich bin froh, dass du mich in Bezug auf das Reisen abgehärtet hast“, sagte er. „Sonst wäre der Weg für mich eine reine Tortur geworden, die ich für dich jedoch bereitwillig in Kauf genommen hätte.“

„So wie auf Seereisen?“, feixte Dannyl.

„Oh, erinnere mich nicht daran!“

Tayends Zimmer lag nur zwei Türen weiter. Es war nicht optimal, doch das Gefühl, seinen Gefährten in seiner Nähe zu wissen, hob Dannyls Stimmung. Wirklich gut wird es niemals sein, dachte er. Die Gilde und vor allem die kyralische Gesellschaft werden ihre Einstellung zu Männerliebe nicht ändern.

Nun, vielleicht würden sie das irgendwann. Aber Dannyl bezweifelte, dass er und Tayend das noch erleben würden.

Und für den Augenblick hatte die Gilde wichtigere Veränderungen zu bewältigen.

„Einfach, aber komfortabel“, bemerkte der Gelehrte, nachdem der Diener das Gepäck abgestellt und sich entfernt hatte.

„Das ist das Fort“, erwiderte Dannyl. „Luxus wirst du hier nicht finden.“

„Dem Gefolge des Königs wird das nicht gefallen.“

„Wahrscheinlich nicht.“

Sie lachten.

„Ich denke, das war genug des Geplauders.“ Dannyl streckte seinen Willen nach der Tür aus. Das leise Klicken, als diese zufiel, löste die zuvor verspürte Spannung und vermittelte ihm ein Gefühl von Sicherheit. „Es wird Zeit, einander anständig zu begrüßen.“

Tayend machte ein vorwurfsvolles Gesicht. „Das wurde aber auch wirklich Zeit, Auslandsadministrator. Ich habe mich schon gefragt, ob du es vergessen hast.“

Dannyl machte einen Schritt auf seinen Gefährten zu und schloss ihn in seine Arme. Das plötzliche Gefühl von Nähe drohte ihn zu überwältigen. Obwohl sie noch immer weit fort von Zuhause waren, war er in diesem Moment zuhause angekommen.

„Wie könnte ich etwas vergessen, nachdem ich mich monatelang mit jeder Faser meines Herzens gesehnt habe?“


***


Obwohl der König von Kyralia ein Nichtmagier war, war er ein beeindruckender Mann. Er brauchte keine Magie, um respektiert zu werden, er strahlte seine Macht auf natürliche Weise aus, ohne dabei überheblich zu wirken. Gemeinsam mit einem Magier und vier Männern, die offenkundig die Herrscher der übrigen Verbündeten Länder repräsentierten, betrat er in einem Umhang so grün wie seine Augen und einem Obergewand, auf das ein goldener Mullook gestickt war, den Konferenzraum und nahm am Kopfende des Tisches Platz, wo der schöne Gildenmagier an den vergangenen Tagen mit Akkarin und Sonea gesessen hatte.

„Erhebt Euch“, sprach er und Asara und die anderen im Raum lösten sich aus ihrer knienden Position und ließen sich auf ihren Plätzen nieder.

Von ihm wird abhängen, ob es wirklich zu einer Einigung kommt, rief sie sich ins Gedächtnis. Ishaka hatte nur allzu deutlich gemacht, dass er die Aufnahme in die Allianz der Gildenmagier mit dem König von Kyralia persönlich zu diskutieren wünschte. Auch Asara war an dem Ausgang dieses Gesprächs interessiert, weil die Verräter mit den Ashaki gleichziehen würden.

„Vor einigen Wochen haben sich die Herrscher der Verbündeten Länder mit mir und dem Hohen Lord der Magiergilde getroffen und die Bedingungen, unter denen Sachaka und die Verräter in die Allianz aufgenommen würden, diskutiert“, eröffnete der kyralische König die Diskussion. „Ich erläutere zunächst die Bedingungen, unter denen wir vor dem Vorfall in Yukai mit einer solchen Lösung einverstanden waren.“

Die Ashaki, aber auch Lenyaka und ihre beiden Schwestern schwiegen. Asara hatte mit Protest gerechnet, doch es schien, als hatten sie begriffen, dass sie gar nichts erhalten würden, wenn sie versuchen würden, sich durchzusetzen.

„In der ersten Stufe einer solchen Aufnahme müsste Sachaka der Sklaverei und weiteren Sitten, die wir, die Verbündeten Länder, als unzivilisiert empfinden, abschwören. Die Verräter würden als weiterer Bündnispartner für die Einhaltung dessen sorgen und beide Parteien müssten dazu Hand in Hand arbeiten. Während dieser Zeit würden wir die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern stärken.

„In einer zweiten Stufe würden Ashaki und Verräter der schwarzen Magie abschwören. Dieses Wissen dürfte von all jenen, die es besitzen, von da an nicht mehr weitergegeben werden. Sobald die beiden sachakanischen Völker frei von schwarzer Magie sind, besteht die Möglichkeit, an der Universität der Magiergilde zu studieren.“

Takiro öffnete protestierend den Mund und Lenyaka blickte finster auf die Tischplatte. Auch Asara war nur mäßig begeistert. Sie war es in Yukai schon nicht gewesen, aber da hatte sie noch geglaubt, das würde Generationen dauern. Viel wahrscheinlicher waren es jedoch eher Jahre oder einige wenige Jahrzehnte. Sie verstand nicht, warum sich die Gildenmagier so vor höherer Magie fürchteten. Dannyl hatte es ihr zu erklären versucht, doch es fiel ihr schwer, diese Denkweise nachzuvollziehen. Sie sah die Probleme eher in der Art und Weise, wie höhere Magie viel zu häufig praktiziert wurde.

Merins grüne Augen funkelten zu den Ashaki und er fuhr fort: „Dies war unser Angebot vor dem Vorfall in Yukai. Danach entschlossen wir, dieses Angebot zurückzuziehen, weil die gegnerischen Parteien offenkundig nicht zu einer gewaltfreien Einigung bereit waren. Wir erachten die Gefahr, dass dieser Konflikt in unsere Allianz getragen wird, als zu groß.“

Und dennoch war er gekommen. Sicher nicht, um ihnen zu sagen, was sie durch ihr eigenes Verschulden versäumt hatten.

„König Merin von Kyralia“, sprach Arikhai in die plötzliche Stille. „Als Gastgeber in Yukai will ich meine Version des Vorfalls erklären.“

Dannyl übersetzte die Worte für den König ins Kyralische.

„Sprecht“, forderte Merin den Kriegsherrn der Duna auf.

„Weder die Verräter noch die Ashaki sind an dem Vorfall in Yukai schuld. Ausgelöst wurden die Kämpfe durch die Offenlegung der Pläne jener Anführerin, die wir in den nächsten Tagen erwarten, und einer damit verbundenen Intrige durch Imperator Kachiro, der wir alle zum Opfer fielen.“

„Kriegsherr Arikhai, ich weiß Eure Erklärung zu schätzen, doch Eure Worte ändern nicht, dass Verräter und Ashaki die Gelegenheit zum Kampf genutzt haben“, entgegnete der kyralische König hart. „Damit haben sie bewiesen, dass sie für eine Zusammenarbeit nicht bereit sind.“

„Die Verräter und die hier versammelten Ashaki haben sich verteidigt, als meine Leute versucht haben, die Kämpfe unter Kontrolle zu bekommen. Bestraft sie nicht zu unrecht.“

„Noch stehe ich in keiner Beziehung zu den sachakanischen Partien, dass eine Bestrafung möglich wäre“, widersprach Merin kühl. „Doch wenn mir bestätigt werden kann, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat, wie Ihr sagt, sind ich und die anderen Herrscher geneigt, unsere Entscheidung zu überdenken.“

„Ich kann Kriegsherr Arikhais Version bestätigten“, sagte der schöne Gildenmagier. „Es waren Rebellen, die mich entführt und verhört und die Wache haltende Verräterin getötet haben. Asara und ihre Schwestern haben mich gemeinsam mit Lady Sonea befreit und wurden dabei in einen Kampf mit ihren ehemaligen Schwestern verwickelt. Kachiros Ashaki wurden von den Rebellen über Savedras Verrat in Kenntnis gesetzt und griffen daraufhin Ashaki Ishaka und seine Verbündeten an, weil sie an eine Verschwörung glaubten. Die Duna verteidigten den Tempel derweil mit ihren Verbündeten. Für sie war dieser Vorfall der Beweis, dass wir und Verräter so unehrenhaft sind, wie sie bis zu den Verhandlungen geglaubt haben. Die Ichani nutzten die Gelegenheit, um für weiteren Ärger zu sorgen. Sowohl Verräter als auch Ashaki haben jedoch bereits erklärt, die Abtrünnigen ihrer beider Völker entsprechend zu bestrafen.“

Die grünen Augen des Königs musterten die in dem Raum versammelten höheren Magier. Diejenigen, die in Yukai gewesen waren, nickten – einschließlich Asara.

„Die Schändung des Heiligtums ist meine Schuld und die meiner Schwestern“, sagte Lenyaka. „Wir waren wütend, weil wir gerade herausgefunden hatten, dass die Große Mutter unsere Freunde und Krippenschwestern getötet hat, um eine Intrige zu inszenieren. Wir waren sicher, dass Auslandsadministrator Dannyl davon wusste. Wir waren sicher, er würde mit Savedra insgeheim gemeinsame Sache machen. Und wir glaubten, dass unsere ehemaligen Schwestern sich mit Ishaka gegen den Imperator verschworen hatten und dass das die Verschwörung war, die zu jener Zeit schon als offenes Geheimnis galt. Inzwischen wurden wir jedoch eines Besseren gelehrt, und bitten deswegen um Verzeihung.“

„Die Entschuldigung müsst Ihr von Euren ehemaligen Schwestern erbeten, Lady – wie war noch Euer Name?“

„Lenyaka.“

„Lady Lenyaka“, wiederholte der kyralische König. „Euer Aufstand in Yukai ist nicht Problem der Verbündeten Länder. Da ich jedoch dem Wort meiner eigenen Delegierten vertraue, stünde die Option, dass Sachaka in seiner Gesamtheit in einigen Jahren Mitglied der Allianz werden kann, weiterhin offen.“

„Ich erhebe Einspruch gegen die von Euch genannten Bedingungen, König Merin von Kyralia“, sprach Ishaka.

Der König sah stirnrunzelnd auf. „Ashaki Ishaka, die Verbündeten Länder kommen Euch mehr entgegen, als sie es müssten. Was genau habt Ihr an diesen Bedingungen auszusetzen?“

„Sie sind für die Sachakaner nicht tragbar und verhöhnen unser Volk. Unser Wert definiert sich darüber, dass wir höhere Magie beherrschen, die wir von zahlreichen Quellen beziehen. Wir können daher weder auf das eine noch das andere verzichten.“

„Das heißt also, Ihr wollt weder der Sklaverei noch der schwarzen Magie entsagen – habe ich das richtig verstanden?“

„So ist es.“

Merin von Kyralia schürzte die Lippen. „Nun, dann hoffe ich, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zur zivilisierten Welt werden Euch genug sein, Ashaki Ishaka“, sagte er. „Was die Öffnung der Magiergilde zu Sachaka betrifft, so werdet Ihr auf diese verzichten müssen.“

Asara bewunderte ihn für seine Kühnheit. Er beherrschte das Spiel der umgekehrten Diplomatie beinahe noch besser als Dannyl, da er sowohl die harte als als auch die weiche Seite in sich vereinte. Allerdings war er König. Und er vertrat eine Allianz. Er musste sich nicht auf Kompromisse einlassen.

„Wenn wir aufgeben, was unser Volk ausmacht, käme das einer Unterwerfung gleich“, erklärte Ishaka. „Wir sind Euch weit genug entgegengekommen, um von einer friedlichen Eroberung, wie Ihr es genannt habt, abzusehen und unseren Anspruch auf Euer Land aufzugeben. Doch in Bezug auf unsere Stärke geben wir nicht nach. So wie Ihr unnachgiebig in Bezug auf Eure so hochgeschätzte Freiheit seid.“

„Ashaki Ishaka, niemand nimmt Euch Eure Freiheit noch werdet Ihr zu Unterwerfung gezwungen. Doch ein gewisses Maß an Anpassung ist erforderlich, wenn Sachaka zur Allianz gehören will“, sagte Merin ruhig.

„Zumal Sachaka an Freiheit gewinnen und an Unterwerfung verlieren würde, wenn Ihr entscheidet, diesen Weg zu gehen“, fügte Asara hinzu. „Es geht nicht nur um das Wohl der Ashaki, sondern um das von ganz Sachaka.“ Sie sah König Merin an. „Zumindest, was die Sklaverei angeht.“

„Der Ältestenrat von Lonmar lehnt eine Aufnahme Sachakas unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen für Sachaka ab“, erklärte der Abgesandte von Lonmar, ein hochgewachsener Mann mit einer Haut so dunkel, dass sie beinahe schwarz war. Über seinem schlichten Gewand hing ein riesiger goldener Talisman schwer auf seiner Brust. „Auch wir haben Sklaven und strenge Gesetze, aber wir behandeln sie mit Anstand.“

„Auch wir sind keine Barbaren, Botschafter Ulyk“, entgegnete Takiro. „Es ist richtig, es gibt Ashaki, die ihre Sklaven schlecht behandeln, doch diese gehören zu den Ausnahmen und ich wette eine Kiste Raka, dass ihr in den Ländern Eurer zivilisierten Allianz, Euren Untergebenen auch nicht immer mit Respekt begegnet.“

Womit er vermutlich recht hat, dachte Asara. Dennoch ärgerte sie sich über Takiros Worte. „Das ist eine haltlose Beschönigung der Lebensbedingungen der Nichtmagier Sachakas“, sagte sie. „Versucht nicht, das den hier Versammelten weiszumachen, wenn einige die wahren Umstände kennen.“

Takiro öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Der Anblick entbehrte nicht einer gewissen Erheiterung.

„Ihr Sachakaner seid noch arroganter als eine gewisse Sorte von Kyraliern“, durchschnitt Soneas Stimme die plötzliche Stille. „Eure Sklaven kochen, waschen und putzen für Euch. Sie flicken Eure Kleidung und tun all die Dinge, für die Ihr Euch zu fein seid. Und sie geben Euch, was sie nur zu geben fähig sind: Ihre Magie, ihre Gedanken und ihre Körper. Und doch behandelt Ihr sie wie Dreck. Dabei wärt Ihr ohne sie kaum überlebensfähig. Würdet Ihr sie besser behandeln, würden sie Euch nicht aus Furcht folgen, sondern hätten die Chance, echte Ergebenheit zu empfinden. Damit würde es ihnen und Euch besser ergehen, weil sie produktiver wären und Euch weniger Ärger machen würden. Ihr und Euresgleichen solltet Euch schämen, Ashaki Ishaka.“

Die Stille in dem Konferenzraum war absolut. Alle hatten sich der kleinen Gildenmagierin zugewandt, als hätten sie nicht damit gerechnet, sie würde den Ashaki derart unverhohlen die Meinung sagen. Asara glaubte jedoch, Anerkennung in Dannyls Blick zu sehen, während sein Assistent die kleine Kyralierin mit offenem Mund anstarrte. Selbst König Merin wirkte, wenn auch nicht erfreut, beeindruckt. Der Hohe Lord legte eine Hand auf Soneas Arm, woraufhin diese sich kaum merklich entspannte.

Zu ihrer Erheiterung waren die Ashaki jedweder Antwort verlegen.

„Lady Sonea hat mich auf einen Punkt aufmerksam gemacht, wo sich möglicherweise ein Kompromiss finden ließe“, sprach der schöne Gildenmagier. „Sowohl Gilde als auch Verräter bestehen auf einem Ende der Sklaverei, während die Ashaki auf diesem beharren. Wenn ich in meiner Zeit als Diplomat eine Sache gelernt habe, dann, dass sich über Generationen gepflegte Sitten nicht einfach ändern lassen. Aber ich sehe einen Weg, die Situation für beide Seiten erträglich zu machen.“

„Sprecht, Auslandsadministrator“, forderte der König ihn auf.

„Die Ashaki verpflichten sich zu einer Reihe von Gesetzen, die das Leben für die Sklaven angenehmer machen, während die Verräter dafür sorgen, dass diese auch eingehalten werden.“

„Euer Vorschlag klingt interessant. Bitte führt ihn aus.“

Der schöne Gildenmagier richtete sich ein wenig in seinem Sitz auf. „Jeder sachakanische Magier soll seine Sklaven mit Respekt behandeln. Er ist dazu verpflichtet, den Schutz und die Verantwortung für sie zu übernehmen. Er versorgt sie mit Nahrung, Kleidung und Obdach und lässt ihnen medizinische Versorgung zukommen – Grundbedürfnisse, die das Leben menschlich machen. Zudem hat er seine Sklaven nur für Regelverstöße zu bestrafen und dann auch nur angemessen. Beziehungen unter den Sklaven dürfen nicht vorgeschrieben oder verboten werden. Die Gedanken der Sklaven dürfen nur mit deren Einverständnis und im Falle der Aufklärung eines Unrechts nach den Regeln der Gilde gelesen werden. Die Ashaki dürfen die Magie ihrer Quellen nur mit deren Einverständnis nehmen. Ein Sklave muss eine Quelle sein wollen, damit sein Besitzer seine Magie nehmen darf. Gleiches gilt für die der Unterhaltung dienenden Sklaven. Nur Sklaven, die gewillt sind, mit ihrem Besitzer ins Bett zu gehen, sollen dieses tun brauchen. Zudem sollen die Verräter das Recht erhalten, von herrenlosen Anwesen all jene mitzunehmen, die sie mitzunehmen wünschen, da ihr Volk sonst schrumpfen würde, wenn die Sklaven unter besseren Bedingungen leben. Zugleich bietet dieses System die Möglichkeit, die Sklaven irgendwann für ihre Arbeit zu entlohnen, sollte Sachaka bereit sein, sich den Verbündeten Ländern zu öffnen.“

Erneut herrschte Stille. Die Ashaki wirkten nicht begeistert, während Sonea zufrieden schien und selbst Akkarin von Dannyls Vorschlag beeindruckt wirkte.

„Das könnte wirklich funktionieren“, flüsterte Varala neben Asara. „Vorausgesetzt, die Ashaki lassen sich darauf ein.“

„Es ist zwar nicht, was wir wollten, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Asara. „Doch allmählich glaube ich, wir können gar nicht mehr von den Ashaki erwarten. Sie sind zu verbohrt.“

„Das sehe ich ebenso“, sagte ihre Schwester. „Aber wenn die sich wirklich daran halten sollten, hätten wir dennoch ein wichtiges Ziel erreicht.“

„Ja.“

Ironischerweise ist es genau das, was Savedra immer gewollt hatte, dachte Asara. Oder zumindest ein Teil dessen. Die Verräter kontrollierten das Tun der Ashaki, nur dass diese in Savedras Szenario keine Sklaven mehr besessen hatten, sondern selbst mehr oder weniger diesen Status erlangt hatten. So gesehen war es vermutlich besser, dass die Tage ihrer Anführerin nun bald gezählt waren.

„Die Verräter wären mit diesem Angebot einverstanden, vorausgesetzt, wir erhalten Mitspracherechte bei der Politik mit einer unserer Magierinnen als Berater des neuen Imperators“, sagte Asara. „Zudem stehen wir dem Verbot höherer Magie kritisch gegenüber, da wir in dieser Magie anders als die Verbündeten Länder keine Gefahr sehen. Als Gegenleistung würden wir dafür sorgen, dass die Ichani sich von den Ländereien der Ashaki fernhalten, die Grenze nach Kyralia und Elyne sichern und die neuen Gesetze durchsetzen.“

„Auslandsadministrator Dannyl, Euer Kompromiss ist vielversprechend genug, dass Lonmar sich unter diesen Umständen mit einem Land wie Sachaka in der Allianz anfreunden könnte“, sprach der Abgesandte von Lonmar. „Sieht man von der Frage schwarzer Magie einmal ab.“

„Auch Elyne kann sich mit diesen Bedingungen anfreunden“, sprach ein schlanker, hellhaariger Mann. „Doch wir befürworten eine Aufnahme in die Allianz erst, wenn Sachaka die schwarze Magie verbietet.“

„Dem schließe ich mich an“, sprach König Merin.

Die Abgesandten von Vin und Lan bekundeten ihre Zustimmung. Asara schwante derweil, sie stimmten allem zu, weil sie in Wirklichkeit nicht kümmerte, was auf dem Festland vor sich ging. Die Lan waren ein Volk von sesshaften Stämmen, den Duna in manchen Dingen nicht unähnlich, und die Vin waren Seefahrer und Händler. Erstere betrieben so gut wie keinen Handel und Letztere interessierte nicht, mit wem sie Handel trieben, solange die Einnahmen stimmten.

Dannyl beriet sich mit seinem Assistenten. „König Merin und Abgesandte von Elyne, Lonmar, Lan und Vin. Wärt Ihr bereit, Sachaka den Status eines Verbündeten Landes mit Einschränkungen in Bezug auf das Studium an unserer Universität einzuräumen, solange sie ihre schwarze Magie behalten wollen?“, fragte er. „So wie sich mir die Situation darstellt, kann ein Verzicht auf schwarze Magie nur langfristig erreicht werden. In einem sofortigen Verbot oder einem Verbot, das nach einer Frist von einigen wenigen Jahren in Aussicht gestellt wird, sehe ich vielmehr eine Gefahr für weitere Konflikte.“

Der König und Akkarin tauschten einen Blick. „Ich sehe keinen Schaden darin, da Sachaka mit schwarzer Magie auch ohne die Stärkung unserer Beziehungen ein gefährlicher Gegner ist“, sprach Merin. „Dadurch, dass Sachaka jedoch nicht mehr isoliert wäre, stünden die Chancen besser, dass zukünftige Konflikte vermieden werden.“

„Was genau bedeutet Verbündetes Land mit Einschränkungen?“, fragte Takiro. „Geht es dabei nur um das Studium in Eurer Gilde?“

„Nicht nur“, antwortete Dannyl. „Ihr würdet offiziell nicht als Land der Allianz gelten. Ähnlich wie die Verräter seit zwei Jahren ein Bündnis mit uns eingegangen sind, würdet Ihr dies nun ebenfalls tun und dabei gewinnen, was wir Euch angeboten haben. Unsere Allianz behält sich jedoch vor, schwarze Magie weiterhin zu verbieten.“

„Würdet Ihr all Euren Magiern höhere Magie erlauben, stünde einer Aufnahme Sachakas in Eure Allianz nicht mehr im Wege“, widersprach Ishaka.

„Die Gilde hat schwarze Magie nicht ohne Grund verboten“, sprach Akkarin. „Für den Krieg hat sie Ausnahmen gemacht. In Zeiten des Friedens besteht jedoch kein Grund, sie weiterhin zu praktizieren.“

„Ihr seid ein höherer Magier und alles andere als schwach“, sagte Ishaka. „Wie könnt Ihr höhere Magie dann ablehnen?“

„Ich habe sie nicht gelernt, weil ich sie lernen wollte. Sondern, weil ich es musste. Das Prinzip der höheren Magie mag in einer Gesellschaft wie der Euren funktionieren, in Kyralia hat die Vergangenheit jedoch gezeigt, dass es dies nicht tut. Schwache und starke Persönlichkeiten gibt es jedoch in beiden Ländern. Sachaka ist auf Grund seiner hierarchischen Strukturen von derartigen Vorfällen bis jetzt offenkundig gefeit gewesen. Das wird sich jedoch ändern, wenn die Ashaki nicht mehr die absolute Macht haben.“

König Merin sah zu Ishaka. „Der Hohe Lord hat recht. Ihr tätet gut daran, Auslandsadministrator Dannyls Angebot anzunehmen.“

„Ich denke“, begann Ishaka gedehnt. „Eine solche Entscheidung sollte nur wohlüberlegt getroffen werden.“

„Dann haltet Rücksprache mit Euren Leuten in Sachaka. Ihr habt eine Woche Zeit. Bis dahin wünsche ich eine Entscheidung, da es andernfalls bei dem bleibt, worauf Ihr Euch bereits mit dem Hohen Lord und Auslandsadministrator Dannyl geeinigt habt.“


***


Das war eine kurze Diskussion, dachte Sonea, als sich die Delegierten von ihren Plätzen erhoben und den Raum verließen. Die meisten Fragen waren rasch geklärt worden und der Anschlag auf ihre und Dannyls Eskorte stand nicht mehr zwischen ihnen. Durch Kachiros Sturz waren hauptsächlich vernunftbegabte Ashaki übriggeblieben, was eine Einigung erleichterte. Sie verstand jedoch auch, dass diese sich nicht auf Dannyls letztes Angebot einlassen wollten, wenn ihre Kultur seit Menschengedenken in ihrer gegenwärtigen Form existierte und funktionierte. Für sie barg eine Veränderung ein Risiko, das sie nicht einschätzen konnten. Dabei würden auch die Ashaki von den vorgeschlagenen Gesetzen profitieren. Sie erkannte, es ging weniger um die Frage, was sinnvoll war, als um Macht und Kontrolle, die Männer wie Ishaka offenkundig nur schwerlich abzugeben bereit waren.

„Was war das denn gerade?“, murmelte Dannyl, als sie sich von ihrem Platz erhob. „Man könnte meinen, du hättest eine neue Runde des Spiels, das wir mit den Rebellen gespielt haben, eröffnet.“

Betont lässig hob Sonea die Schultern, während sie innerlich noch immer zitterte. „Irgendjemand musste das einmal sagen und ihnen begreiflich machen, welches Geschenk ihre Untergebenen ihnen tagtäglich machen und das oft nicht einmal freiwillig. Dabei basiert ihr System auf der Sklaverei.“ Sie verkniff sich ein Lächeln. „Deine Idee mit den Gesetzen war übrigens ziemlich gut.“

„So fandest du?“ Dannyl grinste eingebildet. „Irgendwie muss sie in mir seit Yukai geschlummert haben, weil mir dort durch den ewigen Streit der Verräter mit den Ashaki erst wirklich klarwurde, dass sich dieses Land nicht so leicht ändern lässt.“ Er zwinkerte Sonea zu. „Aber dir habe ich zu verdanken, dass die Idee endlich Gestalt annahm. Und damit meine ich nicht nur die heutige Diskussion.“

Soneas Herz machte einen Sprung. „Ich bin froh, dass ich helfen konnte.“

„Wirklich, Lady Sonea. Ihr wart großartig.“ Dannyls Assistent verneigte sich elegant vor ihr. „Ihr habt meine Hochachtung.“

„Es ehrt mich, dass ich Euch beeindrucken konnte, Tayend“, erwiderte Sonea.

„Tayend ist leicht zu beeindrucken, sobald Magie im Spiel ist“, winkte Dannyl ab, woraufhin sein Gefährte ihn vorwurfsvoll ansah.

„Du hast es schon geschafft, mich zu enttäuschen, mein Lieber“, widersprach Tayend.

„Mit Magie? Wann soll das denn gewesen sein?“

„Damals als wir von diesem Piratenschiff angegriffen wurden und du mich verkaufen wolltest.“

Sonea prustete los. „Er wollte was?“

„Mich verkaufen, Mylady“, antwortete Tayend mit einer Theatralik, die beinahe komisch war. „Für fünfzig lausige Goldstücke!“

„Nun, für einen Gelehrten ist das wirklich nicht viel“, sagte eine tiefe Stimme und ein Arm legte sich um Soneas Schultern. „Mit seinem Wissen ist er mindestens einhundert wert.“

„Siehst du?“, rief Tayend. „Der Hohe Lord sagt, was ich all die Jahre gesagt habe!“

„Dann habe ich deinen wahren Wert damals wohl noch nicht erkannt“, erwiderte Dannyl mit einem charmanten Lächeln, woraufhin Sonea ein Glucksen unterdrückte.

Aber eigentlich sollte es mich nicht wundern, wenn er seine diplomatischen Fähigkeiten auch im Privaten anwendet …

Es war das erste Mal, dass sie Dannyl und Tayend erlebte, seit sie von ihrer Beziehung wusste. Es war erheiternd zu sehen, wie die beiden einander wie alte Freunde piesackten, so wie sie und Akkarin es hin und wieder taten.

„Sonea, der König wünscht uns zu sprechen“, riss Akkarin sie aus ihren Gedanken und nickte zu Merin, der umringt von Lord Rolden und den Abgesandten der anderen Länder zu ihnen sah.

Oh, ich hoffe, er will mich nicht für vorhin schelten!, dachte Sonea. Merin schreckte nicht davor zurück, selbst den mächtigsten Magier der Gilde zurechtzuweisen. Auch den Sachakanern gegenüber hatte er sich von seiner unnachgiebigen Seite gezeigt. Zudem war sie nicht sicher, wie Akkarin zu ihrem Ausbruch stand. Während der Diskussion hatte er sie beruhigt. Sollte er sich daran gestört haben, so würde er ihr das noch zu verstehen geben.

„Hoher Lord, Lady Sonea“, grüßte der König, während die Abgesandten sich verneigten. „Was glaubt Ihr, wie die Ashaki entscheiden werden?“

„Das ist schwer zu sagen, da sie in Bezug auf Veränderungen sehr unflexibel reagieren“, antwortete Akkarin. „Mit Ishaka als ihrem momentanen Anführer und seiner Zusammenarbeit mit dem Palastmeister stehen die Chancen jedoch gut, dass die Sachakaner sich auf unseren Vorschlag einlassen.“

„Was mir nur Unbehagen bereitet ist die Tatsache, dass sie sich auf diese Weise nicht in eine Allianz mit uns zwingen lassen“, sagte Merin. „Mit schwarzer Magie wären sie das mächtigste Mitglied. Ihre eigenen Ziele zu verwirklichen, würde für sie dann keine große Hürde mehr darstellen. Als eigenständiges Land stellen sie jedoch ebenso eine Gefahr für uns dar.“

„Es wäre allerdings auch nicht realistisch zu erwarten, dass Sachaka in den nächsten Jahren auf schwarze Magie verzichtet“, fügte Lord Rolden hinzu.

„Nein“, stimmte Akkarin zu. „Das wäre nur möglich, wenn wir zu Methoden greifen, die uns ebenso unzivilisiert dastehen lassen.“

Du meinst, sämtliche Magier zu töten oder ihre Kräfte zu blockieren, übersetzte Sonea für sich. So wie die Verräter es gerne gehabt hätten. Damit hätten sie nicht nur dem einen oder anderen Ashaki unrecht getan, sondern auch den Groll gegen die Gilde weiterhin geschürt. Irgendein treuer Sklave oder Verwandter eines Ashaki hätte auf Rache geschworen und der Konflikt hätte nie ein Ende gefunden.

„Sachaka ist kein Gegner wie einst die anderen Länder unserer Allianz es waren“, fuhr der Hohe Lord fort. „Mit der Hilfe, die wir ihnen anbieten, haben wir alle Möglichkeiten, sie langfristig zu zivilisieren.“

Der König nickte. „Ich vertraue Eurem Urteil, Akkarin.“ Seine grünen Augen blitzten zu Sonea. „Jemanden wie Euch könnte ich bei manchen Debatten mit den Oberhäuptern der Häuser gut gebrauchen.“

Sonea blinzelte überrascht. „Das ehrt mich, Euer Majestät. Doch ich fürchte, mein Eid verbietet es mir, mich in Häuserangelegenheiten einzumischen.“

- War das eben ein Lob?, sandte sie, als sie und Akkarin durch die steinernen Korridore zu ihrem Quartier gingen.

- Sonst hätte er sich anders ausgedrückt.

- Ich war mir nicht sicher, ob es nicht als Scherz gemeint war.

- Das eine schließt das andere nicht aus.

- Findest du, ich habe mich daneben benommen?

- Vor dem König?

Sonea verdrehte die Augen.

- Als ich Ishaka die Meinung gesagt habe.

- Kein anderer hätte das besser hinbekommen als du, ohne dabei zugleich alle bisher gemachten Kompromisse wieder zunichtezumachen.

„Hm“, machte Sonea laut. Ein wenig schämte sie sich dennoch für ihren Ausbruch, aber sie hatte sich nicht mehr zurückhalten können. Sie war lange genug still gewesen.

„Es wird Ishaka zum Nachdenken bringen.“

„Dann ist es gut.“ Das Wort von Ishaka und seinen Anhängern hatte in Sachaka momentan das größte Gewicht. Wenn es ihr gelungen war, ihn zu bewegen, wurden vielleicht auch andere bewegt.

„Aber“, sagte sie dann. „Wie kann mein Wort bei ihm überhaupt von Bedeutung sein, wenn er insgeheim davon träumt, mich als Bettsklavin zu halten und für den Mord an Marika zu bestrafen?“, fragte sie dann.

„Aus demselben Grund, aus dem Marika bereit war, die Gildenmagier ins Exil zu schicken.“ Akkarin blieb stehen und wandte sich ihr zu. „Du kannst überzeugender sein, als du denkst, Sonea. Auch mit bloßen Worten.“


***


Als Jorika ins Büro stürmte und verkündete, dass Meister Tarko mitsamt seiner schönen Sklavin eingetroffen war, unterbrach Ivasako seine Buchführung und legte die Schreibfeder beiseite.

„Bring ihn herein“, sagte er.

Wenig später erschien Tarko mit seiner Lieblingssklavin. Ivasako kam nicht umhin, eine stille Bewunderung zu empfinden, weil sie ihr Halsband wie ein Schmuckstück trug. Auch Ienara war so. Das Bemerkenswerteste an ihrer Erscheinung war jedoch die Tatsache, dass sie überhaupt hier war. Ivasako hatte sie nicht mehr gesehen, seit Tarko herausgefunden hatte, dass sie für die Verräter spionierte. Er hatte erwartet, der Ashaki hätte Mivara getötet oder die Verräter hätten sie aus seinen Fängen befreit. Doch diese hatten sich zugunsten der Friedensverhandlungen zurückgehalten.

Als Ivasako die junge Frau betrachtete, kam er nicht umhin sich zu fragen, ob mehr als nur Politik hinter ihrem Überleben steckte. Zwischen ihr und Tarko existierte eindeutig etwas, das über das übliche Meister-Sklavin-Verhältnis hinausging.

„Palastmeister“, grüßte sein Kriegsmeister. „Ich bin sofort gekommen, als ich Eure Nachricht erhalten habe.“

Das Reich wäre auch nicht untergegangen, hättest du dir mehr Zeit gelassen, dachte Ivasako amüsiert. Das Thema war indes zu wichtig, um auf den nächsten Tag verschoben zu werden.

Ivasako wies auf den gepolsterten Hocker vor seinem Schreibtisch. „Setzt Euch. Wünscht Ihr etwas zu trinken?“

„Raka“, sagte der Ashaki, während er sich auf den angebotenen Platz setzte. Seine Sklavin ließ sich in einer anmutigen Bewegung neben ihm auf den Knien nieder. Tarko streckte eine Hand nach ihr aus und strich über ihre Wange, woraufhin die junge Frau sich in seine Hand schmiegte.

„Ich sehe, Ihr habt Mivara am Leben gelassen“, bemerkte Ivasako, nachdem er Jorika fortgeschickt hatte, um Erfrischungen zu besorgen.

Der Ashaki nickte. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie mir lebend nützlicher ist. Allerdings habe ich das Blutjuwel, über das sie mit ihren Schwestern kommuniziert hat, zerstört.“

„Wenn die Verräter sie für tot halten, könnte das zu neuen Spannungen führen“, wandte Ivasako ein.

„Das ist mir bewusst.“ Tarkos Hand schloss sich um Mivaras Nacken. „Ich fürchte, Ihr müsst darauf vertrauen, dass ich die Sache unter Kontrolle habe.“

Er ist von ihr besessen, erkannte Ivasako. Er brauchte Mivara nur anzusehen, um zu begreifen, dass diese Besessenheit auf Gegenseitigkeit beruhte. „Ich kann die Verräter über die Situation zwischen Euch und Mivara informieren“, bot er an. „Dies würde weiteren Missverständnissen und Spannungen vorbeugen.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

Jorika kehrte mit den Erfrischungen zurück. Der Ashaki nahm seinen Raka entgegen und lehnte sich zurück. „Wie kann ich Euch behilflich sein, Palastmeister?“

„Unser gemeinsamer Freund wünscht eine Umfrage unter den Stadt-Ashaki und nach Möglichkeit auch jener von außerhalb bezüglich neuer Gesetze zur Sklavenhaltung“, begann Ivasako. „Davon soll abhängen, ob Sachaka den Status eines Landes der Allianz der Gildenmagier erhält.“

„Was genau meint Ihr mit Status eines Landes der Allianz der Gildenmagier?“

Genau das hatte Ivasako sich auch gefragt, als er erstmals davon gehört hatte. „Sie wollen uns eine Art loses Bündnis anbieten mit allen Vorteilen eines Verbündeten Landes mit Ausnahme des Zugangs zum Wissen der Gildenmagier. Dieses wollen sie uns nur zugestehen, wenn wir höhere Magie verbieten und die Sklaverei abschaffen.“

„Aber so lassen sie uns diese Möglichkeit offen“, murmelte Tarko.

„Exakt. Strengere Gesetze für die Haltung von Sklaven wäre ein erster Schritt.“

„Hm“, machte Tarko sich nachdenklich über seinen Kinnbart streichend. „Ich weiß noch nicht, ob mir das gefallen soll, doch da wir aus ihrer Sicht der Aggressor ist, kommen sie uns damit vermutlich mehr entgegen, als sie müssten.“

„Das denke ich auch“, sagte Ivasako. Die ganze Sache schrie nach einer Chance, die ergriffen werden wollte.

„Worin genau sollen diese Gesetze bestehen?“

Ivasako öffnete eine Mappe zog reichte sie ihm. „Ich habe hier alles notiert.“

Stirnrunzelnd nahm der Ashaki die Mappe entgegen und studierte ihren Inhalt eingehend. Daran, wie seine Augenbrauen sich zusammenzogen, konnte Ivasako erahnen, was in ihm vorging. Er selbst hatte zu Beginn in einigen Punkten nicht viel anders gedacht.

„Hm“, machte Tarko erneut. „Aus meiner Sicht liest sich das alles sehr vernünftig. Mir behagt nur die Vorstellung nicht, dass die Verräter sich in unsere Politik einmischen. Andererseits kann ein Berater leicht überstimmt werden. Außerdem sind sie die Einzigen, die die Einhaltung dieser Regeln kontrollieren können. Wie mein kleiner Chivill“, er strich zärtlich über die Wange seiner Sklavin, „mir bewusstgemacht hat, gibt es genug Ashaki, die diese Regeln ignorieren würden. Zudem hat sie mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Verräter uns weniger Ärger bereiten, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten, als gegen sie.“

Überrascht sah Ivasako von seinem Raka auf. „So, hat sie das?“

„Mivara ist sehr intelligent“, erwiderte Tarko erfreut. „Sie hört und beobachtet viel. Dank ihr habe ich sogar Kachiros Befragung beim Sommernachtsfest wohlbehalten überstanden. Allein das ist Grund genug, sie zu behalten.“

Ivasako beobachtete, wie die junge Frau Tarkos Hand küsste. Als die Augen der beiden einander begegneten, lag eine Zärtlichkeit in dem Blick des Ashaki, der Ivasako sagte, dass es um mehr als ihre sexuellen und intellektuellen Fähigkeiten ging. Aber das würde Tarko niemals zugeben.

„Wie steht Ishaka zu dieser Sache?“

„Ishaka ist geneigt, dem zuzustimmen“, antwortete Ivasako. „Er will jedoch keine Entscheidung treffen, die nicht im Sinne der Ashaki ist.“

„Deswegen also die Umfrage.“

„Richtig.“

„Sagt, Palastmeister. Wie steht Ihr zu diesem Angebot der Gildenmagier?“, fragte Tarko. „Ihr seid allgemein als Sklavenfreund bekannt.“

Ivasako verzog das Gesicht ob dieser Ausdrucksweise. „Ich war seit je her der Meinung, unsere Magier hätten weniger Ärger mit ihren Sklaven, wenn sie diese entsprechend behandeln würden. Sie sind keine Tiere oder weniger wert als unsere Magier, viele sind sogar intelligenter oder magisch begabter als ihre Herren. Wir brauchen sie, da unsere Gesellschaft auf ihnen fußt. Das ist keine Sache, die sich schnell verändern lässt. Daher befürworte ich jedes Gesetz, das dazu beiträgt, ihnen ihr Leben zu erleichtern.“

Tarko nickte langsam. „Ich schrecke nicht davor zurück, einen ungehorsamen Sklaven angemessen zu bestrafen, doch in meinem Haushalt ist dies bis jetzt nur selten der Fall gewesen. Die meisten Punkte in dieser Liste wären für mich nicht schwer umzusetzen, zumal ich der Meinung bin, dass eine Bettsklavin nur dann etwas taugt, wenn sie Freude an ihrer Aufgabe hat.“ Er nahm einen Schluck Raka. „Wusstet Ihr, dass Mivara vor mir einem Ashaki gehörte, der stadtweit für seine Brutalität bekannt ist?“

Ivasako nickte.

„Er fand sie im Chaos nach dem Massaker von Arvice und hat sie sich genommen. Als ich ihr auf dieser Party im Frühjahr begegnete, war sie in einem ziemlich elenden Zustand, doch sie hatte etwas an sich, weswegen ich sie unbedingt haben musste. Bei mir ist sie regelrecht aufgeblüht, so dass ich sie mittlerweile meinen anderen Sklavinnen vorziehe. Und auch wenn ich nun um ihre Herkunft weiß, so bin ich nicht gewillt, sie wieder herzugeben.“

„Es ist nicht zu übersehen, dass sie bei Euch glücklich ist“, stimmte Ivasako mit einem Blick auf Mivara zu, während er sich insgeheim fragte, warum Tarko ihm das erzählte. „Doch nicht alle Ashaki sind wie Ihr. Für sie wird es schwerer sein, diese Gesetze zu akzeptieren, sollten sie beschlossen werden.“

Tarko nickte. „Ich werde mich in der Stadt umhören und sehen, was ich tun kann. Wenn ich verkünde, dass Ishaka diesen Weg den Alternativen bevorzugt, werden vielleicht auch die Skeptiker zustimmen. Sein Wort hat in der Stadt großes Gewicht. Nach dem Tod des Imperators sogar noch mehr.“

Ah, erinnere mich bloß nicht daran! Ivasako konnte sich keinen Weg vorstellen, wie er sich je von dieser Schuld wieder reinwaschen sollte. Von allen Dingen, die er für Marika getan hatte, übertraf dies selbst die Hinrichtung gewisser Sklaven, die das Pech gehabt hatten, Marikas Zorn zur falschen Zeit erregt zu haben, an Grausamkeit.

„Die Ashaki auf dem Land sind schwieriger zu überzeugen, nehme ich an?“, sagte er.

„Besonders jene am Rande der Ödländer. Sie sind härteren Lebensbedingungen ausgesetzt, was sich auch darauf auswirkt, wie sie ihre Sklaven behandeln. Natürlich lässt sich das ebenso schwer verallgemeinern, wie dass alle Ashaki in der Stadt zivilisiert sind. Männer wie Mivaras früherer Meister beweisen das Gegenteil.“

„Ich frage mich ohnehin, wie der durchschnittliche Ashaki bereit sein kann, sich diktieren zu lassen, wie er seine Sklaven behandelt und das auch noch von den Verrätern kontrollieren zu lassen“, überlegte Ivasako laut. Was für ihn eine Selbstverständlichkeit war, war für andere Magier ein schwerwiegender Eingriff in ihre Lebensweise. Sie glaubte, dadurch an Macht und Kontrolle einzubüßen, was wiederum an ihrem Stolz kratzte. Und Sachakaner waren stolz.

Tarko lächelte. „Wenn die Alternative für sie undenkbar ist, werden sie darauf eingehen.“

Zwei Stunden später verließ Tarko mit seiner Lieblingssklavin den Palast. Die Sonne berührte die Dächer von Arvice und die Gebäude entlang des Palasthofes warfen lange Schatten über das Pflaster, während die Hitze des Tages allmählich wich.

Von nun an wird sich vieles ändern, dachte Ivasako, als er zur Cachira schritt. Obwohl nicht alles davon gegenüber den Ashaki leicht durchzusetzen sein würde, würden auch sie auf Dauer davon profitieren. Und das nicht nur, weil es der Mehrheit der sachakanischen Bevölkerung – den Sklaven – besser ergehen würde. Der mit den Veränderungen verbundene Wohlstand würde weitere Kriege innerhalb Sachakas und mit anderen Ländern verhindern.

Nur eine Sache missfiel ihm. Doch er verstand, warum sie nicht Bestandteil des Friedensvertrages war.

Ich wollte es für mich und Ienara. Egal, was Marika in seinem letzten Willen verfügt hat. Und ich werde nicht eher ruhen, bis ich es bekomme.

Doch für den Augenblick regierte er und damit stand das Wohl dieses Landes im Vordergrund.

Ienara und Jorika erwarteten ihn im Raum des Meisters. Als Ivasako eintrat, erhob Ienara sich und küsste ihn auf die Wange. „Wie war dein Tag?“, fragte sie.

Seufzend schloss Ivasako sie in seine Arme. „Anstrengend.“

„Jorika sagte, Ashaki Tarko wäre lange bei dir gewesen.“

Der Palastmeister nickte. „Wir hatten einiges zu besprechen.“

„Gibt es Neuigkeiten von Ishaka?“

„Jede Menge.“ Ivasako setzte sich auf einen gepolsterten Hocker und schenkte sich einen Becher Wein ein. „Ich verspreche dir, die nächsten Tage werden sehr interessant.“

Ienara hob fragend die Augenbrauen. „Ich würde mich freuen, wenn du mich daran teilhaben lässt.“

Nachdem Sklaven das Abendmahl gebracht hatten, berichtete Ivasako ihr von den Ereignissen an der Grenze zu Kyralia, und wie Tarko ihnen dabei helfen wollte.

„Ich hatte nie viel für die Verräter übrig“, sagte Ienara, nachdem er geendet hatte. „Und seit dem Massaker von Arvice noch weniger. Aber ich halte diese Gesetze für einen guten Fortschritt. Wir vergessen oft, wie gut es uns unter Marika ergangen ist und dass es anderen schlecht ergeht. Auf diese Weise bekommen die Verräter eine Aufgabe und weniger Zeit für Unsinn. Wir hätten mehr Kontrolle über sie.“

„Ja.“

„Aber das ist es nicht, was dich beschäftigt, nicht wahr?“

„Nein.“ Der Palastmeister stellte sein Schälchen zurück auf den Tisch. Die Gedanken, die seit dem Mittag in seinem Kopf kreisten, schienen seinen Appetit vertrieben zu haben. Er wusste, er würde erst wieder richtig essen können, wenn er sie zu seiner Zufriedenheit geklärt hatte.

„Ich frage mich, ob das alles wirklich noch in Marikas Sinne gewesen wäre“, vertraute er Ienara an. „Seine Strategie, sich mit seinen Feinden zu verbünden, sofern sie ihm ebenbürtig sind, ja. Aber das hier? Er hätte niemals zugestimmt, Sklaven eine derartige Behandlung zukommen zu lassen. Oder hätte er?“

Schweigend griff Ienara nach ihrem Weinbecher. Ihre feingeschwungenen Augenbrauen zogen sich zusammen und Ivasako begann sich zu fragen, was in ihr vorging.

„Ich kann dir nicht sagen, ob er solchen Gesetzen zugestimmt hätte, Ivasako“, antwortete sie schließlich. „Marika hat seine Cachira stets sehr zuvorkommend behandelt und sich auch um das Wohl seiner übrigen Sklaven gekümmert. Aber er hat auch sehr hart bestraft. Oft fand ich, die halbe Strafe hätte denselben Effekt gehabt.“

„So erging es mir auch oft“, sagte Ivasako sich an zahlreiche Bestrafungen erinnernd, die er in Marikas Auftrag ausgeführt hatte. Es stimmte, Marika hatte seine Sklaven besser behandelt, als die meisten Ashaki, die er kannte. Aber zugleich waren sie für ihn bis auf einige wenige Ausnahmen austauschbar gewesen. „Aber Marika war König. Seine Sklaven haben auch ihn repräsentiert. Er war gezwungen, sie gut zu behandeln.“

„Ob Position oder Gesetz es ist ein Einschnitt in die Freiheiten eines Magiers“, entgegnete Ienara. „Es mag uns richtig erscheinen, aber die Ashaki werden es nicht akzeptieren.“

Ivasako trank einen Schluck Wein. „Ich habe kein gutes Gefühl dabei, etwas zu unterstützen, das er nicht gewollt hätte“, gab er dann zu.

Für einen langen Augenblick musterten Ienaras Augen ihn, als könne sie dadurch direkt in sein Herz sehen. „Ivasako, mein geliebter Palastmeister“, sagte sie. „In den letzten Monaten hast du so viel für unser Land getan. Und alles davon war – soweit wir beide das sagen können – in Marikas Sinne. Du hast alles für Sachaka getan, was er für dieses Land gewollt hätte. Selbst, wenn diese Gesetze und die Zusammenarbeit mit den Verrätern nicht in seinem Sinne wären, solltest du aufhören, dich bei jeder deiner Handlungen zu fragen, ob sie das wäre. Du bist der mächtigste Mann in ganz Sachaka. Es wird Zeit, loszulassen und das zu tun, was du dir selbst für Sachaka wünschst.“

Ivasako nahm sich die Zeit, über ihre Worte nachzudenken. Was Marika gewollt hätte, kümmerte nur ihn und Ishaka und möglicherweise einige andere Ashaki. Dem Rest der Bevölkerung waren Marikas theoretische Wünsche vermutlich egal, weil sie ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hatten. Aber genau dieser Teil der Bevölkerung war jener, dessen Wohl Ivasako am meisten am Herzen lag und der zugleich die geringsten Möglichkeiten hatte, etwas an seiner Situation zu verändern.

Er erschauderte, als er den wahren Sinn hinter Ienaras Worten begriff. Für eine kurze Weile war er der mächtigste Mann in diesem Land. Und bevor er diese Macht wieder abgab, wollte er damit vollbringen, was ihm weder unter Marika noch unter Kachiro je gelungen wäre.


***


In Begleitung von einem Dutzend ihrer Töchter hielt Savedra im Fort Einzug, als sei sie eine Königin. Aber vielleicht kam Asara das auch nur so vor, weil sie die Frau, der sie ihr Leben lang gedient hatte, mit einem Mal mit anderen Augen sah. Illara und Talaria wichen wie immer nicht von ihrer Seite und Asara fragte sich, ob sie in die Hintergründe des Mordes an ihren Schwestern eingeweiht waren. Neben der Großen Mutter waren sie die vermutlich stärksten ihres Volkes. Sie konnten noch zu einem Problem werden.

Eine Konfrontation könnte interessant werden.

Sie warf einen Blick auf das Empfangskomitee bestehend aus Gildenmagiern, Sachakanern und Duna. Sie alle hatten die Tage nach der Schlacht genutzt, um ihre magischen Reserven wieder aufzufüllen und die Gildenmagier hatten zudem Speicherkristalle und ihre alchemistischen Waffen. Damit mussten drei Magierinnen zu bezwingen sein.

Vielleicht würde sie von selbst nachgeben, aber Asara zog es vor, auf alles vorbereitet zu sein. Denn als sie andere Frau nach einer Reise in die Wüste und wieder zurück wiedersah, begriff sie, dass diese Frau ihr fremd geworden war.

Gemeinsam mit Dannyl schritt sie auf Savedra und ihr Gefolge zu.

„Große Mutter“, grüßte sie. „Es ist gut, dass du gekommen bist.“

Savedras Augen musterten sie prüfend. „Asara, Liebes. Ich bin überrascht, dich hier zu sehen. Ich dachte, du wärst in Yukai gestorben.“

„Zalava hat versagt.“

„Ich nehme an, du wirst noch erklären, was das hier soll und warum du deine Schwester getötet hast?“

Bevor Asara gezwungen war, eine passende Erwiderung zu finden, trat Dannyl vor. „Große Mutter, im Namen der Gilde heiße ich Euch im Fort am Nordpass willkommen“, sagte er. „Es gibt einiges zu besprechen.“

Savedras Blick glitt über die Versammelten. „Davon gehe ich aus. Es ist eine wahre Herausforderung, so unterschiedliche Parteien zu einem gemeinsamen Ergebnis zu bringen, doch ich bin sicher, wenn jemand das vermag, dann Ihr, Auslandsadministrator Dannyl.“

Was mag gerade in ihm vorgehen?, fragte Asara sich. Dannyl hatte diese Frau sehr geschätzt. Von ihrem Verrat zu erfahren, musste ein herber Schlag für ihn gewesen sein. So zu tun, als würde er die Wahrheit nicht kennen, musste eine Herausforderung sein, gegen die kein Geheimniswahrer half, weil man seine Gefühle nicht in diesen wegschließen konnte. Asara bewunderte den schönen Gildenmagier für seine Selbstbeherrschung. Vielleicht konnte er auch einfach nur gut schauspielern.

„Tatsächlich sind wir uns bereits einig geworden“, erwiderte Dannyl. „Uns fehlt einzig Eure Bestätigung.“

Die Magierinnen aus Savedras Gefolge lösten sich aus der Gruppe und bildeten einen Kreis um ihre Anführerin und ihre beiden Leibwächterinnen, Nachiri allen voran.

Asara spürte, wie ein grimmiges Lächeln an ihren Lippen zerrte. Ihre Schwester hatte ganze Arbeit geleistet. Die in der Zuflucht verbliebenen Magierinnen hatten sich ihnen angeschlossen, einige sogar schon, als sie von der Schlacht in den fruchtbaren Regionen erfahren hatten. Und es war ihnen gelungen, das vor Savedra zu verbergen. Wenn Asara an das Chaos der letzten Wochen dachte, war dies wahrscheinlich leicht gewesen. Als Anführerin der Rebellion gegen die Große Mutter hatte sie eine gute Vorstellung von den Aufgaben eines Herrschers in Krisenzeiten erhalten.

Die Magier der Ashaki, Duna und Gilde waren derweil nähergerückt. Aus dem Haupteingang, den Ställen und den Quartieren der kyralischen Diener strömten Asaras Schwestern in den Hof. Alarmiert schufen Talaria und Illara einen Schild um sich und Savedra.

„Was hat das zu bedeuten?“, verlangte die Große Mutter zu wissen.

„Wir wissen, dass du für den Anschlag auf die Eskorte von Auslandsadministrator Dannyl und Lady Sonea verantwortlich bist“, teilte Asara ihr mit. „Damit hast du versucht, die Konferenz zu sabotieren. Und das wäre dir beinahe gelungen. Aber dabei hast du eine entscheidende Sache vergessen: Dannyls Verhandlungsgeschick.“

Zu ihrer Befriedigung erstarrte Savedra. Akkarins Trick, sie zum Fort zu locken, um die abtrünnigen Verräter zu bestrafen, die die Schlacht am Nordpass überlebt hatten und an den Verhandlungen teilzunehmen, war offenkundig gelungen. Sie hatte die Gilde für völlig ahnungslos gehalten. Inzwischen hatte Asara erfahren, dass Savedra dem Hohen Lord nach dem Kampf in den fruchtbaren Regionen mitgeteilt hatte, eine größere Gruppe ihrer Töchter sei desertiert. Akkarin hatte versprochen, diese aufzuhalten und Savedra in dem Glauben gelassen, die meisten dieser Frauen hätten am Nordpass ihr Leben gelassen. Er hatte sogar einige kreative Argumente gehabt, warum die Verräter sich an der Schlacht gegen Ashaki und Duna beteiligt hatten.

„Das Einzige, das wir nicht herausfinden konnten, ist: Warum habt Ihr das getan?“, fragte Dannyl. „Ging es nur darum, dass diese Frauen mit den Rebellen kollaboriert haben, oder ging es in Wirklichkeit um etwas anderes? Denn zumindest eine Eurer Töchter, die dabei ums Leben kam, hatte sich zuvor klar von den Rebellen distanziert.“

„Belara“, sagte Asara. „Kurz, bevor sie die Zuflucht verlassen hat, hat sie mich davor gewarnt, nicht jedem zu vertrauen. Damals verstand ich ihre Andeutungen nicht, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass sie etwas wusste, von dem du, Savedra, nicht wolltest, dass sie es erfährt. Musste sie deswegen sterben?“

Savedra erwachte aus ihrer Schockstarre. „Das muss ein Missverständnis sein“, sagte sie mit ihrem unverbindlichen Lächeln. Auf Asara hatte es noch nie so falsch gewirkt. „Gewiss war es eine der anderen Parteien. Zum Beispiel die Rebellen.“

Lenyaka entfuhr ein wütendes Zischen.

„Versuch nicht, es zu leugnen“, sagte Asara scharf. „Zalava hat es mir kurz vor ihrem Tod bestätigt. Und komm nicht auf die Idee, dich mit Talaria und Illara hier herauszukämpfen. Du wirst nicht weit kommen. Also erzähle uns die Wahrheit, wenn du den Tod weiterer Verräter vermeiden willst.“

„Soll das hier eine Anhörung werden, Asara?“

Asara verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du so fragst, ja. Aber es spricht nichts dagegen, das hier nach drinnen zu verlegen.“ Sie sah zu Akkarin.

„Die Große Halle würde sich für diesen Zweck eignen“, antwortete der Anführer der Gildenmagier. „Ich schlage jedoch vor, König Merin dazu zu holen.“

Asara lächelte. „Eine gute Idee.“

Obwohl es hieß, Merin von Kyralia sei überaus tapfer für einen Nichtmagier und scheute magische Schlachten nicht, hatte Asara den Gildenmagiern empfohlen, ihn bei Savedras Empfang an einen sicheren Ort zu bringen. Niemand kannte die Stärke der Großen Mutter und ihrer Eskorte und sollte es zu einem Kampf kommen, so würde der Hof des Forts zu einer Todesfalle für Nichtmagier. Doch mit drei gegen mehr als einhundert würde jeder Kampf ein rasches Ende finden.

Asara nickte zu ihren Schwestern. „Folgt mir und bringt sie nach drinnen. Und passt auf, dass sie und ihre Schatten sich ruhig verhalten.“

Savedras Eskorte setzte sich unter Nachiris Führung in Bewegung. Asara und ihre Schwestern schlossen sich ihnen an.

Ein Flimmern in der Luft war ihre einzige Warnung. Sie öffnete den Mund, um einen Befehl zu geben, dann prallte eine Wand aus Magie gegen den Schild der Eskorte. Nachiri und ihre Schwestern reagierten sofort und schossen gebündelte weiße Magie auf Talaria. Asara stieß sich vom Boden ab und schwebte über die Menge und griff Talaria an. Hier und da taten es ihr Verräter, Ashaki und einige Duna gleich.

Illara hatte Savedra zwischen sich und Talaria gebracht und griff nun ihrerseits die sie umgebenden Schwestern an. Asara sah, wie der Schild an einer Stelle durchlässig wurde und eine Frau zusammenbrach. Wütend lenkte sie ihren Angriff auf Illara.

Etwas Grelles gleißte taghell durch ihr Sichtfeld und für einen Augenblick war Asara geblendet. Als sie wieder klar sehen konnte, lag Talaria am Boden. Oder besser gesagt, was noch von ihr übrig war. Arikhai ließ seinen Ikakh sinken.

„Nein!“, rief Savedra. „Hört auf!“

„Dann ergebt euch und gebt eure Magie auf“, sagte Asara.

Illaras Kiefer verhärtete sich und sie richtete ihre Hände auf Asara. Savedra sagte leise etwas zu ihr und die Frau ließ die Arme sinken. „Wir ergeben uns“, sagte sie dann laut.

Noch immer wachsam schwebte Asara vor den beiden Frauen zu Boden. Als sie ihren Dolch zog, verbannte sie alle Emotionen aus ihrem Bewusstsein. Nachiri stieß Savedra und Illara auf die Knie und Asara nahm ihre Magie. Das Gefühl von Macht war nie unwillkommener gewesen.

„Bringt sie in die Große Halle“, sagte sie dann und steckte ihren Dolch weg.

Illara sah trotzig auf. Savedra erhob sich jedoch würdevoll.

„Dann lasst uns dieses Missverständnis aus der Welt räumen.“

Asara schnaubte. Wortlos wandte sie sich um und betrat das Fort gemeinsam mit Dannyl und den beiden höheren Gildenmagiern. Die Halle, in der die Gildenmagier und momentan auch die sachakanischen Magier ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten, bot ausreichend Platz für eine Anhörung. Asara steuerte auf den Tisch am anderen Ende der Halle zu, wo für gewöhnlich der Anführer der Gildenmagier mit seinen wichtigsten Leuten und der König saßen.

Der Hohe Lord, Sonea und der schöne Gildenmagier nahmen mit ihr an dem Tisch Platz. Von irgendwoher erschien der König der Kyralier mit seinem Gefolge und setzte sich zu den drei Gildenmagiern. Asaras Schwestern führten Savedra und ihre Leibwächterin vor diesen Tisch und bezogen ihre Posten. Die übrigen Magier egal, ob Gilde, Sachakaner oder Duna, ließen sich auf den Sitzbänken an den langen Tischen nieder. Diejenigen, die keinen Sitzplatz fanden, suchten sich einen Stehplatz entlang der Wände oder setzten sich auf den Boden.

„Also, Große Mutter Savedra“, begann Asara. „Du wolltest deine Anhörung, hier ist sie.“ Sie machte eine Pause und betrachtete die andere Frau kühl. Sie konnte nicht begreifen, wie diese Frau so viele Jahre ihr Vorbild gewesen war. In den wenigen Minuten, die seit Savedras Ankunft vergangen waren, war der Respekt vor dieser Frau noch mehr gesunken. Nicht einmal für ihre Tochter hatte Asara so viel Verachtung empfunden.

Aber Savara hatte immerhin Reue für ihre Taten gezeigt. Asara wusste, wie sehr ihre Schwester unter ihrer Mutter gelitten hatte. Sie konnte Savara vieles verzeihen, wenn sie sich ins Gedächtnis rief, dass die Schuld bei ihrer Mutter lag. Andererseits wusste sie nun auch, von wem Savara gewisse unerfreuliche Eigenschaften geerbt hatte.

„Du wirst beschuldigt, die Hinrichtung von fünf deiner Töchter inklusive mir befohlen und das Leben von zwei unserer Verbündeten leichtfertig gefährdet zu haben, obwohl sie als Schutzbefohlene galten“, teilte Asara der Anführerin der Verräter mit. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“

Die andere Frau nahm einen tiefen Atemzug. „Also schön“, sagte sie mit einem charmanten Lächeln. „Hier ist deine Wahrheit:

„Ja, ich bin für den Anschlag auf die erste Eskorte verantwortlich. Diese Frauen hatten etwas herausgefunden, das sie nicht wissen durften. Hätten sie dieses Wissen verbreitet, so hätten sie alles gefährdet, was ich in den vergangenen Jahren für Sachaka und für die Verräter erreicht habe. Mir blieb jedoch keine Zeit, ich musste schnell handeln und ohne, dass etwas über diese Angelegenheit ans Licht kam. Also habe ich ein paar meiner Söldnerinnen hinterher geschickt und sie getötet.“

„Wo sind diese Söldnerinnen jetzt?“

„Unglücklicherweise wurden sie von deiner kleinen Rebellion in den fruchtbaren Regionen getötet.“

„Zu schade“, bemerkte Asara. „Doch ich denke, damit haben sie ihre gerechte Strafe erhalten.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr mit eisiger Stimme fort: „Mit diesem Anschlag hast du das Leben von zwei Gildenmagiern gefährdet. Und das spricht dafür, dass dir deine Bündnispartner gleichgültig sind und du noch etwas anderes geplant hast.“

„Der Auslandsadministrator ist ein alter Freund“, sagte Savedra. „Ich würde nie sein Leben leichtfertig riskieren. Deswegen habe ich die Delegierten so gewählt, dass sie nicht nur unsere Interessen gut vertreten, sondern Sympathien für diese beiden Gildenmagier hegen. Ich wusste, er und Lady Sonea waren gut genug vorbereitet, um ein paar Tage auf sich gestellt durch Sachaka zu reisen.“

„Ist das deine ganze Rechtfertigung?“, entfuhr es Asara. „Glaubst du, eine so schwache Erklärung genügt, damit wir dir deine Taten verzeihen?“

„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, Asara.“

„Wenn ein Mitglied unserer Gesellschaft gegen die Regeln verstößt, ist es deine Aufgabe, eine Anhörung einzuberufen und eine angemessene Bestrafung zu finden. Ich muss dich wohl kaum daran erinnern, dass das Finden des Strafmaßes eine Angelegenheit unseres gesamten Volkes ist?“

„Die Vorbereitungen für die Konferenz waren bereits in vollem Gange. Es war keine Zeit, eine Anhörung einzuberufen.“

Die grimmige Befriedigung war überwältigend. Asara hätte nie gedacht, dass es sich so gut anfühlte, das Recht ihres Volkes walten zu lassen. Es fühlte sich noch besser an, als gegen einen Ashaki zu kämpfen, dessen Sklaven sie befreit hatte. „Hast du vor oder nachdem du die Eskorte ausgesandt hast, erfahren, dass sie gegen unser Volk arbeiten?“

Savedra schloss die Augen. „Davor.“

„Und wie genau haben sie gegen uns gearbeitet?“, verlangte Asara zu wissen. „Was waren ihre Motive?“

„Ich hatte einen Plan. Einen Plan, um Sachaka zu zivilisieren, sollte die Konferenz scheitern.“ Savedras mandelförmige Augen wanderten zu Dannyl. „Ich halte sehr viel von Euch, Auslandadministrator, doch ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass Ihr Erfolg habt. Sachaka ist nicht gerade das, was man als kompromissbereiten Verhandlungspartner bezeichnen könnte.“

„Nun, da hat sie nicht ganz unrecht“, murmelte Takiro, der neben Ishaka in der vordersten Reihe saß.

„Imperator Kachiro hatte Verhandlungsbereitschaft signalisiert“, wandte Dannyl ein.

„Die auch dort schon falsch war. Er war zu radikal, um plötzlich ernsthafte Verhandlungen aufnehmen zu wollen. Ich konnte nicht zulassen, dass es soweit kommt, und wollte seinen Plan vereiteln. Die Gerüchte um eine Verschwörung gegen ihn haben mir dabei in die Hände gespielt. Während die Verhandlungen in Yukai geplant wurden, habe ich mir einen Plan zurechtgelegt, Sachaka zugunsten der Verräter zu verändern und die Macht zu ergreifen, sollte die Konferenz scheitern oder Kachiro seinen Plan vorzeitig in die Tat umsetzen.“

Aber zu Kachiros Plan war es nie gekommen, weil der Palastmeister mit seiner und Ishakas Verschwörung ihn noch rechtzeitig gestürzt hatte. Und Asara hatte Savedras Machtübernahme vereitelt, indem sie ihren Schwestern die Wahrheit gesagt hatte. „Und als dann das Chaos in Sachaka ausbrach, dachtest du, du könntest die Gelegenheit nutzen, um dich selbst auf den Thron zu setzen“, folgerte sie.

„Eine bessere Gelegenheit hat es seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gegeben“, erwiderte Savedra kühl.

„Also dachtest du sie vernichten, was von den Ashaki nach ihren Kämpfen übrig ist, und erobern dann Arvice?“

„So war der Plan. Schließlich hat Anjiaka die Verbindungen zum Palast und zu den einflussreichsten Politikern unterhalten.“

„Anjiaka war nie auf deiner Seite.“

„Und damit die Konferenz scheitert, habt Ihr ein wenig nachgeholfen“, unterstellte der schöne Gildenmagier. „So ist es doch, Große Mutter, nicht wahr?“

„Diese vier Frauen hatten herausgefunden, was ich beabsichtigte. Sie stellten ein Risiko sowohl für uns als auch für die nichtmagische Bevölkerung Sachakas dar.“

„Ich kann nicht fassen, dass du derart skrupellos gehandelt hast“, sagte Asara tonlos. „Warum hast du uns nicht eingeweiht, anstatt meine Schwestern zu töten? Wir hätten in Yukai entsprechend reagieren können. Stattdessen haben wir Tage darauf verschwendet, einander mit falschen Schuldzuweisungen zu quälen und den oder die Mörder an den falschen Stellen zu vermuten.“

Savedra schwieg. Was Asara früher für ein Zeichen von Weisheit gedeutet hatte, ließ sie sich nun fragen, welche Rechtfertigung die andere Frau dieses Mal finden würde.

„Ich weiß, warum sie uns nicht eingeweiht hat“, sagte Dannyl. „Weil ihr Plan vorsah, Sachaka in eine Gesellschaft zu verwandeln, in der die Frauen über die Männer herrschen. Damit hätte sie die gegenwärtige Herrschaftsform umgekehrt und die Männer zu Sklaven gemacht.“ Er sah zu Savedra. „Ist das korrekt?“

„Die Männer wären frei gewesen.“

„Aber ohne Rechte und ohne Magie.“ Asara schüttelte den Kopf. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du dachtest, damit etwas zu verbessern. Sehr viel schlimmer kann es doch gar nicht mehr kommen.“

„Es ist besser, meine Tochter“, widersprach Savedra. „Auf diese Weise lernen die Mächtigen, wie es ist, keine Macht zu haben. So können sie ihre Fehler besser begreifen, als wenn wir Gesetze erlassen, an die sie sich nicht halten.“

Du kannst nicht aus allem eine Lektion machen!, wollte Asara ihr entgegenschleudern. Es war genau das, worüber Savara sich oft beklagt hatte. Früher hatte Asara die Worte ihrer Schwester nicht ernstgenommen. Jetzt erkannte sie jedoch, wie recht sie gehabt hatte, und verspürte Schuld, weil sie Savara in den letzten Monaten ihres Lebens mehr verurteilt als geliebt hatte.

„Angesichts dieser Umstände tritt Kyralia von dem Bündnisvertrag mit den Verrätern zurück, weil es den Schutz seiner Magier nicht mehr durch die Verräter gegeben sieht“, sprach der König von Kyralia. Aus seiner tiefen Stimme glaubte Asara, unterdrückten Zorn herauszuhören.

„Ich tat es zum Wohle unserer beider Völker, König der Kyralier“, sprach Savedra. „Und dem sachakanischen.“

„Ihr tatet es einzig zu Eurem eigenen Wohl“, widersprach Akkarin kalt. „Ihr habt das Leben zwei unserer besten Magier leichtfertig gefährdet, weil die Gelegenheit günstig schien, ein paar unbequeme Personen loszuwerden und zugleich die Konferenz zu sabotieren und Eure eigenen Pläne zu verwirklichen. Und das Leben eines ungeborenen Kindes.“

Die Gildenmagierin, die in grünen Roben bei der Führung der Gilde saß, sog entsetzt die Luft ein.

Savedras Augen weiteten sich. Sie sah zu Sonea. „Ist es …?“

„Nein“, antwortete Akkarin, bevor die kleine Gildenmagierin etwas sagen konnte. „Aber wäre es das, so würde ich Euch dafür zur Rechenschaft ziehen.“

„Ohne mein Volk ist Eure Gilde weiteren Angriffen aus Sachaka schutzlos ausgeliefert“, sagte Savedra. „Ihr solltet Euch gut überlegen, ob Ihr das Abkommen mit uns kündigt.“

„Die Sicherheit der Gilde wird weiterhin gewährleistet sein.“

„Ihr könnt nicht wirklich geglaubt haben, auf diese Weise etwas zu ändern“, sprach eine kühle Stimme. „Auf diese Weise schürt Ihr nur weiter den Groll gegen Eure eigenen Leute.“

Überrascht wandte Asara den Kopf. „Ashaki Ishaka, Ihr habt das Wort.“

Der Ashaki richtete seinen Blick direkt auf Savedra. „Wenn ich eines von Eurem geschätzten Auslandsadministrator gelernt habe, dann, dass ein Konflikt nicht dadurch beendet wird, dass eine Seite die andere unterwirft. Auf diese Weise entstehen nur weitere Konflikte und der Zorn auf den anderen bleibt ungebrochen und wird geschürt. Euer Plan ist keine Lösung für das Problem, das wir miteinander haben. Wenn er zum Einsatz gekommen wäre, hättet Ihr Sachaka damit nicht gerechter gemacht.“

„Vielleicht nicht sofort, aber mit der Zeit“, antwortete Savedra. „Ihr und Eure Leute wärt nicht bereit gewesen, zuzuhören, solange Ihr Macht besitzt. Ihr hättet erst am eigenen Leib erfahren müssen, wie es ist, unterdrückt zu werden, damit dieses Land überhaupt eine Chance gehabt hätte, sich zu erholen.“

„Aber sie haben uns zugehört“, sagte Asara. „Ishaka hat schon in Yukai den Vorschlag der Gildenmagier befürwortet. Gemeinsam haben wir Kachiros Anhänger aufgehalten, damit Sachaka die Chance hat, ein zivilisierterer Ort zu werden.“

Sie hörte, wie Takiro bei dem Wort ’zivilisiert’ leise nach Luft schnappte, und verkniff sich ein grimmiges Lächeln.

„Es ist leicht, sich zu verbünden, wenn man einem gemeinsamen Feind gegenübersteht, Liebes“, entgegnete Savedra. „Doch die Ashaki werden ihr wahres Gesicht zeigen, wenn wieder Frieden herrscht.“ Sie betrachtete Asara und die Verräter, die sich zu ihren Seiten und entlang des Kopfendes der Halle aufgestellt hatten. „Ich kann nicht mein komplettes Volk zu Ichani erklären. Deswegen kann ich euch nur bitten, zur Vernunft zu kommen und einzusehen, dass das hier Irrsinn ist.“

„Es stimmt, du kannst uns nicht zu Ichani erklären“, sagte Asara. „Weil du die Ichani bist.“

Savedra erstarrte. „Das kannst du nicht machen, Asara. Denk doch daran, was ich alles für unsere Sache getan habe!“

„Inzwischen frage ich mich vielmehr, wie viel davon wirklich zum Wohl Sachakas geschehen ist und wie viel du für deine eigenen Pläne getan hast“, gab Asara zurück. Sie sah sich um. „Wer meiner lieben Schwestern ist der Ansicht, dass Savedra für ihre Taten bestraft werden soll?“

Sämtliche Verräter hoben die Hand. Auch Lenyaka, Tylava und Beccari, obwohl sie noch immer Ichani waren.

„Damit wäre dies also beschlossen“, sagte Asara. Sie warf einen Blick auf die Ashaki, Duna und Gildenmagier, die sich in der Halle drängten. „In der Geschichte meines Volkes ist dies das erste Mal, dass eine Große Mutter gegen unsere Regeln verstoßen hat. Die üblichen Strafen sind das Blockieren von Magie, Einkerkerung oder Verbannung in die Ödländer. Doch Savedra war unsere Anführerin. Ihre Taten wiegen besonders schwer. Deswegen bin ich für Vorschläge jeder Art offen.“

„Ein solcher Verrat würde bei meinem Volk durch Hinrichtung bestraft“, sprach Arikhai. „Je nach dem genauen Vergehen haben wir verschiedene Hinrichtungsarten. Vierteilen oder den Wüstenwürmern nach Entnahme der Magie zum Fraß vorwerfen wären in diesem Fall angemessen.“

Asara erschauderte.

„Die Gilde würde einen solchen Fall mit Hinrichtung bestrafen“, sagte der schöne Gildenmagier.

„Ich meine mich zu erinnern, dass Ihr Euren Anführer nur verbannt habt“, wandte Takiro ein.

„Die Sachlage war eine andere.“

„Aber auch er hat zum Wohle seiner Leute gehandelt.“

„Er hat dazu weder Kyralier getötet, noch deren Leben leichtfertig riskiert.“

„Ich würde vorschlagen, die Kräfte von Savedra und ihrer Leibwächterin zu blockieren und sie das Leben von Sklaven führen zu lassen“, sprach Ishaka. „Ich könnte Euch einige Ashaki empfehlen, die Freude daran hätten, sie am eigenen Leib spüren zu lassen, was sie aus uns machen wollte.“

Obwohl Asara ein Ende der Sklaverei vorgezogen hätte und dankbar war, dass Sachaka zumindest Gesetze zur Verbesserung des Lebens der Sklaven erhalten würde, gefiel einem dunklen Teil in ihr dieser Vorschlag. Zudem war nicht gesagt, dass Savedra ein solches Leben unter einem Ashaki führen musste.

Sie sah zu ihren Schwestern. „Stimmen mir alle zu, dass eine Blockade der Magie von Savedra und ihres Schatten das Mindeste ist, das wir tun sollten?“

Ihre Schwestern nickten einhellig.

„Dann schlage ich vor, anschließend über weitere Maßnahmen nachzudenken.“ Asara nickte zu Estara, Ishaka, Takiro, Arikhai, Akkarin und der strengaussehenden Frau in grünen Roben. „Waltet Eures Amtes. Sollten sie Widerstand leisten, so möge der Rest der hier Versammelten sich bereithalten.“

„Asara, ich bitte dich!“, rief Savedra. „Tu das nicht.“

„Du hast die Prinzipien unseres Volkes verraten“, sagte Asara kalt. „Du hast unsere Schwestern hinrichten lassen und wolltest Sachaka in ein Land verwandeln, in dem die Männer in Unterdrückung leben. Die Strafe für deine Taten könnte nicht entsetzlich genug sein. Deine Magie und die deiner beiden Schatten möge blockiert werden, und dann werden die Verräter über euch richten.“


***


Zuzusehen wie Akkarin und einige ausgewählte Magier der übrigen Völker die Kräfte der Großen Mutter blockierten, löste die widersprüchlichsten Emotionen in Sonea aus. Die Magier, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, demonstrierten sie nicht nur eine bemerkenswerte Einigkeit, sondern auch, dass sie die Person zu bestrafen suchten, die dieser im Weg gestanden hatte. Aber sie erinnerte sich auch noch zu gut an das Gefühl von Hilflosigkeit, als Marika den Zugang zu ihrer Magie blockiert hatte, und an die Verzweiflung, als sie versucht hatte, die Blockade zu umgehen.

Nichtsdestotrotz konnte sie kein Mitleid mit dieser Frau empfinden. Sie hatte nicht nur die Ideale ihres eigenen Volkes verraten, sondern war auf dem besten Weg gewesen, für Sachaka das absolute Gegenteil des aktuellen Herrschaftssystems durchzusetzen.

Weder Savedra noch ihre Leibwächterin leisteten Widerstand, obwohl Letztere ein Gesicht machte, als wäre sie kurz davor, alles und jeden in ihrer Umgebung zu Asche zu verbrennen. Savedra hingegen ließ den Prozess mit ungeahnter Würde über sich ergehen und Sonea fragte sich, wie viel davon gespielt war. Der Rest der Versammelten sah schweigend zu. Ihre Einigkeit ist erstaunlich, wo sie sonst doch immer streiten, dachte Sonea fasziniert. Doch jeder von ihnen hatte einen Grund, Savedra bestraft sehen zu wollen. Die Verräter und die Rebellen fühlten sich von ihr betrogen. So auch die Gildenmagier. Die Ashaki hatten sie schon immer gehasst und die Duna fanden ihr Verhalten einfach nur ehrlos.

„Ich kann es noch immer nicht fassen“, murmelte Dannyl neben ihr. „Sie war unsere größte Hoffnung. Sie war eine Freundin. Ich habe ihr vertraut.“

„Es tut mir so leid, Dannyl“, flüsterte Sonea. „Ich kann mir so gut vorstellen, wie du dich fühlst.“

„Wie habe ich mich nur so in ihr täuschen können?“

„Menschen mit Macht neigen oft dazu, ihre Gefühle für sich zu behalten. Das macht sie weniger angreifbar. Wahrscheinlich wissen nicht einmal ihre engsten Vertrauten, was wirklich in ihr vorgeht.“

„Sie hat so viele Menschen verraten. All die Sklaven, die ihre Hoffnungen in sie gesetzt haben. Uns. Wir haben uns darauf verlassen, dass die Verräter für uns kämpfen. Wir waren auf dem Weg dahin, eines Tages unser Wissen mit ihnen zu teilen. Und es wäre ein Fehler gewesen.“

Sonea berührte seinen Arm. „Du hast dennoch sehr viel erreicht, Dannyl. Das darfst du nicht vergessen.“

„Ist es erbärmlich, dass ein Teil von mir bis zuletzt an ein Missverständnis geglaubt hat?“

„Nein.“

Ihr Freund nickte nur. Mehrere Augenblicke verstrichen, in denen er nachdenklicher wirkte, als Sonea ihn je erlebt hatte. Als er sich ihr jedoch wieder zuwandte, war alle Nachdenklichkeit aus seinem Blick gewichen und er wirkte so zuversichtlich wie eh und je.

„Danke“, flüsterte er und drückte kurz ihre Hand. „Ich fürchte, ich habe mich zu sehr von meinen persönlichen Gefühlen leiten lassen. Das war unprofessionell.“

„Auch du bist nur ein Mensch, Dannyl“, erwiderte Sonea. „Und genau das macht dich zu so einem solch großartigen Diplomaten.“

Ihr Freund schenkte ihr ein Lächeln. „Und dich zu einer großartigen Freundin.“

Nach einer quälenden Ewigkeit ließen die vier Magier von Savedra ab. Diese war noch immer völlig ruhig und würdevoll. Jeder andere Magier wäre an dieser Stelle zusammengebrochen.

Wahrscheinlich hoffte sie darauf, dass ihre Töchter sie freisprechen, sind sie erst einmal in der Zuflucht, überlegte Sonea. Es wäre zumindest, was sie an Savedras Stelle tun würde. Solange Savedra am Leben war, konnte sie noch Einfluss auf ihre Leute ausüben.

Mit sauertöpfischer Miene wandte Lady Vinara sich ab und kehrte zurück zum Tisch der höheren Magier.

„Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe“, hörte Sonea sie murmeln.

„Es war nötig“, erwiderte Dannyl sanft.

Vinaras graue Augen huschten zu Sonea. „Und wir beiden werden uns nach dieser Versammlung unterhalten“, sagte sie streng.

Sonea nickte, sich innerlich für eine weitere Strafpredigt wappnend. Es war einem unglücklichen Zufall zu verdanken, dass ihre Schwangerschaft während Savedras Anhörung ans Licht gekommen war. Entweder hatte Asara dies in ihrem Zorn nicht bedacht oder sie ging davon aus, dass sie nicht länger Stillschweigen bewahren brauchte, jetzt wo Akkarin davon wusste. Tatsächlich war Sonea herzlich egal, wer sonst davon erfuhr. Aber Lady Vinara war in dieser Hinsicht noch unangenehmer als ihr eigener Mann.

Sie hätte es sowieso erfahren …

„Savedra und ihre Leibwächterin Illara werden unter Arrest gestellt, bis die Verräter zu ihrem Versteck zurückkehren“, verkündete Asara. „Dort werden meine Schwestern das endgültige Urteil beschließen. Die Blockade ihrer Magie wird jedoch bis an ihr Lebensende bestehen bleiben, solange dieses auch dauern mag.“ Sie machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand. „Führt sie ab.“

Akkarin bedeutete Captain Eril und einigen Kriegern, die Frauen zu den Kerkern zu geleiten.

Nachdem sie fort waren, sprach niemand, als fürchteten alle, was geschehen könnte, wenn sie die Stille durchbrachen.

Neben ihr räusperte Dannyl sich leise. „Jetzt, wo der Anschlag und seine Umstände endgültig geklärt sind, sollten wir unser Augenmerk auf den letzten noch ungeklärten Punkt unseres Vertrages richten“, begann er. „Diese Sache betrifft jedoch einzig die Gilde und die Verräter, weswegen ich alle anderen bitten würde, den Raum zu verlassen. Sollten wir uns heute einig werden, so werde ich für morgen eine letzte Versammlung mit allen Teilnehmern einberufen, bei welcher wir den Friedensvertrag endgültig besiegeln.“

„Erfahren wir auch, worum es bei diesem letzten Punkt geht?“, fragte Takiro.

„Es geht um die Klärung des zukünftigen Verhältnisses zwischen Gilde und Verräter.“ Dannyl sah zu Akkarin und Asara und dann zu Merin. „Ich nehme an, das ist in Eurem Interesse?“

„Das ist es“, antwortete der König und Asara und Akkarin nickten zustimmend.

Ashaki und Duna erhoben sich und verließen die Halle. Akkarin kehrte mit wallenden Roben auf seinen Platz zwischen Sonea und den König zurück.

- Lady Vinara ist über deine Schwangerschaft nicht erfreut, nehme ich an?

- Nein, sandte Sonea. Aber das war zu erwarten.

- Soll ich dich begleiten, wenn du mit ihr sprichst?

Sonea unterdrückte ein Schnauben.

- Ich habe überlebt, als sie mir gezeigt hat, wie man verhütet. Und ich habe deinen Zorn überlebt. Da werde ich auch das hier überleben.


***


Die Gildenversammlung war kurzfristig einberufen worden. Rothen hatte den Nachmittagsunterricht seiner Erstjahresnovizen unterbrochen und Arbeitsanweisungen gegeben, mit denen diese in der Lage sein sollten, eigenständig zu arbeiten. Dann war er in die Gildehalle geeilt.

Jerrik, Kinla und der Administrator hatten sich bereits auf der Empore eingefunden, die übrigen Magier waren fast vollständig, standen jedoch noch diskutierend und verunsichert in Gruppen zusammen. Anhand der Gesprächsfetzen, die er aufschnappte, begriff Rothen, dass sie den Grund dieser Versammlung ebenso wenig kannten, wie er.

„Geht es um die Verhandlungen mit den gegnerischen Parteien?“, fragte er.

Bis jetzt war die Gilde von diesen Entscheidungen verschont geblieben, da die am Nordpass getroffenen Beschlüsse bis jetzt nur politischer und diplomatischer Natur gewesen waren. An der Begrünung der Ödländer gab es nichts abzustimmen und die Forderungen, die Gilde und Verräter an die Sachakaner hatten, erforderten eine Abstimmung unter den Sachakanern. Soweit Rothen wusste, hatte eine knappe Mehrheit der Ashaki für Gesetze zur Sklavenhaltung entschieden. Wenn auch zähneknirschend.

„Nicht ganz“, antwortete Osen. „Es geht um das Bündnis mit den Verrätern.“

Rothen runzelte die Stirn. „Ich dachte, dieses wäre aufgelöst.“

„Das ist es auch. Doch offenkundig geht es darum, ein neues Bündnis zu schließen. Wir brauchen die Verräter. Auch wenn wir mit Sachaka Frieden schließen.“

„Könnt Ihr nicht einfach die Versammlung für eröffnet erklären, bevor Ihr alles doppelt und dreifach erzählt?“, stöhnte Jerrik.

Der Administrator warf einen Blick auf die Gildenmagier, die noch immer verwirrt einzeln oder in Gruppen standen. „Vermutlich habt Ihr recht“, sagte er. „Wir sollten vollzählig sein.“

Er schlug auf einen kleinen Gong. „Ich erkläre diese Gildenversammlung für eröffnet!“, verkündete er mit magisch verstärkter Stimme.

Die Magier lösten sich aus ihren Gruppen und nahmen ihre Plätze ein.

„Vor einer halben Stunde erhielt ich vom Nordpass die Nachricht, dass die Anführerin der Verräter in einer gemeinsamen Aktion ihrer und unserer Leute sowie der Ashaki und Duna gestürzt wurde“, verkündete er. „Damit ist das Bündnis, das wir mit diesem Volk hatten, gelöst.“

„Und wie sollen wir dann überleben, wenn die Sachakaner uns erneut angreifen?“, fragte ein Krieger. „Selbst, wenn die Duna uns helfen sollten, wären sie zu weit weg, um rechtzeitig zur Stelle zu sein.“

„Ich stimme Euch zu, dass wir die Verräter brauchen, Lord Dendyl“, sagte Osen. „Deswegen sind der Hohe Lord, König Merin und die Anführerin jenes Teils der Verräter, die gegen Savedra rebelliert haben, einverstanden, dass Auslandsadministrator Dannyl ein neues Bündnis aushandelt.“

Dendyl und einige andere Magier atmeten auf. Auch Rothen verspürte Erleichterung. Zwischen der Gilde und Sachaka bestand zu viel Groll, als dass er sich auf einen Frieden verlassen wollte.

„Wir können die Verräter bei einem Friedensvertrag mit Sachaka nicht ignorieren“, fuhr der Administrator fort. „Sie sind ein Teil Sachakas, in Zukunft werden sie mit den Ashaki zusammenarbeiten. Der Hohe Lord und Auslandsadministrator Dannyl haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass es ein Fehler wäre, sich von ihnen abzuwenden.“

„Nicht zuletzt dürfen wir nicht vergessen, dass sich ungefähr die Hälfte gegen Savedra aufgelehnt und für uns gekämpft hat“, fügte Rothen hinzu. Wenn Dannyl und Akkarin in einem Teil der Verräter noch immer Verbündete sahen, dann war er bereit, ihrem Urteil zu vertrauen.

Osen warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Und eben diese Magierinnen sollen unsere Verbündeten sein“, teilte er den Magiern mit. „Sinn und Zweck dieser Versammlung ist es daher, über dieses Bündnis abzustimmen, da der Vertrauensbruch an uns begangen wurde. Die Überlebenden der Verräter mögen zwar nicht daran beteiligt gewesen sein, doch nichtsdestotrotz waren es unsere Magier, die dadurch in Gefahr gebracht wurden. Und es war unser Vertrauen, das missbraucht wurde.“

„Woher wissen wir, dass diese Verräter uns nicht eines Tages auch hintergehen?“, fragte ein Heiler.

„Das wissen wir nicht“, antwortete Osen. „Ebenso wenig wie wir wissen, ob die Sachakaner sich an unsere Forderungen halten. Doch das ist ein Risiko, das wir eingehen müssen. Ohne die Verräter haben wir weder den Sachakanern noch den Duna viel entgegenzusetzen.“

„Dannyl würde nicht auf ein neues Bündnis hinarbeiten, wenn er sich seiner Sache nicht absolut sicher wäre“, fügte Rothen hinzu. „Er kennt die Frau, die die Rebellion gegen Savedra angeführt hat, und er hat ein halbes Jahr unter ihnen gelebt.“

„Dannyl kannte auch Savedra und trotzdem hat er sich in ihr getäuscht“, wandte der Heiler ein.

Das ist kein Argument, wollte Rothen sagen. Aber damit würde er nichts bewirken. Er konnte nicht begründen, warum Dannyl sich seiner Sache so sicher war, weil er weder Savedra noch Asara je persönlich begegnet war.

„Vielleicht sollten wir zunächst den Vorschlag des Auslandsadministrators hören“, schlug Lord Sarrin von seinem Platz zwischen mehreren Alchemisten vor.

„Eine gute Idee“, seufzte Lady Kinla. „Sonst artet das hier noch in eine endlose Diskussion aus.“

„Ganz Eurer Meinung“, murmelte Jerrik.

Osen öffnete eine Mappe, die auf dem schmalen Tisch vor ihm lag.

„Der Hohe Lord hat mir die einzelnen Punkte wie folgt mitgeteilt“, begann er. „Punkt eins: Im Falle eines Angriffs helfen Gilde und Verräter einander. Dieser Punkt verliert seine Gültigkeit, wenn eine der beiden Parteien diesen Angriff mutwillig herbeigeführt hat. Punkt zwei: Die Verräter verpflichten sich, die neuen Gesetze in Sachaka zu wahren. Punkt drei: Die Verräter werden nur dann Zugang zum magischen Wissen der Gilde erhalten, sollten sie sich dessen als würdig erweisen. An dieser Stelle empfiehlt Akkarin dieselbe Vorgehensweise wie bei den Ashaki, da beide ohnehin von nun an zusammenarbeiten. Punkt vier: Die Gilde stellt sicher, dass immer zwei Heiler in der Zuflucht der Verräter zugegen sind.“

„Ist es das, worauf sie sich bereits geeinigt haben?“, fragte Rothen beeindruckt.

„Ja. So wie Akkarin es dargestellt hat, war weder ihm und Dannyl noch den Verrätern an langen Diskussionen gelegen.“

„Und wie steht der König dazu?“

„Der König ist von Savedras Verrat weiterhin nicht erfreut, doch er erkennt die Arbeit von Asara und ihren Leuten seit dem Scheitern der Konferenz an. Er ist bereit, den Verrätern diese Chance zu geben.“

„Und das sollte er tun“, sprach Lord Sarrin von seinem Sitz aus. Er erhob sich und trat vor die Empore. „Als wir das erste Bündnis mit den Verrätern geschlossen hatten, wussten wir fast gar nichts über dieses Volk. Inzwischen kennen wir sie besser. Und wir wissen, dass diejenigen, die im Geheimen gegen unsere Sache gearbeitet haben, nicht mehr diesem Volk angehören. Ich sehe darin eine Chance darauf, dass sie uns dieses Mal nicht hintergehen.“

„Trotzdem brauchen wir eine Absicherung“, wandte der Heiler ein, der zuvor gesprochen hatte.

„Wozu?“, fragte Rothen. „Nicht einmal die radikaleren unter den Verrätern hatten ein Interesse daran, uns Schaden zuzufügen. Wir mögen ihre Methoden nicht billigen, dennoch haben sie gegenüber uns keine kriegerischen Absichten. Ihr Augenmerk gilt vielmehr Gesellschaften wie der Sachakas. Ich stimme Lord Sarrin zu, dass ein erneutes Bündnis bessere Aussichten verheißt.“

Hinter ihm seufzte Osen leise. Es klang beinahe erleichtert. „Der König wünscht eine Entscheidung“, teilte er der Versammlung mit.

„Wir hatten nicht einmal Zeit, dieses Thema zu diskutieren“, wandte der Heiler ein.

„So wie ich das sehe, gibt es nichts mehr zu diskutieren“, sagte Jerrik säuerlich. „Dass die Verräter uns hintergangen haben, ist seit Wochen bekannt. Und seit einigen Tagen wissen wir, wie ein Frieden mit Sachaka aussehen soll. Jeder von Euch hatte genügend Zeit, sich eine Meinung zu bilden.“

„Allerdings“, stimmte Lady Kinla zu und Rothen nickte nur. Auch er hatte über diese Frage in den vergangenen Wochen immer wieder nachgedacht. Er brauchte nicht lange nachzudenken, um seine Entscheidung zu treffen. Zudem war es müßig, darüber zu spekulieren, ob die eigenen Verbündeten dieses Bündnis nicht eines Tages verraten würden. Niemand konnte absehen, wie sich das alles in Zukunft entwickeln würde. Und schließlich hätte er sich auch niemals träumen lassen, eines Tages mit den Sachakanern Frieden zu schließen.

Er sah zu Osen. „Administrator, ich schlage vor, dass wir nun abstimmen.“


***


Mit konzentrierter Miene starrte der Hohe Lord ins Leere. „Die Gilde hat entschieden“, sprach er schließlich. „Ungefähr zwei Drittel sind bereit, ein Bündnis mit den überlebenden Verrätern zu schließen.“

Sonea und Lady Vinara seufzten leise auf. Asara und ihre Schwestern, die während der vergangenen Minuten reglos dagesessen und gewartet hatten, wirkten ebenfalls erleichtert. Dannyl sah zu seinem Gefährten, den er zu Beginn des Bündnisgesprächs hatte rufen lassen, dann sah er zu König Merin. „Euer Majestät, ist dies in Eurem Interesse?“

„Das ist es“, antwortete Merin.

Dannyl wandte sich zu Asara. „Ich schlage vor, den Vertrag zu unterzeichnen, sobald Euer Volk eine neue Große Mutter gewählt hat. Und ich schlage vor, dass wir uns dann wieder hier treffen.“

„In dieser Hinsicht kann ich Euch nur zustimmen. Doch wir werden erst dann eine neue Anführerin wählen, wenn wir endgültig entschieden haben, was mit Savedra und ihren beiden Leibwächterinnen geschieht.“

„Nehmt Euch alle Zeit, die Ihr braucht, Asara von den Verrätern“, sprach König Merin. „Der Vertrag wird nur eine Formsache sein.“

Asara neigte den Kopf. „Was die Verräter betrifft, so brauchen wir kein Papier, um ein Bündnis zu besiegeln. Papier kann vernichtet werden, Erinnerungen nicht. Doch wenn Ihr diese Rückversicherung braucht, so werden meine Schwestern sie Euch geben.“

Sie denkt immer noch, Arikhai würde sie für den Mord an seinem Vater zur Verantwortung ziehen, erkannte Dannyl. Seit jener Diskussion, bei der Asara ihr Geständnis gemacht hatte, war dieses Thema nicht mehr zu Sprache gekommen. Dannyl wusste jedoch, der Kriegsherr der Duna hatte diese Angelegenheit nicht vergessen.

König Merin erhob sich. „Ich werde mich bis zum Abendessen zurückziehen“, sprach er. „Morgen früh wünsche ich dann den endgültigen Friedensvertrag zu diskutieren.“

„Ich werde eine Nachricht an alle Verhandlungspartner schicken“, erwiderte Dannyl.

Akkarin und Sonea erhoben sich. „Auch meine Frau und ich werden uns bis dahin zurückziehen“, erklärte er eine Hand zwischen die Schulterblätter seiner Frau legend. „Außer in dringenden Fällen wünsche ich, nicht gestört zu werden. Sonea braucht Ruhe.“

Womit sie Lady Vinara noch einmal entkommen war. Dannyl bezweifelte jedoch, dass die Strafpredigt des Oberhauptes der Heiler vergessen war.

Lord Peakin stand unschlüssig herum und schloss sich schließlich Vinara an. Von allen am Fort versammelten höheren Magier hatte er bisher am wenigstens zu den Diskussionen beitragen. Die Verräter folgten den Gildenmagiern nach draußen.

„Was gedenkt Ihr jetzt zu tun?“, wandte Dannyl sich an Asara. „Für die Verräter wird sich nun einiges ändern.“

Asara nickte. „In den nächsten Wochen werden wir viel zu diskutieren und zu klären haben. Wir brauchen jemanden, der in Arvice als Ishakas Berater für unser Volk spricht. Unsere Beobachterinnen müssen neu verteilt werden. Dazu werden wir fähige Söldnerinnen brauchen – ganz besonders dann, wenn ein Ashaki sich weigert, sich an die neuen Gesetze zu halten.“

„Und Ihr braucht eine neue Anführerin“, sagte Dannyl augenzwinkernd.

Asara seufzte unterdrückt. „Daran will ich im Augenblick am wenigsten denken.“

„Ist die Wahl einer neuen Anführerin ein komplizierter Prozess?“ Tayend war die Mappe mit Dannyls Unterlagen unter einen Arm geklemmt, zu ihnen getreten.

„Nicht mehr als bei jeder anderen Wahl vermutlich auch“, antwortete Asara. „Kandidaten werden aufgestellt und dann wird abgestimmt.“

„Allerdings müssen mindestens drei Viertel der Verräter für eine Kandidatin stimmen“, fügte Dannyl hinzu. „Und ich nehme an, diese drei Viertel zusammenzubekommen ist ähnlich langwierig, wie wenn man etwa einen Pakt brechen will, um mit einem anderen Volk ein Bündnis einzugehen?“

Ein humorloses Lächeln huschte über Asaras Gesicht. „So könnte man es ausdrücken.“

„Ich sehe nicht, wo das Problem ist“, sagte Tayend. „Die Verräter haben doch bereits eine Frau, der sie folgen.“

Für einen langen Augenblick war Dannyl verwirrt, dann begriff er, worauf sein Gefährte hinauswollte. „Das haben sie in der Tat“, sagte er. „Doch diese Verräterin zieht es, wie wir alle, wissen, vor zu sterben.“

Asara bedachte ihn und Tayend mit einem finsteren Blick. „Ich wäre nicht besser als Savedra, würde ich nicht bereit sein, die Strafe für meine Taten auf mich zu nehmen.“

Dannyl öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwidern, doch Asara schnitt ihm das Wort ab. „Ich habe Euch meine Ansichten zu dieser Angelegenheit mitgeteilt. Es besteht kein Grund, mich anderweitig überzeugen zu wollen.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und stiefelte hinaus.

„Oh“, machte Tayend, als sich die Türen hinter ihr geschlossen hatten. „Das habe ich nicht gewollt.“

Dannyl klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Mach dir nichts daraus, Tayend. Du hast alles richtig gemacht.“

„Aber ich habe sie wütend gemacht“, wandte der Gelehrte ein, während sie zum Ausgang schritten. „Du hattest mir von der Sache mit Arikhais Vater erzählt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie diesbezüglich noch Konsequenzen zu fürchten hat.“

„Weil Arikhai zivilisiert genug ist und darauf vertraut, dass sie ihr Wort hält und sich ihm ausliefert, wenn sie die Angelegenheiten ihres Volkes geregelt hat. Er gesteht ihr nach allem, was er über sie in Yukai erfahren hat, so viel Ehrgefühl zu. Zudem ist er selbst der Anführer eines mächtigen Volkes.“

„Ich finde Arikhai sollte seinen Groll begraben. Es war Krieg. Sollen sich alle gegenseitig zur Rechenschaft ziehen? Dann könntet ihr gleich Selbstmord begehen.“

„Die Sache mit Karamis Vater ist komplizierter“, widersprach Dannyl. „Strenggenommen war es Mord.“

„Die Duna haben sich diesem Krieg freiwillig angeschlossen, weil sie etwas von König Marika wollten. Damit müssen sie die Verantwortung für ihre Verluste selbst übernehmen.“

Dannyl hielt inne. „Was hast du da gesagt?“

„Dass die Duna selbst schuld sind, wenn sie ein Bündnis mit einem Aggressor eingehen“, wiederholte der Gelehrte achselzuckend. „Dass sie kein Recht haben, anderen die Schuld zu geben, wenn sie diese Entscheidung getroffen haben, ohne einen Konflikt mit der Gilde oder den Verrätern zur haben.“

Dannyl schlug sich vor die Stirn. All die Zeit war es um das Massaker von Arvice und Asaras beginnende Freundschaft mit Arikhai gegangen. Wie hatte er das übersehen können?

„Alles in Ordnung, Auslandsadministrator?“

„Ja.“ Dannyl fasste Tayend an den Schultern und drückte seine Lippen kurz auf die seines Gefährten. „Das ist brillant!“

Verlegen trat Tayend einen Schritt zurück und Dannyl erinnerte sich wieder daran, wo sie waren. Es war jedoch niemand in der Nähe und Dannyl atmete leise aus.

„Ich habe nur meine Ansichten gesagt“, sagte Tayend, nicht verstehend.

„Und damit hast du Asara vielleicht gerade das Leben gerettet.“ Dannyl schritt zu den Türen, die in den Hof führten. „Doch jetzt muss ich noch einmal weg.“

„Wo willst du hin?“, rief Tayend ihm nach.

Dannyl wandte sich um. „Zum Lager der Duna.“

***


Im nächsten Kapitel klärt sich endlich, was mit Asara geschieht, Sonea liest gleich zwei Kriegern die Leviten und Akkarin macht einen auf Meister … ;)


Fragen zum Kapitel

Habt ihr damit gerechnet, dass Tayend zum Fort kommt?

Was haltet ihr von den Verhandlungen mit Merin? Was von Soneas Ansprache?

Schärfere Gesetze zur Sklavenhaltung und die Verräter bekommen einen Berater im Palast gestellt? Was haltet ihr von dieser Entwicklung?

Was haltet ihr von Savedra Anhörung und dem vorläufigen Urteil?

Was glaubt ihr, ist Dannyl am Ende des Kapitels klargeworden und was führt er im Schilde?
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