Die Bürde der schwarzen Magier III - Das Heiligtum von Yukai
von Lady Sonea
Kurzbeschreibung
Anderthalb Jahre nach dem Massaker von Arvice ist Sonea noch immer gebrochen von ihrer Erfahrung mit Marika. Sachaka steht derweil gebeutelt von Kämpfen am Rande des Ruins. Als die Situation eskaliert und Kyralia erneut in Gefahr gerät, sind sich die Anführer der Kriegsparteien einig, dass nur noch Verhandlungen den Konflikt beenden können. Als Vermittler fordern sie den Mann, dessen Ruf sich bis über die Grenzen der Verbündeten Länder hinaus verbreitet hat: Auslandsadministrator Dannyl. Gegen den Willen des Hohen Lords entscheidet Sonea, Dannyl zum Ort der Verhandlungen, einem alten Tempel in der Wüste von Duna, zu eskortieren. Doch die Konferenz wirft ihre Schatten voraus und das nicht nur, weil Sonea sich wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sieht. Schon bald bemerken sie und Dannyl, dass jede Partei ihr eigenes Spiel spielt, und sie müssen die richtigen Verbündeten finden, um zu die drohende Katastrophe zu verhindern …
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Mix
Hoher Lord Akkarin
Lord Dannyl
Lord Dorrien
Lord Rothen
Regin
Sonea
02.08.2016
04.06.2019
56
813.938
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Dieses Kapitel
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29.05.2018
12.321
Hallo ihr Lieben,
das heutige Kapitel ist ein wenig kürzer, was unter anderem daran liegt, dass ich die Szenen eines gewissen ungeliebten Charakters rausgenommen und ins Bonuskapitel verschoben habe.
Die angekündigte Leseprobe zur im September startenden Fortsetzung („Das Erbe der schwrzen Magier I - Die Königsmörderin“) wird noch ein wenig auf sich warten lassen, da ich gerade den Umzug meines Blogs vorbereite (die DSGVO ist schuld). Länger als Ende Juni wird es jedoch nicht dauern, da danach der Camp-NaNoWriMo beginnt.
Ganz lieben Dank an Emmi und Lady Kadala für ihre Reviews zum letzten Kapitel <3
Sonea erwachte von einem kurzen Schmerz und etwas, das sich in ihr zu regen begann. Sie lag auf der Seite, ein Bein nach vorne gestreckt und sie spürte etwas über ihre Halsbeuge kratzen. Ein seliges Seufzen ausstoßend schloss sie die Augen und krallte sich in dem Kissen neben ihr fest.
Hinter ihr erklang ein leises Lachen und die Stöße wurden tiefer und fester, verloren jedoch nichts von ihrer Langsamkeit. Sonea konnte seine Präsenz in ihrem Geist spüren und das von ihr ausgehende dunkle Verlangen, das sich mit ihrem eigenen vereinte. Sie genoss diese Momente, in denen er sie spüren ließ, dass sie einzig und allein ihm gehörte und es ihr danach verlangte, sich ihm mit allem, was sie besaß, hinzugeben.
Seit sie wieder vereint waren, hatten sie es wiederholt getan. Obwohl einige Dinge noch immer ungeklärt zwischen ihnen standen, tat es gut, sich dem anderen auf diese ganz besondere Weise wieder nahe zu fühlen. Sonea wollte nicht einmal wissen, ob Akkarin mit ihr schlief, weil es ihm nach ihr verlangte und die Sache mit Marika nach der langen Trennung vorübergehend an Bedeutung verloren hatte. Wenn die erste Wiedersehensfreude vorüber war, würde noch genügend Zeit für unangenehme Diskussionen sein.
„Willst du, dass ich dir Erlösung verschaffe?“, murmelte er in ihr Ohr.
Sonea schnappte leise nach Luft, als sein Atem über ihre Halsbeuge strich und sein Mund die Haut unter ihrem Ohr berührte. Seit zwei Tagen hielt er sie damit hin. Und wenn sie nicht gerade wütend auf ihn war oder gegen Sachakaner kämpfte, quälte sie ihr ungestilltes Verlangen.
„Ja, Hoher Lord“, flüsterte sie. „Das will ich.“
„Wir werden sehen“, erwiderte er mit einer leisen Erheiterung, die Sonea fast um den Verstand brachte und sie wusste, sie würde alles tun, was er von ihr verlangte, damit sie Erlösung bekam.
Sie spürte, wie er in ihr anschwoll und seine Präsenz sich in ihr ausdehnte und sie mehr und mehr in Besitz nahm, bis sein Verlangen wie ein Sturm über sie hereinbrach. Eine Weile hielt er sie eng umschlungen, während seine Präsenz sich allmählich aus ihr zurückzog, und Sonea konnte spüren, wie sein Herzschlag ruhiger wurde. Schließlich küsste er die Tätowierung auf ihrem Schulterblatt und schob sie sanft von sich.
„Komm her“, sagte er und rollte sich auf den Rücken.
Sonea gehorchte, beseitigte die Spuren des Aktes von ihm, küsste hingebungsvoll seinen Oberkörper und kuschelte sich dann in seinen ausgestreckten Arm.
„Habt Ihr mir nicht noch etwas versprochen, Hoher Lord?“, fragte sie.
„Ich habe gesagt: Wir werden sehen“, erinnerte er sie. „Ich bin jedoch zu dem Schluss gekommen, dass du es dir noch nicht verdient hast.“
„Warum?“, verlangte sie zu wissen.
„Weil ich entschieden habe, dir letzte Nacht noch nicht genug meinen Unwillen über deine Geheimnistuerei gezeigt zu haben.“
Er nutzte ihren Ungehorsam für ihr Spiel. Auf eine ungeahnte Weise war das reizvoll. Sonea hatte einen Fehler gemacht, aber sie fand weiterhin, dass die Situation genau das erfordert hatte. Sie verstand seine Verärgerung und konnte sie ihm nicht übelnehmen. Und sie konnte sich denkbar unschönere Wege ausmalen, mit dieser umzugehen, als sie in das Spiel, das keines war, einzubringen. Im Bett hatte er jede Freiheit, ihr seinen Unwillen zu zeigen.
„Was muss ich tun, um es mir zu verdienen?“
„In den nächsten Wochen gehorsamer sein. Und keine Geheimnisse mehr vor mir haben.“
„In den nächsten Wochen?“, entfuhr es ihr.
„Du warst lange fort und du hattest Phantasien, die dir nicht zustehen. Es wird eine Weile brauchen, dir das wieder auszutreiben“, sagte er ungerührt. „Und je mehr du gegen mich rebellierst, desto länger wird es dauern.“
Sonea verkniff sich ihren Protest. Sie wusste, er würde sein Wort halten. Und sie würde darauf eingehen, weil sie es zu sehr genoss, wenn er so war. Zudem fand sie selbst, dass sie es wegen ihrer unanständigen Gedanken zu Marika nicht anders verdient hatte, auch wenn sie beide wussten, dass sie nichts dafür konnte. Denn letztendlich diente das nur dazu, sich wieder auf Akkarin zu zentrieren – etwas, wonach es ihr nach dieser Reise mehr denn je verlangte.
„Ich verspreche, gehorsamer zu sein“, sagte sie leise.
„Gut.“ Akkarins Finger strichen sachte über ihren Arm. „Und da es dir so sehr nach Erlösung verlangt, sollst du diese bekommen.“
„Aber …“, begann sie und hielt dann inne.
Akkarin löste sich von ihr und stand auf. Vor dem Tisch blieb er stehen und wandte sich ihr zu, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Mach es dir bequem. Du weißt, wie es geht.“
Sonea erschauderte unter seinem Blick. So wie er stand, konnte er alles sehen. Und sie wusste, er würde sie keinen Augenblick aus den Augen lassen.
Eine halbe Stunde später hatte Sonea trotz eines ausgiebigen Bades noch immer das Gefühl, die Unanständigkeit würde an ihrem Körper kleben. Während sie ihr Haar mit Magie trocknete und es zu einer traditionellen kyralischen Frisur verflocht, musste sie allenthalben daran denken, was Akkarin ihr gerade befohlen hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, doch bei den früheren Gelegenheiten hatte sie nicht anschließend ihren Feinden gegenübertreten müssen.
„So kann ich Ishaka nicht unter die Augen treten“, sagte sie zu Akkarins Spiegelbild, das sich wie ein dunkler Schatten gegen das Fenstersims gelehnt hatte und ihr beim Frisieren zusah. Wie immer war er bereits fertig. „Er wird wissen, was wir gerade getan haben.“
„Und du glaubst ernsthaft, dass er sich nicht denken kann, dass wir das schon die ganze Zeit tun?“, fragte er mit leiser Erheiterung.
„Natürlich wird er das.“ Sonea verdrehte die Augen. „Aber es ist etwas anderes, wenn es gerade passiert ist. Seine Oberflächengedanken …“
„Es besteht kein Grund für dich, seine Oberflächengedanken weiterhin zu lesen, Sonea“, sagte Akkarin ruhig. „Du warst dem lange genug ausgesetzt. Jetzt werde ich das übernehmen.“
„Und stattdessen seine schmutzigen Phantasien selbst erfahren? Und was soll ich dann bei den Gesprächen tun? Du und Dannyl werdet alles klären und ich bin dann überflüssig?“
„Sei einfach da. Sag etwas, wenn du etwas zu sagen hast, so wie du es in Yukai auch getan hast. Oder haben sämtliche Teilnehmer der anderen Gruppen viel gesprochen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es waren nie mehr als zwei, die für ihre Partei gesprochen haben.“ Sie steckte die letzte Flechte fest und wandte sich um. „Wenn du es so ausdrückst, kann ich mir gar nicht überflüssig vorkommen.“
Akkarin löste sich vom Fenster und durchmaß den Raum in wenigen Schritten. „Selbst wenn du gar nichts zu sagen hättest, wärst du nicht überflüssig“, sagte er und nahm ihre Hände zwischen seine. „Weil du es für mich nicht bist.“
„Wenn ich einfach nur still neben dir sitze und nichts tue, werden sie erst recht reden.“
„Ist es denn wirklich so unerträglich, dass sie ihre Meinung über dich haben, Sonea?“
„Nun, in Yukai war es das. Aber vielleicht ist es mit dir anders.“ Sonea musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Sie wusste, sie brauchte sich nicht in seinem Schatten zu verstecken. Aber vielleicht würde es nun besser sein, weil es sich mit Akkarin richtig anfühlte. „Zumindest will ich der Sache eine Chance geben.“
„Und wenn das nicht hilft, versuch die politischen Vorteile zu sehen.“
Sie hob eine Augenbraue.
„Die Sachakaner werden in mir einen würdigen Diskussionspartner sehen und eher dazu geneigt sein, auf die Lösung einzugehen, auf die Dannyl hingearbeitet hat.“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. Es war absolut verdreht. Aber es waren Sachakaner. Wenn es half, dass sie Akkarin mehr respektierten, dann konnte es nicht falsch sein. „Also so habe ich das noch gar nicht gesehen!“
Akkarins Mundwinkel zuckten. „Man muss mit den Waffen kämpfen, die man zur Verfügung hat“, sagte er.
„Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du nach Yukai gegangen wärst“, bemerkte sie.
„Möglich. Doch ich bezweifle, dass es die Eskalation verhindert hätte, weil ich den Anschlag nicht hätte verhindern können.“
Wahrscheinlich, dachte Sonea. Und was sie selbst betraf, so war sie froh, dass er nicht mitgekommen war.
„Also, Sonea. Bist du bereit, diese Schlacht mit mir zu bestreiten?“
Tief bewegt sah Sonea zu ihm auf. Sie wusste, er würde nichts tun, um sie bloßzustellen, wenn er den Sachakanern gab, was sie sehen wollten. Das war auch gar nicht nötig. Für sie zählte nur, das gemeinsam zu tun.
„Ja, Hoher Lord“, sagte sie. „Das bin ich.“
Von den Fenstern des großen Besprechungsraumes bot sich ein großartiger Blick über die zerklüfteten Berge auf der sachakanischen Seite des Stahlgurtgebirges. Seinen Becher mit dampfendem Sumi in beiden Händen haltend bewunderte Dannyl die scharfumrandeten Schatten, die das Sonnenlicht auf dieses Panorama warf. Die Aussicht erinnerte ihn daran, wie die Gilde zwei Jahre zuvor hier ihren Posten bezogen hatte. Damals war Frühling gewesen und die Berge oft tagelang in Wolken gehüllt. Jetzt im Hochsommer brannte die Sonne von einem strahlendblauen Himmel und das mit einer Intensität, die jener in den Ödländern und der Wüste von Duna Konkurrenz machte. Nur, dass ihre Strahlen dabei so hoch oben nur wenig wärmten.
Als die Tür aufging, wandte er sich um. Asara stiefelte in Begleitung von Estara, Varala, Ishaka und Takiro in den Raum. Ihre Kleider waren gewaschen, ihr Haar glänzte wieder und hing in einem langen, schweren Zopf ihren Rücken hinab. Nach Yukai war es ungewohnt, sie in Gegenwart der Imperialisten nicht verhüllt zu sehen. Aber da ihre Tarnung aufgeflogen war, hatte dies seinen Sinn verloren. Die beiden Ashaki hatten ihre persönlichen Sklaven mitgebracht, als wollten sie damit demonstrieren, dass sie sich nicht auf ein Ende der Sklaverei einlassen würden.
„Guten Morgen“, grüßte Dannyl. Er wies zum Tisch. „Setzt Euch. Der Hohe Lord und seine Frau werden bald hier sein. Was ist mit Arikhai und seinen Beratern?“
„Werden wahrscheinlich bald eintreffen“, antwortete Takiro. „Sie haben den weitesten Weg.“
Die Duna hatten sich geweigert, im Fort Quartier zu beziehen, obwohl die Gilde ihnen Zimmer für die Kriegsherren und ihre Berater angeboten hatte. Das Wüstenvolk war es nicht gewohnt, in Gebäuden zu schlafen. Ihre Abneigung gegen ein so mächtiges Bauwerk wie das Fort übertraf sogar die gegen die Anwesen, die Kachiro ihnen in Sachaka zur Verfügung gestellt hatte. Dannyl konnte ihr Unbehagen verstehen. Auf sie musste das Fort wirken, als wären sie inmitten eines Berges eingeschlossen.
Die Sachakaner setzten sich an den Tisch. Zu Dannyls Erheiterung hielten sie dabei möglichst großen Abstand zueinander. Nachdem Asara so gut mit Ishaka zusammengearbeitet hat, müssten sie einander doch mehr mögen, dachte er. Doch jahrelanges Misstrauen ließ sich nicht über Nacht abbauen. Ashaki und Verräter würden einander weiterhin beweisen müssen, bevor aus der gegenwärtigen Akzeptanz Vertrauen wurde.
Diener kamen mit Erfrischungen, kleinen herzhaften Brötchen, Kegelkuchen und Früchten. Wenig später öffnete sich die Tür erneut und Akkarin schritt in den Raum, eine Hand zwischen Soneas Schulterblätter gelegt. Dannyl erhob sich von seinem Stuhl und die beiden Sachakanerinnen taten es ihm nach. Sein Auftritt schien sogar bei den Ashaki Eindruck zu hinterlassen, denn sie unterbrachen ihr leises Gespräch und starrten ihn an, bevor auch sie sich erhoben.
„Guten Morgen“, grüßte Akkarin kühl und ließ sich am Kopfende des Tisches nieder. Sonea setzte sich auf den Stuhl rechts von ihm, die Hände im Schoß gefaltet.
„Guten Morgen, Hoher Lord und Lady Sonea“, erwiderten Dannyl und die anderen.
Dannyl bemerkte, wie Ishaka das Paar mit Interesse beäugte. Als der Blick des Ashaki dem Soneas begegnete, zuckte sie kaum merklich zusammen, doch als Akkarin den Mann mit einem kühlen Blick bedachte, entspannte sie sich wieder. Ishaka schenkte ihr ein wissendes Lächeln und wandte sich dann wieder Takiro zu.
Ich kann nicht glauben, dass wir uns mit ihm verbündet haben, fuhr es Dannyl durch den Kopf. Er ist so schmierig.
Was das auch immer gerade gewesen war, es war dazu gedacht, auf Soneas Kosten zu gehen. Sonea schien das jedoch gelassen zu nehmen. Wo sie in Yukai verletzlich gewirkt hatte, wirkte sie nun stolz und selbstbewusst. Dannyl hätte jedoch nicht sagen können, ob das dadurch kam, dass sie sich an Akkarins Seite stärker fühlte, oder ob sie in den vergangenen Wochen an sich gewachsen war.
Wenig später erschien Lenyaka. Arikhai traf mit seiner ersten Frau, Tarrekh und Mirakhi zuletzt ein. Der Kriegsherr würde stellvertretend für alle Duna sprechen, die an seinem Feldzug teilgenommen hatten. Die Anführer der anderen Stämme waren derweil in der Schlucht mit einigen Ashaki und Gildenmagiern beschäftigt, die Aufräumarbeiten zu organisieren und zu überwachen.
„Nun“, sagte Dannyl, als alle Platz genommen hatten, „beginnen wir. Nach den jüngsten Ereignissen rechne ich damit, dass wir dieses Mal rasch zu einer Einigung gelangen.“ Er sah zu Asara. „Ist die Große Mutter informiert?“
„Sie ist unterwegs und wird in wenigen Tagen hier eintreffen“, antwortete Asara.
„Kennt sie den wahren Grund für diese Zusammenkunft?“
„Nein.“
„Gut.“ Dannyl lächelte und sah dann zum Anführer der Gilde. „Und der König?“
„Ist ebenfalls unterwegs“, erklang Akkarins kühle Stimme. „Ich werde seine Wünsche bis dahin vertreten.“
Dann war es umso besser, wenn sie bis dahin zu einer Einigung gekommen waren. Aber Dannyl war überzeugt, das würden sie. Es gab nicht mehr viel, was zwischen ihnen stand.
Er öffnete eine Mappe. „Wir haben folgende Punkte zu klären: Das Einlösen des Versprechens, die Duna beim Erlangen der Herrschaft über die Aschenwüste zu unterstützen. Die Klärung der Schuldfrage bezüglich des Tötens ihres früheren Anführers Karami und seiner Sandreiter bei dem Vorfall, der als das Massaker von Arvice bekannt ist. Die Zukunft der Rebellen. Die Zukunft der Ödländer und Sachakas im Allgemeinen. Die Zukunft des Verhältnisses zwischen Gilde und Verrätern. Die Klärung noch offener Reparationen für die Entweihung des Tempels von Yukai. Und die Lösung des Konflikts zwischen Kyralia, Sachaka und den Verrätern und sämtliche damit verbundenen Reparationen.“
Er warf einen Blick in die Runde. Akkarin nickte ihm kaum merklich zu, woraufhin Dannyl zurück auf seine Notizen sah. „Ich schlage vor, wir beginnen mit der Partei, deren Involvierung in diesen Konflikt am geringsten ist – den Duna.“
Niemand erhob Protest, Dannyl glaubte jedoch, Anerkennung in Akkarins dunklen Augen zu sehen. „Nach den Gesprächen, die ich mit den verschiedenen Parteien geführt habe, und den Ergebnissen des gestrigen Gesprächs von Kriegsherr Arikhai und dem Hohen Lord Akkarin, bietet sich folgende Lösung an. Die Verräter, sofern sie damit einverstanden sind, unterstützen Arikhai und seinen Stamm dabei, die Aschenwüste unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ob in Form von Magiern oder Magie in Speicherkristallen steht dabei noch offen. Im Gegenzug hilft Arikhais Stamm, andere Stämme der Duna aus dem besiedelten Gebiet nahe der Aschenwüste fernzuhalten. Asara hat zudem angeboten, drei ihrer Schwestern dauerhaft bei den Duna leben zu lassen als Ausgleich für ihre Beteiligung am Massaker von Arvice. Diese müssten dies jedoch freiwillig tun wollen, was bedeutet, dass die endgültige Klärung dieses Punktes warten muss, bis die Verräter sich neu organisiert haben.“
Asara räusperte sich leise und richtete sich auf. Sofort wandten sich alle ihr zu.
„Das ist so nicht ganz richtig.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug. „Ich biete mich freiwillig an, bei den Duna zu leben. Nachdem ich Kriegsherr Karami getötet habe, ist das nur gerecht. Zudem übernehme ich die Verantwortung für die Morde einer ehemaligen Schwester, die an dem Massaker von Arvice beteiligt war.“ Mit entschlossener Miene sah sie zu Arikhai. „Sobald die Krise bei meinem Volk geregelt ist, werde ich mich Euch ausliefern.“
Augenblicklich kehrte Stille ein. Alle, einschließlich Dannyl, betrachteten die Verräterin ungläubig. Einzig Akkarin wirkte nicht überrascht.
„Interessant“, murmelte Mirakhi. „Von den drei Magiern, die für das Massaker von Arvice verantwortlich sind, übernehmen die beiden Überlebenden die Verantwortung für die Taten der dritten Beteiligten.“
„Savara war eine Verräterin, die jedoch von ihrem Volk ausgestoßen wurde und von da an für Akkarin gearbeitet hat“, erklärte Dannyl. „Sie war mit der Suche nach Lady Sonea beauftragt und hatte gehofft, auf diese Weise wieder von ihren Leuten aufgenommen zu werden.“
Arikhai hatte derweil keine Miene verzogen. „Ich nehme Euer Angebot an und wünsche, dass Ihr und der Hohe Lord die Verantwortung für die Taten dieser Savara unter Euch aufteilt. Doch ich lasse mein Volk darüber entscheiden, ob Ihr bei uns leben dürft oder hingerichtet werdet.“
Asara schluckte. „Ich verstehe.“
Varala beugte sich zu ihr. „Asara, Liebes. Das kannst du nicht machen“, hörte Dannyl sie flüstern. „Unsere besten Leute sind entweder tot oder unterstützten Savedra. Wir brauchen dich jetzt mehr denn je.“
„Deswegen sagte ich auch: sobald wir unsere Angelegenheiten geregelt haben.“
„Ich denke, das ist eine Entscheidung, die die neue Große Mutter treffen sollte.“
„Varala, versuch nicht, mir meine Entscheidung auszureden. Ich habe einen Fehler gemacht und muss mich dem nun stellen.“
„Es war kein Fehler, sondern eine Notwendigkeit“, gab Varala zurück.
„Wenn ich dafür eine unserer Schwestern daran hindern kann, ihr Leben als Verräterin aufzugeben, soll mir das nur recht sein.“ Asara warf Dannyl einen hilfesuchenden Blick zu. „Fahrt fort, Auslandsadministrator. Das Thema ist für mich geklärt.“
Obwohl Dannyl nicht begeistert war, nickte er. Er würde später noch die Gelegenheit haben, bei Arikhai ein gutes Wort für Asara einzulegen und versuchen ihn davon abzubringen, sein Volk über das Leben der Frau, die ihm schon so oft das Leben gerettet hatte, entscheiden zu lassen.
Er nickte Akkarin zu. „Hoher Lord, Ihr habt das Wort.“
„Danke, Auslandsadministrator“, erwiderte der schwarzer Magier. „Kriegsherr Arikhai und ich sind bei unserem gestrigen Gespräch zu der Übereinkunft gekommen, dass die Gilde sich nicht an der Unterwerfung der Aschenwüste beteiligen wird, weil dies nur einen weiteren Konflikt heraufbeschwören würde und uns vom Verteidiger zum Aggressor macht. Als Reparationsleistung für die Morde an Kriegsherr Karami und seiner Delegation werden wir den Duna Speichersteine zur Verfügung stellen, die mit der Magie unserer Magier gefüllt sind. Jeder Speicherstein soll einem von mir oder Savara getöteten Duna entsprechen. Die Magie symbolisiert dabei die Magie, die wir ihnen damals genommen haben. Da ich und Savara uns vor jenem Überfall an der Gilde gestärkt haben, ist es nur fair, wenn die Magie in jenen Speichersteinen auch von der gesamten Gilde gegeben wird.“
„Die Speichersteine werden in Imardin geladen und dann von einem Kurier nach Duna überbracht“, fügte Dannyl hinzu. Es war bemerkenswert, dass ein so kriegerisches Volk nur jene Speichersteine wollten, die zum Aufbewahren von Magie gedacht waren. Mirakhi hatte ihm bei dem Gespräch am vergangenen Abend erklärt, dass verunreinigte Steine in seinem Volk nicht als heilig galten.
„Wären sie denn nicht noch mächtiger als die reinen Speichersteine?“, hatte Dannyl gefragt. „Sowie das Blut der Erde für Euer Volk mächtiger als die Sonne ist?“
„Die Kristalle, die in der Erde der Aschenwüste geboren werden, sind rein“, hatte der Gelehrte ihm erklärt. „Sind sie es nicht, so sind sie es auf eine Weise, die keine Magie halten kann. Die Kristalle, die Eure Gilde geschaffen hat, sind dagegen auf gewollte Weise verunreinigt worden.“
„Was ist mit dem Versprechen, das Sachaka den Duna gegeben hat?“, fragte Takiro. „Die Duna zu unterstützen war der Preis für unser Bündnis und nach allem, was in den vergangenen beiden Jahren geschehen ist, stehen wir noch tiefer in ihrer Schuld.“
„Ihr werdet dieses Versprechen einlösen“, antwortete Dannyl. „Doch für den Augenblick sollte Euer eigenes Land im Vordergrund stehen. Solltet Ihr zu dem Schluss kommen, noch genügend Ressourcen zur Verfügung zu haben, steht es Euch frei, Euch an dieser Aktion zu beteiligen.“
„Er hat recht, Takiro“, hörte er Ishaka sagen. „Die Probleme unseres eigenen Landes haben Vorrang. Wenn in Sachaka wieder Frieden herrscht und genügend Magier gewillt sind, zu helfen, werden wir unsere Verbündeten unterstützen.“
„In Bezug auf die Zerstörung des Tempels von Yukai sei abschließend noch zu erwähnen, dass die Duna von weiteren Vergeltungsmaßnahmen absehen“, fuhr Dannyl fort. „Wir sind übereingekommen, dass die hier anwesenden Gildenmagier, Duna, Verräter und Ashaki einer Intrige zum Opfer gefallen sind und die eigentlichen Verantwortlichen bis auf eine kleine Gruppe von Rebellen bei der gestrigen Schlacht gestorben sind und ihre Schuld damit getilgt wurde.“
„Und die Rebellen?“, fragte Tarrekh.
„Dazu komme ich nun“, sagte Dannyl. Er räusperte sich. „Von den vier Rebellen, die Yukai überlebt haben, sind noch Lenyaka, Tylava und Beccari übrig. Mir wurde zudem gesagt, dass einige Ichani von Mirikos Gruppe, die nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, sich an einen unbekannten Ort in den Ödländern zurückgezogen haben – ist das richtig?“
„Das sind nur Gerüchte, aber es ist möglich“, antwortete Estara. „Als meine Schwestern und ich in den fruchtbaren Regionen waren, habe ich erfahren, dass mehrere Ichani während der Konferenz Gocharas Anwesen besetzt gehalten haben. Sie konnten jedoch fliehen, bevor wir und die Armeen der Ashaki in diese Region kamen.“
„Von wie vielen Ichani sprechen wir?“
Die Verräterin hob die Schultern. „Eine Handvoll vielleicht.“
Dannyl nickte. „Also eine Handvoll Ichani und eine Handvoll Rebellen.“ Er sah zu Asara und Ishaka. „Die Entscheidung obliegt Euch.“
„Ich spreche mich dafür aus, dass die Angelegenheit mit den Rebellen von meinem Volk allein geregelt wird, sobald wir uns neuorganisiert haben“, sprach Asara. „Wir hätten uns dieses Problems schon viel eher annehmen sollen. Doch jetzt, wo Savedras Herrschaft kurz vor dem Ende steht, ist es Zeit, auch bei uns die Enrasa-Karten neu zu verteilen.“
Ishaka tauschte einen kurzen Blick mit Takiro und Hakaro. „Ich erkläre die Ichani um Miriko zur Angelegenheit Sachakas. Wir werden sie angemessen bestrafen oder ihnen Land in den Ödländern geben, sollten sie Anzeichen der Besserung zeigen. Sollten die Rebellen ihre Bestrafung überleben, so können sie wie in Yukai vereinbart, für uns als Söldner arbeiten. Allerdings verlangen wir die Auslieferung Takedos.“
„Ihr bekommt Ashaki Takedo, wenn Ihr davon abseht, Lady Sonea für den Mord an König Marika zur Rechenschaft zu ziehen“, erklärte Asara kühl. „Andernfalls wird Takedo sterben.“
Jetzt, wo Takedos Rolle in Savedras Spiel ans Licht gekommen war, hatten die Verräter keinen Grund mehr, ihn für sich zu beanspruchen. Die Ashaki wollte ihn noch immer für seine Taten bestrafen, wodurch Asara ein hervorragendes Druckmittel hatte, um ihren Willen durchzusetzen. Dannyl wusste, sie würde ihre Drohung wenn nötig wahr machen. Takedo war für den Tod mehrerer ihrer Schwestern verantwortlich. Das konnte nicht ungesühnt bleiben.
„Wir sehen davon ab, weil Gegenteiliges für einen Frieden zwischen unseren Völkern nicht förderlich wäre“, sprach Ishaka. Seine Augen musterten erst Akkarin, dann die kleine schwarze Magierin. „Das bedeutet jedoch nicht, dass ihre Schuld damit aufgehoben ist.“
„Damit kann ich leben, Ashaki Ishaka“, erwiderte Sonea. „Zugunsten meiner Freiheit nehme ich dies gerne in Kauf.“
„Freiheit ist ein sehr subjektives Empfinden. Ich bezweifle, dass Ihr jemals wirklich frei sein werdet, Lady.“
„Jeder ist so frei, wie er es gerne sein will. Seid Ihr denn frei, Ashaki Ishaka?“ Sie warf Dannyl einen flehenden Blick zu.
Dannyl schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und zwinkerte ihr zu. Sonea erwiderte sein Lächeln und sah dann zu Akkarin, als dieser kurz über ihren Nacken strich, und Dannyl begriff, dass die beiden dabei waren, ihr eigenes, subtiles Spiel gegen die Ashaki zu spielen.
Er rieb sich die Hände. Möge die Schlacht beginnen.
„Da die Duna zufriedengestellt und die beiden Ichani-Gruppen außerhalb dieser Runde behandelt werden, kommen wir nun zur eigentlichen Streitfrage: Wie kann der Konflikt zwischen Sachaka, der Gilde und den Verrätern beigelegt werden?“
Augenblicklich spannten sich alle an. Außer den Duna. Akkarin wirkte weiterhin kühl und gelassen und nichts von seiner Miene gab seine Gedanken preis.
„Ich denke“, sprach Takiro in die plötzliche Stille, „dass eine Begrünung der Ödländer als erster Schritt einer Wiedergutmachung durch die früheren Taten der Gilde ein guter Anfang wäre. Viele Sachakaner würden es begrüßen, wenn das verwüstete und verdorrte Land wieder fruchtbar wird, weil es die Probleme im eigenen Land lösen würde. Nicht wenige sind sogar bereit, dies als Alternative zur Eroberung Kyralias zu akzeptieren.“
Auf einmal?, dachte Dannyl. Er fragte sich, ob dies vor zweieinhalb Jahren ähnlich gewesen wäre, hätten die Ashaki von dieser Option gewusst. Es war vor allem Marika gewesen, der diesen Krieg gewollt hatte, und er hatte mit der Aussicht auf Vergeltung dafür, dass die Gilde Sachaka in den Ruin getrieben und über Jahrhunderte hinweg verhöhnt hatte, geworben. Doch die Gilde war nicht mehr länger schwach, Marika war tot, und der Krieg hatte Sachaka sehr viel mehr gekostet, als die Ashaki sich hatten träumen lassen.
Und die meisten von Kachiros Anhängern waren tot. Diejenigen, die sich Ishaka und dem Palastmeister angeschlossen hatten, waren ganz offenkundig kompromissbereiter.
„Die Gilde ist einverstanden, die Ödländer wieder bewohnbar zu machen und die wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Beziehungen nach Sachaka zu stärken“, sprach Akkarin. „Des weiteren ist sie bereit, Heiler zu entsenden. Auf diese Weise wäre eine friedliche Koexistenz denkbar, sofern Sachaka den Verrätern zusätzlich ein Mitspracherecht in der Politik erlaubt und weitere ihrer Bedingungen zulässt.“
„Was ist mit einer Aufnahme in die Allianz in einigen Jahren, Hoher Lord?“, fragte Takiro. „War das nicht einmal Gespräch?“
„Das war es. Doch die Herrscher der Verbündeten Länder haben ihr Angebot nach dem Vorfall in Yukai zurückgezogen. Für den Augenblick kann ich Euch nur eine Annäherung zu den Ländern der Allianz anbieten, von der Sachaka jedoch profitieren wird.“
„Damit würde das Wissen Eurer Gilde für uns in noch weitere Ferne rücken“, bemerkte der Ashaki.
„Das Teilen von Wissen beruht auf Vertrauen“, antwortete Akkarin. „Ich bin sicher, dieses Prinzip ist Euch geläufig. Wir mögen einen gemeinsamen Feind besiegt haben, doch in der Vergangenheit ist zu viel vorgefallen, als dass wir Euch unser Vertrauen blindlings schenken würden. Oder wollt Ihr behaupten, Ihr würdet uns vertrauen?“
Takiro machte ein unglückliches Gesicht und schwieg.
„Hoher Lord, Ihr sagtet, Euer König würde in wenigen Tagen hier eintreffen“, sagte Ishaka, während seine Finger betont lässig über seinen Rakabecher strichen, so wie er es in Yukai oft mit Saris Nacken getan hatte. „Wenn dem so ist, dann wünschen wir, dieses Thema mit ihm persönlich zu diskutieren.“
„Tut Euch keinen Zwang an, Ashaki Ishaka“, erwiderte Akkarin. „Ich bin sicher, König Merin wird höchst erfreut sein, den momentan neben dem Palastmeister vermutlich wichtigsten Mann Sachakas kennenzulernen.“
Ein Lächeln, das Dannyl an das Zähnefletschen eines Raubtieres erinnerte, huschte über das Gesicht des Ashaki. Diese beiden Männer würden einander niemals mögen. Und er ahnte auch, warum: Sie waren einander zu ähnlich.
„Stimmt Sachaka denn einer Begrünung der Ödländer nun endgültig zu, oder wünscht Ihr auch das mit unserem König zu besprechen, Ashaki Ishaka?“, fragte Dannyl.
„Die Begrünung der Ödländer soll in jedem Fall stattfinden, Auslandsadministrator“, antwortete Ishaka. „Davon kann unser Land nur profitieren. Allerdings behalten wir uns vor, einen entlegenen Teil als Ödland zu behalten, um dort in Ungnade gefallene Ashaki zu verbannen, von denen es in der nächsten Zeit mit Sicherheit nicht weniger geben wird.“
„Wie viel der Fläche von der Gilde wieder fruchtbar gemacht werden soll, liegt in Eurem eigenen Ermessen“, stellte Dannyl klar. „Unsere Alchemisten werden sich zu gegebener Zeit mit Euch treffen und die Details besprechen.“
„So schnell?“, fragte Hakaro überrascht.
„Unsere Alchemisten haben begonnen, die verschiedenen Möglichkeiten zu diskutieren, als das Thema erstmals in Yukai aufkam“, erwiderte Dannyl. „Nur so konnte ich Euch über die genaue Vorgehensweise informieren.“
„Und was verlangt die Gilde dafür, dass wir sie angegriffen haben?“, wollte Takiro wissen. „Es kann doch nicht sein, dass Ihr gar keine Forderungen stellt?“
„Nur, dass Ihr die Angriffe einstellt und jeden Anspruch auf Kyralia und seine Bewohner zurücknehmt“, sprach Akkarin.
Unter seiner tiefen Stimme verstummte Takiro rasch. Und zum ersten Mal begriff Dannyl, wie sehr der Hohe Lord auch bei den Sachakanern gefürchtet war.
„Die Gilde zieht es vor, zukünftige Feindseligkeiten zwischen unseren Völkern zu vermeiden, indem sie Sachaka zu größerem Wohlstand verhilft“, sagte Dannyl. „Wir übernehmen damit die Verantwortung für die Taten der frühen Gilde. Hätten wir Sachaka nach dem letzten Krieg nicht zerstört und sich selbst überlassen, so wäre der Hass seiner Bewohner nicht über Generationen geschürt worden und dieser Krieg hätte vielleicht verhindert werden können.“
Akkarins Blick begegnete seinem und der Hohe Lord nickte kaum merklich.
Ishaka und Takiro diskutierten auf schnellem Sachakanisch. „Eure Worte zeugen von Größe“, sprach er schließlich. „Sachaka akzeptiert Euer Angebot der Wiedergutmachung. Was die Möglichkeit einer Allianz betrifft, so wünsche ich weiterhin die Bedingungen mit dem Hohen Lord und dem König von Kyralia zu diskutieren.“
Das wird dann der wirklich anstrengende Teil, dachte Dannyl. Es gab Dinge, die die Sachakaner wollten, die sie von der Gilde jedoch nur unter bestimmten Bedingungen erhalten würden. Kein Sachakaner würde auf seine Sklaven verzichten wollen. Auch nicht nach dem Tod Kachiros und seiner Anhänger. „Ich werde bei diesem Gespräch vermitteln“, erklärte er.
Zuletzt wurde die Zukunft von Verrätern und Ashaki diskutiert. Wo beide nach Yukai eine bemerkenswerte Einigkeit gezeigt hatten, waren sie nun so zerstritten wie eh und je.
„Die Verräter wünschen neben dem Mitspracherecht bei allen politischen Entscheidungen, das Recht, von den Besitztümern eines verstorbenen Ashaki, der keinen Erben hinterlässt, die Sklaven und Familienmitglieder mitzunehmen, die sich den Verrätern anzuschließen wünschen“, erklärte Asara. „Oder, sollten sie nicht rechtzeitig davon erfahren, sich jener anzunehmen, die der neue Besitzer nicht behalten will und die stattdessen verkauft oder getötet würden.“
Zum ersten Mal wurde Dannyl bewusst, wie natürlich die Verräterin, die zu einer Freundin geworden war, die Führung übernahm. In Yukai hatte sie hin und wieder die Verhandlungen für Zalava geführt, doch nun sprach sie für all jene, die sie seitdem vereint hatte. Sie würde eine hervorragende Große Mutter abgeben, hätte sie sich nicht entschlossen, sich Arikhai auszuliefern, dachte Dannyl ein schmerzhaftes Bedauern verspürend.
„Ihr verlangt viel dafür, dass Ihr in der Vergangenheit so viel Schaden angerichtet habt“, bemerkte Ishaka.
„Wir verlangen, was richtig ist und Sachaka zu einem besseren Ort macht“, gab Asara zurück. „Bei der Übernahme eines Anwesens werden oft jene Sklaven getötet, die der neue Besitzer nicht mehr gebrauchen kann, oder er verkauft sie an andere Ashaki. Oft hat er mehr Sklaven, als er benötigt, um zwei Anwesen gleichzeitig zu unterhalten. Sie hätten ein besseres Leben bei uns.“
„Was spricht dagegen, diesen Menschen die Freiheit zu schenken?“, kam Sonea ihr zur Hilfe. „Ich verstehe, dass die Ashaki und der König das Bestimmungsrecht über die Sklaven wollen. Ihnen das abzusprechen, wäre zu viel verlangt. Aber was, wenn ein Gesetz erlassen wird, dass die Sklaven, die ein Ashaki nicht gebrauchen kann, die Freiheit erlangen? Dann hätten diese Menschen, die Möglichkeit, ein Leben als Bauern oder Handwerker zu führen oder sich den Verrätern anzuschließen, wenn sie das wünschen. Niemand würde davon einen Nachteil haben. Besonders nicht, wenn Verräter und Ashaki von nun an zusammenarbeiten.“
Während sie gesprochen hatte, hatte Ishaka sie mit einer Mischung aus Neugier und Anerkennung gemustert. „Wir werden über diese Frage beraten“, sprach er. „Eure Argumente sind nicht von der Hand zu weisen und es wäre nicht das erste Mal, dass Ihr einen guten Vorschlag macht, die Politik Sachakas zu verbessern. Allerdings sorgt das sachakanische Blut in unseren Adern dafür, dass wir dazu neigen, alles zu kontrollieren. Gewiss habt Ihr das nicht vergessen.“
Sonea und Akkarin tauschten einen Blick. „Nein“, sagte sie hart. „Das habe ich nicht.“
Das Krächzen der Parrook im Garten und etwas Heißes auf ihrem Arm und ihrer Wange weckten Mivara. Sie schlug die Augen auf. Die durch die Bettvorhänge fallenden Sonnenstrahlen sagten ihr, dass es früher Nachmittag war.
Neben ihr erklang ein leises Schnarchen. Tarko lag auf dem Rücken, im Schlaf war ihm das Laken bis auf die Lenden herabgerutscht. Als Mivara sich auf die Seite drehte, spürte sie einen Widerstand an ihrem Hals und ihre Hand fuhr zu dem breiten Metallband, das ihren Hals umschloss – das Halsband, das Tarko jenen Sklavinnen anlegte, die sich als rebellisch und ungehorsam erwiesen.
Die vergangene Nacht war lang und heftig ausgefallen. Nachdem Tarko entschieden hatte, sie zu behalten, hatte er Mivara das Halsband angelegt und sie an einer Kette in den Raum des Meisters geführt. Mivara hatte ihn beim Abendmahl bedient. Hin und wieder hatte er sie gefüttert und sie hatte seine Hand liebkost und an seinen Finger gesaugt, was seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Anschließend hatte Tarko seine Cachira in ihre Gemächer geschickt und sich mit Mivara allein vergnügt. Der Rest des Abends war wie in einem einzigen Rausch der Lust vergangen.
Was andere Sklavinnen möglicherweise als Strafe empfunden hätten, war für Mivara ein zutiefst befriedigendes Erlebnis gewesen. Man konnte einen Menschen nicht mit etwas bestrafen, was diesem gefiel. Tarko konnte sie so viel züchtigen wie er wollte – es würde für Mivara immer nur ein Lustgewinn sein, weil es für ihn ein Lustgewinn war. Selbst, wenn sie nichts für ihn übrig gemacht hätte, wäre es keine Bestrafung gewesen, weil ihr der Sex mit ihm gefiel und weil Tarko Grenzen setzte, die Rovako nicht interessiert hatten. Es war ein Spiel und das wussten sie beide.
Und es war falsch.
Ich sollte gehen, dachte Mivara. Gehen, bevor er aufwacht. Anjiaka würde sie mit Freuden aufnehmen. Ihr Auftrag hatte ein jähes Ende gefunden und die Möglichkeiten, Tarko auszuspionieren, waren ihr ausgegangen. Und doch hatte sie entschieden, bei ihm zu bleiben, bis er sie fortschickte oder sie von ihren Leuten anderweitige Befehle erhielt.
Mivara streckte eine Hand aus und berührte das Metall an ihrem Hals. Sie wollte nicht gehen. Ihre Leute mochten sie für tot halten, doch sie würde solange bleiben, wie das hier währte.
Meine Schwestern können mich zurückbeordern, wenn sie erfahren, dass ich noch lebe. Aber sie können mich nicht zwingen.
Sie betrachtete Tarko. Im Schlaf erinnerte er in keinster Weise an den respektablen und mächtigen Ashaki. Und doch war er alles, was Mivara wollte.
Ob ihre Schwestern sie dafür schelten würden? In ihren Augen war Mivaras Entscheidung ein Rückschritt in eine barbarische Lebensweise. Aber in der Geschichte ihres Volkes war sie nicht die Erste, die ein Leben als Bettsklavin, dem Leben einer Informantin oder einer Söldnerin vorzog. Bei dem richtigen Ashaki konnte es einem gut ergehen und man lebte in einer Sicherheit, die für einen Nichtmagier in Sachaka nicht selbstverständlich war. Als Bettsklavin hatte man ein angenehmes Leben, sofern man nichts dagegen hatte seinen Meister musisch zu unterhalten und keine Schwierigkeiten mit stundenlangem Knien und müden Armen hatte. Andere Sklaven verrichteten von früh bis spät harte Arbeit. Mivaras Leben bestand aus Schlafen, feinen Kleidern, Badehäusern, dem Bedienen ihres Meisters und dem Tanzen für diesen – und jeder Menge Sex.
Mit einem Lächeln richtete sie sich auf. Zwischen den Kissen erblickte sie etwas silbern glitzerndes. Die Kette, die Tarko am vergangenen Abend gelöst hatte, damit sie sich nicht daran im Schlaf erwürgte. Danach greifend beugte Mivara sich über den Oberkörper ihres Meisters und bedeckte ihn mit leidenschaftlichen Küssen.
Tarko machte ein grunzendes Geräusch und bewegte sich. Mivara schlug das Laken zurück und setzte sich auf ihn.
„Hm“, machte er genüsslich.
„Guten Morgen, Meister“, flüsterte Mivara und streifte mit ihren Lippen über sein Ohr.
„Hör auf mich so zu nennen“, knurrte er.
„Noch vor wenigen Stunden habt Ihr mich Eurem Willen unterworfen“, erwiderte Mivara und biss in sein Ohrläppchen.
Tarko sog scharf die Luft ein und Mivara spürte, wie sich etwas zwischen ihren Beinen verhärtete, ohne dass sie die Hand nach seinem Schoß ausstrecken musste.
„Und doch bist du keine richtige Sklavin.“
„Und doch genießt Ihr es, mich zu unterwerfen. Sagt – ist es eine besondere Herausforderung, wenn die Frau, die Ihr zu unterwerfen versucht, keine echte Sklavin ist?“
Bevor Tarko nach ihrem Nacken langen konnte, hatte Mivara sich aufgerichtet und hielt ihm das Ende der Kette in die Hand gedrückt.
Tarko befestigte die Kette an ihrem Halsband.
„Das ist es.“
Dann drehte er sie grob auf den Bauch und nahm sie so heftig, dass Mivara nicht anders konnte, als ihre Lust laut herauszuschreien.
Eine halbe Stunde später lag sie erschöpft auf dem Rücken und versuchte, sich nicht zu bewegen. Ihr Schoß war wund und geschunden von dem, was Tarko mit ihr getan hatte. Nachdem er sich in sie ergossen hatte, hatte er mit seinen Fingern weitergemacht. Er hatte Mivara verboten, erneut laut zu werden, was die gesamte Angelegenheit in eine berauschende Mischung aus Schmerz und Lust verwandelt hatte.
Als Tarko aufstand, schlug raste Mivaras Herz noch immer. So grob war er noch nie gewesen. Und sie hatte das selten mehr genossen. Eine leise Stimme flüsterte ihr jedoch, dass es falsch war und sie war unfähig zu begreifen, warum dies so sein sollte, wenn sie beide doch so viel Freude aneinander hatten. Mit einem Mal drohte sie die Furcht, dass das hier endlich war, sie zu überwältigen und sie war mehr denn je bestrebt, das zwischen ihr und Tarko auszukosten. Sie wusste, sie würde das andernfalls bis ans Ende ihrer Tage bereuen.
Ihr Meister warf sich ein einfaches Gewand über. Mivara beobachtete, wie er zum Bett zurückkehrte und die Kette von ihrer Verankerung in der Wand löste.
„Ich gehe ins Badehaus“, erklärte er. „Ich will, dass du mich wäschst.“
„Mit Freuden, Meister“, erwiderte Mivara wissend, dass sämtliche Sklaven, denen sie auf dem Weg durch den Garten sie nackt sehen würden.
Aber sie wusste auch, dass die Alternative für sie und Tarko nur halb so erfüllend sein würde.
Als der schöne Gildenmagier die Diskussionsrunde für beendet erklärte, atmete Asara auf. Rasch schob sie ihren Stuhl zurück und beeilte sich, den Raum zu verlassen.
„Asara!“
Die helle Stimme hallte an den zugigen Steinwänden des Forts wider, gefolgt von hastigen Stiefelschritten.
„Warte auf mich!“
Für einen kurzen Augenblick war Asara versucht, die Besitzerin der Stimme zu ignorieren und weiterzugehen. Aber würde das Problem nur aufschieben. Und sie hasste es, das Unvermeidliche hinauszuzögern.
Mit einem tiefen Seufzen wandte sie sich um. „Was willst du?“
Atemlos kam Varala vor ihr zum Stehen. „Mit dir reden.“ Sie warf einen Blick zurück, wo gerade die Ashaki und die Duna den Raum verließen. „Aber nicht hier.“
„In meinem Quartier werden wir auch nicht reden.“
Ihre Schwester verzog das Gesicht. „Dann schlag etwas vor.“
Asara brauchte nicht lange überlegen. Am vergangenen Abend hatte sie das hässliche Gebäude, das die junge Gilde aus dem Fels gehauen hatte, ausgiebig erkundet. „Komm mit“, sagte sie.
Ohne sich umzusehen, wandte sie sich zur Treppe und erklomm die Stufen. Obwohl die Stufen steil genug waren, dass sie bald außer Atem war, hielt sie weder inne noch verlangsamte sie ihren Schritt. Varala sollte bloß nicht auf die Idee kommen, sie noch während des Weges mit anklagenden Fragen zu penetrieren.
Als sie schon glaubte, sich in der Treppe geirrt zu haben, endete diese vor einer Tür und Asara trat ins Freie. Ein kalter Wind erfasste sie von hinten und warf ihren Zopf nach vorne. Die Luft war kalt, doch nach der Diskussion hieß Asara die Kühle willkommen. Sich umblickend entdeckte sie einen Magier in roten Roben, der auf die sachakanische Seite starrte.
„Ist das der Turm?“, hörte sie Varala hinter sich fragen.
Der Gildenmagier fuhr herum und seine Augen weiteten sich. „Wir sind nicht hier, um Euch etwas zu tun“, sagte Varala auf Kyralisch. „Wir wollen nur die Aussicht genießen.“
Die Antwort des Kriegers ignorierend trat sie zur Brüstung und ließ ihren Blick über die Berge schweifen. Zu ihrer rechten Seite breiteten sich die zerklüfteten Berge Sachakas aus, die weiter zum Horizont hin abflachten und in die Ödländer übergingen. Zu ihrer Linken war in den Tälern mehr und mehr Grün zu sehen, das allmählich in üppige Wälder überging, zwischen denen Flüsse und Seen im Sonnenlicht glitzerten.
„Hättest du vielleicht die Güte mir zu erklären, warum du einfach so enthüllst, dass du Arikhais Vater getötet hast und damit alles, worauf wir hingearbeitet haben, zunichtemachst?“, verlangte Varala zu wissen.
„Ich habe nichts zunichtegemacht, was nicht schon vorher zum Scheitern verurteilt gewesen wäre“, sagte Asara ruhig. „Ein auf Lügen basierender Kompromiss ist kein guter Kompromiss.“
„Asara, Liebes. Du bist zu wichtig, um dich von den Duna hinrichten zu lassen“, beharrte Varala. „Du hast herausgefunden, was Savedra insgeheim geplant hat. Es heißt, dir ist es gelungen, ein Band zu den Duna zu knüpfen und du bist vermutlich die Einzige, die unser Volk in der Zuflucht davor bewahren kann, auseinanderzubrechen, wenn es die Wahrheit über Savedra erfährt.“
„Das kannst du nicht wissen“, sagte Asara. „Die Verräter brauchen mich nicht, um eine neue Große Mutter zu wählen. Aber ich habe auch gesagt, ich bleibe, bis es unserem Volk wieder gutgeht.“
„Und dann gehst du zu den Duna und lässt dich umbringen.“
Asara spüre Verärgerung in sich aufwallen. „Es ist nicht gesagt, dass das passieren wird. Arikhai hält große Stücke auf mich. Er wird die Ehrbarkeit meiner Handlung erkennen und mir verzeihen.“
„Du bist so blind, wie ein Mullook, wenn er die Sonne erblickt, Liebes.“ Varala fasste Asara an den Schultern. „Arikhai hielt große Stücke auf dich. Das war jedoch vorbei, als du ihm enthüllt hast, dass du seinen Vater getötet hast.“
Wahrscheinlich war es das. Asara hatte einen Anführer ermordet. Und der Gerechtigkeitssinn der Duna befahl, ein solches Vergehen entsprechend zu ahnden.
„Nur, weil du ihm die Augen über Divako und Kachiro geöffnet hast, heißt das noch lange nicht, dass er dir verzeiht“, entgegnete Varala hart. „Du hat seinen Vater getötet, Asara. Das ist für die Duna noch schwerwiegender, als für uns der Mord an einer Krippenschwester oder der Großen Mutter persönlich.“
Asara seufzte entnervt. „Mir ist die Bedeutung eines Vaters bewusst, Varala“, sagte sie. „Und genau deswegen muss ich das tun. Um den Ruf der Verräter zu wahren und um mich von dieser Schuld reinzuwaschen.“
„Und du denkst, Selbstopferung würde da helfen?“
„Varala, so versteh doch. Ich tue das, um unser Volk zu beschützen. Die Duna hatten keinen Streit mit uns bis zu jener Nacht. Ich will nicht, dass dies weiterhin zwischen uns steht.“
„Asara, das ist Wahnsinn!“, rief Varala. „Es muss einen anderen Weg geben!“
„Ich hatte viele Gespräche mit Arikhai über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen. Würde es einen anderen Weg geben, der ebenso viel Erfolg verspricht, so würde ich ihn gehen. Aber es gibt keinen.“
Die andere Frau schüttelte den Kopf. Die Haarsträhnen, die der Wind aus ihrem Zopf gelöst hatte, flatterten ärgerlich. „Das kann ich nicht glauben! Ohne dich sind die Verräter erst recht dem Untergang geweiht.“
„Varala!“, rief Asara erbost. „Ich verstehe, dass du wütend bist. Du hast in den letzten Monaten viele Schwestern verloren, die dir nahestanden. Und jetzt verlierst du bald eine weitere. Aber ich tue es für unser Volk. Und damit auch für dich.“
„Nein.“ Wütend schüttelte Varala den Kopf. „Würdest du im Sinne der Verräter handeln, so kämest du nicht auf solch törichte Ideen. Du würdest unser Volk in den Vordergrund stellen und dein Leben und deine Magie einzig und allein ihm widmen. Was du dagegen tust, ist einfach nur dumm und selbstsüchtig. Du versuchst, dein Gewissen zu beruhigen. Und damit verlieren die Verräter eine weitere brillante Magierin.“
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und stürmte zurück zu Treppe. Asara konnte das Trappeln ihrer Schritte noch für einige Augenblicke hören, dann wurde das Geräusch vom Heulen des Windes übertönt.
Es ist nicht selbstsüchtig, dachte Asara, während der Wind an ihren Haaren und ihrer Bluse zerrte. Etwas, das ich für das Wohl aller Verräter tue, kann niemals selbstsüchtig sein. Zudem würde sie damit Vikacha das Herz brechen. Sollte Arikhai entscheiden, sie am Leben zu lassen, so konnte sie ihn vielleicht dazu bewegen, ihren Geliebten zu sich zu holen. Mit höherer Magie konnte er ein hervorragender Krieger werden. Doch die Vorstellung, ihn vielleicht niemals wieder zu sehen und ihn nicht ein letztes Mal zu sehen, bevor sie starb, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie konnte ihn nicht zurücklassen. Und doch wusste sie, sie würde es zum Wohle ihres Volkes tun.
Nein, sich Arikhai auszuliefern war der einzige Weg. Sie hatte geahnt, er würde ihre Hinrichtung fordern, seit sie für sich entschieden hatte, sich für ihre Taten zu verantworten.
Erst als ihre Glieder vor Kälte steifgefroren waren, wandte Asara sich ab und stieg die Treppe hinab zu den Ebenen, die die Gildenmagier als Gästequartiere eingerichtet hatten. Fast erwartete sie, dort Varala anzutreffen, doch als Asara zu ihrem Quartier zurückkehrte, war es nicht Varala, die dort wartete, sondern ein hochgewachsener, attraktiver Gildenmagier in purpurfarbenen Roben.
„Du warst schon immer bissig, wenn du es darauf angelegt hast.“ Akkarins dunkle Augen funkelten amüsiert, als er Sonea an den Schultern fasste. „Und doch bin ich beeindruckt, wie souverän du Ishaka gegenübergetreten bist. Zu schade, dass ich in Yukai nicht dabei war!“
Sonea zuckte die Schultern. „Ich brauchte ihre Oberflächengedanken nicht lesen. Was ich nicht weiß, kann mich nicht aufregen.“
„Nun, Ishakas Blicke und seine wohlplatzierten Bemerkungen waren nur schwer zu ignorieren. Ich nehme an, er wäre noch offensiver gewesen, würde seine Sklavin noch leben.“
Sonea entzog sich seinem Griff und ließ sich auf ihr Bett fallen. Stundenlang auf einem Stuhl auszuharren war besser, als auf einem Kissen, doch nach einem Tag wurden ihre Beine auch darauf schwer. Bei solchen Gelegenheiten verfluchte sie ihre Schwangerschaft und die damit verbundenen Begleiterscheinungen aus tiefstem Herzen.
Die Augen schließend streckte sie sich auf dem Bett aus. „Ishaka würde alles dafür geben, mich als Bettsklavin zu halten“, sagte sie. „Und seine Bettsklavin hätte alles gegeben, um mit mir zu spielen. Und Ishaka wird nicht müde, mir das zu zeigen.“ Und das alles nur, weil sie Marika getötet hatte und das Ishakas Art und Weise war, sich dafür zu rächen.
„Sonea, er kann dich so sehr begehren, wie er will. Er hat keinen Anspruch auf dich. Und solange ich lebe und du in der Lage bist, dich zu verteidigen wird er dich nicht bekommen.“ Stiefelschritte erklangen und ein Schatten verdunkelte die Welt hinter ihren Augenlidern, dann berührte kühles Leder ihre Wange. „Weil du mir gehörst.“
„Das scheint ihn jedoch nicht davon abzuhalten, mich zu wollen.“
„Nein, aber auch ihm ist heute klargeworden, dass er dies nicht zu einer Streitfrage bei den Verhandlungen machen kann.“
„Vielleicht gibt er auf, wenn du dich mit ihm duellierst“, schlug Sonea vor. „Ishaka würde das sicher gefallen.“
„Nun, so betrachtet ist es wirklich bedauerlich, dass seine Sklavin tot ist.“ Akkarins Stimme klang erheitert, doch als er fortfuhr, war er wieder ernst: „Ishaka hat gute Chancen, der neue Imperator von Sachaka zu werden. Seine Absichten bezüglich eines Friedens erscheinen aufrichtig und ehrbar, auch wenn ich mir persönlich mehr Freiheit für Sachaka wünschte. Dennoch ist er für den Augenblick der vermutlich beste Herrscher, den dieses Land bekommen kann. Seine Ansichten sind verglichen mit denen seiner Vorgänger gemäßigt und er ist bereit, Sachaka den Ländern der Allianz zu öffnen. Und er handelt besonnen und ruhig.“
Sonea schnaubte. „Er ist die sachakanische Version von dir.“
Akkarin lachte leise. „Würde ich es nicht besser wissen, würde ich denken, du würdest deswegen so verstört auf ihn reagieren.“
„Kann sein, dass dies ein Grund ist“, grollte Sonea. „Er ist ein Teil meiner Vergangenheit. Durch ihn werden Erinnerungen wieder wachgerufen. Und“, sie zögerte und Hitze schoss ihr ins Gesicht, „meine dunkle Seite reagiert auf seine Phantasien.“
„Nun, was seine Phantasien betrifft, so lässt sich vielleicht eine andere Lösung finden, wenn es dich so sehr quält“, sagte Akkarin. „Doch inwiefern Ishaka mit deiner Entführung zu tun hat, kannst nur du wissen.“
Stirnrunzelnd dachte Sonea über seine Worte nach. Bis auf den Tag, an dem Marika ihre Kräfte blockiert hatte, verband sie weder positive noch negative Erinnerungen mit Ishaka. Es ging vielmehr darum, dass er damals dort gewesen war. Und ja, es war verstörend gewesen, ihn mit Sari zu sehen – so, als würde man ihr und Akkarin ein verdrehtes Spiegelbild vorhalten. Zugleich konnte sie jedoch nicht aufhören sich zu fragen, ob sie es nicht genießen würde, wenn Akkarin sie hin und wieder in gewissen Situationen so behandeln würde wie Ishaka seine Bettsklavin. Aber dieselbe Frage hatte sie sich unter Marika auch gestellt.
„Ich weiß“, flüsterte sie. „In den letzten Wochen hat jedoch Marika im Vordergrund gestanden. Es gab viel, worüber ich nachdenken musste.“
„Möchtest du darüber reden?“
Träge schüttelte Sonea den Kopf. „Nicht wirklich.“ Wenn sie versuchte, in Worte zu fassen, was sie über sich und Marika herausgefunden hatte, scheiterte sie kläglich. „Sagen wir einfach, ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht.“
Stille. Stille, die sich ausdehnte. Gespannt hielt Sonea den Atem an, drauf wartend, dass Akkarin erneut zu sprechen begann. Warum blieb er still? Missfiel ihm ihre Antwort?
„Inwiefern hast du mit ihm Frieden geschlossen?“, fragte er schließlich und Sonea verspürte eine ungeahnte Erleichterung, weil er nicht mit Verärgerung reagierte.
Sie hob die Schultern. „Ich habe mich wieder an all die Grausamkeiten erinnert, die er mir angetan hat. Aber ich habe damit abgeschlossen. Es lag keine spezielle Bosheit hinter seinen Taten, er hat so gehandelt, wie man es auf Grund seiner Kultur und seines Standes erwarten würde. Und da ich seiner Kultur nicht angehöre, hat das zu gewissen … Spannungen zwischen uns geführt. Wäre ich die Bettsklavin eines Ashaki gewesen und er hätte mich diesem geraubt, wäre es wahrscheinlich nur bedingt erträglicher gewesen. Ich weiß, dass ich einiges von dem, was er mir angetan hat, auch selbst zu verschulden habe, dass ich mir viel Leid hätte ersparen können, hätte ich mich nicht andauernd gegen ihn aufgelehnt. Aber das ändert nichts daran, dass er sich meiner Gedanken, meiner Magie und meines Körpers bemächtigt hat. Und dass er kein Recht dazu hatte.“
Akkarin schwieg.
Verunsichert öffnete Sonea die Augen und sah zum Fenster. Gegen das Licht war er nur ein schwarzer Schatten.
„Es tut mir leid, wenn es nicht das ist, was du hören willst“, sagte sie. „Er war dein größter Feind. Doch es ist das, was ich empfinde.“
Der Schatten löste sich vom Fenster und füllte den Raum aus, bis er sich neben ihr auf der Bettkante niederließ. „Auch wenn ein dunkler Teil in mir gerne sehen würde, dass du ihn hasst, so halte ich es für besser, dass deine Einstellung zu ihm neutral ist“, sagte er. „Denn Hass ist ein ähnlich starkes Gefühl wie Liebe und würde zeigen, dass du dich noch immer mit ihm beschäftigst.“
„Danke“, flüsterte sie.
Akkarin bedachte sie mit seinem Halblächeln. Er streckte seine gesunde Hand nach ihr aus und strich über ihre Stirn. „Und wie gedenkst du, die Zeit bis zum Abendessen zu verbringen?“
„Am liebsten würde ich schlafen.“ Sonea griff nach seiner anderen Hand und schlang ihre Finger um das kühle Leder. „Aber ich möchte auch bei dir sein und mich nicht mehr so alleine fühlen.“
„Du bist nicht allein, Sonea.“ Akkarin lehnte sich gegen das Kopfende, legte ein Kissen an seine Seite und bedeutete ihr, sich an ihn zu kuscheln. „Und wenn du müde bist, dann solltest du dich ausruhen.“
Erfreut bettete Sonea den Kopf auf seinen Schoß. Akkarin legte einen Arm um sie, während seine andere Hand weiterhin sachte über ihre Stirn strich. „Du hattest genug Aufregung in den letzten Wochen. Und da ich dich deswegen nicht mehr schelten darf, so möchte ich dich zumindest darauf aufmerksam machen, dass Lady Vinara nicht allzu angetan sein wird, wenn sie von deiner Schwangerschaft erfährt.“
Sonea lachte. „Das ist sie ganz sicher nicht!“
Sie hatte ein großes Risiko auf sich genommen. Aber das war es wert gewesen. Und das Baby hatte es überstanden, weil sie alles im Bereich ihrer Möglichkeiten getan hatte, damit es ihm gutging.
„Du hast doch mit Arikhai diese Angelegenheit mit seinem Vater geklärt“, begann sie. „Kannst du vielleicht bei ihm ein gutes Wort für Asara einlegen? Kannst du irgendwie dafür sorgen, dass seine Leute sie nicht hinrichten? Oder dass sie gar nicht erst zu den Duna muss? Sie könnte so viel mehr vollbringen.“
„Das liegt nicht in meinen Händen, Sonea.“
„Aber …“, begann sie. „Sie ist eine Freundin. Ohne sie wäre ich nicht hier.“
„Sonea, es steht mir nicht zu, mich in dieser Angelegenheit einzumischen.“
Er hatte Yui getötet, weil sie ihr und Dannyl bei der Flucht aus Yukai geholfen hatte. Die Nachricht hatte Sonea entsetzt. Doch sie hatte Arikhai auch seine Trauer ansehen können.
„Arikhai bereut, dass er seine zweite Frau auf Grund eines Irrtums getötet hat“, sagte sie. „Wenn das nicht hilft, dann weiß ich es auch nicht. Er muss doch begreifen, dass Asara keine Wahl hatte.“
Akkarins Mundwinkel zuckten. „Hin und wieder bist du bemerkenswert manipulativ. Doch ich denke, dass Dannyl in dieser Angelegenheit etwas bewirken kann.“
Und wenn nicht, dann werde ich es tun, dachte Sonea. Sie hatte Asara ihr Leben zu verdanken so wie Dannyl auch. So sollte es nicht enden. Doch für den Augenblick musste sie es akzeptieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
„Diese Lösung für mein Problem mit Ishaka“, sagte sie. „Wie soll diese aussehen?“
Akkarin lachte leise. „Ich werde mir etwas überlegen.“
Als Rothen sein Apartment betrat, war er überrascht über die dort herrschende Stille. Für gewöhnlich hielt sich dort mindestens einer seiner Novizen auf, Tania wuselte herum oder, seit er auf Lorlen aufpassen musste, war seine Amme in der Nähe.
„Hallo!“, rief er. „Jemand zuhause?“
Keine Antwort.
Er stieß die Tür zu Dorriens altem Zimmer auf, in dem Lorlen vorübergehend schlief, und erstarrte.
„Oh, Verzeihung“, murmelte er und wollte sich zurückziehen.
Caria sah auf. „Mylord“, sagte sie ohne das Baby von ihrer Brust zu nehmen. Immerhin hatte sie den Anstand, die Decke, in die das Baby gewickelt war, ein Stück höher zu ziehen. „Ich habe Euch nicht kommen gehört.“
„Ich hatte gerufen.“
„Die Tür war zu.“ Carias Wangen färbten sich rosa. „Ich war in Gedanken. Ich bitte um Verzeihung, Mylord.“
Rothen konnte nur nicken, den Blick noch immer auf ihre halb entblößte Brust gerichtet. Das letzte Mal, das er eine weibliche Brust gesehen hatte, war bei Yilara gewesen. Jetzt indes war der Anblick ein wenig verstörend.
„Mylord“, begann Caria. „Dürfte ich Lorlen nun bitte zu Ende füttern?“
„Natürlich.“ Sich von ihrem Anblick losreißend zog Rothen sich zurück und schloss die Tür. In seinem Wohnzimmer goss er sich ein Glas Wasser ein und ließ sich in seinen Sessel sinken. Wie hatte sie ihn nicht hören können? Sein Apartment war nicht so groß, dass man sich selbst bei geschlossenen Türen überhören konnte.
Vielleicht sollte ich nicht mehr in Lorlens Zimmer gehen, bevor ich mich nicht vergewissert habe, dass sie nicht gerade dort ist, dachte er unbehaglich. Dann hätte er beinahe laut aufgelacht. Er hatte einst selbst einen Sohn gezeugt. Yilara hatte ihm entgegen des Brauchs in den Häusern selbst die Brust gegeben, weil sie als Heilerin der Überzeugung gewesen war, dass dies besser für das Baby war als die Milch einer Fremden. Wie konnte es dann sein, dass ihm derart natürliche Dinge nun Unbehagen einflößten?
Wenig später öffnete sich die Tür und Caria kam heraus, Lorlen auf einem Arm. „Er ist nun gewickelt und gefüttert“, teilte sie Rothen mit. „Ich komme noch einmal nach ihm sehen, wenn es Zeit ist, ihn ins Bett zu bringen. Doch nun muss ich zurück in die Residenz.“
Rothen runzelte die Stirn. „Der Hohe Lord und seine Frau sind nicht da“, sagte er.
„Oh, es gibt auch in ihrer Abwesenheit immer etwas zu tun.“ Das Rosa auf ihren Wangen vertiefte sich. „Der Staub wischt sich nicht von alleine weg und auch die Fenster putzen sich nicht von selbst.“
War dafür nicht Takan zuständig? Soweit Rothen wusste, war Caria nur als Amme eingestellt worden. Und Rothen bezweifelte, dass die Residenz es nötig hatte, dass jeden Tag Staub gewischt und Fenster geputzt wurde.
Caria setzte das Baby auf Rothens Schoß. „Sofern Ihr mich nicht mehr braucht, würde ich mich dann gerne zurückziehen, Mylord.“
„Natürlich“, erwiderte Rothen. „Du kannst gehen.“
Lorlens Amme verneigte sich und zog sich zurück.
Als sie fort war, betrachtete Rothen das Baby, das auf seinen Knien offenkundig einen neuen Spielplatz gefunden hatte. Nun, ein Baby ist Lorlen eigentlich nicht mehr. Inzwischen war er ein Jahr alt, konnte fünf Schritte am Stück laufen und einige Worte sprechen, deren Sinn niemand so wirklich verstand.
„Also, Lorlen“, begann Rothen. „Anscheinend sind Farand und Viana noch im Unterricht oder in der Bibliothek. Und eigentlich muss ich Prüfungsaufgaben vorbereiten. Was mache ich solange mit dir?“
„Da!“, rief Lorlen und versuchte, an Rothen emporzuklettern. „Nea.“
„Sonea ist nicht da“, sagte Rothen spürend, wie ihm das Herz schwer wurde. „Sie kommt aber bald wieder.“
Bald war eine maßlose Untertreibung. Soweit Rothen wusste, würden sie und Akkarin noch eine Weile am Fort bleiben. In den nächsten Tagen würde der König mit den Vertretern der anderen Herrscher der Verbündeten Länder zum Nordpass reisen und persönlich an den Verhandlungen teilnehmen.
Rothen setzte Lorlen auf dem Boden vor der Kiste mit den Bauklötzen ab, die er seit Dorriens Kindertagen aufgehoben hatte, sollte er eines Tages Großvater werden. Soneas und Akkarins wilder Sohn war ein guter Vorgeschmack auf das, was Dorrien eines Tages hervorbringen würde.
Lorlen hatte sich bereits an der Kiste emporgezogen und stemmte sich gegen den Deckel. Mit einem lauten Poltern fiel dieser auf der anderen Seite der Kiste zu Boden. Das Baby quiekte erfreut und begann an der Kiste zu rütteln, die winzigen Hände um die Kante geschlungen. Bevor Rothen reagieren konnte, kippte die Kiste bedrohlich nach vorne.
„Vorsicht!“, rief er und griff nach seiner Magie. Die Kiste stoppte mitten in ihrer Bewegung, bevor sie das Baby unter sich begraben konnte. Rothen zog das Baby ein Stück zurück und löste die magische Barriere dann wieder und die Bauklötze verteilten sich über den Teppich. Es klang wie eine kleine Gerölllawine.
„Dann viel Spaß beim Spielen“, wünschte er und stellte die Kiste auf den Esstisch, wo sie außerhalb von Lorlens Reichweite war.
„Buu!“, machte Lorlen und begann mit eifriger Miene die Bauklötze zu einem undefinierbaren Gebilde aufzuschichten und Rothen war dankbar, dass magisch begabte Kinder erst dann Zugriff auf ihre Kräfte hatten, wenn sie schon fast erwachsen waren.
Kopfschüttelnd öffnete er die Mappe mit seinen Prüfungsunterlagen und begann mit seiner Arbeit.
Er war noch nicht weit gekommen, als es klopfte. Aber es war nicht das zurückhaltende, fast schon scheue Klopfen seiner Novizen oder das höfliche Klopfen Tanias. Und es war auch kein indirekter Befehl, die Tür zu öffnen, wie bei Akkarins seltenen Besuchen. Rothen runzelte die Stirn.
„Herein!“, rief er und streckte seinen Willen nach der Tür aus.
Administrator Osen trat ein. Er wirkte so gestresst wie eh und je. „Ich habe neue Anweisungen vom Hohen Lord erhalten“, teilte er Rothen mit. „Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, für einige Wochen Lord Peakins Aufgaben zu übernehmen?“
„Neben meinen Prüfungsvorbereitungen?“, entfuhr es Rothen. „Was ist mit Peakin?“
„Ich weiß, Ihr habt viel zu tun. Aber Lord Peakin wird den König mit Lady Vinara und einigen anderen Magiern zum Nordpass begleiten.“
Und Rothen war sein Stellvertreter.
„Nun, selbst wenn es mir etwas ausmachen würde, müsste ich mich dem Willen Akkarins und des Königs beugen“, erwiderte Rothen.
„Falls es Euch beruhigt, so wird die Gilde in den nächsten Wochen außer den Verhandlungen am Nordpass und den Sommerprüfungen nicht viel anderes bewegen. Abstimmungen und Diskussionen über sämtliche Anfragen und Projekte werden auf die Zeit danach verschoben. Wenn der König am Fort eintrifft, werden wir in einer oder mehreren Gildenversammlungen über die Beschlüsse abstimmen und die Entscheidung Akkarin per Blutjuwel mitteilen. Die Gilde wird …“
Ein lautes Poltern erklang, als Lorlen sein architektonisch höchst bizarres Bauwerk mutwillig und unter freudigen Lauten zerstörte.
„Er ist ziemlich lebhaft“, bemerkte Osen.
„Ist das bei den Eltern verwunderlich?“, erwiderte Rothen mit einem schiefen Lächeln.
Der Administrator verzog das Gesicht. „Vermutlich nicht.“
„Wenn die Gilde mich braucht, werde ich selbstverständlich zur Verfügung stehen“, sagte Rothen. Seine Novizen waren sehr selbstständig und Viana konnte sich bei Fragen an Farand wenden. Lorlen hatte zudem Takan und seine ein wenig merkwürdige Amme. „Ruft mich, wenn Ihr mich braucht.“
„Falls Ihr gekommen seid, um mir meine Entscheidung auszureden, so könnt Ihr gleich wieder gehen.“ Mit einem energischen Impuls ihres Willens ließ Asara die Tür hinter sich zufallen. „Mein Mord an Karami ist die Ursache des Konfliktes, den mein Volk mit den Duna hat. Also liegt es in meiner Verantwortung, dies zu beheben.“
Der schöne Gildenmagier war in der Mitte ihres Quartiers stehengeblieben. Falls ihre Worte ihn verärgerten, so zeigte er das nicht. Er musterte sie lange und schweigend und Asara begann sich zu fragen, was in seinem hübschen Kopf vorging und welche Argumente er sich einfallen lassen würde, um ihren Entschluss ins Wanken zu bringen.
Asara war jedoch fest entschlossen, es nicht dazu kommen zu lassen. Ihr öffentliches Schuldbekenntnis und ihre freiwillige Auslieferung an die Duna waren ihr alles andere als leicht gefallen. Aber es musste sein.
„Ich verstehe, dass Ihr dies tun müsst“, sagte Dannyl schließlich. „Und es steht mir nicht zu, Euch von diesem Schritt abzuhalten, weil Verräter und Duna einen Frieden zu ihren Bedingungen eingehen müssen. Ich kann dabei nur vermitteln.“
Asara lehnte sich gegen das Fenstersims, die Arme vor der Brust verschränkt. „Und was wollt Ihr stattdessen?“, fragte sie unwirsch.
„Ich will Euch eine Alternative vorschlagen. Möglicherweise gibt es einen Weg, Euren Tod zu verhindern. Möglicherweise lässt sich damit sogar verhindern, dass Ihr Euch Arikhai ausliefern müsst.“
„Und wie soll das gehen? Ich habe seinen Vater und einige andere wichtige Leute getötet. Für Arikhai ist das noch schlimmer als der Mord an Marika für dessen Berater.“ Sie schnaubte. „Ich hätte alles auf Savara schieben können. Aber dann wäre ich nicht besser als ihre Mutter.“
„Und das spricht für Euch.“ Dannyl trat zu ihr und legte eine Hand auf ihren Arm. „Zudem hätten die Duna die Lüge möglicherweise durchschaut.“
„Deswegen musste ich es tun. Arikhai respektiert mich …“, an Varalas Worte denkend, runzelte sie die Stirn „... oder hat mich respektiert.“
„Und ich bin sicher, dass ein Teil von ihm das noch immer tut“, sagte Dannyl. „Ihr habt viel in Yukai bewirkt. Mehr, als Ihr glaubt. Zudem weiß er nun, wie Ihr zu Savedras Aktionen steht.“
Unwillig schüttelte Asara den Kopf.
Wenn ich einen Verräter in meinem Stamm hätte, dann wüsste ich, wie ich mit ihm verfahre. Ich würde nicht zögern, ihn zu töten. Aber ich würde es offen und für jedermann sichtbar tun, damit kein anderer je dasselbe wagt.
Sie bezweifelte, Arikhai würde mit Fremden anders verfahren. Mit ihnen würde er sogar noch harscher ins Gericht gehen. Sein gemeinsamer Feldzug mit Divako bewies das. Asara fand es bemerkenswert, dass es dem Anführer der Gildenmagier gelungen war, dieses Schicksal abzuwenden.
„An dem Abend, bevor die Konferenz scheiterte, habe ich mit Arikhai das Abendmahl eingenommen“, erzählte Asara. „Er hat mich sehr geschätzt, doch nur einen Tag später hat er die Jagd auf meine Schwestern und mich eröffnet.“
„Weil er glaubte, Ihr wärt für die Zerstörung des Tempels verantwortlich, und weil Divako ihn hat glauben lassen, dass Ihr unehrenhaft wärt“, sagte der schöne Gildenmagier behutsam.
„Und dann hat er erfahren, dass ich ihn in einer weiteren Sache belogen habe. Dem Tod seines Vaters.“
„Eine Tatsache, die wie der Mord an den anderen Duna, die damals im Palast waren, eine Notwendigkeit war“, widersprach Dannyl. „Ja, es war sein Vater, den ihr getötet habt. Doch wenn Arikhai tatsächlich ein so guter Anführer ist, wird er begreifen, dass Ihr dazu gezwungen wart, nachdem Marika sich mit seinem Volk gegen die Verräter verbündet hatte. Er wird anerkennen, dass Ihr keine andere Wahl hattet und zwischen den Tatsachen und seinen persönlichen Gefühlen differenzieren.“
Das klang zu schön um wahr zu sein. Aber würde Asara auch so denken, wenn jemand ermordet wurde, der ihr nahestand? Wie zum Beispiel Vikacha?
„Wollt Ihr meine Alternative nun hören?“, fragte Dannyl.
„Sprecht.“
„Gestern habe ich zwischen Arikhai und Akkarin vermittelt. Akkarin hat die Verantwortung für seine und die von Savara begangenen Morde an Duna während des Überfalls auf den Palast übernommen. Arikhai hat erklärt, dass dies nur mit dem Tod gerächt werden kann, jedoch die Gründe hinter dieser Aktion verstanden. In seinen Augen ist Akkarin ein Anführer, der alles versucht, um seine Leute, die den Duna unterlegen sind, zu schützen und er versteht, warum er so gehandelt hat. Er hat ihm verziehen.“
Und jetzt ging Dannyl anscheinend davon aus, dass es bei ihr ähnlich sein würde. Asara seufzte. In ihren Augen war die Sache jedoch sehr viel komplizierter.
„Ich habe nicht irgendeinen Duna getötet“, sagte Asara. „Sondern Karami. Er war nicht nur ein Anführer, sondern auch noch ausgerechnet Arikhais Vater. Ihr kennt doch die Geschichte von Yarah. Ihr gesamtes Leben hat sie Rache für den Mord an ihrer Familie gesucht. Und ihr gehörte am Ende die Aschenwüste. Kommt Euch das bekannt vor?“
Dannyl nickte langsam. „Trotzdem denke ich, dass es einen anderen Weg gibt. Arikhai ist ein intelligenter und vernünftiger Diskussionspartner. Er wird einsehen, dass mit Eurem Tod seinem Volk nicht geholfen ist. Mit einem Bündnis und Euch als Ansprechpartnerin könnte viel mehr des angerichteten Schadens wiedergutgemacht werden. Wenn auch nicht auf die von den Duna bevorzugte Weise. Allerdings ist ihnen bewusst, dass sie für einen Frieden Kompromisse eingehen müssen.“
So wie Dannyl es formulierte, schien die Situation einfach und unkompliziert. Asara wusste jedoch, dass sie das nicht war. Er konnte sie nicht mit dem Anführer der Gildenmagier vergleichen.
„Wieso glaubt Ihr, dass Arikhai sich darauf einlässt?“, fragte sie. „Ihr habt ihn doch heute gehört. Er wird seinen Stamm über mich richten lassen.“
„Weil auch Ihr eine Anführerin seid, Asara. Ihr wisst es nur noch nicht.“
Das Liegen im Bett ging Regin auf die Nerven. Am Morgen waren zwei Heiler vorbeigekommen und hatten ihn untersucht. Dabei hatten sie befunden, dass er das Bett hüten musste, bis sich die Lücken zwischen seinen Knochen wieder geschlossen hatten. „Jede Bewegung würde dafür sorgen, dass die Knochen, die Lady Sonea gerichtet hat, sich wieder verschieben, selbst wenn Ihr Euch levitiert“, hatte Lord Kiano mit strenger Miene erklärt.
„Auch wenn Ihr mein Bein schient?“, hatte Regin entsetzt gefragt.
„Auch dann“, hatte der Heiler geantwortet. „Die Schwerkraft wird das gesamte Gefüge auseinanderziehen, ohne dass Ihr etwas dagegen tun könnt.“
Zur Sicherheit hatten er und sein Kollege ihm dennoch eine Schiene angelegt, damit die Knochenstücke sich nicht verschoben, wenn Regin sich im Liegen bewegte. Anschließend hatten sie das Wachstum der Knochen angeregt und ihm einen Heiltrunk dagelassen, um diese weiter zu kräftigen.
Danach hatten sie Regin sich selbst überlassen. Zwei Mal danach war ein Diener gekommen und hatte ihm ein üppiges Mittag- und Abendessen gebracht – Regin hatte beide verschlungen als würde er verhungern – und seinen Nachttopf geleert. An einem anderen Tag war Auslandsadministrator Dannyl gekommen und hatte ihm gesagt, was er davon hielt, dass Regin seinem Freund Rothen und dessen Sohn so übel mitgespielt hatte. Auf seine eigene Weise war das beinahe so unangenehm gewesen, wie Soneas Strafpredigt. Regin hatte noch nie ernsthaft mit Dannyl zu tun gehabt und die Tatsache, dass dieser ihn wie einen dummen Novizen zurechtgewiesen hatte, beschämte ihn zutiefst.
Niemand war indes gekommen, um ihn zu besuchen. Nicht einmal Sonea.
Ob sie mir noch zürnt?, fragte er sich. Oder lässt Akkarin sie nicht zu mir, weil er ihr zürnt?
Oder hatte sie ihn vergessen, weil sie das Wiedersehen mit ihrem unheimlichen Mann gerade in vollen Zügen genoss?
Was auch immer dahintersteckte, Sonea war der einzige Mensch, der Regin geblieben war und der noch zu ihm hielt. Sie war seine einzige Freundin.
Nein, dachte er dann. Sie ist viel zu nett, um sich von mir abzuwenden. Ganz sicher überlässt sie mich nicht mir selbst, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben will. Egal, wie wütend sie auf mich sein mag, sie würde mich eher zu Asche verbrennen, als mir den Rücken zuzukehren.
Das bedeutete jedoch nicht, dass er sich weiterhin niederträchtig verhalten durfte. Was dies betraf, so waren ihre Worte nur allzu deutlich gewesen und Regin hatte in dem Gefängnis seines Bettes alle Zeit der Welt, um darüber nachzudenken.
Er hatte geglaubt, das Richtige zu tun, indem er sich an die Regeln hielt und tat, was getan werden musste. Jetzt begriff er jedoch, dass es Situationen gab, in denen es besser war, die Regeln auf sich beruhen zu lassen. Lord Dorrien mochte kein Freund sein, doch er war der Freund von Menschen, die Regin etwas bedeuteten. Und damit kam er für Ränkespiele nicht in Frage.
Im Nachhinein begriff Regin nicht, was ihn dazu getrieben hatte. Trassia hatte recht gehabt, er war auf dem besten Weg wie der Mann zu werden, der er nie sein wollte: sein Vater.
Und Onkel Garrel war auch nicht viel besser.
Frustriert starrte Regin gegen die Zimmerdecke. Er hatte mit allen Mitteln versucht, genau das nicht zu werden. Was war schiefgelaufen, dass es nun doch so gekommen war? Konnte er diesen Prozess überhaupt aufhalten, oder lag diese Eigenart in seiner Familie?
Die meiste Zeit konnte er jedoch nicht aufhören sich zu fragen, was er am meisten betrauerte: Den Verlust seines Mentors, dass Trassia sich von ihm abgewandt hatte oder dass er sich in seinem Onkel so sehr getäuscht hatte?
Als es an der Tür klopfte, zuckte er zusammen. Es war nicht so höflich und zurückhaltend, wie das der Diener. Es war auch nicht laut und eindringlich. Aber es klang bestimmend.
Angesichts der späten Stunde konnte das nichts Gutes bedeuten.
„Herein!“, rief Regin und streckte seinen Willen nach der Tür aus.
Eine große schwarze Gestalt glitt nahezu lautlos in den Raum.
„Hoher Lord!“, brachte Regin hervor. Überrascht setzte er sich auf. Sein Bein ziepte protestierend und er verzog das Gesicht. „Womit habe ich die Ehre?“
„Ich wünsche mit Euch einige Dinge zu erläutern, Lord Regin.“
Das klang unheilvoll und alles andere als erfreulich. Einen tiefen Atemzug nehmend wappnete Regin sich für das Schlimmste.
„Ich stehe Euch voll und ganz zur Verfügung, Hoher Lord“, erwiderte er ein charmantes Lächeln aufsetzend.
Akkarins Blick fiel auf das geschiente Bein und er hob eine Augenbraue.
„Nun, zumindest geistig“, beeilte Regin sich zu sagen.
„Das ist begrüßenswert.“ Der Hohe Lord ließ sich auf dem Stuhl neben Regins Bett nieder. Im schwindenden Tageslicht wirkte seine hagere, hochgewachsene Gestalt finsterer denn je. „Ich will ehrlich sein, Lord Regin. Ich halte nicht gerade viel von Euch als Mensch. Nicht nur auf Grund dessen, was Ihr meiner Frau in der Vergangenheit angetan habt, was für sich genommen unverzeihlich ist, sondern weil ich in Euch ein Stück des Novizen sehe, der ich einst war. Doch ich vertraue dem Urteil meiner Frau. Sie wäre nicht mit Euch befreundet, würde sie nicht etwas in Euch sehen, das diese Freundschaft wert ist.“
Regin betrachtete den Hohen Lord wie erstarrt. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber ganz sicher nicht, dass Akkarin ihm seine Meinung so unverhohlen mitteilen würde.
„Wo es Euch an menschlichen Fähigkeiten mangelt, brilliert Ihr jedoch umso mehr als Krieger“, fuhr Akkarin unbeirrt fort. „Die Strategie, die Ihr von Lord Vorel übernommen habt, beweist dies, auch wenn Ihr bei der Umsetzung während der Schlacht auf einige Schwierigkeiten gestoßen seid. Für einen ersten Praxistest wart Ihr jedoch erfolgreich.“
„Ich danke Euch, Hoher Lord“, erwiderte Regin überrascht. Akkarins Kritik an seinen menschlichen Fähigkeiten schmerzte ihn nichtsdestotrotz und er sah sich unfähig, etwas Gegenteiliges zu sagen, weil er wusste, dass es die Wahrheit war. „Ich habe Sonea bereits versprochen, dass ich wiedergutmache, was ich Lord Dorrien und seiner Novizin angetan habe.“
„Deswegen bin ich nicht hier, Regin“, sagte Akkarin. „Ich gehe davon aus, dass Ihr das tut.“
Das klang eher wie ein unterschwelliger Befehl.
Du kommst so nach deinem Vater! Und nach deinem Onkel! Ich dachte, du wärst anders … dass du dich geändert hättest.
„Ich dachte, Ihr wärt mit dem Urteil der Gilde einverstanden gewesen“, erwiderte Regin.
„Das bin ich. Lord Dorrien hatte eine Chance und hat sie verspielt. Das heißt jedoch nicht, dass ich Euer Tun gutheiße.“
„Und warum seid Ihr dann hier?“
„Um dafür zu sorgen, dass sich solche Eskapaden nicht wiederholen.“
„Ich habe doch schon …“, begann Regin, doch Akkarin schnitt ihm das Wort ab.
„Wie ich bereits erwähnte, Ihr besitzt großes Potential, Regin“, sagte er. „Euer Abschlusszeugnis beweist dies, so wie Euer Einsatz bei dieser Schlacht. Zudem seid Ihr gewillt, etwas zu bewegen. Die Gilde braucht Krieger wie Euch. Jetzt, wo sie erneut einige sehr fähige Krieger verloren hat, sogar mehr denn je.“
Regin schluckte sich an die zahlreichen Krieger erinnernd, die diesem Krieg zum Opfer gefallen waren – darunter Männer wie Lord Makin, sein Onkel und Balkan.
„Ihr könnt auf mich zählen, Hoher Lord“, versprach er mit belegter Stimme.
„Ich muss mich absolut auf Euch verlassen können, Lord Regin.“ Akkarins dunklen Augen bohrten sich in die Regins. „Von allen Kriegern, die die Schlacht überlebt haben, seid Ihr der fähigste. Ihr wart lange genug Balkans Assistent, um seine Aufgaben zu übernehmen. Und damit meine ich beide Ämter, die er am Ende wieder innehatte. Euch mag der menschliche Feinschliff fehlen, doch ich bin sicher, die höheren Magier werden wissen, Euch in Zaum zu halten.“
Der letzte Satz ging in Regins plötzlicher Euphorie unter. „Heißt das, ich werde Oberhaupt der Krieger?“
„Zumindest vorübergehend. Noch herrscht kein Frieden mit Sachaka und Duna. Es wäre mir lieber, einen Krieger zur Seite zu haben, der etwas von Balkans Aufgaben versteht. Die endgültige Entscheidung wird jedoch die Gilde treffen, sobald wir wieder in Imardin sind.“
Was so viel bedeutete, wie dass dies nur eine Formsache war. Regin begriff, dass sich ihm eine einmalige Chance bot. Er durfte sie nicht vergeuden. „Hoher Lord, ich verspreche, Euch nicht zu enttäuschen“, gelobte Regin. „Wenn eine Besserung meines Charakters Voraussetzung für dieses Amt ist, so werde ich an mir arbeiten.“
„Ich habe nichts anderes erwartet.“ Akkarins Roben raschelten leise, als er aufstand. „Doch nun lasse ich Euch allein. Ihr müsst über vieles nachdenken und ich sollte nachsehen, was meine Frau treibt.“
„Hoher Lord, darf ich Euch eine Frage stellen?“
Der schwarze Magier hielt auf der Türschwelle inne. „Fragt.“
„Warum habt Ihr mir damals keinen Einhalt geboten, wenn Ihr so sehr verurteilt, was ich Sonea angetan habe?“
Der Anflug eines ironischen Lächelns huschte über Akkarins Gesicht. „Weil Sonea zu stolz war, um sich von mir helfen zu lassen. Hätte ich Eure ’Streiche’ unterbunden, so hätte das nicht dazu geführt, dass sie von den anderen Magiern und Novizen respektiert wird. Diese Lektion konntet nur Ihr ihr beibringen.“
Mit diesen Worten verließ er den Raum. Die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss und Regin blieb zurück. Aufgewühlt und mit unzähligen unbeantworteten Fragen.
Und nächste Woche gibt es einige interessante und längst überfällige Begegnungen …
Fragen zum Kapitel
Was haltet ihr von den neuen Beschlüssen?
Ist es richtig, dass Asara den Mord an Arikhais Vater zugegeben hat? Was glaubt ihr, welche Konsequenzen das haben wird?
Wie denkt ihr über Soneas Worte zu Akkarin bezüglich Marika?
Welche Lösung könnte Akkarin sich für Soneas Problem mit Ishaka überlegen?
Was glaubt ihr führt Dannyl bezüglich Asara im Schilde?
Wie denkt ihr über Akkarins Anliegen an Regin? Habt ihr damit gerechnet? Ist das frischer Wind für die Gilde oder die größte anzunehmende Katastrophe?
Bonusfrage: Was ist das zwischen Mivara und Tarko?
das heutige Kapitel ist ein wenig kürzer, was unter anderem daran liegt, dass ich die Szenen eines gewissen ungeliebten Charakters rausgenommen und ins Bonuskapitel verschoben habe.
Die angekündigte Leseprobe zur im September startenden Fortsetzung („Das Erbe der schwrzen Magier I - Die Königsmörderin“) wird noch ein wenig auf sich warten lassen, da ich gerade den Umzug meines Blogs vorbereite (die DSGVO ist schuld). Länger als Ende Juni wird es jedoch nicht dauern, da danach der Camp-NaNoWriMo beginnt.
Ganz lieben Dank an Emmi und Lady Kadala für ihre Reviews zum letzten Kapitel <3
***
Kapitel 47 – Geglaubt, das Richtige getan zu haben
Sonea erwachte von einem kurzen Schmerz und etwas, das sich in ihr zu regen begann. Sie lag auf der Seite, ein Bein nach vorne gestreckt und sie spürte etwas über ihre Halsbeuge kratzen. Ein seliges Seufzen ausstoßend schloss sie die Augen und krallte sich in dem Kissen neben ihr fest.
Hinter ihr erklang ein leises Lachen und die Stöße wurden tiefer und fester, verloren jedoch nichts von ihrer Langsamkeit. Sonea konnte seine Präsenz in ihrem Geist spüren und das von ihr ausgehende dunkle Verlangen, das sich mit ihrem eigenen vereinte. Sie genoss diese Momente, in denen er sie spüren ließ, dass sie einzig und allein ihm gehörte und es ihr danach verlangte, sich ihm mit allem, was sie besaß, hinzugeben.
Seit sie wieder vereint waren, hatten sie es wiederholt getan. Obwohl einige Dinge noch immer ungeklärt zwischen ihnen standen, tat es gut, sich dem anderen auf diese ganz besondere Weise wieder nahe zu fühlen. Sonea wollte nicht einmal wissen, ob Akkarin mit ihr schlief, weil es ihm nach ihr verlangte und die Sache mit Marika nach der langen Trennung vorübergehend an Bedeutung verloren hatte. Wenn die erste Wiedersehensfreude vorüber war, würde noch genügend Zeit für unangenehme Diskussionen sein.
„Willst du, dass ich dir Erlösung verschaffe?“, murmelte er in ihr Ohr.
Sonea schnappte leise nach Luft, als sein Atem über ihre Halsbeuge strich und sein Mund die Haut unter ihrem Ohr berührte. Seit zwei Tagen hielt er sie damit hin. Und wenn sie nicht gerade wütend auf ihn war oder gegen Sachakaner kämpfte, quälte sie ihr ungestilltes Verlangen.
„Ja, Hoher Lord“, flüsterte sie. „Das will ich.“
„Wir werden sehen“, erwiderte er mit einer leisen Erheiterung, die Sonea fast um den Verstand brachte und sie wusste, sie würde alles tun, was er von ihr verlangte, damit sie Erlösung bekam.
Sie spürte, wie er in ihr anschwoll und seine Präsenz sich in ihr ausdehnte und sie mehr und mehr in Besitz nahm, bis sein Verlangen wie ein Sturm über sie hereinbrach. Eine Weile hielt er sie eng umschlungen, während seine Präsenz sich allmählich aus ihr zurückzog, und Sonea konnte spüren, wie sein Herzschlag ruhiger wurde. Schließlich küsste er die Tätowierung auf ihrem Schulterblatt und schob sie sanft von sich.
„Komm her“, sagte er und rollte sich auf den Rücken.
Sonea gehorchte, beseitigte die Spuren des Aktes von ihm, küsste hingebungsvoll seinen Oberkörper und kuschelte sich dann in seinen ausgestreckten Arm.
„Habt Ihr mir nicht noch etwas versprochen, Hoher Lord?“, fragte sie.
„Ich habe gesagt: Wir werden sehen“, erinnerte er sie. „Ich bin jedoch zu dem Schluss gekommen, dass du es dir noch nicht verdient hast.“
„Warum?“, verlangte sie zu wissen.
„Weil ich entschieden habe, dir letzte Nacht noch nicht genug meinen Unwillen über deine Geheimnistuerei gezeigt zu haben.“
Er nutzte ihren Ungehorsam für ihr Spiel. Auf eine ungeahnte Weise war das reizvoll. Sonea hatte einen Fehler gemacht, aber sie fand weiterhin, dass die Situation genau das erfordert hatte. Sie verstand seine Verärgerung und konnte sie ihm nicht übelnehmen. Und sie konnte sich denkbar unschönere Wege ausmalen, mit dieser umzugehen, als sie in das Spiel, das keines war, einzubringen. Im Bett hatte er jede Freiheit, ihr seinen Unwillen zu zeigen.
„Was muss ich tun, um es mir zu verdienen?“
„In den nächsten Wochen gehorsamer sein. Und keine Geheimnisse mehr vor mir haben.“
„In den nächsten Wochen?“, entfuhr es ihr.
„Du warst lange fort und du hattest Phantasien, die dir nicht zustehen. Es wird eine Weile brauchen, dir das wieder auszutreiben“, sagte er ungerührt. „Und je mehr du gegen mich rebellierst, desto länger wird es dauern.“
Sonea verkniff sich ihren Protest. Sie wusste, er würde sein Wort halten. Und sie würde darauf eingehen, weil sie es zu sehr genoss, wenn er so war. Zudem fand sie selbst, dass sie es wegen ihrer unanständigen Gedanken zu Marika nicht anders verdient hatte, auch wenn sie beide wussten, dass sie nichts dafür konnte. Denn letztendlich diente das nur dazu, sich wieder auf Akkarin zu zentrieren – etwas, wonach es ihr nach dieser Reise mehr denn je verlangte.
„Ich verspreche, gehorsamer zu sein“, sagte sie leise.
„Gut.“ Akkarins Finger strichen sachte über ihren Arm. „Und da es dir so sehr nach Erlösung verlangt, sollst du diese bekommen.“
„Aber …“, begann sie und hielt dann inne.
Akkarin löste sich von ihr und stand auf. Vor dem Tisch blieb er stehen und wandte sich ihr zu, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Mach es dir bequem. Du weißt, wie es geht.“
Sonea erschauderte unter seinem Blick. So wie er stand, konnte er alles sehen. Und sie wusste, er würde sie keinen Augenblick aus den Augen lassen.
Eine halbe Stunde später hatte Sonea trotz eines ausgiebigen Bades noch immer das Gefühl, die Unanständigkeit würde an ihrem Körper kleben. Während sie ihr Haar mit Magie trocknete und es zu einer traditionellen kyralischen Frisur verflocht, musste sie allenthalben daran denken, was Akkarin ihr gerade befohlen hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, doch bei den früheren Gelegenheiten hatte sie nicht anschließend ihren Feinden gegenübertreten müssen.
„So kann ich Ishaka nicht unter die Augen treten“, sagte sie zu Akkarins Spiegelbild, das sich wie ein dunkler Schatten gegen das Fenstersims gelehnt hatte und ihr beim Frisieren zusah. Wie immer war er bereits fertig. „Er wird wissen, was wir gerade getan haben.“
„Und du glaubst ernsthaft, dass er sich nicht denken kann, dass wir das schon die ganze Zeit tun?“, fragte er mit leiser Erheiterung.
„Natürlich wird er das.“ Sonea verdrehte die Augen. „Aber es ist etwas anderes, wenn es gerade passiert ist. Seine Oberflächengedanken …“
„Es besteht kein Grund für dich, seine Oberflächengedanken weiterhin zu lesen, Sonea“, sagte Akkarin ruhig. „Du warst dem lange genug ausgesetzt. Jetzt werde ich das übernehmen.“
„Und stattdessen seine schmutzigen Phantasien selbst erfahren? Und was soll ich dann bei den Gesprächen tun? Du und Dannyl werdet alles klären und ich bin dann überflüssig?“
„Sei einfach da. Sag etwas, wenn du etwas zu sagen hast, so wie du es in Yukai auch getan hast. Oder haben sämtliche Teilnehmer der anderen Gruppen viel gesprochen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es waren nie mehr als zwei, die für ihre Partei gesprochen haben.“ Sie steckte die letzte Flechte fest und wandte sich um. „Wenn du es so ausdrückst, kann ich mir gar nicht überflüssig vorkommen.“
Akkarin löste sich vom Fenster und durchmaß den Raum in wenigen Schritten. „Selbst wenn du gar nichts zu sagen hättest, wärst du nicht überflüssig“, sagte er und nahm ihre Hände zwischen seine. „Weil du es für mich nicht bist.“
„Wenn ich einfach nur still neben dir sitze und nichts tue, werden sie erst recht reden.“
„Ist es denn wirklich so unerträglich, dass sie ihre Meinung über dich haben, Sonea?“
„Nun, in Yukai war es das. Aber vielleicht ist es mit dir anders.“ Sonea musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Sie wusste, sie brauchte sich nicht in seinem Schatten zu verstecken. Aber vielleicht würde es nun besser sein, weil es sich mit Akkarin richtig anfühlte. „Zumindest will ich der Sache eine Chance geben.“
„Und wenn das nicht hilft, versuch die politischen Vorteile zu sehen.“
Sie hob eine Augenbraue.
„Die Sachakaner werden in mir einen würdigen Diskussionspartner sehen und eher dazu geneigt sein, auf die Lösung einzugehen, auf die Dannyl hingearbeitet hat.“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. Es war absolut verdreht. Aber es waren Sachakaner. Wenn es half, dass sie Akkarin mehr respektierten, dann konnte es nicht falsch sein. „Also so habe ich das noch gar nicht gesehen!“
Akkarins Mundwinkel zuckten. „Man muss mit den Waffen kämpfen, die man zur Verfügung hat“, sagte er.
„Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du nach Yukai gegangen wärst“, bemerkte sie.
„Möglich. Doch ich bezweifle, dass es die Eskalation verhindert hätte, weil ich den Anschlag nicht hätte verhindern können.“
Wahrscheinlich, dachte Sonea. Und was sie selbst betraf, so war sie froh, dass er nicht mitgekommen war.
„Also, Sonea. Bist du bereit, diese Schlacht mit mir zu bestreiten?“
Tief bewegt sah Sonea zu ihm auf. Sie wusste, er würde nichts tun, um sie bloßzustellen, wenn er den Sachakanern gab, was sie sehen wollten. Das war auch gar nicht nötig. Für sie zählte nur, das gemeinsam zu tun.
„Ja, Hoher Lord“, sagte sie. „Das bin ich.“
***
Von den Fenstern des großen Besprechungsraumes bot sich ein großartiger Blick über die zerklüfteten Berge auf der sachakanischen Seite des Stahlgurtgebirges. Seinen Becher mit dampfendem Sumi in beiden Händen haltend bewunderte Dannyl die scharfumrandeten Schatten, die das Sonnenlicht auf dieses Panorama warf. Die Aussicht erinnerte ihn daran, wie die Gilde zwei Jahre zuvor hier ihren Posten bezogen hatte. Damals war Frühling gewesen und die Berge oft tagelang in Wolken gehüllt. Jetzt im Hochsommer brannte die Sonne von einem strahlendblauen Himmel und das mit einer Intensität, die jener in den Ödländern und der Wüste von Duna Konkurrenz machte. Nur, dass ihre Strahlen dabei so hoch oben nur wenig wärmten.
Als die Tür aufging, wandte er sich um. Asara stiefelte in Begleitung von Estara, Varala, Ishaka und Takiro in den Raum. Ihre Kleider waren gewaschen, ihr Haar glänzte wieder und hing in einem langen, schweren Zopf ihren Rücken hinab. Nach Yukai war es ungewohnt, sie in Gegenwart der Imperialisten nicht verhüllt zu sehen. Aber da ihre Tarnung aufgeflogen war, hatte dies seinen Sinn verloren. Die beiden Ashaki hatten ihre persönlichen Sklaven mitgebracht, als wollten sie damit demonstrieren, dass sie sich nicht auf ein Ende der Sklaverei einlassen würden.
„Guten Morgen“, grüßte Dannyl. Er wies zum Tisch. „Setzt Euch. Der Hohe Lord und seine Frau werden bald hier sein. Was ist mit Arikhai und seinen Beratern?“
„Werden wahrscheinlich bald eintreffen“, antwortete Takiro. „Sie haben den weitesten Weg.“
Die Duna hatten sich geweigert, im Fort Quartier zu beziehen, obwohl die Gilde ihnen Zimmer für die Kriegsherren und ihre Berater angeboten hatte. Das Wüstenvolk war es nicht gewohnt, in Gebäuden zu schlafen. Ihre Abneigung gegen ein so mächtiges Bauwerk wie das Fort übertraf sogar die gegen die Anwesen, die Kachiro ihnen in Sachaka zur Verfügung gestellt hatte. Dannyl konnte ihr Unbehagen verstehen. Auf sie musste das Fort wirken, als wären sie inmitten eines Berges eingeschlossen.
Die Sachakaner setzten sich an den Tisch. Zu Dannyls Erheiterung hielten sie dabei möglichst großen Abstand zueinander. Nachdem Asara so gut mit Ishaka zusammengearbeitet hat, müssten sie einander doch mehr mögen, dachte er. Doch jahrelanges Misstrauen ließ sich nicht über Nacht abbauen. Ashaki und Verräter würden einander weiterhin beweisen müssen, bevor aus der gegenwärtigen Akzeptanz Vertrauen wurde.
Diener kamen mit Erfrischungen, kleinen herzhaften Brötchen, Kegelkuchen und Früchten. Wenig später öffnete sich die Tür erneut und Akkarin schritt in den Raum, eine Hand zwischen Soneas Schulterblätter gelegt. Dannyl erhob sich von seinem Stuhl und die beiden Sachakanerinnen taten es ihm nach. Sein Auftritt schien sogar bei den Ashaki Eindruck zu hinterlassen, denn sie unterbrachen ihr leises Gespräch und starrten ihn an, bevor auch sie sich erhoben.
„Guten Morgen“, grüßte Akkarin kühl und ließ sich am Kopfende des Tisches nieder. Sonea setzte sich auf den Stuhl rechts von ihm, die Hände im Schoß gefaltet.
„Guten Morgen, Hoher Lord und Lady Sonea“, erwiderten Dannyl und die anderen.
Dannyl bemerkte, wie Ishaka das Paar mit Interesse beäugte. Als der Blick des Ashaki dem Soneas begegnete, zuckte sie kaum merklich zusammen, doch als Akkarin den Mann mit einem kühlen Blick bedachte, entspannte sie sich wieder. Ishaka schenkte ihr ein wissendes Lächeln und wandte sich dann wieder Takiro zu.
Ich kann nicht glauben, dass wir uns mit ihm verbündet haben, fuhr es Dannyl durch den Kopf. Er ist so schmierig.
Was das auch immer gerade gewesen war, es war dazu gedacht, auf Soneas Kosten zu gehen. Sonea schien das jedoch gelassen zu nehmen. Wo sie in Yukai verletzlich gewirkt hatte, wirkte sie nun stolz und selbstbewusst. Dannyl hätte jedoch nicht sagen können, ob das dadurch kam, dass sie sich an Akkarins Seite stärker fühlte, oder ob sie in den vergangenen Wochen an sich gewachsen war.
Wenig später erschien Lenyaka. Arikhai traf mit seiner ersten Frau, Tarrekh und Mirakhi zuletzt ein. Der Kriegsherr würde stellvertretend für alle Duna sprechen, die an seinem Feldzug teilgenommen hatten. Die Anführer der anderen Stämme waren derweil in der Schlucht mit einigen Ashaki und Gildenmagiern beschäftigt, die Aufräumarbeiten zu organisieren und zu überwachen.
„Nun“, sagte Dannyl, als alle Platz genommen hatten, „beginnen wir. Nach den jüngsten Ereignissen rechne ich damit, dass wir dieses Mal rasch zu einer Einigung gelangen.“ Er sah zu Asara. „Ist die Große Mutter informiert?“
„Sie ist unterwegs und wird in wenigen Tagen hier eintreffen“, antwortete Asara.
„Kennt sie den wahren Grund für diese Zusammenkunft?“
„Nein.“
„Gut.“ Dannyl lächelte und sah dann zum Anführer der Gilde. „Und der König?“
„Ist ebenfalls unterwegs“, erklang Akkarins kühle Stimme. „Ich werde seine Wünsche bis dahin vertreten.“
Dann war es umso besser, wenn sie bis dahin zu einer Einigung gekommen waren. Aber Dannyl war überzeugt, das würden sie. Es gab nicht mehr viel, was zwischen ihnen stand.
Er öffnete eine Mappe. „Wir haben folgende Punkte zu klären: Das Einlösen des Versprechens, die Duna beim Erlangen der Herrschaft über die Aschenwüste zu unterstützen. Die Klärung der Schuldfrage bezüglich des Tötens ihres früheren Anführers Karami und seiner Sandreiter bei dem Vorfall, der als das Massaker von Arvice bekannt ist. Die Zukunft der Rebellen. Die Zukunft der Ödländer und Sachakas im Allgemeinen. Die Zukunft des Verhältnisses zwischen Gilde und Verrätern. Die Klärung noch offener Reparationen für die Entweihung des Tempels von Yukai. Und die Lösung des Konflikts zwischen Kyralia, Sachaka und den Verrätern und sämtliche damit verbundenen Reparationen.“
Er warf einen Blick in die Runde. Akkarin nickte ihm kaum merklich zu, woraufhin Dannyl zurück auf seine Notizen sah. „Ich schlage vor, wir beginnen mit der Partei, deren Involvierung in diesen Konflikt am geringsten ist – den Duna.“
Niemand erhob Protest, Dannyl glaubte jedoch, Anerkennung in Akkarins dunklen Augen zu sehen. „Nach den Gesprächen, die ich mit den verschiedenen Parteien geführt habe, und den Ergebnissen des gestrigen Gesprächs von Kriegsherr Arikhai und dem Hohen Lord Akkarin, bietet sich folgende Lösung an. Die Verräter, sofern sie damit einverstanden sind, unterstützen Arikhai und seinen Stamm dabei, die Aschenwüste unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ob in Form von Magiern oder Magie in Speicherkristallen steht dabei noch offen. Im Gegenzug hilft Arikhais Stamm, andere Stämme der Duna aus dem besiedelten Gebiet nahe der Aschenwüste fernzuhalten. Asara hat zudem angeboten, drei ihrer Schwestern dauerhaft bei den Duna leben zu lassen als Ausgleich für ihre Beteiligung am Massaker von Arvice. Diese müssten dies jedoch freiwillig tun wollen, was bedeutet, dass die endgültige Klärung dieses Punktes warten muss, bis die Verräter sich neu organisiert haben.“
Asara räusperte sich leise und richtete sich auf. Sofort wandten sich alle ihr zu.
„Das ist so nicht ganz richtig.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug. „Ich biete mich freiwillig an, bei den Duna zu leben. Nachdem ich Kriegsherr Karami getötet habe, ist das nur gerecht. Zudem übernehme ich die Verantwortung für die Morde einer ehemaligen Schwester, die an dem Massaker von Arvice beteiligt war.“ Mit entschlossener Miene sah sie zu Arikhai. „Sobald die Krise bei meinem Volk geregelt ist, werde ich mich Euch ausliefern.“
Augenblicklich kehrte Stille ein. Alle, einschließlich Dannyl, betrachteten die Verräterin ungläubig. Einzig Akkarin wirkte nicht überrascht.
„Interessant“, murmelte Mirakhi. „Von den drei Magiern, die für das Massaker von Arvice verantwortlich sind, übernehmen die beiden Überlebenden die Verantwortung für die Taten der dritten Beteiligten.“
„Savara war eine Verräterin, die jedoch von ihrem Volk ausgestoßen wurde und von da an für Akkarin gearbeitet hat“, erklärte Dannyl. „Sie war mit der Suche nach Lady Sonea beauftragt und hatte gehofft, auf diese Weise wieder von ihren Leuten aufgenommen zu werden.“
Arikhai hatte derweil keine Miene verzogen. „Ich nehme Euer Angebot an und wünsche, dass Ihr und der Hohe Lord die Verantwortung für die Taten dieser Savara unter Euch aufteilt. Doch ich lasse mein Volk darüber entscheiden, ob Ihr bei uns leben dürft oder hingerichtet werdet.“
Asara schluckte. „Ich verstehe.“
Varala beugte sich zu ihr. „Asara, Liebes. Das kannst du nicht machen“, hörte Dannyl sie flüstern. „Unsere besten Leute sind entweder tot oder unterstützten Savedra. Wir brauchen dich jetzt mehr denn je.“
„Deswegen sagte ich auch: sobald wir unsere Angelegenheiten geregelt haben.“
„Ich denke, das ist eine Entscheidung, die die neue Große Mutter treffen sollte.“
„Varala, versuch nicht, mir meine Entscheidung auszureden. Ich habe einen Fehler gemacht und muss mich dem nun stellen.“
„Es war kein Fehler, sondern eine Notwendigkeit“, gab Varala zurück.
„Wenn ich dafür eine unserer Schwestern daran hindern kann, ihr Leben als Verräterin aufzugeben, soll mir das nur recht sein.“ Asara warf Dannyl einen hilfesuchenden Blick zu. „Fahrt fort, Auslandsadministrator. Das Thema ist für mich geklärt.“
Obwohl Dannyl nicht begeistert war, nickte er. Er würde später noch die Gelegenheit haben, bei Arikhai ein gutes Wort für Asara einzulegen und versuchen ihn davon abzubringen, sein Volk über das Leben der Frau, die ihm schon so oft das Leben gerettet hatte, entscheiden zu lassen.
Er nickte Akkarin zu. „Hoher Lord, Ihr habt das Wort.“
„Danke, Auslandsadministrator“, erwiderte der schwarzer Magier. „Kriegsherr Arikhai und ich sind bei unserem gestrigen Gespräch zu der Übereinkunft gekommen, dass die Gilde sich nicht an der Unterwerfung der Aschenwüste beteiligen wird, weil dies nur einen weiteren Konflikt heraufbeschwören würde und uns vom Verteidiger zum Aggressor macht. Als Reparationsleistung für die Morde an Kriegsherr Karami und seiner Delegation werden wir den Duna Speichersteine zur Verfügung stellen, die mit der Magie unserer Magier gefüllt sind. Jeder Speicherstein soll einem von mir oder Savara getöteten Duna entsprechen. Die Magie symbolisiert dabei die Magie, die wir ihnen damals genommen haben. Da ich und Savara uns vor jenem Überfall an der Gilde gestärkt haben, ist es nur fair, wenn die Magie in jenen Speichersteinen auch von der gesamten Gilde gegeben wird.“
„Die Speichersteine werden in Imardin geladen und dann von einem Kurier nach Duna überbracht“, fügte Dannyl hinzu. Es war bemerkenswert, dass ein so kriegerisches Volk nur jene Speichersteine wollten, die zum Aufbewahren von Magie gedacht waren. Mirakhi hatte ihm bei dem Gespräch am vergangenen Abend erklärt, dass verunreinigte Steine in seinem Volk nicht als heilig galten.
„Wären sie denn nicht noch mächtiger als die reinen Speichersteine?“, hatte Dannyl gefragt. „Sowie das Blut der Erde für Euer Volk mächtiger als die Sonne ist?“
„Die Kristalle, die in der Erde der Aschenwüste geboren werden, sind rein“, hatte der Gelehrte ihm erklärt. „Sind sie es nicht, so sind sie es auf eine Weise, die keine Magie halten kann. Die Kristalle, die Eure Gilde geschaffen hat, sind dagegen auf gewollte Weise verunreinigt worden.“
„Was ist mit dem Versprechen, das Sachaka den Duna gegeben hat?“, fragte Takiro. „Die Duna zu unterstützen war der Preis für unser Bündnis und nach allem, was in den vergangenen beiden Jahren geschehen ist, stehen wir noch tiefer in ihrer Schuld.“
„Ihr werdet dieses Versprechen einlösen“, antwortete Dannyl. „Doch für den Augenblick sollte Euer eigenes Land im Vordergrund stehen. Solltet Ihr zu dem Schluss kommen, noch genügend Ressourcen zur Verfügung zu haben, steht es Euch frei, Euch an dieser Aktion zu beteiligen.“
„Er hat recht, Takiro“, hörte er Ishaka sagen. „Die Probleme unseres eigenen Landes haben Vorrang. Wenn in Sachaka wieder Frieden herrscht und genügend Magier gewillt sind, zu helfen, werden wir unsere Verbündeten unterstützen.“
„In Bezug auf die Zerstörung des Tempels von Yukai sei abschließend noch zu erwähnen, dass die Duna von weiteren Vergeltungsmaßnahmen absehen“, fuhr Dannyl fort. „Wir sind übereingekommen, dass die hier anwesenden Gildenmagier, Duna, Verräter und Ashaki einer Intrige zum Opfer gefallen sind und die eigentlichen Verantwortlichen bis auf eine kleine Gruppe von Rebellen bei der gestrigen Schlacht gestorben sind und ihre Schuld damit getilgt wurde.“
„Und die Rebellen?“, fragte Tarrekh.
„Dazu komme ich nun“, sagte Dannyl. Er räusperte sich. „Von den vier Rebellen, die Yukai überlebt haben, sind noch Lenyaka, Tylava und Beccari übrig. Mir wurde zudem gesagt, dass einige Ichani von Mirikos Gruppe, die nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, sich an einen unbekannten Ort in den Ödländern zurückgezogen haben – ist das richtig?“
„Das sind nur Gerüchte, aber es ist möglich“, antwortete Estara. „Als meine Schwestern und ich in den fruchtbaren Regionen waren, habe ich erfahren, dass mehrere Ichani während der Konferenz Gocharas Anwesen besetzt gehalten haben. Sie konnten jedoch fliehen, bevor wir und die Armeen der Ashaki in diese Region kamen.“
„Von wie vielen Ichani sprechen wir?“
Die Verräterin hob die Schultern. „Eine Handvoll vielleicht.“
Dannyl nickte. „Also eine Handvoll Ichani und eine Handvoll Rebellen.“ Er sah zu Asara und Ishaka. „Die Entscheidung obliegt Euch.“
„Ich spreche mich dafür aus, dass die Angelegenheit mit den Rebellen von meinem Volk allein geregelt wird, sobald wir uns neuorganisiert haben“, sprach Asara. „Wir hätten uns dieses Problems schon viel eher annehmen sollen. Doch jetzt, wo Savedras Herrschaft kurz vor dem Ende steht, ist es Zeit, auch bei uns die Enrasa-Karten neu zu verteilen.“
Ishaka tauschte einen kurzen Blick mit Takiro und Hakaro. „Ich erkläre die Ichani um Miriko zur Angelegenheit Sachakas. Wir werden sie angemessen bestrafen oder ihnen Land in den Ödländern geben, sollten sie Anzeichen der Besserung zeigen. Sollten die Rebellen ihre Bestrafung überleben, so können sie wie in Yukai vereinbart, für uns als Söldner arbeiten. Allerdings verlangen wir die Auslieferung Takedos.“
„Ihr bekommt Ashaki Takedo, wenn Ihr davon abseht, Lady Sonea für den Mord an König Marika zur Rechenschaft zu ziehen“, erklärte Asara kühl. „Andernfalls wird Takedo sterben.“
Jetzt, wo Takedos Rolle in Savedras Spiel ans Licht gekommen war, hatten die Verräter keinen Grund mehr, ihn für sich zu beanspruchen. Die Ashaki wollte ihn noch immer für seine Taten bestrafen, wodurch Asara ein hervorragendes Druckmittel hatte, um ihren Willen durchzusetzen. Dannyl wusste, sie würde ihre Drohung wenn nötig wahr machen. Takedo war für den Tod mehrerer ihrer Schwestern verantwortlich. Das konnte nicht ungesühnt bleiben.
„Wir sehen davon ab, weil Gegenteiliges für einen Frieden zwischen unseren Völkern nicht förderlich wäre“, sprach Ishaka. Seine Augen musterten erst Akkarin, dann die kleine schwarze Magierin. „Das bedeutet jedoch nicht, dass ihre Schuld damit aufgehoben ist.“
„Damit kann ich leben, Ashaki Ishaka“, erwiderte Sonea. „Zugunsten meiner Freiheit nehme ich dies gerne in Kauf.“
„Freiheit ist ein sehr subjektives Empfinden. Ich bezweifle, dass Ihr jemals wirklich frei sein werdet, Lady.“
„Jeder ist so frei, wie er es gerne sein will. Seid Ihr denn frei, Ashaki Ishaka?“ Sie warf Dannyl einen flehenden Blick zu.
Dannyl schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und zwinkerte ihr zu. Sonea erwiderte sein Lächeln und sah dann zu Akkarin, als dieser kurz über ihren Nacken strich, und Dannyl begriff, dass die beiden dabei waren, ihr eigenes, subtiles Spiel gegen die Ashaki zu spielen.
Er rieb sich die Hände. Möge die Schlacht beginnen.
„Da die Duna zufriedengestellt und die beiden Ichani-Gruppen außerhalb dieser Runde behandelt werden, kommen wir nun zur eigentlichen Streitfrage: Wie kann der Konflikt zwischen Sachaka, der Gilde und den Verrätern beigelegt werden?“
Augenblicklich spannten sich alle an. Außer den Duna. Akkarin wirkte weiterhin kühl und gelassen und nichts von seiner Miene gab seine Gedanken preis.
„Ich denke“, sprach Takiro in die plötzliche Stille, „dass eine Begrünung der Ödländer als erster Schritt einer Wiedergutmachung durch die früheren Taten der Gilde ein guter Anfang wäre. Viele Sachakaner würden es begrüßen, wenn das verwüstete und verdorrte Land wieder fruchtbar wird, weil es die Probleme im eigenen Land lösen würde. Nicht wenige sind sogar bereit, dies als Alternative zur Eroberung Kyralias zu akzeptieren.“
Auf einmal?, dachte Dannyl. Er fragte sich, ob dies vor zweieinhalb Jahren ähnlich gewesen wäre, hätten die Ashaki von dieser Option gewusst. Es war vor allem Marika gewesen, der diesen Krieg gewollt hatte, und er hatte mit der Aussicht auf Vergeltung dafür, dass die Gilde Sachaka in den Ruin getrieben und über Jahrhunderte hinweg verhöhnt hatte, geworben. Doch die Gilde war nicht mehr länger schwach, Marika war tot, und der Krieg hatte Sachaka sehr viel mehr gekostet, als die Ashaki sich hatten träumen lassen.
Und die meisten von Kachiros Anhängern waren tot. Diejenigen, die sich Ishaka und dem Palastmeister angeschlossen hatten, waren ganz offenkundig kompromissbereiter.
„Die Gilde ist einverstanden, die Ödländer wieder bewohnbar zu machen und die wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Beziehungen nach Sachaka zu stärken“, sprach Akkarin. „Des weiteren ist sie bereit, Heiler zu entsenden. Auf diese Weise wäre eine friedliche Koexistenz denkbar, sofern Sachaka den Verrätern zusätzlich ein Mitspracherecht in der Politik erlaubt und weitere ihrer Bedingungen zulässt.“
„Was ist mit einer Aufnahme in die Allianz in einigen Jahren, Hoher Lord?“, fragte Takiro. „War das nicht einmal Gespräch?“
„Das war es. Doch die Herrscher der Verbündeten Länder haben ihr Angebot nach dem Vorfall in Yukai zurückgezogen. Für den Augenblick kann ich Euch nur eine Annäherung zu den Ländern der Allianz anbieten, von der Sachaka jedoch profitieren wird.“
„Damit würde das Wissen Eurer Gilde für uns in noch weitere Ferne rücken“, bemerkte der Ashaki.
„Das Teilen von Wissen beruht auf Vertrauen“, antwortete Akkarin. „Ich bin sicher, dieses Prinzip ist Euch geläufig. Wir mögen einen gemeinsamen Feind besiegt haben, doch in der Vergangenheit ist zu viel vorgefallen, als dass wir Euch unser Vertrauen blindlings schenken würden. Oder wollt Ihr behaupten, Ihr würdet uns vertrauen?“
Takiro machte ein unglückliches Gesicht und schwieg.
„Hoher Lord, Ihr sagtet, Euer König würde in wenigen Tagen hier eintreffen“, sagte Ishaka, während seine Finger betont lässig über seinen Rakabecher strichen, so wie er es in Yukai oft mit Saris Nacken getan hatte. „Wenn dem so ist, dann wünschen wir, dieses Thema mit ihm persönlich zu diskutieren.“
„Tut Euch keinen Zwang an, Ashaki Ishaka“, erwiderte Akkarin. „Ich bin sicher, König Merin wird höchst erfreut sein, den momentan neben dem Palastmeister vermutlich wichtigsten Mann Sachakas kennenzulernen.“
Ein Lächeln, das Dannyl an das Zähnefletschen eines Raubtieres erinnerte, huschte über das Gesicht des Ashaki. Diese beiden Männer würden einander niemals mögen. Und er ahnte auch, warum: Sie waren einander zu ähnlich.
„Stimmt Sachaka denn einer Begrünung der Ödländer nun endgültig zu, oder wünscht Ihr auch das mit unserem König zu besprechen, Ashaki Ishaka?“, fragte Dannyl.
„Die Begrünung der Ödländer soll in jedem Fall stattfinden, Auslandsadministrator“, antwortete Ishaka. „Davon kann unser Land nur profitieren. Allerdings behalten wir uns vor, einen entlegenen Teil als Ödland zu behalten, um dort in Ungnade gefallene Ashaki zu verbannen, von denen es in der nächsten Zeit mit Sicherheit nicht weniger geben wird.“
„Wie viel der Fläche von der Gilde wieder fruchtbar gemacht werden soll, liegt in Eurem eigenen Ermessen“, stellte Dannyl klar. „Unsere Alchemisten werden sich zu gegebener Zeit mit Euch treffen und die Details besprechen.“
„So schnell?“, fragte Hakaro überrascht.
„Unsere Alchemisten haben begonnen, die verschiedenen Möglichkeiten zu diskutieren, als das Thema erstmals in Yukai aufkam“, erwiderte Dannyl. „Nur so konnte ich Euch über die genaue Vorgehensweise informieren.“
„Und was verlangt die Gilde dafür, dass wir sie angegriffen haben?“, wollte Takiro wissen. „Es kann doch nicht sein, dass Ihr gar keine Forderungen stellt?“
„Nur, dass Ihr die Angriffe einstellt und jeden Anspruch auf Kyralia und seine Bewohner zurücknehmt“, sprach Akkarin.
Unter seiner tiefen Stimme verstummte Takiro rasch. Und zum ersten Mal begriff Dannyl, wie sehr der Hohe Lord auch bei den Sachakanern gefürchtet war.
„Die Gilde zieht es vor, zukünftige Feindseligkeiten zwischen unseren Völkern zu vermeiden, indem sie Sachaka zu größerem Wohlstand verhilft“, sagte Dannyl. „Wir übernehmen damit die Verantwortung für die Taten der frühen Gilde. Hätten wir Sachaka nach dem letzten Krieg nicht zerstört und sich selbst überlassen, so wäre der Hass seiner Bewohner nicht über Generationen geschürt worden und dieser Krieg hätte vielleicht verhindert werden können.“
Akkarins Blick begegnete seinem und der Hohe Lord nickte kaum merklich.
Ishaka und Takiro diskutierten auf schnellem Sachakanisch. „Eure Worte zeugen von Größe“, sprach er schließlich. „Sachaka akzeptiert Euer Angebot der Wiedergutmachung. Was die Möglichkeit einer Allianz betrifft, so wünsche ich weiterhin die Bedingungen mit dem Hohen Lord und dem König von Kyralia zu diskutieren.“
Das wird dann der wirklich anstrengende Teil, dachte Dannyl. Es gab Dinge, die die Sachakaner wollten, die sie von der Gilde jedoch nur unter bestimmten Bedingungen erhalten würden. Kein Sachakaner würde auf seine Sklaven verzichten wollen. Auch nicht nach dem Tod Kachiros und seiner Anhänger. „Ich werde bei diesem Gespräch vermitteln“, erklärte er.
Zuletzt wurde die Zukunft von Verrätern und Ashaki diskutiert. Wo beide nach Yukai eine bemerkenswerte Einigkeit gezeigt hatten, waren sie nun so zerstritten wie eh und je.
„Die Verräter wünschen neben dem Mitspracherecht bei allen politischen Entscheidungen, das Recht, von den Besitztümern eines verstorbenen Ashaki, der keinen Erben hinterlässt, die Sklaven und Familienmitglieder mitzunehmen, die sich den Verrätern anzuschließen wünschen“, erklärte Asara. „Oder, sollten sie nicht rechtzeitig davon erfahren, sich jener anzunehmen, die der neue Besitzer nicht behalten will und die stattdessen verkauft oder getötet würden.“
Zum ersten Mal wurde Dannyl bewusst, wie natürlich die Verräterin, die zu einer Freundin geworden war, die Führung übernahm. In Yukai hatte sie hin und wieder die Verhandlungen für Zalava geführt, doch nun sprach sie für all jene, die sie seitdem vereint hatte. Sie würde eine hervorragende Große Mutter abgeben, hätte sie sich nicht entschlossen, sich Arikhai auszuliefern, dachte Dannyl ein schmerzhaftes Bedauern verspürend.
„Ihr verlangt viel dafür, dass Ihr in der Vergangenheit so viel Schaden angerichtet habt“, bemerkte Ishaka.
„Wir verlangen, was richtig ist und Sachaka zu einem besseren Ort macht“, gab Asara zurück. „Bei der Übernahme eines Anwesens werden oft jene Sklaven getötet, die der neue Besitzer nicht mehr gebrauchen kann, oder er verkauft sie an andere Ashaki. Oft hat er mehr Sklaven, als er benötigt, um zwei Anwesen gleichzeitig zu unterhalten. Sie hätten ein besseres Leben bei uns.“
„Was spricht dagegen, diesen Menschen die Freiheit zu schenken?“, kam Sonea ihr zur Hilfe. „Ich verstehe, dass die Ashaki und der König das Bestimmungsrecht über die Sklaven wollen. Ihnen das abzusprechen, wäre zu viel verlangt. Aber was, wenn ein Gesetz erlassen wird, dass die Sklaven, die ein Ashaki nicht gebrauchen kann, die Freiheit erlangen? Dann hätten diese Menschen, die Möglichkeit, ein Leben als Bauern oder Handwerker zu führen oder sich den Verrätern anzuschließen, wenn sie das wünschen. Niemand würde davon einen Nachteil haben. Besonders nicht, wenn Verräter und Ashaki von nun an zusammenarbeiten.“
Während sie gesprochen hatte, hatte Ishaka sie mit einer Mischung aus Neugier und Anerkennung gemustert. „Wir werden über diese Frage beraten“, sprach er. „Eure Argumente sind nicht von der Hand zu weisen und es wäre nicht das erste Mal, dass Ihr einen guten Vorschlag macht, die Politik Sachakas zu verbessern. Allerdings sorgt das sachakanische Blut in unseren Adern dafür, dass wir dazu neigen, alles zu kontrollieren. Gewiss habt Ihr das nicht vergessen.“
Sonea und Akkarin tauschten einen Blick. „Nein“, sagte sie hart. „Das habe ich nicht.“
***
Das Krächzen der Parrook im Garten und etwas Heißes auf ihrem Arm und ihrer Wange weckten Mivara. Sie schlug die Augen auf. Die durch die Bettvorhänge fallenden Sonnenstrahlen sagten ihr, dass es früher Nachmittag war.
Neben ihr erklang ein leises Schnarchen. Tarko lag auf dem Rücken, im Schlaf war ihm das Laken bis auf die Lenden herabgerutscht. Als Mivara sich auf die Seite drehte, spürte sie einen Widerstand an ihrem Hals und ihre Hand fuhr zu dem breiten Metallband, das ihren Hals umschloss – das Halsband, das Tarko jenen Sklavinnen anlegte, die sich als rebellisch und ungehorsam erwiesen.
Die vergangene Nacht war lang und heftig ausgefallen. Nachdem Tarko entschieden hatte, sie zu behalten, hatte er Mivara das Halsband angelegt und sie an einer Kette in den Raum des Meisters geführt. Mivara hatte ihn beim Abendmahl bedient. Hin und wieder hatte er sie gefüttert und sie hatte seine Hand liebkost und an seinen Finger gesaugt, was seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Anschließend hatte Tarko seine Cachira in ihre Gemächer geschickt und sich mit Mivara allein vergnügt. Der Rest des Abends war wie in einem einzigen Rausch der Lust vergangen.
Was andere Sklavinnen möglicherweise als Strafe empfunden hätten, war für Mivara ein zutiefst befriedigendes Erlebnis gewesen. Man konnte einen Menschen nicht mit etwas bestrafen, was diesem gefiel. Tarko konnte sie so viel züchtigen wie er wollte – es würde für Mivara immer nur ein Lustgewinn sein, weil es für ihn ein Lustgewinn war. Selbst, wenn sie nichts für ihn übrig gemacht hätte, wäre es keine Bestrafung gewesen, weil ihr der Sex mit ihm gefiel und weil Tarko Grenzen setzte, die Rovako nicht interessiert hatten. Es war ein Spiel und das wussten sie beide.
Und es war falsch.
Ich sollte gehen, dachte Mivara. Gehen, bevor er aufwacht. Anjiaka würde sie mit Freuden aufnehmen. Ihr Auftrag hatte ein jähes Ende gefunden und die Möglichkeiten, Tarko auszuspionieren, waren ihr ausgegangen. Und doch hatte sie entschieden, bei ihm zu bleiben, bis er sie fortschickte oder sie von ihren Leuten anderweitige Befehle erhielt.
Mivara streckte eine Hand aus und berührte das Metall an ihrem Hals. Sie wollte nicht gehen. Ihre Leute mochten sie für tot halten, doch sie würde solange bleiben, wie das hier währte.
Meine Schwestern können mich zurückbeordern, wenn sie erfahren, dass ich noch lebe. Aber sie können mich nicht zwingen.
Sie betrachtete Tarko. Im Schlaf erinnerte er in keinster Weise an den respektablen und mächtigen Ashaki. Und doch war er alles, was Mivara wollte.
Ob ihre Schwestern sie dafür schelten würden? In ihren Augen war Mivaras Entscheidung ein Rückschritt in eine barbarische Lebensweise. Aber in der Geschichte ihres Volkes war sie nicht die Erste, die ein Leben als Bettsklavin, dem Leben einer Informantin oder einer Söldnerin vorzog. Bei dem richtigen Ashaki konnte es einem gut ergehen und man lebte in einer Sicherheit, die für einen Nichtmagier in Sachaka nicht selbstverständlich war. Als Bettsklavin hatte man ein angenehmes Leben, sofern man nichts dagegen hatte seinen Meister musisch zu unterhalten und keine Schwierigkeiten mit stundenlangem Knien und müden Armen hatte. Andere Sklaven verrichteten von früh bis spät harte Arbeit. Mivaras Leben bestand aus Schlafen, feinen Kleidern, Badehäusern, dem Bedienen ihres Meisters und dem Tanzen für diesen – und jeder Menge Sex.
Mit einem Lächeln richtete sie sich auf. Zwischen den Kissen erblickte sie etwas silbern glitzerndes. Die Kette, die Tarko am vergangenen Abend gelöst hatte, damit sie sich nicht daran im Schlaf erwürgte. Danach greifend beugte Mivara sich über den Oberkörper ihres Meisters und bedeckte ihn mit leidenschaftlichen Küssen.
Tarko machte ein grunzendes Geräusch und bewegte sich. Mivara schlug das Laken zurück und setzte sich auf ihn.
„Hm“, machte er genüsslich.
„Guten Morgen, Meister“, flüsterte Mivara und streifte mit ihren Lippen über sein Ohr.
„Hör auf mich so zu nennen“, knurrte er.
„Noch vor wenigen Stunden habt Ihr mich Eurem Willen unterworfen“, erwiderte Mivara und biss in sein Ohrläppchen.
Tarko sog scharf die Luft ein und Mivara spürte, wie sich etwas zwischen ihren Beinen verhärtete, ohne dass sie die Hand nach seinem Schoß ausstrecken musste.
„Und doch bist du keine richtige Sklavin.“
„Und doch genießt Ihr es, mich zu unterwerfen. Sagt – ist es eine besondere Herausforderung, wenn die Frau, die Ihr zu unterwerfen versucht, keine echte Sklavin ist?“
Bevor Tarko nach ihrem Nacken langen konnte, hatte Mivara sich aufgerichtet und hielt ihm das Ende der Kette in die Hand gedrückt.
Tarko befestigte die Kette an ihrem Halsband.
„Das ist es.“
Dann drehte er sie grob auf den Bauch und nahm sie so heftig, dass Mivara nicht anders konnte, als ihre Lust laut herauszuschreien.
Eine halbe Stunde später lag sie erschöpft auf dem Rücken und versuchte, sich nicht zu bewegen. Ihr Schoß war wund und geschunden von dem, was Tarko mit ihr getan hatte. Nachdem er sich in sie ergossen hatte, hatte er mit seinen Fingern weitergemacht. Er hatte Mivara verboten, erneut laut zu werden, was die gesamte Angelegenheit in eine berauschende Mischung aus Schmerz und Lust verwandelt hatte.
Als Tarko aufstand, schlug raste Mivaras Herz noch immer. So grob war er noch nie gewesen. Und sie hatte das selten mehr genossen. Eine leise Stimme flüsterte ihr jedoch, dass es falsch war und sie war unfähig zu begreifen, warum dies so sein sollte, wenn sie beide doch so viel Freude aneinander hatten. Mit einem Mal drohte sie die Furcht, dass das hier endlich war, sie zu überwältigen und sie war mehr denn je bestrebt, das zwischen ihr und Tarko auszukosten. Sie wusste, sie würde das andernfalls bis ans Ende ihrer Tage bereuen.
Ihr Meister warf sich ein einfaches Gewand über. Mivara beobachtete, wie er zum Bett zurückkehrte und die Kette von ihrer Verankerung in der Wand löste.
„Ich gehe ins Badehaus“, erklärte er. „Ich will, dass du mich wäschst.“
„Mit Freuden, Meister“, erwiderte Mivara wissend, dass sämtliche Sklaven, denen sie auf dem Weg durch den Garten sie nackt sehen würden.
Aber sie wusste auch, dass die Alternative für sie und Tarko nur halb so erfüllend sein würde.
***
Als der schöne Gildenmagier die Diskussionsrunde für beendet erklärte, atmete Asara auf. Rasch schob sie ihren Stuhl zurück und beeilte sich, den Raum zu verlassen.
„Asara!“
Die helle Stimme hallte an den zugigen Steinwänden des Forts wider, gefolgt von hastigen Stiefelschritten.
„Warte auf mich!“
Für einen kurzen Augenblick war Asara versucht, die Besitzerin der Stimme zu ignorieren und weiterzugehen. Aber würde das Problem nur aufschieben. Und sie hasste es, das Unvermeidliche hinauszuzögern.
Mit einem tiefen Seufzen wandte sie sich um. „Was willst du?“
Atemlos kam Varala vor ihr zum Stehen. „Mit dir reden.“ Sie warf einen Blick zurück, wo gerade die Ashaki und die Duna den Raum verließen. „Aber nicht hier.“
„In meinem Quartier werden wir auch nicht reden.“
Ihre Schwester verzog das Gesicht. „Dann schlag etwas vor.“
Asara brauchte nicht lange überlegen. Am vergangenen Abend hatte sie das hässliche Gebäude, das die junge Gilde aus dem Fels gehauen hatte, ausgiebig erkundet. „Komm mit“, sagte sie.
Ohne sich umzusehen, wandte sie sich zur Treppe und erklomm die Stufen. Obwohl die Stufen steil genug waren, dass sie bald außer Atem war, hielt sie weder inne noch verlangsamte sie ihren Schritt. Varala sollte bloß nicht auf die Idee kommen, sie noch während des Weges mit anklagenden Fragen zu penetrieren.
Als sie schon glaubte, sich in der Treppe geirrt zu haben, endete diese vor einer Tür und Asara trat ins Freie. Ein kalter Wind erfasste sie von hinten und warf ihren Zopf nach vorne. Die Luft war kalt, doch nach der Diskussion hieß Asara die Kühle willkommen. Sich umblickend entdeckte sie einen Magier in roten Roben, der auf die sachakanische Seite starrte.
„Ist das der Turm?“, hörte sie Varala hinter sich fragen.
Der Gildenmagier fuhr herum und seine Augen weiteten sich. „Wir sind nicht hier, um Euch etwas zu tun“, sagte Varala auf Kyralisch. „Wir wollen nur die Aussicht genießen.“
Die Antwort des Kriegers ignorierend trat sie zur Brüstung und ließ ihren Blick über die Berge schweifen. Zu ihrer rechten Seite breiteten sich die zerklüfteten Berge Sachakas aus, die weiter zum Horizont hin abflachten und in die Ödländer übergingen. Zu ihrer Linken war in den Tälern mehr und mehr Grün zu sehen, das allmählich in üppige Wälder überging, zwischen denen Flüsse und Seen im Sonnenlicht glitzerten.
„Hättest du vielleicht die Güte mir zu erklären, warum du einfach so enthüllst, dass du Arikhais Vater getötet hast und damit alles, worauf wir hingearbeitet haben, zunichtemachst?“, verlangte Varala zu wissen.
„Ich habe nichts zunichtegemacht, was nicht schon vorher zum Scheitern verurteilt gewesen wäre“, sagte Asara ruhig. „Ein auf Lügen basierender Kompromiss ist kein guter Kompromiss.“
„Asara, Liebes. Du bist zu wichtig, um dich von den Duna hinrichten zu lassen“, beharrte Varala. „Du hast herausgefunden, was Savedra insgeheim geplant hat. Es heißt, dir ist es gelungen, ein Band zu den Duna zu knüpfen und du bist vermutlich die Einzige, die unser Volk in der Zuflucht davor bewahren kann, auseinanderzubrechen, wenn es die Wahrheit über Savedra erfährt.“
„Das kannst du nicht wissen“, sagte Asara. „Die Verräter brauchen mich nicht, um eine neue Große Mutter zu wählen. Aber ich habe auch gesagt, ich bleibe, bis es unserem Volk wieder gutgeht.“
„Und dann gehst du zu den Duna und lässt dich umbringen.“
Asara spüre Verärgerung in sich aufwallen. „Es ist nicht gesagt, dass das passieren wird. Arikhai hält große Stücke auf mich. Er wird die Ehrbarkeit meiner Handlung erkennen und mir verzeihen.“
„Du bist so blind, wie ein Mullook, wenn er die Sonne erblickt, Liebes.“ Varala fasste Asara an den Schultern. „Arikhai hielt große Stücke auf dich. Das war jedoch vorbei, als du ihm enthüllt hast, dass du seinen Vater getötet hast.“
Wahrscheinlich war es das. Asara hatte einen Anführer ermordet. Und der Gerechtigkeitssinn der Duna befahl, ein solches Vergehen entsprechend zu ahnden.
„Nur, weil du ihm die Augen über Divako und Kachiro geöffnet hast, heißt das noch lange nicht, dass er dir verzeiht“, entgegnete Varala hart. „Du hat seinen Vater getötet, Asara. Das ist für die Duna noch schwerwiegender, als für uns der Mord an einer Krippenschwester oder der Großen Mutter persönlich.“
Asara seufzte entnervt. „Mir ist die Bedeutung eines Vaters bewusst, Varala“, sagte sie. „Und genau deswegen muss ich das tun. Um den Ruf der Verräter zu wahren und um mich von dieser Schuld reinzuwaschen.“
„Und du denkst, Selbstopferung würde da helfen?“
„Varala, so versteh doch. Ich tue das, um unser Volk zu beschützen. Die Duna hatten keinen Streit mit uns bis zu jener Nacht. Ich will nicht, dass dies weiterhin zwischen uns steht.“
„Asara, das ist Wahnsinn!“, rief Varala. „Es muss einen anderen Weg geben!“
„Ich hatte viele Gespräche mit Arikhai über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen. Würde es einen anderen Weg geben, der ebenso viel Erfolg verspricht, so würde ich ihn gehen. Aber es gibt keinen.“
Die andere Frau schüttelte den Kopf. Die Haarsträhnen, die der Wind aus ihrem Zopf gelöst hatte, flatterten ärgerlich. „Das kann ich nicht glauben! Ohne dich sind die Verräter erst recht dem Untergang geweiht.“
„Varala!“, rief Asara erbost. „Ich verstehe, dass du wütend bist. Du hast in den letzten Monaten viele Schwestern verloren, die dir nahestanden. Und jetzt verlierst du bald eine weitere. Aber ich tue es für unser Volk. Und damit auch für dich.“
„Nein.“ Wütend schüttelte Varala den Kopf. „Würdest du im Sinne der Verräter handeln, so kämest du nicht auf solch törichte Ideen. Du würdest unser Volk in den Vordergrund stellen und dein Leben und deine Magie einzig und allein ihm widmen. Was du dagegen tust, ist einfach nur dumm und selbstsüchtig. Du versuchst, dein Gewissen zu beruhigen. Und damit verlieren die Verräter eine weitere brillante Magierin.“
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und stürmte zurück zu Treppe. Asara konnte das Trappeln ihrer Schritte noch für einige Augenblicke hören, dann wurde das Geräusch vom Heulen des Windes übertönt.
Es ist nicht selbstsüchtig, dachte Asara, während der Wind an ihren Haaren und ihrer Bluse zerrte. Etwas, das ich für das Wohl aller Verräter tue, kann niemals selbstsüchtig sein. Zudem würde sie damit Vikacha das Herz brechen. Sollte Arikhai entscheiden, sie am Leben zu lassen, so konnte sie ihn vielleicht dazu bewegen, ihren Geliebten zu sich zu holen. Mit höherer Magie konnte er ein hervorragender Krieger werden. Doch die Vorstellung, ihn vielleicht niemals wieder zu sehen und ihn nicht ein letztes Mal zu sehen, bevor sie starb, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie konnte ihn nicht zurücklassen. Und doch wusste sie, sie würde es zum Wohle ihres Volkes tun.
Nein, sich Arikhai auszuliefern war der einzige Weg. Sie hatte geahnt, er würde ihre Hinrichtung fordern, seit sie für sich entschieden hatte, sich für ihre Taten zu verantworten.
Erst als ihre Glieder vor Kälte steifgefroren waren, wandte Asara sich ab und stieg die Treppe hinab zu den Ebenen, die die Gildenmagier als Gästequartiere eingerichtet hatten. Fast erwartete sie, dort Varala anzutreffen, doch als Asara zu ihrem Quartier zurückkehrte, war es nicht Varala, die dort wartete, sondern ein hochgewachsener, attraktiver Gildenmagier in purpurfarbenen Roben.
***
„Du warst schon immer bissig, wenn du es darauf angelegt hast.“ Akkarins dunkle Augen funkelten amüsiert, als er Sonea an den Schultern fasste. „Und doch bin ich beeindruckt, wie souverän du Ishaka gegenübergetreten bist. Zu schade, dass ich in Yukai nicht dabei war!“
Sonea zuckte die Schultern. „Ich brauchte ihre Oberflächengedanken nicht lesen. Was ich nicht weiß, kann mich nicht aufregen.“
„Nun, Ishakas Blicke und seine wohlplatzierten Bemerkungen waren nur schwer zu ignorieren. Ich nehme an, er wäre noch offensiver gewesen, würde seine Sklavin noch leben.“
Sonea entzog sich seinem Griff und ließ sich auf ihr Bett fallen. Stundenlang auf einem Stuhl auszuharren war besser, als auf einem Kissen, doch nach einem Tag wurden ihre Beine auch darauf schwer. Bei solchen Gelegenheiten verfluchte sie ihre Schwangerschaft und die damit verbundenen Begleiterscheinungen aus tiefstem Herzen.
Die Augen schließend streckte sie sich auf dem Bett aus. „Ishaka würde alles dafür geben, mich als Bettsklavin zu halten“, sagte sie. „Und seine Bettsklavin hätte alles gegeben, um mit mir zu spielen. Und Ishaka wird nicht müde, mir das zu zeigen.“ Und das alles nur, weil sie Marika getötet hatte und das Ishakas Art und Weise war, sich dafür zu rächen.
„Sonea, er kann dich so sehr begehren, wie er will. Er hat keinen Anspruch auf dich. Und solange ich lebe und du in der Lage bist, dich zu verteidigen wird er dich nicht bekommen.“ Stiefelschritte erklangen und ein Schatten verdunkelte die Welt hinter ihren Augenlidern, dann berührte kühles Leder ihre Wange. „Weil du mir gehörst.“
„Das scheint ihn jedoch nicht davon abzuhalten, mich zu wollen.“
„Nein, aber auch ihm ist heute klargeworden, dass er dies nicht zu einer Streitfrage bei den Verhandlungen machen kann.“
„Vielleicht gibt er auf, wenn du dich mit ihm duellierst“, schlug Sonea vor. „Ishaka würde das sicher gefallen.“
„Nun, so betrachtet ist es wirklich bedauerlich, dass seine Sklavin tot ist.“ Akkarins Stimme klang erheitert, doch als er fortfuhr, war er wieder ernst: „Ishaka hat gute Chancen, der neue Imperator von Sachaka zu werden. Seine Absichten bezüglich eines Friedens erscheinen aufrichtig und ehrbar, auch wenn ich mir persönlich mehr Freiheit für Sachaka wünschte. Dennoch ist er für den Augenblick der vermutlich beste Herrscher, den dieses Land bekommen kann. Seine Ansichten sind verglichen mit denen seiner Vorgänger gemäßigt und er ist bereit, Sachaka den Ländern der Allianz zu öffnen. Und er handelt besonnen und ruhig.“
Sonea schnaubte. „Er ist die sachakanische Version von dir.“
Akkarin lachte leise. „Würde ich es nicht besser wissen, würde ich denken, du würdest deswegen so verstört auf ihn reagieren.“
„Kann sein, dass dies ein Grund ist“, grollte Sonea. „Er ist ein Teil meiner Vergangenheit. Durch ihn werden Erinnerungen wieder wachgerufen. Und“, sie zögerte und Hitze schoss ihr ins Gesicht, „meine dunkle Seite reagiert auf seine Phantasien.“
„Nun, was seine Phantasien betrifft, so lässt sich vielleicht eine andere Lösung finden, wenn es dich so sehr quält“, sagte Akkarin. „Doch inwiefern Ishaka mit deiner Entführung zu tun hat, kannst nur du wissen.“
Stirnrunzelnd dachte Sonea über seine Worte nach. Bis auf den Tag, an dem Marika ihre Kräfte blockiert hatte, verband sie weder positive noch negative Erinnerungen mit Ishaka. Es ging vielmehr darum, dass er damals dort gewesen war. Und ja, es war verstörend gewesen, ihn mit Sari zu sehen – so, als würde man ihr und Akkarin ein verdrehtes Spiegelbild vorhalten. Zugleich konnte sie jedoch nicht aufhören sich zu fragen, ob sie es nicht genießen würde, wenn Akkarin sie hin und wieder in gewissen Situationen so behandeln würde wie Ishaka seine Bettsklavin. Aber dieselbe Frage hatte sie sich unter Marika auch gestellt.
„Ich weiß“, flüsterte sie. „In den letzten Wochen hat jedoch Marika im Vordergrund gestanden. Es gab viel, worüber ich nachdenken musste.“
„Möchtest du darüber reden?“
Träge schüttelte Sonea den Kopf. „Nicht wirklich.“ Wenn sie versuchte, in Worte zu fassen, was sie über sich und Marika herausgefunden hatte, scheiterte sie kläglich. „Sagen wir einfach, ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht.“
Stille. Stille, die sich ausdehnte. Gespannt hielt Sonea den Atem an, drauf wartend, dass Akkarin erneut zu sprechen begann. Warum blieb er still? Missfiel ihm ihre Antwort?
„Inwiefern hast du mit ihm Frieden geschlossen?“, fragte er schließlich und Sonea verspürte eine ungeahnte Erleichterung, weil er nicht mit Verärgerung reagierte.
Sie hob die Schultern. „Ich habe mich wieder an all die Grausamkeiten erinnert, die er mir angetan hat. Aber ich habe damit abgeschlossen. Es lag keine spezielle Bosheit hinter seinen Taten, er hat so gehandelt, wie man es auf Grund seiner Kultur und seines Standes erwarten würde. Und da ich seiner Kultur nicht angehöre, hat das zu gewissen … Spannungen zwischen uns geführt. Wäre ich die Bettsklavin eines Ashaki gewesen und er hätte mich diesem geraubt, wäre es wahrscheinlich nur bedingt erträglicher gewesen. Ich weiß, dass ich einiges von dem, was er mir angetan hat, auch selbst zu verschulden habe, dass ich mir viel Leid hätte ersparen können, hätte ich mich nicht andauernd gegen ihn aufgelehnt. Aber das ändert nichts daran, dass er sich meiner Gedanken, meiner Magie und meines Körpers bemächtigt hat. Und dass er kein Recht dazu hatte.“
Akkarin schwieg.
Verunsichert öffnete Sonea die Augen und sah zum Fenster. Gegen das Licht war er nur ein schwarzer Schatten.
„Es tut mir leid, wenn es nicht das ist, was du hören willst“, sagte sie. „Er war dein größter Feind. Doch es ist das, was ich empfinde.“
Der Schatten löste sich vom Fenster und füllte den Raum aus, bis er sich neben ihr auf der Bettkante niederließ. „Auch wenn ein dunkler Teil in mir gerne sehen würde, dass du ihn hasst, so halte ich es für besser, dass deine Einstellung zu ihm neutral ist“, sagte er. „Denn Hass ist ein ähnlich starkes Gefühl wie Liebe und würde zeigen, dass du dich noch immer mit ihm beschäftigst.“
„Danke“, flüsterte sie.
Akkarin bedachte sie mit seinem Halblächeln. Er streckte seine gesunde Hand nach ihr aus und strich über ihre Stirn. „Und wie gedenkst du, die Zeit bis zum Abendessen zu verbringen?“
„Am liebsten würde ich schlafen.“ Sonea griff nach seiner anderen Hand und schlang ihre Finger um das kühle Leder. „Aber ich möchte auch bei dir sein und mich nicht mehr so alleine fühlen.“
„Du bist nicht allein, Sonea.“ Akkarin lehnte sich gegen das Kopfende, legte ein Kissen an seine Seite und bedeutete ihr, sich an ihn zu kuscheln. „Und wenn du müde bist, dann solltest du dich ausruhen.“
Erfreut bettete Sonea den Kopf auf seinen Schoß. Akkarin legte einen Arm um sie, während seine andere Hand weiterhin sachte über ihre Stirn strich. „Du hattest genug Aufregung in den letzten Wochen. Und da ich dich deswegen nicht mehr schelten darf, so möchte ich dich zumindest darauf aufmerksam machen, dass Lady Vinara nicht allzu angetan sein wird, wenn sie von deiner Schwangerschaft erfährt.“
Sonea lachte. „Das ist sie ganz sicher nicht!“
Sie hatte ein großes Risiko auf sich genommen. Aber das war es wert gewesen. Und das Baby hatte es überstanden, weil sie alles im Bereich ihrer Möglichkeiten getan hatte, damit es ihm gutging.
„Du hast doch mit Arikhai diese Angelegenheit mit seinem Vater geklärt“, begann sie. „Kannst du vielleicht bei ihm ein gutes Wort für Asara einlegen? Kannst du irgendwie dafür sorgen, dass seine Leute sie nicht hinrichten? Oder dass sie gar nicht erst zu den Duna muss? Sie könnte so viel mehr vollbringen.“
„Das liegt nicht in meinen Händen, Sonea.“
„Aber …“, begann sie. „Sie ist eine Freundin. Ohne sie wäre ich nicht hier.“
„Sonea, es steht mir nicht zu, mich in dieser Angelegenheit einzumischen.“
Er hatte Yui getötet, weil sie ihr und Dannyl bei der Flucht aus Yukai geholfen hatte. Die Nachricht hatte Sonea entsetzt. Doch sie hatte Arikhai auch seine Trauer ansehen können.
„Arikhai bereut, dass er seine zweite Frau auf Grund eines Irrtums getötet hat“, sagte sie. „Wenn das nicht hilft, dann weiß ich es auch nicht. Er muss doch begreifen, dass Asara keine Wahl hatte.“
Akkarins Mundwinkel zuckten. „Hin und wieder bist du bemerkenswert manipulativ. Doch ich denke, dass Dannyl in dieser Angelegenheit etwas bewirken kann.“
Und wenn nicht, dann werde ich es tun, dachte Sonea. Sie hatte Asara ihr Leben zu verdanken so wie Dannyl auch. So sollte es nicht enden. Doch für den Augenblick musste sie es akzeptieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
„Diese Lösung für mein Problem mit Ishaka“, sagte sie. „Wie soll diese aussehen?“
Akkarin lachte leise. „Ich werde mir etwas überlegen.“
***
Als Rothen sein Apartment betrat, war er überrascht über die dort herrschende Stille. Für gewöhnlich hielt sich dort mindestens einer seiner Novizen auf, Tania wuselte herum oder, seit er auf Lorlen aufpassen musste, war seine Amme in der Nähe.
„Hallo!“, rief er. „Jemand zuhause?“
Keine Antwort.
Er stieß die Tür zu Dorriens altem Zimmer auf, in dem Lorlen vorübergehend schlief, und erstarrte.
„Oh, Verzeihung“, murmelte er und wollte sich zurückziehen.
Caria sah auf. „Mylord“, sagte sie ohne das Baby von ihrer Brust zu nehmen. Immerhin hatte sie den Anstand, die Decke, in die das Baby gewickelt war, ein Stück höher zu ziehen. „Ich habe Euch nicht kommen gehört.“
„Ich hatte gerufen.“
„Die Tür war zu.“ Carias Wangen färbten sich rosa. „Ich war in Gedanken. Ich bitte um Verzeihung, Mylord.“
Rothen konnte nur nicken, den Blick noch immer auf ihre halb entblößte Brust gerichtet. Das letzte Mal, das er eine weibliche Brust gesehen hatte, war bei Yilara gewesen. Jetzt indes war der Anblick ein wenig verstörend.
„Mylord“, begann Caria. „Dürfte ich Lorlen nun bitte zu Ende füttern?“
„Natürlich.“ Sich von ihrem Anblick losreißend zog Rothen sich zurück und schloss die Tür. In seinem Wohnzimmer goss er sich ein Glas Wasser ein und ließ sich in seinen Sessel sinken. Wie hatte sie ihn nicht hören können? Sein Apartment war nicht so groß, dass man sich selbst bei geschlossenen Türen überhören konnte.
Vielleicht sollte ich nicht mehr in Lorlens Zimmer gehen, bevor ich mich nicht vergewissert habe, dass sie nicht gerade dort ist, dachte er unbehaglich. Dann hätte er beinahe laut aufgelacht. Er hatte einst selbst einen Sohn gezeugt. Yilara hatte ihm entgegen des Brauchs in den Häusern selbst die Brust gegeben, weil sie als Heilerin der Überzeugung gewesen war, dass dies besser für das Baby war als die Milch einer Fremden. Wie konnte es dann sein, dass ihm derart natürliche Dinge nun Unbehagen einflößten?
Wenig später öffnete sich die Tür und Caria kam heraus, Lorlen auf einem Arm. „Er ist nun gewickelt und gefüttert“, teilte sie Rothen mit. „Ich komme noch einmal nach ihm sehen, wenn es Zeit ist, ihn ins Bett zu bringen. Doch nun muss ich zurück in die Residenz.“
Rothen runzelte die Stirn. „Der Hohe Lord und seine Frau sind nicht da“, sagte er.
„Oh, es gibt auch in ihrer Abwesenheit immer etwas zu tun.“ Das Rosa auf ihren Wangen vertiefte sich. „Der Staub wischt sich nicht von alleine weg und auch die Fenster putzen sich nicht von selbst.“
War dafür nicht Takan zuständig? Soweit Rothen wusste, war Caria nur als Amme eingestellt worden. Und Rothen bezweifelte, dass die Residenz es nötig hatte, dass jeden Tag Staub gewischt und Fenster geputzt wurde.
Caria setzte das Baby auf Rothens Schoß. „Sofern Ihr mich nicht mehr braucht, würde ich mich dann gerne zurückziehen, Mylord.“
„Natürlich“, erwiderte Rothen. „Du kannst gehen.“
Lorlens Amme verneigte sich und zog sich zurück.
Als sie fort war, betrachtete Rothen das Baby, das auf seinen Knien offenkundig einen neuen Spielplatz gefunden hatte. Nun, ein Baby ist Lorlen eigentlich nicht mehr. Inzwischen war er ein Jahr alt, konnte fünf Schritte am Stück laufen und einige Worte sprechen, deren Sinn niemand so wirklich verstand.
„Also, Lorlen“, begann Rothen. „Anscheinend sind Farand und Viana noch im Unterricht oder in der Bibliothek. Und eigentlich muss ich Prüfungsaufgaben vorbereiten. Was mache ich solange mit dir?“
„Da!“, rief Lorlen und versuchte, an Rothen emporzuklettern. „Nea.“
„Sonea ist nicht da“, sagte Rothen spürend, wie ihm das Herz schwer wurde. „Sie kommt aber bald wieder.“
Bald war eine maßlose Untertreibung. Soweit Rothen wusste, würden sie und Akkarin noch eine Weile am Fort bleiben. In den nächsten Tagen würde der König mit den Vertretern der anderen Herrscher der Verbündeten Länder zum Nordpass reisen und persönlich an den Verhandlungen teilnehmen.
Rothen setzte Lorlen auf dem Boden vor der Kiste mit den Bauklötzen ab, die er seit Dorriens Kindertagen aufgehoben hatte, sollte er eines Tages Großvater werden. Soneas und Akkarins wilder Sohn war ein guter Vorgeschmack auf das, was Dorrien eines Tages hervorbringen würde.
Lorlen hatte sich bereits an der Kiste emporgezogen und stemmte sich gegen den Deckel. Mit einem lauten Poltern fiel dieser auf der anderen Seite der Kiste zu Boden. Das Baby quiekte erfreut und begann an der Kiste zu rütteln, die winzigen Hände um die Kante geschlungen. Bevor Rothen reagieren konnte, kippte die Kiste bedrohlich nach vorne.
„Vorsicht!“, rief er und griff nach seiner Magie. Die Kiste stoppte mitten in ihrer Bewegung, bevor sie das Baby unter sich begraben konnte. Rothen zog das Baby ein Stück zurück und löste die magische Barriere dann wieder und die Bauklötze verteilten sich über den Teppich. Es klang wie eine kleine Gerölllawine.
„Dann viel Spaß beim Spielen“, wünschte er und stellte die Kiste auf den Esstisch, wo sie außerhalb von Lorlens Reichweite war.
„Buu!“, machte Lorlen und begann mit eifriger Miene die Bauklötze zu einem undefinierbaren Gebilde aufzuschichten und Rothen war dankbar, dass magisch begabte Kinder erst dann Zugriff auf ihre Kräfte hatten, wenn sie schon fast erwachsen waren.
Kopfschüttelnd öffnete er die Mappe mit seinen Prüfungsunterlagen und begann mit seiner Arbeit.
Er war noch nicht weit gekommen, als es klopfte. Aber es war nicht das zurückhaltende, fast schon scheue Klopfen seiner Novizen oder das höfliche Klopfen Tanias. Und es war auch kein indirekter Befehl, die Tür zu öffnen, wie bei Akkarins seltenen Besuchen. Rothen runzelte die Stirn.
„Herein!“, rief er und streckte seinen Willen nach der Tür aus.
Administrator Osen trat ein. Er wirkte so gestresst wie eh und je. „Ich habe neue Anweisungen vom Hohen Lord erhalten“, teilte er Rothen mit. „Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, für einige Wochen Lord Peakins Aufgaben zu übernehmen?“
„Neben meinen Prüfungsvorbereitungen?“, entfuhr es Rothen. „Was ist mit Peakin?“
„Ich weiß, Ihr habt viel zu tun. Aber Lord Peakin wird den König mit Lady Vinara und einigen anderen Magiern zum Nordpass begleiten.“
Und Rothen war sein Stellvertreter.
„Nun, selbst wenn es mir etwas ausmachen würde, müsste ich mich dem Willen Akkarins und des Königs beugen“, erwiderte Rothen.
„Falls es Euch beruhigt, so wird die Gilde in den nächsten Wochen außer den Verhandlungen am Nordpass und den Sommerprüfungen nicht viel anderes bewegen. Abstimmungen und Diskussionen über sämtliche Anfragen und Projekte werden auf die Zeit danach verschoben. Wenn der König am Fort eintrifft, werden wir in einer oder mehreren Gildenversammlungen über die Beschlüsse abstimmen und die Entscheidung Akkarin per Blutjuwel mitteilen. Die Gilde wird …“
Ein lautes Poltern erklang, als Lorlen sein architektonisch höchst bizarres Bauwerk mutwillig und unter freudigen Lauten zerstörte.
„Er ist ziemlich lebhaft“, bemerkte Osen.
„Ist das bei den Eltern verwunderlich?“, erwiderte Rothen mit einem schiefen Lächeln.
Der Administrator verzog das Gesicht. „Vermutlich nicht.“
„Wenn die Gilde mich braucht, werde ich selbstverständlich zur Verfügung stehen“, sagte Rothen. Seine Novizen waren sehr selbstständig und Viana konnte sich bei Fragen an Farand wenden. Lorlen hatte zudem Takan und seine ein wenig merkwürdige Amme. „Ruft mich, wenn Ihr mich braucht.“
***
„Falls Ihr gekommen seid, um mir meine Entscheidung auszureden, so könnt Ihr gleich wieder gehen.“ Mit einem energischen Impuls ihres Willens ließ Asara die Tür hinter sich zufallen. „Mein Mord an Karami ist die Ursache des Konfliktes, den mein Volk mit den Duna hat. Also liegt es in meiner Verantwortung, dies zu beheben.“
Der schöne Gildenmagier war in der Mitte ihres Quartiers stehengeblieben. Falls ihre Worte ihn verärgerten, so zeigte er das nicht. Er musterte sie lange und schweigend und Asara begann sich zu fragen, was in seinem hübschen Kopf vorging und welche Argumente er sich einfallen lassen würde, um ihren Entschluss ins Wanken zu bringen.
Asara war jedoch fest entschlossen, es nicht dazu kommen zu lassen. Ihr öffentliches Schuldbekenntnis und ihre freiwillige Auslieferung an die Duna waren ihr alles andere als leicht gefallen. Aber es musste sein.
„Ich verstehe, dass Ihr dies tun müsst“, sagte Dannyl schließlich. „Und es steht mir nicht zu, Euch von diesem Schritt abzuhalten, weil Verräter und Duna einen Frieden zu ihren Bedingungen eingehen müssen. Ich kann dabei nur vermitteln.“
Asara lehnte sich gegen das Fenstersims, die Arme vor der Brust verschränkt. „Und was wollt Ihr stattdessen?“, fragte sie unwirsch.
„Ich will Euch eine Alternative vorschlagen. Möglicherweise gibt es einen Weg, Euren Tod zu verhindern. Möglicherweise lässt sich damit sogar verhindern, dass Ihr Euch Arikhai ausliefern müsst.“
„Und wie soll das gehen? Ich habe seinen Vater und einige andere wichtige Leute getötet. Für Arikhai ist das noch schlimmer als der Mord an Marika für dessen Berater.“ Sie schnaubte. „Ich hätte alles auf Savara schieben können. Aber dann wäre ich nicht besser als ihre Mutter.“
„Und das spricht für Euch.“ Dannyl trat zu ihr und legte eine Hand auf ihren Arm. „Zudem hätten die Duna die Lüge möglicherweise durchschaut.“
„Deswegen musste ich es tun. Arikhai respektiert mich …“, an Varalas Worte denkend, runzelte sie die Stirn „... oder hat mich respektiert.“
„Und ich bin sicher, dass ein Teil von ihm das noch immer tut“, sagte Dannyl. „Ihr habt viel in Yukai bewirkt. Mehr, als Ihr glaubt. Zudem weiß er nun, wie Ihr zu Savedras Aktionen steht.“
Unwillig schüttelte Asara den Kopf.
Wenn ich einen Verräter in meinem Stamm hätte, dann wüsste ich, wie ich mit ihm verfahre. Ich würde nicht zögern, ihn zu töten. Aber ich würde es offen und für jedermann sichtbar tun, damit kein anderer je dasselbe wagt.
Sie bezweifelte, Arikhai würde mit Fremden anders verfahren. Mit ihnen würde er sogar noch harscher ins Gericht gehen. Sein gemeinsamer Feldzug mit Divako bewies das. Asara fand es bemerkenswert, dass es dem Anführer der Gildenmagier gelungen war, dieses Schicksal abzuwenden.
„An dem Abend, bevor die Konferenz scheiterte, habe ich mit Arikhai das Abendmahl eingenommen“, erzählte Asara. „Er hat mich sehr geschätzt, doch nur einen Tag später hat er die Jagd auf meine Schwestern und mich eröffnet.“
„Weil er glaubte, Ihr wärt für die Zerstörung des Tempels verantwortlich, und weil Divako ihn hat glauben lassen, dass Ihr unehrenhaft wärt“, sagte der schöne Gildenmagier behutsam.
„Und dann hat er erfahren, dass ich ihn in einer weiteren Sache belogen habe. Dem Tod seines Vaters.“
„Eine Tatsache, die wie der Mord an den anderen Duna, die damals im Palast waren, eine Notwendigkeit war“, widersprach Dannyl. „Ja, es war sein Vater, den ihr getötet habt. Doch wenn Arikhai tatsächlich ein so guter Anführer ist, wird er begreifen, dass Ihr dazu gezwungen wart, nachdem Marika sich mit seinem Volk gegen die Verräter verbündet hatte. Er wird anerkennen, dass Ihr keine andere Wahl hattet und zwischen den Tatsachen und seinen persönlichen Gefühlen differenzieren.“
Das klang zu schön um wahr zu sein. Aber würde Asara auch so denken, wenn jemand ermordet wurde, der ihr nahestand? Wie zum Beispiel Vikacha?
„Wollt Ihr meine Alternative nun hören?“, fragte Dannyl.
„Sprecht.“
„Gestern habe ich zwischen Arikhai und Akkarin vermittelt. Akkarin hat die Verantwortung für seine und die von Savara begangenen Morde an Duna während des Überfalls auf den Palast übernommen. Arikhai hat erklärt, dass dies nur mit dem Tod gerächt werden kann, jedoch die Gründe hinter dieser Aktion verstanden. In seinen Augen ist Akkarin ein Anführer, der alles versucht, um seine Leute, die den Duna unterlegen sind, zu schützen und er versteht, warum er so gehandelt hat. Er hat ihm verziehen.“
Und jetzt ging Dannyl anscheinend davon aus, dass es bei ihr ähnlich sein würde. Asara seufzte. In ihren Augen war die Sache jedoch sehr viel komplizierter.
„Ich habe nicht irgendeinen Duna getötet“, sagte Asara. „Sondern Karami. Er war nicht nur ein Anführer, sondern auch noch ausgerechnet Arikhais Vater. Ihr kennt doch die Geschichte von Yarah. Ihr gesamtes Leben hat sie Rache für den Mord an ihrer Familie gesucht. Und ihr gehörte am Ende die Aschenwüste. Kommt Euch das bekannt vor?“
Dannyl nickte langsam. „Trotzdem denke ich, dass es einen anderen Weg gibt. Arikhai ist ein intelligenter und vernünftiger Diskussionspartner. Er wird einsehen, dass mit Eurem Tod seinem Volk nicht geholfen ist. Mit einem Bündnis und Euch als Ansprechpartnerin könnte viel mehr des angerichteten Schadens wiedergutgemacht werden. Wenn auch nicht auf die von den Duna bevorzugte Weise. Allerdings ist ihnen bewusst, dass sie für einen Frieden Kompromisse eingehen müssen.“
So wie Dannyl es formulierte, schien die Situation einfach und unkompliziert. Asara wusste jedoch, dass sie das nicht war. Er konnte sie nicht mit dem Anführer der Gildenmagier vergleichen.
„Wieso glaubt Ihr, dass Arikhai sich darauf einlässt?“, fragte sie. „Ihr habt ihn doch heute gehört. Er wird seinen Stamm über mich richten lassen.“
„Weil auch Ihr eine Anführerin seid, Asara. Ihr wisst es nur noch nicht.“
***
Das Liegen im Bett ging Regin auf die Nerven. Am Morgen waren zwei Heiler vorbeigekommen und hatten ihn untersucht. Dabei hatten sie befunden, dass er das Bett hüten musste, bis sich die Lücken zwischen seinen Knochen wieder geschlossen hatten. „Jede Bewegung würde dafür sorgen, dass die Knochen, die Lady Sonea gerichtet hat, sich wieder verschieben, selbst wenn Ihr Euch levitiert“, hatte Lord Kiano mit strenger Miene erklärt.
„Auch wenn Ihr mein Bein schient?“, hatte Regin entsetzt gefragt.
„Auch dann“, hatte der Heiler geantwortet. „Die Schwerkraft wird das gesamte Gefüge auseinanderziehen, ohne dass Ihr etwas dagegen tun könnt.“
Zur Sicherheit hatten er und sein Kollege ihm dennoch eine Schiene angelegt, damit die Knochenstücke sich nicht verschoben, wenn Regin sich im Liegen bewegte. Anschließend hatten sie das Wachstum der Knochen angeregt und ihm einen Heiltrunk dagelassen, um diese weiter zu kräftigen.
Danach hatten sie Regin sich selbst überlassen. Zwei Mal danach war ein Diener gekommen und hatte ihm ein üppiges Mittag- und Abendessen gebracht – Regin hatte beide verschlungen als würde er verhungern – und seinen Nachttopf geleert. An einem anderen Tag war Auslandsadministrator Dannyl gekommen und hatte ihm gesagt, was er davon hielt, dass Regin seinem Freund Rothen und dessen Sohn so übel mitgespielt hatte. Auf seine eigene Weise war das beinahe so unangenehm gewesen, wie Soneas Strafpredigt. Regin hatte noch nie ernsthaft mit Dannyl zu tun gehabt und die Tatsache, dass dieser ihn wie einen dummen Novizen zurechtgewiesen hatte, beschämte ihn zutiefst.
Niemand war indes gekommen, um ihn zu besuchen. Nicht einmal Sonea.
Ob sie mir noch zürnt?, fragte er sich. Oder lässt Akkarin sie nicht zu mir, weil er ihr zürnt?
Oder hatte sie ihn vergessen, weil sie das Wiedersehen mit ihrem unheimlichen Mann gerade in vollen Zügen genoss?
Was auch immer dahintersteckte, Sonea war der einzige Mensch, der Regin geblieben war und der noch zu ihm hielt. Sie war seine einzige Freundin.
Nein, dachte er dann. Sie ist viel zu nett, um sich von mir abzuwenden. Ganz sicher überlässt sie mich nicht mir selbst, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben will. Egal, wie wütend sie auf mich sein mag, sie würde mich eher zu Asche verbrennen, als mir den Rücken zuzukehren.
Das bedeutete jedoch nicht, dass er sich weiterhin niederträchtig verhalten durfte. Was dies betraf, so waren ihre Worte nur allzu deutlich gewesen und Regin hatte in dem Gefängnis seines Bettes alle Zeit der Welt, um darüber nachzudenken.
Er hatte geglaubt, das Richtige zu tun, indem er sich an die Regeln hielt und tat, was getan werden musste. Jetzt begriff er jedoch, dass es Situationen gab, in denen es besser war, die Regeln auf sich beruhen zu lassen. Lord Dorrien mochte kein Freund sein, doch er war der Freund von Menschen, die Regin etwas bedeuteten. Und damit kam er für Ränkespiele nicht in Frage.
Im Nachhinein begriff Regin nicht, was ihn dazu getrieben hatte. Trassia hatte recht gehabt, er war auf dem besten Weg wie der Mann zu werden, der er nie sein wollte: sein Vater.
Und Onkel Garrel war auch nicht viel besser.
Frustriert starrte Regin gegen die Zimmerdecke. Er hatte mit allen Mitteln versucht, genau das nicht zu werden. Was war schiefgelaufen, dass es nun doch so gekommen war? Konnte er diesen Prozess überhaupt aufhalten, oder lag diese Eigenart in seiner Familie?
Die meiste Zeit konnte er jedoch nicht aufhören sich zu fragen, was er am meisten betrauerte: Den Verlust seines Mentors, dass Trassia sich von ihm abgewandt hatte oder dass er sich in seinem Onkel so sehr getäuscht hatte?
Als es an der Tür klopfte, zuckte er zusammen. Es war nicht so höflich und zurückhaltend, wie das der Diener. Es war auch nicht laut und eindringlich. Aber es klang bestimmend.
Angesichts der späten Stunde konnte das nichts Gutes bedeuten.
„Herein!“, rief Regin und streckte seinen Willen nach der Tür aus.
Eine große schwarze Gestalt glitt nahezu lautlos in den Raum.
„Hoher Lord!“, brachte Regin hervor. Überrascht setzte er sich auf. Sein Bein ziepte protestierend und er verzog das Gesicht. „Womit habe ich die Ehre?“
„Ich wünsche mit Euch einige Dinge zu erläutern, Lord Regin.“
Das klang unheilvoll und alles andere als erfreulich. Einen tiefen Atemzug nehmend wappnete Regin sich für das Schlimmste.
„Ich stehe Euch voll und ganz zur Verfügung, Hoher Lord“, erwiderte er ein charmantes Lächeln aufsetzend.
Akkarins Blick fiel auf das geschiente Bein und er hob eine Augenbraue.
„Nun, zumindest geistig“, beeilte Regin sich zu sagen.
„Das ist begrüßenswert.“ Der Hohe Lord ließ sich auf dem Stuhl neben Regins Bett nieder. Im schwindenden Tageslicht wirkte seine hagere, hochgewachsene Gestalt finsterer denn je. „Ich will ehrlich sein, Lord Regin. Ich halte nicht gerade viel von Euch als Mensch. Nicht nur auf Grund dessen, was Ihr meiner Frau in der Vergangenheit angetan habt, was für sich genommen unverzeihlich ist, sondern weil ich in Euch ein Stück des Novizen sehe, der ich einst war. Doch ich vertraue dem Urteil meiner Frau. Sie wäre nicht mit Euch befreundet, würde sie nicht etwas in Euch sehen, das diese Freundschaft wert ist.“
Regin betrachtete den Hohen Lord wie erstarrt. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber ganz sicher nicht, dass Akkarin ihm seine Meinung so unverhohlen mitteilen würde.
„Wo es Euch an menschlichen Fähigkeiten mangelt, brilliert Ihr jedoch umso mehr als Krieger“, fuhr Akkarin unbeirrt fort. „Die Strategie, die Ihr von Lord Vorel übernommen habt, beweist dies, auch wenn Ihr bei der Umsetzung während der Schlacht auf einige Schwierigkeiten gestoßen seid. Für einen ersten Praxistest wart Ihr jedoch erfolgreich.“
„Ich danke Euch, Hoher Lord“, erwiderte Regin überrascht. Akkarins Kritik an seinen menschlichen Fähigkeiten schmerzte ihn nichtsdestotrotz und er sah sich unfähig, etwas Gegenteiliges zu sagen, weil er wusste, dass es die Wahrheit war. „Ich habe Sonea bereits versprochen, dass ich wiedergutmache, was ich Lord Dorrien und seiner Novizin angetan habe.“
„Deswegen bin ich nicht hier, Regin“, sagte Akkarin. „Ich gehe davon aus, dass Ihr das tut.“
Das klang eher wie ein unterschwelliger Befehl.
Du kommst so nach deinem Vater! Und nach deinem Onkel! Ich dachte, du wärst anders … dass du dich geändert hättest.
„Ich dachte, Ihr wärt mit dem Urteil der Gilde einverstanden gewesen“, erwiderte Regin.
„Das bin ich. Lord Dorrien hatte eine Chance und hat sie verspielt. Das heißt jedoch nicht, dass ich Euer Tun gutheiße.“
„Und warum seid Ihr dann hier?“
„Um dafür zu sorgen, dass sich solche Eskapaden nicht wiederholen.“
„Ich habe doch schon …“, begann Regin, doch Akkarin schnitt ihm das Wort ab.
„Wie ich bereits erwähnte, Ihr besitzt großes Potential, Regin“, sagte er. „Euer Abschlusszeugnis beweist dies, so wie Euer Einsatz bei dieser Schlacht. Zudem seid Ihr gewillt, etwas zu bewegen. Die Gilde braucht Krieger wie Euch. Jetzt, wo sie erneut einige sehr fähige Krieger verloren hat, sogar mehr denn je.“
Regin schluckte sich an die zahlreichen Krieger erinnernd, die diesem Krieg zum Opfer gefallen waren – darunter Männer wie Lord Makin, sein Onkel und Balkan.
„Ihr könnt auf mich zählen, Hoher Lord“, versprach er mit belegter Stimme.
„Ich muss mich absolut auf Euch verlassen können, Lord Regin.“ Akkarins dunklen Augen bohrten sich in die Regins. „Von allen Kriegern, die die Schlacht überlebt haben, seid Ihr der fähigste. Ihr wart lange genug Balkans Assistent, um seine Aufgaben zu übernehmen. Und damit meine ich beide Ämter, die er am Ende wieder innehatte. Euch mag der menschliche Feinschliff fehlen, doch ich bin sicher, die höheren Magier werden wissen, Euch in Zaum zu halten.“
Der letzte Satz ging in Regins plötzlicher Euphorie unter. „Heißt das, ich werde Oberhaupt der Krieger?“
„Zumindest vorübergehend. Noch herrscht kein Frieden mit Sachaka und Duna. Es wäre mir lieber, einen Krieger zur Seite zu haben, der etwas von Balkans Aufgaben versteht. Die endgültige Entscheidung wird jedoch die Gilde treffen, sobald wir wieder in Imardin sind.“
Was so viel bedeutete, wie dass dies nur eine Formsache war. Regin begriff, dass sich ihm eine einmalige Chance bot. Er durfte sie nicht vergeuden. „Hoher Lord, ich verspreche, Euch nicht zu enttäuschen“, gelobte Regin. „Wenn eine Besserung meines Charakters Voraussetzung für dieses Amt ist, so werde ich an mir arbeiten.“
„Ich habe nichts anderes erwartet.“ Akkarins Roben raschelten leise, als er aufstand. „Doch nun lasse ich Euch allein. Ihr müsst über vieles nachdenken und ich sollte nachsehen, was meine Frau treibt.“
„Hoher Lord, darf ich Euch eine Frage stellen?“
Der schwarze Magier hielt auf der Türschwelle inne. „Fragt.“
„Warum habt Ihr mir damals keinen Einhalt geboten, wenn Ihr so sehr verurteilt, was ich Sonea angetan habe?“
Der Anflug eines ironischen Lächelns huschte über Akkarins Gesicht. „Weil Sonea zu stolz war, um sich von mir helfen zu lassen. Hätte ich Eure ’Streiche’ unterbunden, so hätte das nicht dazu geführt, dass sie von den anderen Magiern und Novizen respektiert wird. Diese Lektion konntet nur Ihr ihr beibringen.“
Mit diesen Worten verließ er den Raum. Die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss und Regin blieb zurück. Aufgewühlt und mit unzähligen unbeantworteten Fragen.
***
Und nächste Woche gibt es einige interessante und längst überfällige Begegnungen …
Fragen zum Kapitel
Was haltet ihr von den neuen Beschlüssen?
Ist es richtig, dass Asara den Mord an Arikhais Vater zugegeben hat? Was glaubt ihr, welche Konsequenzen das haben wird?
Wie denkt ihr über Soneas Worte zu Akkarin bezüglich Marika?
Welche Lösung könnte Akkarin sich für Soneas Problem mit Ishaka überlegen?
Was glaubt ihr führt Dannyl bezüglich Asara im Schilde?
Wie denkt ihr über Akkarins Anliegen an Regin? Habt ihr damit gerechnet? Ist das frischer Wind für die Gilde oder die größte anzunehmende Katastrophe?
Bonusfrage: Was ist das zwischen Mivara und Tarko?