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Die Bürde der schwarzen Magier III - Das Heiligtum von Yukai

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Mix
Hoher Lord Akkarin Lord Dannyl Lord Dorrien Lord Rothen Regin Sonea
02.08.2016
04.06.2019
56
813.938
87
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Dieses Kapitel
7 Reviews
 
06.03.2018 13.003
 
Wow, das letzte Kapitel hat ja für viel Aufregung gesorgt! Das hatte ich irgendwie überhaupt nicht erwartet.

Ganz lieben Dank an Gryphenkind, Emmi, Sabrina Snape, Potatoking, Black Glitter, Lady Kadala, Hexe 91, Angelina und Lady Alanna für die Reviews zum letzten Kapitel <3

Und jetzt viel Spaß mit dem nächsten :)




***




Kapitel 41 – Unmögliche Allianzen



In früheren Sommern war der Gestank über den Hüttenvierteln schlimmer gewesen. Jetzt hing nur ein mäßig starker Duft von Fäkalien und verrottenden Lebensmitteln über dem schmalen Gassen und schäbigen Häusern am Rand der Stadt. Und dies auch nur dank der wochenlangen Hitze, von der selbst die wenigen kurzen Gewitter keine Linderung gebracht hatten.

In den Hüttenvierteln umherzustreifen erinnerte Rothen immer ein wenig an den Winter, in dem die Gilde nach Sonea gesucht hatte. Obwohl ihm damals das Elend der Bewohner bewusst geworden war, hatte es zahlreiche kräftezehrende Diskussionen mit einer jüngeren und rebellischeren Sonea gebraucht, um zu begreifen, dass es tatsächlich Mittel und Wege gab, die Lebensqualität der Hüttenleute zu verbessern. Die Infrastruktur war durch sein Wasserleitungsprojekt deutlich verbessert worden. Aber es mangelte noch immer an vielen anderen Dingen.

An diesem Tag war er jedoch nicht gekommen, um das Leben der Hüttenleute zu verbessern. Sondern das der Sachakaner.

„Kommt“, sagte er und wandte sich zu seiner Klasse um. „Ihr werdet im Vorraum warten, während ich mit dem Captain spreche. Er kann uns sagen, wohin wir gehen müssen.“

„Ist das der Dieb, der dem Hohen Lord geholfen hat, die sachakanischen Spione aufzuspüren?“, fragte einer seiner Schüler ehrfürchtig. „Der, der mit Lady Sonea befreundet ist?“

„Genau der“, erwiderte Rothen sich ein Lächeln verkneifend. „Ich habe auch bei dem Wasserleitungsprojekt mit ihm zusammengearbeitet. Von allen Dieben genießt er das größte Ansehen in der Gilde.“

Mit diesen Worten wandte er sich um und stieß die Türen des Wachhauses mit seinem Willen auf. Je mehr du deine Magie vor Nichtmagiern einsetzt, desto beeindruckter sind sie von dir. Und das macht sie kooperativer, hörte er Dannyls Stimme in seinem Kopf. Und bis zu einem gewissen Grad mochte sein Freund damit recht haben. Vor Captain Ceryni hätte Rothen sich diesen Auftritt sparen können und er erkannte, dass er seine Sorge um Dannyl zu kompensieren versuchte.

Eine Woche war seit dem Kampf in Yukai vergangen und die Informationen, die Rothen erhielt, waren spärlich. Zwei Mal hatten sich die höheren Magier seitdem beraten, doch für den Augenblick gab es nicht viele Neuigkeiten. Sonea und Dannyl waren auf einer sicheren Route entlang der Berge unterwegs. Bis zum Nordpass würden sie noch drei Wochen unterwegs sein – eine lange Zeit, in der viel passieren konnte. Die Verräter berieten ihre nächsten Schritte, sofern man dem Glauben schenken konnte, und der König war verärgert, weil das Angebot, das er Sachaka unterbreitet hatte, nichtig war.

Im Empfangsraum wies Rothen die fünfzehn Novizen seiner Klasse an, auf den Sitzbänken bei den anderen Wartenden Platz zu nehmen, und wandte sich zu dem Schreibtisch, an dem eine Stadtwache saß.

„Guten Tag“, grüßte er. „Mein Name ist Lord Rothen. Ich wünsche Captain Cernyi zu sprechen.“

„Natürlich, Mylord.“ Der Mann stand auf und verneigte sich. „Ich informiere den Captain über Euer Kommen. Bitte nehmt einen Augenblick platz.“

Für einen ehemaligen Dieb ist er überraschend höflich, fuhr es Rothen durch den Kopf. Entweder war die Integration der Hüttenviertel dabei, sich auf die Manieren ihrer Bewohner auszuwirken oder die Diebe hatten sich dem Höflichkeitskodex der Stadtwache gefügt.

Er setzte sich auf einen freien Platz in der Nähe des Schreibtischs. Kaum, dass er saß, näherten sich Stiefelschritte und ein junger, unscheinbarer Mann, nur wenig größer als Sonea, betrat den Empfangsraum. Ohne den kurzen Bart hätte er wie ein Jugendlicher gewirkt. Dafür, dass er kaum Mitte zwanzig war, hatte er es in seinem Leben weit gebracht.

„Lord Rothen“, sagte er und verneigte sich. „Correl hat mir gesagt, dass Ihr hier seid. Was kann ich für Euch tun?“

„Ich bin wegen eines Forschungsprojekts für meine Klasse gekommen.“ Rothen wies zu den Sitzbänken. „Wir wollen Bodenproben von der Stelle nehmen, die bei der Schlacht von Imardin durch den Tod eines Sachakaners verwüstet wurde.“

Der Blick des ehemaligen Diebes fiel auf die Jungen und Mädchen in ihren kurzen Roben, die sich teils neugierig, teils unbehaglich umsahen, als hätten sie hier als Magier irgendetwas zu befürchten.

„Was soll das bringen?“, fragte er.

„Wir wollen herausfinden, ob und wie die Magie den Erdboden verändert hat und wie man diese Veränderungen rückgängig machen kann“, antwortete Rothen.

„Und was haben die Hüttenleute davon?“

„Nun, die Veränderungen könnten schädlich sein und in die Nahrung oder das Grundwasser gelangen.“ Rothen fühlte sich einem Verhör ausgesetzt. Sollte er sagen, dass es bei diesem Projekt um die Ödländer Sachakas ging?

Nein, dachte er. Dann wird er mir möglicherweise seine Kooperation verweigern.

Und vielleicht entdeckte er in den Bodenproben auch etwas, das den Hüttenleuten helfen würde.

Captain Ceryni nickte. „Ich bringe Euch hin.“

„Das ist sehr freundlich von Euch.“

Soneas Freund hob die Schultern. „Ich vertraue Euch. Aber ich bezweifle, dass Ihr ein Auge auf all Eure Novizen zugleich halten könnt.“

„Das ist sehr gut möglich“, erwiderte Rothen lächelnd. „Und natürlich möchte ich nicht, dass die Bewohner Eures Bezirks von meiner Exkursion in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden.“

„Habt Ihr etwas von Sonea gehört?“, fragte Ceryni, während sie durch die Gassen wanderten. Rothens Klasse folgte ihnen in einigem Abstand, als flöße der ehemalige Dieb ihnen Ehrfurcht ein. Dabei blieben sie dicht zusammen, als fürchteten sie einen Überfall. Die adeligen Novizen hatten Schauergeschichten über die Hüttenviertel gehört, die nicht-Adeligen kannten die Wahrheit. Dass sie über Magie geboten, schien nicht viel dagegen zu helfen.

„Sie ist inzwischen wieder auf dem Rückweg nach Kyralia“, antwortete Rothen. Obwohl er wusste, dass er Ceryni vertrauen konnte, zögerte er, zu viel zu erzählen. Die Situation war komplizierter, als er selbst verstand und es war niemandem geholfen, wenn sich noch mehr Personen um Sonea sorgten.

„War ihr Auftrag erfolgreich?“

„Der Magier, den sie begleitet, ist noch am Leben.“

„Und der Auftrag, mit dem die beiden Kyralia verlassen haben?“

Diesen Mann kann man nicht so leicht täuschen, erkannte Rothen. „Der Auftrag ist noch nicht beendet. Auslandsadministrator Dannyl – Soneas Begleiter – ist jedoch bestrebt, diesen zu beenden.“

Ceryni bedachte ihn mit einem abschätzenden Seitenblick. „Sie steckt in Schwierigkeiten, nicht wahr?“

„Nun“, antwortete Rothen unbehaglich. „Sie sind zu zweit in einem Land schwarzer Magier, da sind Schwierigkeiten unvermeidlich.“

Der junge Captain nickte, besaß jedoch die Diskretion, nicht weiter darauf einzugehen.

Wenig später erreichten sie eine Straße, in der die Hütten weniger schäbig aussahen, als im Rest der Hüttenviertel.

„Da wären wir“, sagte Ceryni. „Sagt Euren Novizen, sie sollen die Finger vom Eigentum der Bewohner lassen und nur dort Proben nehmen, wo sie niemanden stören.“

Rothen nickte und gab die Anweisungen weiter. „Achtet darauf, nicht nur Erdboden, sondern auch Proben von anderen Materialien zu sammeln“, wies er seine Klasse an. „Steine oder Holz wären gute Kandidaten. Die Auswirkungen von Magie unterscheiden sich möglicherweise je nach Material.“

Die Novizen zogen Reagenzgläser und kleine Dosen aus ihren Taschen und schwärmten aus. Rothen und Ceryni teilten sich auf, um ihre Arbeit zu kontrollieren.

Dieses Projekt hat seinen Sinn verloren, dachte Rothen, während er seine Klasse bei ihrer Arbeit beobachtete. Durch den Fall des Imperiums und die Spaltung Sachakas würde die Begrünung der Ödländer so bald nicht zustande kommen. Rothen war versucht gewesen, die Exkursion abzusagen, wäre sie nicht in der vergangenen Woche von Osen genehmigt worden. Der Anblick seiner Schüler, die mit Eifer bei der Sache waren, überzeugte ihn jedoch, dass das Projekt keine komplette Verschwendung war.

Sollte das Projekt Ödländer nicht zustande kommen, so habe ich heute vielleicht für ein paar weitere Magier in meiner Disziplin gesorgt, dachte er.

„Wenn es Euch und Euren Novizen hilft, führe ich Euch nachher noch zu der Stelle, an der sich vor zwei Jahren dieser Spion selbst getötet hat“, bot Ceryni an, als sie einander am Anfang der Straße wiedertrafen. „Die Verwüstung war geringer, aber vielleicht findet Ihr dort noch etwas anderes.“

Rothens Herz machte einen Sprung. Natürlich! Ihm und Sarrin war dies bei ihrer letzten Diskussion entgangen. Allerdings waren sie unterbrochen worden und ab da hatte Rothens Aufmerksamkeit den Eskapaden seines Sohnes und Soneas und Dannyls Sicherheit gegolten.

„Die Spuren, die Magie hinterlässt, verblassen mit der Zeit. Für genaue Erkenntnisse müsste ich Bodenproben zu verschiedenen Zeiten nehmen. Aber schon aus den Veränderungen im Abstand eines Jahres lässt sich bereits einiges ableiten, was mir beim Aufstellen einer Theorie helfen würde“, sagte er. „Also führt mich dorthin.“

Allein für diese Idee sollten die Hüttenleute von dem Resultat profitieren, fuhr es Rothen durch den Kopf. Sofern er überhaupt etwas Brauchbares daraus ziehen konnte.

Cery nickte. „Dann ruft Eure Novizen zusammen.“

Vielleicht würde bei diesem Projekt ein Nutzen für die Hüttenleute abfallen.


***


In den vergangenen Tagen war die politische Situation in Sachaka zu einem Bürgerkrieg eskaliert. Indem Kachiro kurz vor seinem Tod Sakori mit seinen Anhängern nach Norden entsandt hatte, war es Ivasako gelungen, Arvice und das Umland unter seine Kontrolle zu bekommen. Anscheinend war der Mann, der sich selbst zum Kriegsmeister ernannt hatte, schlau genug, eine Rückeroberung Arvices nicht ohne ausreichend Verbündete zu wagen.

Dies bedeutete jedoch, dass er sich seine Armee in den fruchtbaren Regionen zusammensuchen musste. Divako und Arikhai konnten inzwischen allenfalls die Aschenwüste erreicht haben und waren somit noch zu weit entfernt, um ihre Magier mit denen Sakoris zu vereinen.

Angesichts dieser Entwicklung hatte Ivasako sich dazu entschieden, Tarachi vorzeitig hinzurichten. Es hatte weder einen Prozess noch eine Wahrheitslesung gegeben, da er nicht länger gewillt war, diese Farce durchzuziehen, zumal nach seiner öffentlichen Erklärung zu Kachiros Tod und seiner Machtübernahme ganz Sachaka die Wahrheit kannte. Stattdessen hatte der Palastmeister Tarachi öffentlich im Palasthof hingerichtet und die Bilder per Gedankenrede an seine Gegner gesandt.

Dieser Schritt war unerfreulich, aber nötig gewesen. Jeden Tag schlossen sich ihm neue Unterstützer seiner und Ishakas Sache an, zugleich war es eine Machtdemonstration gegenüber Divako und den Duna.

Lasara lebte derweil in den Gemächern ihres verstorbenen Mannes bewacht von Ivasakos Männern. Jeden Nachmittag erhielt sie Besuch von Ienara, doch ihr einst gutes Verhältnis war durch den Mord an ihrem Mann und ihrem Sohn zerstört worden. Sie war zu alt, um als Sklavin verkauft zu werden und er brachte es nicht über Herz, sie hinzurichten, wo Männer wie Marika oder Kachiro vor diesem Schritt nicht zurückgeschreckt wären. Für Ivasakos Geschmack klebte bereits genug unschuldiges Blut an seinen Händen.

Auch Chirachi war hingerichtet worden, so wie all seine in Magie unterwiesenen Sklaven. Bei seinem Verhör hatte Ivasako herausgefunden, dass er und Sakori dem Imperator tatsächlich dabei geholfen hatten, eine Armee zu finanzieren, um Sachaka von Ishaka und seinen Anhängern zu befreien. Offenkundig hatte der Imperator dies von langer Hand geplant, weil er seinem politischen Berater seit Monaten nicht mehr getraut hatte. Mit dieser Armee hatte Kachiro geplant, Sachaka von den Verrätern zu befreien, während in Yukai Friedensverhandlungen mit eben diesen stattfanden, und anschließend nach Kyralia zu marschieren. Die angebliche Verschwörung der Verräter mit Ishaka und das Scheitern der Konferenz hatten Kachiro dabei in die Hände gespielt.

Im Nachhinein wünschte Ivasako, er hätte den Ernst der Lage früher erkannt und dementsprechend gehandelt. Aber wie hätte er ahnen können, was derweil bei den Verrätern geschah?

„Meinen Informationen zufolge hat Sakori in den fruchtbaren Regionen inzwischen dreißig weitere Anhänger gewonnen.“ Tarko deutete auf mehrere Punkte auf dem Pergament, das auf dem großen Tisch in einem der Besprechungsräume im zweiten Stock des Palastgebäudes ausgebreitet war. „Diese stammen hauptsächlich aus diesen Gebieten.“

„Gebt mir eine Liste, sofern Ihr die Namen habt“, wies Ivasako den Mann, den er zu seinem Kriegsmeister ernannt hatte, an.

Es fühlte sich falsch an, dieses Land zu regieren. Ivasako war nicht dazu gemacht, andere anzuführen. Selbst seine Palastwache hatte er stellvertretend für Marika angeführt. Doch nun war er der Herrscher über Sachaka – oder zumindest über jenen Teil, den er unter seine Kontrolle gebracht hatte. Ishaka war wie Divako noch mehrere Wochen von Arvice entfernt und Ivasako hatte nichts als Ienaras weisen Rat. Ihr konnte er Dinge anvertrauen, die er vor Tarko verbarg. Der Ashaki mochte Ishakas engster Freund sein, aber Ivasako kannte ihn kaum.

„Natürlich, Palastmeister.“ Tarko winkte einen Sklaven zu sich. Er trug die einfache Uniform, in die Tarko seine Bewacher kleidete. Aus der Jacke zog er ein zusammengefaltetes Pergament und reichte es Ivasako mit gesenktem Kopf.

Der Palastmeister nahm die Liste entgegen und überflog die Namen. „Nun, die meisten sind keine Überraschung“, bemerkte er. „Bei mindestens einem weiteren Dutzend rechne ich damit, dass sie sich Sakori anschließen. Wie viele könnten es darüber hinaus werden?“

„Das ist schwierig zu sagen.“ Nachdenklich starrte Tarko auf die Karte. „Einige Ashaki von der nördlichen Küste sind dafür bekannt, dass sie mit Kachiro sympathisieren. Allerdings ist genau dies eine der Regionen, die unter politischen Missständen zuerst leiden.“

„Also wäre es möglich, dass sie sich Sakori anschließen, auch wenn sie unter Kachiros Politik gelitten haben“, folgerte Ivasako.

„Ja.“

„Ich kann einige der dort lebenden Ashaki, von denen ich weiß, dass sie viel von Marika gehalten haben, rufen und anweisen, sich um diese zu kümmern.“ Als Ivasako näher über seinen Plan nachdachte, erkannte er, dass zumindest zwei Ashaki aus jener Gegend verlässlich genug waren, um sich der Sache anzunehmen. „Wir sollten Sakori so viel Schaden wie möglich zufügen“, sagte er. „Dann ist er umso geschwächter, wenn er auf Divako trifft. Zudem würde ich es gerne vermeiden, dass unsere Leute gegen die vereinten Armeen von Sakori und den Duna kämpfen.“

„Und wie wollt Ihr an Sakori herankommen, Palastmeister? Er befindet sich drei Tagesreisen nördlich von Arvice. Ihr müsstet Leute von der Sicherung Arvices und der Umgebung abziehen und wärt damit verwundbar. Die Ashaki in den fruchtbaren Regionen müssten ebenfalls versammelt werden.“

„Ich gedenke nicht, die Ashaki zu versammeln“, sagte Ivasako. „Zumindest nicht jetzt.“ Er warf einen Blick zu der jungen Frau, die auf einem Kissen an der Wand kniete. „Wir machen es wie die Verräter.“

Mivaras Augen weiteten sich und sie senkte rasch den Kopf.

Ivasako lächelte humorlos. Er hatte Mivaras Identität für sich behalten. Bis jetzt hatte er das sogar erfolgreich vor Ishaka verborgen, sah man von jenem Abend ab, an dem Ishaka ihm mitgeteilt hatte, dass er und Takiro mit einer Verräterin reisten.

Wie sich herausgestellt hatte, hatte diese Frau den beiden Ashaki eine Zusammenarbeit gegen Divako und die Duna vorgeschlagen. Ivasako hätte einen Hinterhalt vermutet, hätten Mivaras Gedanken ihm nicht offenbart, dass sie und ihre Leute in der Stadt im Geheimen gegen ihre Anführerin arbeiteten.

„Also einzelne und gezielte Aktionen bei Nacht und Nebel“, folgerte Tarko.

„Ja.“

„Können wir dazu Verräter in den fruchtbaren Regionen hinzuziehen?“

Ivasako richtete den Willen auf sein Blutjuwel.

- Können wir?

- Nein. Das heißt …

Ein Bild blitzte in Ivasakos Geist auf. Ishaka und seine Begleiter hatten Schutz zwischen mehreren Felsen gesucht, über denen ein roter Himmel durchzogen von Rauchschwaden zu erkennen war. Irgendwo zwischen den grauen Schleiern erblickte Ivasako für einen kurzen Moment die blasse Scheibe der Sonne.

Der Ashaki wandte sich zu der Frau, die mit grimmiger Miene gegen einen Felsen gelehnt saß, und wechselte einige Worte mit ihr.

„Eine meiner Schwestern, die Yukai überlebt hat, hat dort Leute“, sagte Varakos Frau. „Wir können ihnen vertrauen. Doch sie zu erreichen ist ohne eine direkte Verbindung umständlich.“

„Dann informiert die zuständigen Verräter, dass sie die Nachricht weitertragen.“

„Da ich Divako noch mehr verabscheue als Euch, bin ich geneigt, Euch diesen Gefallen zu tun“, gab die Verräterin kühl zurück.

Durch das Blutjuwel konnte Ivasako die Verärgerung des Ashaki spüren. Ishaka und die Verräterin konnten einander nicht ausstehen und Asara tat alles, um den Ashaki daran zu erinnern, dass sie sich nichts von ihm befehlen ließ. Ishaka hingegen war ein Mann, der es nicht nötig hatte, aktiv Kontrolle auszuüben, weil die Ashaki ihm auch so folgten.

„Damit könnten wir Sakoris Leute in den Wahnsinn treiben“, murmelte Tarko, nachdem Ivasako ihm von seinem Gespräch mit Ishaka berichtet hatte. „Allerdings müssen wir uns darauf verlassen, dass die Aktion gelingt. Ich traue dieser Verräterin nicht.“

„Sie hätte Ishaka nicht völlig geschwächt und verwundbar aufgesucht, würde sie ihn in eine Falle locken wollen“, entgegnete Ivasako.

„Den Verrätern kann man nicht trauen. Wenn sie ihre eigenen Leute töten, um es uns zu unterstellen, werden sie auch vor einem solchen Opfer nicht zurückschrecken.“

„Da stimme ich Euch zu, Ashaki Tarko“, sagte Ivasako vorsichtig. Wenn ich nicht aufpasse, was ich sage, verrate ich Mivara. Sie war seine einzige Verbindung zu den Verrätern. Und sie war alles, was ihn von der Aufrichtigkeit dieser kleinen Gruppe um Asara überzeugen konnte. „Doch, wenn wir nicht mit ihnen zusammenarbeiten, gehen wir so oder so unter. Gegen eine Armee wütender Duna können wir nicht bestehen.“

Der Ashaki seufzte. „Nein“, sagte er. „Das können wir nicht.“ Die Arme vor der Brust verschränkt trat er zum Fenster, seinen Blick auf die Parrabäume tief unten im Palastgarten gerichtet. „Dass diese Verräterin auf unserer Seite ist, ist gut und schön. Doch wir sollten uns so vorbereiten, als wären wir auf uns gestellt. Und wir sollten Ishaka sagen, dass er dies vor Varakos Frau geheim hält.“

Ivasako tauschte einen Blick mit Mivara. An dem Funkeln in ihren Augen konnte er sehen, dass sie den Inhalt ihrer Diskussion an ihre Leute übermitteln würde. Doch er konnte Tarko nicht sagen, dass er seine Cachira zuhause lassen sollte, wenn er zu Besprechungen in den Palast kam, ohne dessen Misstrauen zu erregen. Aber vielleicht konnte ihm Mivara noch nützlich werden.

„Und was schwebt Euch vor, Ashaki Tarko?“, fragte er.

Der Ashaki wandte sich um, ein subtiles Lächeln auf den Lippen. „Es mag nicht Eurem ursprünglichen Plan entsprechen, doch vielleicht gibt es einen Weg, Sakoris Armee einen vernichtenden Schlag zu verpassen.“

Der Palastmeister runzelte die Stirn. „Sprecht.“

Tarkos Finger beschrieb einen Bogen auf der Karte. „Wir vergrößern den Bereich Sachakas, der unter unserer Kontrolle ist, und treiben Sakori in die Ödländer. Mein Freund Hakaro würde diese Aufgabe mit Freuden übernehmen. Bis dahin werden die Ashaki Eure Verräter-Methode anwenden. Wenn wir es geschickt anstellen, ist dieser Bereich sicher, solange unsere Leute zwischen den Ödländern und unseren Feinden stehen.“

„Dazu müsste ich Marikas Blutjuwelen einsetzen und das Risiko eingehen, Ashaki von unseren Plänen zu berichten, die vielleicht nicht auf unserer Seite sind“, sagte Ivasako. Die Aussicht gefiel ihm nicht, doch er hatte dieses Kyrima-Spiel zu seinem gemacht. Also musste er es bis zum bitteren Ende spielen.

Tarko nickte bedächtig. „Dieses Risiko müsstet Ihr jedoch auch eingehen, würdet Ihr sie ganz ohne Magie rekrutieren.“


***


An diesem Nachmittag war der Unterricht in Kriegskunst ausgefallen. Wo Regin im ersten Augenblick über die freie Zeit, die er mit einem Mal zur Verfügung hatte, geflucht hatte, war er umso erfreuter gewesen, als Lord Balkan ihm mitgeteilt hatte, dass sie stattdessen im Steinbruch eine neue Waffe testen würden, die Akkarin und Lord Sarrin entworfen hatten.

„Das Projekt war Soneas Idee“, hatte Balkan gesagt. „Sie musste ihre Beteiligung daran jedoch für ihre Mission nach Yukai unterbrechen. Seitdem forschen Akkarin und Sarrin alleine daran.“

Regin wusste, dass die schwarzen Magier schon vor Yukai nach einer neuen Waffe geforscht hatten. Doch selbst Sonea hatte sich darüber ausgeschwiegen. Jetzt, wo sie vielleicht bald in einen Krieg mit Duna gerieten, verhieß ihre Idee neue Hoffnung.

Noch wussten sie nicht, wann und ob die Duna angreifen würden. Da die Gilde offiziell noch mit den Verrätern verbündet war und die Rebellen verbreitet hatten, dass der Anschlag auf die Eskorte mit dem Wissen der Gilde geschehen war, war ein Angriff wahrscheinlich.

Aber die Duna sind Barbaren. Unsere Waffen werden sie völlig unvorbereitet treffen.

Auf der Klippe, von der aus ein Weg in den Steinbruch führte, warteten drei Pferde und ein Mann mit roten Haaren.

Was macht er hier?, dachte Regin. Arbeitet er jetzt für Akkarin?

Auf Balkans Kommando saßen Regin und die Krieger ab. Angeführt vom Oberhaupt der Krieger stiegen sie den Pfad hinab. Inmitten des Steinbruchs wurden sie von zwei schwarzgewandeten Gestalten erwartet. Die eine war hochgewachsen, das lange schwarze Haar auf altmodische Weise zurückgebunden, die andere mit den schlohweißen Haaren war kleiner, jedoch nicht weniger hager.

„Hoher Lord“, grüßte Balkan. „Lord Sarrin. Wie können wir Euch bei Eurem Test behilflich sein?“

„Bildet zwei Gruppen“, sprach Akkarin. „Lord Sarrin und ich werden zunächst gegen jeweils eine Gruppe kämpfen. Währenddessen werden wir von unserer neuen Waffe Gebrauch machen. Wir werden darauf achten, Euch keinen Schaden zuzufügen, doch es ist wichtig, dass Ihr die Wirkungsweise dieser Waffe nicht vorab kennt, da wir auch ihren psychologischen Effekt studieren wollen.“

„Zur Sicherheit sollte jeder Krieger sich zusätzlich mit einem inneren Schild umgeben“, fügte Lord Sarrin hinzu. „Die Gefahr eines Treffers ist zwar gering, doch diese Waffe ist ein ungetestetes Produkt aus Alchemie und schwarzer Magie und damit unberechenbar.“

Lord Balkan nickte grimmig. „Meine Krieger werden darauf achten.“ Er wandte sich um. „Lord Regin, Ihr werdet die zweite Gruppe befehligen. Diese wird gegen Lord Sarrin antreten.“

„Ja, Lord Balkan“, erwiderte Regin einen leisen Unwillen verspürend. Ein Kampf gegen den gefährlichsten Magier, den die Gilde aufbieten konnte, hätte ihm mehr zugesagt. Er wagte es jedoch nicht, Balkan zu widersprechen.

Sie stellten sich auf, ein Dutzend Krieger je Gruppe. Lord Sarrin und Akkarin blieben in der Mitte des Steinbruchs, die Gruppen hatten sich an gegenüberliegenden Seiten positioniert. Auf Balkans Kommando erteilte Regin seinen Kriegern den Befehl, dann griff er mit Lord Vorin und zwei weiteren Kriegern an.

Von früheren Übungskämpfen wusste Regin, dass Lord Sarrin nicht der geschickteste Kämpfer war. Er war kein Krieger und ein Mann in seinem Alter war nicht mehr sonderlich flexibel und lernfähig. Regin glaubte jedoch, eine Verbesserung zu erkennen, die nicht daher rührte, dass die beiden schwarzen Magier während des Kampfes per Blutjuwel kommunizierten.

Sarrins doppelte Kraftschläge kamen schneller, und wenn er einen Feuerschlag splittete, erschuf mehr und schwächere Fragmente. Zwischendurch warf er kleine Steine als Ersatz für die Schildsenker, die mit Illusionen perfekter, als Regin es je bei einem Krieger gesehen hatte, getarnt waren.

Ein Glück, dass es in der Praxis eher selten geschieht, dass wir von Sachakanern mit Schildsenkern beworfen werden, dachte Regin.

„Ein guter Trick, Lord Vorin“, sagte er, als der Krieger mit einem dichten Hagel von schwachen Kraftschlägen versuchte, die Attrappen zu zerstören. „Doch Kraftverschwendung, wenn man nicht weiß, wann sie kommen.“

Der Krieger hob die Schultern. „Ich könnte mit Gedankenschlag dafür sorgen, dass man sie sieht, doch das wird Balkan nicht gefallen.“

„Die Sachakaner werden sich nicht an unsere Regeln für magische Kämpfe“, entgegnete Regin die Worte wiederholend, die Sonea und Akkarin so oft als Rechtfertigung verwendeten, wenn sie die Krieger bei ihren wöchentlichen Trainings wieder einmal vernichtend geschlagen hatten. „Deswegen sollten wir …“

Einige Krieger schrien auf und Regin japste nach Luft, als er sich Lord Sarrin plötzlich schutzlos ausgeliefert sah. „Schild verstärken!“, brüllte er.

„Es geht nicht!“, rief Lord Kerrin. „Die Magie verschwindet sofort.“

Regin griff nach dem Handgelenk des Kriegers und gab seine Magie mit in den Schild. Zu seinem Entsetzen blieb die Magie nicht dort, sondern wurde von ihrem Schild abgesaugt. Er warf einen Blick nach vorne.

Lord Sarrin hatte eine Hand erhoben und daraus schoss ein gleißender Strahl von Magie in den Himmel.

„Lasst den Schild fallen!“, rief er.

Was um alles in der Welt haben Akkarin und Sonea da ausgeheckt?, dachte Regin entsetzt. Wenn ihm schon unter Testbedingungen nicht geheuer bei dieser Waffe war, wie albtraumhaft musste es erst für die Sachakaner sein, wenn ihnen plötzlich der Schild entrissen wurde und sie keine Kontrolle mehr darüber hatten?

„Tut, was er sagt“, wies er die Krieger an.

Auf der anderen Seite des Steinbruchs hatten der Hohe Lord und Balkans Gruppe ihren Kampf bereits beendet. Als Lord Sarrin sich dem Oberhaupt der Gilde näherte, folgte Regin ihm neugierig.

„Der Test war erfolgreich, würde ich sagen“, hörte er Lord Sarrin sagen. „Es ist mir gelungen, die Kontrolle über den Schild zu erlangen. Doch ich habe es nicht gewagt, die auf diese Weise enthaltene Magie in einen Angriff auf die Gruppe zu verwandeln.“

„Das ist zu Demonstrationszwecken auch nicht nötig.“ Akkarins tiefe Stimme klang zufrieden. „Ich schlage noch eine Runde vor, um den Umgang mit der Waffe zu vertiefen.“

Sie kehrten zurück zu ihren Positionen. Erneut sah Regin sich dem betagten Alchemisten gegenüber. Wie auch immer er das gemacht hatte, dieses Mal würde Regin es ihm schwermachen. „Wenn er uns erneut den Schild nimmt, errichten wir einen zweiten“, teilte er seinen Kriegern leise mit. „Er hat vorhin davon gesprochen, dass er die Kontrolle über unseren Schild erlangt hätte. Mit einem zweiten Schild wird er nicht rechnen.“

Lord Vorin grinste. „Wenn wir die Sachakaner auf diese Weise angreifen, haben wir die Schlacht fast gewonnen.“

Du vergisst, dass ihre Magie uns vernichten könnte, wenn wir sie töten, bevor sie sich erschöpft haben, wollte Regin sagen, doch dann erklang das Kommando für die zweite Runde.

Der Kampf verlief ähnlich dem ersten. Als Lord Sarrin die Kontrolle über den Schild übernahm, gelang es Regin und den Kriegern einen zweiten zu errichten und den schwarzen Magier anzugreifen. Dann traf sie die zu einem gewaltigen Kraftschlag gebündelte Magie von irgendwo seitlich. Für einen Augenblick waren die Krieger verwirrt, dann hätte Regin beinahe laut aufgelacht.

„Es ist Akkarin!“, sagte er. „Am besten, Ihr macht jetzt …“

Weiter kam er nicht, denn ein weiterer starker Kraftschlag traf ihren zweiten Schild von vorne. Nur wenige Augenblicke später verloren die Krieger auch über diesen die Kontrolle, doch anstatt die Magie in den Himmel zu leiten, wandte Lord Sarrin sich um und schoss sie zu einem Feuerball geformt auf Balkans Gruppe.

„Aufhören!“

Die Kämpfe erstarben, die noch vorhandenen Schilde wurden gesenkt und Krieger und schwarze Magier kamen in der Mitte des Steinbruchs zusammen. Der Assistent des Auslandsadministrators verließ das Kliff und kam zu ihnen.

„Was war das?“, fragte Regin, kaum dass alle versammelt waren.

„Der Hohe Lord hat die Magie aus dem Schild meiner Gruppe auf Eure gelenkt, während Ihr mit Lord Sarrin beschäftigt wart“, antwortete Balkan. „Später hat Lord Sarrin dasselbe mit meiner Gruppe getan, nachdem er die Magie kurzzeitig in sich gespeichert hatte.“ Er sah zu den beiden schwarzen Magiern. „So ist es doch, richtig?“

„Exakt“, antwortete Akkarin.

„Aber …“, begann Regin, „wie funktioniert dieses Prinzip?“

„Schwarze Magie und Alchemie“, antwortete der Hohe Lord. Er zog eine Phiole aus einem Beutel an seiner Hüfte. Das Innere des winzigen Glasgefäßes war mit einer klaren, durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt. „Das Prinzip ähnelt dem der Schildsenker im entferntesten Sinne. Die schwarzmagischen Methoden, die wir bei der Herstellung verwendet haben, sorgen dafür, dass man nach der Magie des Schildes greifen kann, ohne dass man damit in Kontakt kommen muss.“

„Und es geht sogar noch weiter“, fügte Dannyls Assistent erfreut hinzu. „Man kann damit auf jede Magie, die sich in einer räumlichen Distanz befindet, zugreifen, wenn diese von der in den Phiolen enthaltenen Substanz bedeckt wird.“

„Also Schildsenker für schwarze Magier“, folgerte Regin.

„Nicht ganz“, antwortete sein ehemaliger Mentor. „Tatsächlich könnt Ihr damit selbst nach dieser Magie greifen, so als wäre es Eure eigene Quelle. Ihr könnt sie nur nicht in Euch speichern, sondern müsst sie sofort verbrauchen.“

„Und um das zu verinnerlichen, werden nun einige ausgewählte Krieger dies an mir und Sarrin testen“, sprach der Hohe Lord. „Dazu haben wir einige Phiolen vorbereitet.“

Regin starrte ihn an. „Wir dürfen Euch mit Euren eigenen Waffen angreifen?“

„Unter der Prämisse, dass Ihr uns nicht tötet, ja.“ Akkarins unheimliche Augen bohrten sich in seine und Regin zuckte unwillkürlich zurück. „Ihr werdet den einen von uns mit einer Phiole bewerfen und mit der auf diese Weise gewonnenen Magie den anderen angreifen. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“

Regin schluckte. „Ja, Hoher Lord.“

„Für diesen Test benötigen wir einen Tropfen des Blutes der an dem Test beteiligten Krieger“, fügte Sarrin hinzu. „Wer dies nicht möchte, kann von diesem Test zurücktreten.“

Eine Stunde später kehrte Regin zutiefst befriedigt zur Gilde zurück. Er, Balkan und zwei weitere Krieger hatten die neuen Waffen an den beiden schwarzen Magiern ausgetestet. Regin hatte rasch festgestellt, dass es eine kleine Herausforderung war, die auf diese Weise erhaltene Magie zu einem richtigen Angriff zu bündeln. Seine ersten beiden Versuche waren nichts als ein Strahl gleißender Energie gewesen. Akkarin und Sarrin hatten sich indes nicht viel geschickter angestellt. Regin nahm an, die Magie zu fokussieren erforderte einiges an Übung. Nichtsdestotrotz hatte Regin es genossen, so viel Magie auf einmal zu benutzen. Jetzt brannte er darauf, die Sachakaner und ihren Verbündeten mit dieser Waffe das Fürchten zu lehren.

Er fand Flavia damit beschäftigt, nicht vorhandenen Staub in seinem Wohnzimmer zu wischen. Als Regin eintrat, wandte sie sich um.

„Guten Abend, Mylord“, grüßte sie ein Funkeln in den Augen und verneigte sich. „Ihr seid früher als erwartet zurück. Euer Abendessen ist daher noch nicht fertig, doch auf dem Tisch findet Ihr etwas Gebäck.“

Nicht wissend, was er darauf erwidern sollte, nickte Regin nur. Bei jedem anderen Diener hätte er verlangt, ihm das Abendessen sofort zu bringen. Doch was machte das für einen Sinn, wenn es noch nicht fertig war, wenn sie erst zum Ende des Abendunterrichts mit ihm gerechnet hatte?

Er schlenderte zu dem kleinen Esstisch, auf dem eine silberne Platte mit kleinen Kegelkuchen stand. Regin wählte zwei Stück und verspeiste sie gegen den Tisch gelehnt. Pachi und Marin, bemerkte er, als er in den ersten biss. Der andere Kuchen enthielt vermutlich eine andere Fruchtfüllung.

Während er kaute, beobachtete er Flavia bei ihrer Arbeit. Sie schien darin aufzugehen, so als wolle sie ihm damit gefallen. Dabei gefiel sie Regin nicht, weil sie sein Quartier sauber hielt. Sie gefiel ihm, weil sie Flavia war.

Den zweiten Kegelkuchen in der Hand stieß er sich von der Tischkante ab. Eine Scheibe aus Magie unter seinen Füßen schaffend durchquerte er den Raum schwebend, bis er hinter seiner Dienerin war. Dann landete er behutsam auf dem Boden und schlang einen Arm um ihre Taille.

Sie sog überrascht die Luft ein.

„Mylord“, entfuhr es ihr.

Regin lachte leise und nahm ihr den Staubwedel aus der Hand. „Du kannst später weiterarbeiten“, murmelte er dicht an ihrem Ohr. „Doch bis dahin habe ich etwas anderes mit dir vor.“

Er nahm den Kegelkuchen und fütterte sie damit. Die Art und Weise, wie Flavia das Gebäck von seinen Fingern aß und das Gefühl, als ihre Lippen über seine Haut strichen, brachten sein Blut in Wallung. Er beugte sich zu ihr hinab und küsste ihren Hals und den Haaransatz hinter ihrem Ohr.

„Hm“, machte sie und lehnte sich zurück.

Unter ihrem Gesäß, das sich gegen ihn drängte, schwollen seine Lenden an und er zog sie dichter in seine Arme. Seine Finger nestelten an den Knöpfen ihrer Uniform und fuhren schließlich tiefer, um den Verschluss ihrer Hose zu öffnen.

Flavia japste nach Luft, wehrte sich jedoch nicht. Das hatte sie noch nie. Hätte Regin nicht gewusst, dass sie ihn begehrte, hätte er geglaubt, es ginge ihr nur darum, sich vor anderen Dienern damit zu brüsten, dass sie einem Magier zu Willen war. Dass sie ihm so verfallen war, machte den Sex mit ihr jedoch umso besser.

Er war nicht überrascht, dass sie bereits feucht war. Zwei lange Jahre hatte sie sich seinetwegen in Enthaltsamkeit geübt.

„Hattest du in der Zwischenzeit einen anderen?“, hatte er sie gefragt, als sie drei Tage zuvor vor seiner Tür gestanden hatte.

„Nein, Mylord“, hatte sie geantwortet. „Ich hätte, doch ich wollte nur Euch. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass Ihr Euch von Lady Trassia trennt.“

Nun, das Warten hatte sich gelohnt. Mit ihr zu schlafen war so viel unkomplizierter als mit Trassia. Flavia stellte keine Ansprüche, sondern genoss freudig alles, was er mit ihr tat und schrak weder vor seinen Wünschen noch davor, etwas Neues auszuprobieren, zurück.

Er löste ihre Hose vollends und schob sie mit seiner Magie bis auf ihre Oberschenkel hinab. Dann beugte er sie nach vorne, und nachdem er seine Roben entsprechend arrangiert hatte, stieß er in sie hinein.

Flavia keuchte auf. Eine Hand in ihrem Schoß, die andere auf ihren Brüsten begann Regin sich in ihr zu bewegen. Es war ein krönender Abschluss für einen so erfolgreichen Tag. Flavia drängte sich ihm entgegen und ihre Atmung wurde lauter und stoßartiger.

Regin entschied sich dagegen, ihr Erlösung zu verschaffen. Sie war noch williger, wenn er sie nicht zu sehr verwöhnte. Wo andere Frauen protestiert hätten, sah Flavia es als Privileg, von ihm begehrt zu werden.

Als er fertig war, zog er ihre Hose hoch und brachte ihre Uniform wieder in Ordnung. „Mach das Wohnzimmer fertig“, wies er sie an. „Danach bring mir mein Abendessen.“


***


Der Weg nach Sachaka zog sich endlos. Nach nur einem Tag war Asara völlig entnervt gewesen von Takiros unermüdlichem Geplapper und dem Gefummel an seinem Bettsklaven, wann immer sie ihr Lager aufschlugen. Ishaka war mit seiner stillen Arroganz derweil auch nicht leichter zu ertragen. Auch wenn er es nicht offen zeigte, schien es als fühle sich durch Asara in seiner Überlegenheit bedroht, und versuchte das mit dem Verhalten eines Platzjari zu kompensieren. Unter anderen Umständen hätte Asara das amüsant gefunden. Durch Hitze, Hunger, Durst und permanente Erschöpfung war ihr der Humor indes abhandengekommen. Zudem musste ein dominanter Mann bereit sein, sich unterzuordnen, wenn jemand anderes ihm überlegen oder zumindest ebenbürtig war.

Je länger sie mit den Ashaki zusammen war, desto absurder wurde der Gedanke, dass man ihnen eine Kollaboration unterstellt hatte. Asara musste nur daran denken, wie reizbar einige ihrer Schwester waren, um zu wissen, dass Ishaka und Takiro bei ihnen nicht lange überlebt hätten.

Um schneller vorwärtszukommen, hatte Asara angeregt, bei Nacht zu reisen und den Tag geschützt vor den grellen Strahlen der Sonne in einem Versteck zu verbringen. „Damit werden wir gegenüber Divako einen Vorsprung haben“, hatte sie ihnen erklärt und Takiro hatte ihr freudig zugestimmt, da er sich am meisten über die Hitze beklagte. Unglücklicherweise hatte die Reise bei Nacht den unerwünschten Nebeneffekt, dass der Ashaki noch mehr plapperte, und Asara war mehrfach kurz davor gewesen, ihm ihren Schal in den Mund zu stopfen, damit er endlich Ruhe gab.

Wahrscheinlich wären mir die anderen dafür dankbar, dachte sie, als sie das Lager abbrachen und ihre Reise in der einsetzenden Dämmerung fortsetzten. Sogar sein Lustsklave schien zuweilen entnervt.

Eine Grimasse schneidend schwang sie sich auf den Rücken ihres Pferdes.

„Ich habe Neuigkeiten“, teilte Ishaka ihr mit, als sie ihr Pferd neben seines und das von Takiro lenkte.

„Oh?“, machte Takiro, bevor Asara überhaupt den Mund öffnen konnte.

Wird er denn niemals müde?, fragte sie sich entnervt. Während des Tages hatte der Ashaki im Halbschlaf unter dem einzigen Sonnensegel in ihrem spärlichen Gepäck gedöst. Selbst da hatte er noch vor sich hingebrabbelt.

„Was wissen deine Informanten, was meine mir nicht mitteilen?“

Er wirkte beleidigt. Von ihren eigenen Leuten wusste Asara, dass der Palastmeister eine Informationssperre verhängt hatte, um die Aktionen von Kachiros Anhängern zu erschweren. Unglücklicherweise erschwerte das auch den Verrätern in Arvice, Neuigkeiten zu erfahren. Dank Anjiaka, Vikacha und Mivara war Asara dennoch über die Ereignisse in der Stadt auf dem Laufenden. Und seitdem Varala aus dem Umland in ihren Plan eingeweiht war, schickte sie regelmäßig jemanden nach Arvice, um Informationen mit Anjiaka auszutauschen.

„Zwischen Sakoris Leuten und einigen Land-Ashaki gab es erste Kämpfe.“

„Dann hat der Palastmeister schnell reagiert“, bemerkte Asara. Es war Mittag gewesen, als Ishaka sich deswegen mit ihr beraten hatte. Takiro hatte geschlafen, wofür Asara dankbar gewesen war. Mit Ishaka zu diskutieren war bereits entnervend genug. „Besonders wenn man bedenkt, dass sich Sakori jenseits des Gebietes befindet, das Ivasako unter seine Kontrolle gebracht hat.“

„Ivasako hat Mittel und Wege, die Ashaki schnell und sicher zu mobilisieren.“

„Ich habe mir schon immer gedacht, dass der Palast Blutjuwelen zur Kommunikation mit den Ashaki hat“, sagte Asara. Nur so hatte Marika seine Ashaki so schnell zusammenrufen können. Dass sie über Mivara die Bestätigung erhalten hatte, ging die beiden Männer nichts an.

Takiro schien nicht begeistert über diese Eröffnung, doch das kümmerte Asara herzlich wenig. Auch er hatte Informanten. „Asara, konntet Ihr inzwischen weitere Verräter für unsere Sache gewinnen?“, fragte er.

„Wenn sich mir und meinen Schwestern weitere angeschlossen haben, weiß ich noch nichts davon.“ Nirili, Ivara und ich hätten uns Blutjuwelen machen sollen, dachte sie wie so oft in den vergangenen Tagen. Keine von ihnen hatte bei ihrer Flucht aus Yukai die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie sich aufteilen würden. Sie konnte nur mit jenen ihrer Leute direkt kommunizieren, denen sie einst ein Blutjuwel von sich gegeben hatte. In Arvice und Umgebung waren das Vikacha, Tari und Varala. Diese leiteten Nachrichten zu anderen weiter, die sich ihnen bereits angeschlossen hatten.

„Sobald Ihr etwas Neues erfahrt, teilt es uns mit“, wies Ishaka sie an.

„Glaubt mir“, sagte Asara. „Ich bin nicht diejenige in dieser Runde, die wichtige Informationen für sich behält.“

Takiro blinzelte verwirrt. „Die da wären?“

In der aufziehenden Dämmerung studierte Asara die Mienen der beiden Ashaki genau, als sie sprach. „Zum Beispiel, dass Ashaki Hakaro in den Ödländern eine Armee aufstellen wird“, antwortete sie. „Gemeinsam mit Eurem Vetter, Ashaki Ishaka.“

Es war nahezu erheiternd, wie Takiros Augen sich weiteten, während Ishaka nur leicht die Augenbrauen hob.

„Wie könnt Ihr davon wissen?“, fragte Takiro.

„Ich bin eine Verräterin“, erwiderte Asara. „Ich habe überall Spione. Darunter auch in den furchtbaren Regionen.“ Sollten sie denken, sie habe es über den Sklaven eines Ashaki, den Ivasako gerufen hatte, erfahren. In Wirklichkeit war es jedoch Varala, die dort einige Beziehungen unterhielt. „Ihr hättet es mir sagen müssen“, fuhr sie eisig fort. „Dass Ihr es nicht getan habt, beweist wieder einmal, wie wenig wir einander vertrauen. Wie soll eine Zusammenarbeit auf dieser Grundlage gelingen?“

Takiro verfiel in schmollendes Schweigen. Ishaka starrte mit gerunzelter Stirn auf die Zügel seines Pferdes. „Ihr habt selbstverständlich recht, Asara von den Verrätern“, sprach er schließlich. „Für mich und Takiro gab es in den vergangenen Tagen viel in der Stadt zu regeln.“ Er wandte den Kopf und seine intelligenten Augen musterten Asara. „Anscheinend habe ich Euch und Euer Talent, Informationen zu beschaffen, unterschätzt, auch wenn offenkundig ist, dass Euer Netzwerk Lücken hat.“

„Hätte ich nicht meine eigenen Informanten, wäre ich gezwungen, Euch alles zu glauben, was Ihr mir weismachen wollt“, entgegnete sie. „Kontrolle ist immer besser als Vertrauen – und wie mir scheint, trifft das alte sachakanische Sprichwort auch in diesem Fall zu.“

„Das scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen“, bemerkte Ishaka. „Ich mag Euch Eure ehrlichen Absichten abkaufen, doch das heißt nicht, dass dies für den Rest Eurer Leute gilt.“

„Ich kann mich dafür ebenso wenig verbürgen, wie Ihr dafür, dass die Ashaki, die der Palastmeister heute gerufen hat, auf Eurer Seite sind“, erwiderte Asara liebenswürdig.

Ishaka runzelte die Stirn. „Aber wenn Ihr Informanten in ihren Haushalten habt, werdet Ihr uns sicher sagen können, ob sie sich unserer Sache wirklich angeschlossen haben.“

„Sofern ich diesen Informanten vertraue, könnte ich das. Ich …“

- Asara!

Asara zuckte zusammen. Es dauerte einen Augenblick, die Stimme und ihre Präsenz zuzuordnen. Sie sprachen nicht gerade oft miteinander, ihre Schwester war noch einzelgängerischer als sie selbst.

- Nachiri! Was bringst du für Neuigkeiten?

- Savedra hat angeordnet, die Ashaki anzugreifen. Sie rechtfertigt diesen Schritt damit, dass Kachiro sein wahres Gesicht gezeigt hat, als er die Konferenz scheitern ließ, und dass die Chance Sachaka zu übernehmen niemals günstiger gewesen ist. Sie schickt eine Armee in die fruchtbaren Regionen. Bis diese eintrifft, sollen unsere dort stationierten Schwestern sie einzeln bekämpfen.

Asaras Herz setzte einen Schlag aus. Ivara war eine Woche von der Zuflucht entfernt. Offenkundig war es ihr nicht gelungen, Savedra per Blutjuwel von diesem Schritt abzuhalten. Allerdings musste Asara ihrer Anführerin zugestehen, dass sie keinen besseren Zeitpunkt hätte wählen können.

- Sind unsere Leute stark genug, das zu überleben?

- Sie haben über Monate die Waffen der Gildenmagier gehortet. Ich würde sagen: ja.

- Die Gildenmagier müssen davon erfahren, sandte Asara. Bist du in der Nähe ihres Forts?

- Ich bin einen Tag entfernt.

- Kannst du Nirili erreichen?

- Ja. Doch das wird dauern, ich habe keine direkte Verbindung zu ihr.

Asara fluchte. Damit waren all ihre Pläne zunichtegeworden. Sie konnte nur hoffen, dass bei den Kämpfen nur wenige Schwestern ihr Leben lassen würden. Und dass sie die Überlebenden für ihre Sache gewinnen konnten.

- Dann informiere, wer auch immer bescheid wissen muss, damit Nirili davon erfährt. Mach dich dennoch auf den Weg zu den Gildenmagiern.

- Ich bin schon unterwegs.

Die Präsenz ihrer Schwester verblasste und Asara wurde sich wieder ihrer Umgebung bewusst. Ihr Pferd war zum Stehen gekommen. Ein Stück vor ihr hatten Ishaka und Takiro sich in ihren Sätteln umgewandt und musterten sie fragend.

„Euer Kleinkrieg gegen Sakori wird gerade schneller zu einem Erfolg, als Ihr dachtet“, sagte sie. „Allerdings auf eine Weise, die Euch nicht gefallen wird.“


***


Als sich die diffuse und gezackte Linie erstmals aus dem Flimmern am Horizont erhoben hatte, hatte Sonea sich erlaubt, aufzuatmen. Sie hatten es geschafft. Obwohl sie noch lange nicht zuhause waren, waren sie bald in relativer Sicherheit. In den Bergen würde man ihnen schwerer folgen können, sie würden die Aschenwüste weitgehend umreisen und von dort war es nicht mehr weit bis zur nördlichen Grenze von Elyne. Der Pass, von dem Akkarin gesprochen hatte, lag indes noch ein ganzes Stück nach Süden und damit hatten sie noch hinreichend lange Zeit, um zu sterben. Dennoch erfüllte der Anblick der Berge Sonea mit etwas, das sie zu lange vergessen geglaubt hatte.

Hoffnung.

Sie brauchten indes noch den Rest des Tages und die komplette Nacht, ehe die Dünen in Felsen übergingen, die sich mit jedem Schritt, den sie nach Westen gingen, höher und höher in den Himmel schraubten. Mit der zunehmenden Höhe ließ die Hitze nach und Sonea glaubte, wieder atmen zu können. Hier und da fanden sie Pflanzen, Kleintiere wie Harrel und Vögel, und Rinnsale von Wasser, an denen sie ihre Durst stillen konnten. Manchmal kreisten Vallook über den höchsten Gipfeln und einmal sah Sonea, wie ein P’anaal von einem Felsen zum nächsten sprang und dabei mit seinem buschigen Schwanz das Gleichgewicht hielt.

In dem unebenen Gelände kamen sie langsamer vorwärts. Oft mussten sie die Pferde am Zügel führen, doch immerhin konnten sie nun wieder bei Tag reisen. Des Nachts schliefen sie in geschützten Winkeln, während einer von ihnen Wache hielt.

„Es ist bemerkenswert“, sagte Dannyl am Abend des dritten Tages in den Bergen. „Obwohl alle in Yukai so versessen darauf waren, uns zu töten, gibt es bis jetzt noch keine Spur von Verfolgern. Allmählich kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass uns noch jemand verfolgt.“

„Dennoch sollten wir vorsichtig sein“, sagte Sonea. Ihre Verfolger würden wissen, dass sie den Weg zu einem der Pässe nahmen. Bis sie und Dannyl dort ankamen, konnten sie ihnen dort einen Hinterhalt stellen.

Dannyl nickte nur, als die Bedeutung ihrer Worte in ihn sank. Er warf die Knochen, die von dem winzigen Vogel übriggeblieben waren, der sein Abendessen gewesen war, in eine Felsspalte. Dann gähnte er ausgiebig. „Ich denke, es wird Zeit zu schlafen“, sagte er und hielt Sonea seine Hände hin.

Sonea umschlang seine Handgelenke und nahm die Magie, die er ihr sandte, in sich auf, bevor sie seine und ihre Magie in ihren Speicherstein gab. Mit dem, was sie beide nach einem Tag übrighatten, hätte sie es nicht mit einem anderen schwarzen Magier aufnehmen können, aber sie fühlte sich sicherer nach ihrer Flucht aus Yukai.

Selbst im Dunkeln konnte sie sehen, dass Dannyls Augen vor Erschöpfung zufielen, als er sich in seinen Mantel rollte. Sonea schüttelte den Kopf. Sie wusste seine Geste zu schätzen, aber sie konnte ihn nicht ausschlafen lassen. Sobald es hell wurde, würden sie ihre Reise nach Süden fortsetzen.

Wenn er sich auf diese Weise sicherer fühlt, dann soll es so sein, entschied sie. Dannyl war kein Feigling. Gegenüber schwarzen Magiern hätte er guten Grund, sich klein und unbedeutend zu fühlen. Allerdings kompensierte er viel über sein Redetalent. Und ein selbstsicherer Dannyl war besser zu beschützen, als einer, der sich vor Furcht wie ein Harrel verkriechen wollte.

Die klare Nachtluft in tiefen Zügen einatmend lehnte Sonea sich mit dem Rücken gegen einen Felsen. Auch sie war zum Sterben müde, aber einer von ihnen musste wach bleiben und die Umgebung im Auge behalten. Von ihrem Platz aus hatte sie einen guten Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Jemand, der ihrer Spur folgte, würde von dort kommen.

Während sie Wache hielt, konnte sie nicht aufhören, sich darüber zu wundern, warum sie noch immer nicht verfolgt wurden. Es beunruhige Sonea, nicht zu wissen, was vor sich ging. Waren sie zu unwichtig? Planten die Duna aus Zorn über ihre angebliche Beteiligung an dem Massaker in Yukai einen Angriff auf die Gilde? Oder hatten sie sich den Verrätern zugewandt?

Das leise Klicken von Stein auf Stein riss sie aus ihren Gedanken. Alarmiert richtete Sonea sich auf. Wenn ein P’anaal auf Beutejagd ihre Pferde riss, mussten sie und Dannyl den Rest ihres Weges zu Fuß zurücklegen.

Als das Geräusch erneut erklang, zuckte sie zusammen. Dieses Mal war es sehr viel näher.

Ihr Messer ziehend erhob sie sich und schlich zu der Öffnung zwischen zwei Felsen. Mit angehaltenem Atem presste sie sich gegen den kühlen Stein und spähte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, den Speicherstein fest umklammert. Eine schlanke Gestalt huschte im Schutz der Felsen den Hang empor. Sonea hielt den Atem an, die Gestalt kam direkt auf sie zu! Instinktiv presste sie sich dichter gegen den Felsen. Und als die fremde Person zwischen den Felsen auftauchte, warf sie sich auf sie und drückte das Messer gegen ihre Kehle.

Ein unterdrückter Schrei hallte zwischen den Felsen wieder. Überrascht ließ Sonea die Gestalt los.

„Welch reizende Begrüßung“, protestierte eine vertraute Stimme auf Sachakanisch.

Sonea blinzelte. Für einen Moment konnte sie die Stimme nicht zuordnen, doch als die andere Frau den Schal von ihrem Gesicht nahm, erkannte Sonea die sich darunter verbergenden Züge.

„Nirili!“

„Ich dachte schon, ich würde Euch nie finden“, sagte die Verräterin atemlos. „Ihr seid gut darin, Eure Spuren zu verbergen.“ Sie lächelte schief. „Für Gildenmagier.“

„Nun, was das angeht, hatte ich einen guten Lehrer“, erwiderte Sonea trocken. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Was wollt Ihr?“

„Ich …“, begann die Sachakanerin und hielt dann inne. Ihr Blick huschte zu etwas hinter Sonea.

„Sonea, warum weckst du mich nicht, wenn wir Besuch haben?“, erklang Dannyls Stimme aus dem hinteren Teil des Lagers.

„Ich war nicht sicher, ob der Besuch lange bleiben würde“, antwortete Sonea die Verräterin nicht aus den Augen lassend. „Und wenn ich darüber nachdenke, dass ihr Volk seinen Bündnispartner hintergangen hat, bin ich mir nicht so sicher, wie lange ich Nirili hier dulden werde.“

„Bitte, Ihr müsst mich anhören!“, rief die Verräterin. „Danach könnt Ihr mich wegschicken, doch wenn ich bei Euch bleibe, kann ich mehr bewirken.“

„Und uns weitere Assassinen Eures Volkes auf den Leib hetzen?“, fragte Sonea. „Oder waren wir nur Mittel zum Zweck für Savedras schmutzige Pläne?“

Dannyls Hand streifte ihre.

- Ruhig, sandte er. Jetzt ist kein guter Zeitpunkt für umgekehrte Diplomatie.

- Woher soll ich wissen, ob sie nicht gekommen ist, um nachzuholen, was ihre Leute in der Ettkriti-Ebene versäumt haben?

- Weil sie dazu unzählige Gelegenheiten hat verstreichen lassen.

Sonea grollte leise. In ihrer Enttäuschung und ihrem Zorn über das Verhalten ihrer Verbündeten war es zu leicht zu vergessen, dass vielleicht nicht alle so waren.

„Nirili“, sagte Dannyl ein wenig freundlicher zu der Verräterin. „Warum seid Ihr gekommen?“

„Asara lässt Euch grüßen“, sagte die Sachakanerin.

Soneas Herz machte einen Sprung. Sie hatte nicht vergessen, dass sie und die Frau, der sie und Dannyl so viel zu verdanken hatten, zu Freundinnen geworden waren. Asara hatte ihr geholfen, Dannyl aus den Fängen der Rebellen zu befreien und sie hatte mit Entsetzen auf die Wahrheit reagiert, was Sonea glauben ließ, dass sie nicht die radikale Politik ihrer Anführerin befürwortete. Seit Tagen nagte an ihr die Frage, ob sie es geschafft hatte.

„Sie ist am Leben?“, entfuhr es Dannyl.

Die Verräterin nickte. „Sie, Ivara, und ich haben als Einzige unserer Gruppe überlebt.“

„Wo sind sie?“, fragte Sonea atemlos.

„Ivara ist auf dem Weg in die Zuflucht. Sie versucht, unsere Schwestern gegen Savedra zu vereinen und zu verhindern, dass sie die Situation nutzt, um die Ashaki anzugreifen.“

Sonea und Dannyl tauschten einen Blick. „Scheint, als wären die Ashaki nicht das einzige Volk, das gerade eine Spaltung durchlebt.“

Dannyl nickte nachdenklich. „Es verkompliziert die Situation, aber es ist auch eine Chance.“

„Bitte verzeiht mir, dass ich Euch angegriffen habe, Nirili“, sagte Sonea zu der Verräterin gewandt. „Ich war wütend über den Verrat Eures Volkes und Dannyl und ich sind nicht gerade in guter Verfassung.“

Die andere Frau nickte. „Nach allem, was geschehen ist, ist es verständlich, dass Ihr das Vertrauen in uns verloren habt. Doch meine beiden Schwestern und ich sind dabei zu retten, was noch zu retten ist.“

„Wo ist Asara?“, fragte Dannyl. „Ist sie bei Eurer Schwester?“

„Asara ist der Spur von Ishaka und Takiro gefolgt, um sie zu warnen und ihnen Unterstützung zu bieten.“

„Warnen? Wovor?“

„Divako und Arikhai haben die Jagd auf alle eröffnet, von denen sie glauben, dass sie sich gegen sie verschworen haben. Divako verfolgt Ishaka und Takiro, Arikhai ist dabei, sich mit anderen Stämmen seines Volkes zu verbünden. Sie wissen, dass Ihr den Weg entlang der Berge nehmt, und wollen die damit verbundene Verzögerung nutzen, Euch und Ishaka dorthin zu treiben, wo sie uns auf einen Schlag vernichten können.“

Soneas Herz setzte einen Schlag aus. „Verstehe ich das richtig, dass es damit doch eine Zusammenarbeit zwischen denn Verrätern und Ishakas Gruppe gibt?“, fragte sie.

„Nur, wenn Asara erfolgreich ist“, antwortete Dannyl. „So ist es doch, nicht wahr?“

Nirili nickte. „Euer Vorschlag am letzten Tag in Yukai hat bei ihnen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Außerdem wissen wir nun, dass Ishakas Verschwörung nicht zur Absicht hatte, Kyralia zu erobern oder mit noch verwerflicheren Methoden an die Macht zu gelangen. Kachiro war derjenige mit den radikalen Absichten. Deswegen musste er sterben.“ Sie lachte, als würde etwas ihre Erheiterung erregen. „Der Palastmeister hat eine ziemliche Intrige aufgefahren, um den Imperator und seinen Sohn zu ermorden und die Stadt unter seine Kontrolle zu bringen.“

„Was hat er getan?“, fragte Sonea aufgeregt.

„Kachiro hat ihn ausgeschickt, um Ishakas Anhänger festzunehmen. Zusätzlich zu den Palastwachen hat er ihm ein paar seiner Anhänger mitgegeben. Doch stattdessen haben die Palastwachen gemeinsam mit den Ashaki, die sie festnehmen sollten, Kachiros Leute überwältigt. Ungefähr zur gleichen Zeit wurden Kachiro und sein Sohn vergiftet. Dem armen Leibwächter blieb nichts anderes übrig, als ihre Magie zu nehmen, bevor sie Arvice in Schutt und Asche zerlegen.“

„Damit hätte er den Mord dem Leibwächter unterstellen können“, sagte Dannyl mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen.

„Ich glaube, das war sein ursprünglicher Plan“, sagte Nirili. „Meinen Informationen zufolge, war er kurz davor, Ishakas Leute tatsächlich festzunehmen, hat sich jedoch im letzten Moment umentschieden.“

Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Damit hat er sich wirkliche alle Optionen offengehalten.“

Nirili nickte.

„Glaubt Ihr, dass Ishaka ihm den Befehl gegeben hat?“

„Ich traue Ishaka vieles zu“, antwortete die Verräterin. „Er ist ein Mann, der nicht viel von sich preisgibt und seine Verschwörung zeigt, dass er zu Intrigen fähig ist. Ich wäre eher enttäuscht, wenn ich erführe, dass Königsmord nicht zu seinen speziellen Fähigkeiten gehört. Aber in diesem Fall glaube ich, dass der Palastmeister auf eigene Faust gehandelt hat. Die Art und Weise, wie er seitdem regiert, zeigt dies.“

So viel zum Thema zu nett für einen Sachakaner, dachte Sonea. Dennoch verspürte sie eine jähe Bewunderung für Ivasako. Er hatte viel für diesen geschickten Kyrima-Zug riskiert. Damit hatte er Sachaka nicht nur gespalten und geschwächt, sondern auch von einem Tyrannen befreit, der dabei gewesen war, das Land in den Ruin zu treiben.

„Gibt es noch weitere außer Euch, Asara und Ivara, die sich gegen Savedra gestellt haben?“, fragte Dannyl.

„Ich weiß von Asaras Schwester in der Stadt, einer Schwester am südlichen Pass sowie einer Schwester, die mit Ivara in Kontakt steht. Und ich habe meine eigenen Leute informiert. Sie sind angehalten, all jene einzuweihen, denen sie weit genug vertrauen, dass sie uns nicht an Savedra verraten. Sie helfen den Ashaki dabei den Mann, der von Kachiro in die fruchtbaren Regionen geschickt wurde, und dessen Anhänger zu töten. Inzwischen könnten weitere von uns hinzugekommen sein, doch der direkte Informationsaustausch ist schwierig, weil nicht jeder ein Blutjuwel von den anderen hat.“

„Werdet Ihr auf diese Weise genug Verbündete in Eurem Volk finden?“

Nirili hob die Schultern. „Es gibt noch immer viele, die Savedras Politik als nicht hart genug empfinden, und wir werden uns erst offenbaren, wenn wir uns ihr stellen können oder die Situation eskaliert.“

„Eine Sache verstehe ich noch nicht“, sagte Dannyl. „Woher hatte Savedra den Dolch?“

„Nun, das ist eine seltsame Ironie …“, begann Nirili.

Sonea sog scharf die Luft ein. Mit einem Mal begriff sie, was ihr all die Zeit in Yukai seltsam erschienen war. Die Lösung war die ganze Zeit so dicht vor ihren Augen gewesen!

„Von Gochara“, hauchte sie.

„Gochara?“, rief Dannyl aus. „Niemals!“

Sonea wandte sich ihm zu. „Doch, Dannyl. Gochara wurde nervös, als du allen am ersten Tag den Dolch gezeigt hast. Ich habe es später darauf geschoben, dass er da den Entschluss gefasst hat, mit dir wegen Miriko zu sprechen. Aber am letzten Tag in Yukai ist dir aufgefallen, dass das Cravas auf seinem Dolch ein wenig anders aussieht – erinnerst du dich?“

Ihr Freund nickte.

„Ich wette, er hat es selbst eingraviert“, sagte Sonea.

Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Aber das erklärt noch nicht, wie der Dolch zu Savedra gelangt ist.“

„Es war Takedo“, half Nirili nach. „Nach dem Kampf in Yukai hat Asara erzählt, dass Gochara versucht hat, ihr dies mit seinen letzten Worten mitzuteilen. Offenbar kam es zu einem Streit, als Takedo und Miriko auf seinem Anwesen waren. Daraufhin ist Takedo mit der Hälfte der Ichani nach Kyralia losgezogen. Wieso er den Dolch mitgenommen hat, wissen wohl nur er und Savedra, doch Tatsache ist, dass er es getan hat.“

Und Savedra hatte ihn benutzt, um den Anschlag den Ashaki unterzuschieben. Sonea wurde kalt. Ein Teil von ihr hatte bis zuletzt gehofft, dass all dies nur eine Intrige war. Aber wieso sollte Gochara einer Verräterin mit seinem letzten Atemzug sonst die Wahrheit sagen? Er hatte Kachiros Herrschaft nicht gewollt. Und er hatte im letzten Augenblick erkannt, dass nicht alle Verräter Savedra unterstützten.

Sie richtete ihren Willen auf ihr Blutjuwel.

- Hast du das gehört?

- Jedes einzelne Wort.

- Was sollen wir tun?

- Macht euch auf den schnellsten Weg zum Nordpass. Ich brauche euch am Fort.

- Verstanden, sandte Sonea. Was wirst du tun?

- Den König informieren.

„Damit ist es offiziell“, sagte Dannyl. „Die Gilde wird sich von den Verrätern distanzieren.“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Wie konnte das passieren?“

„Dannyl.“ Sonea legte eine Hand auf seinen Arm. „Du kannst nichts dafür. Dank dir konnten wir uns glücklich schätzen, die Verräter während der letzten beiden Jahre überhaupt auf unserer Seite zu haben. Jetzt gilt es, die falschen von den richtigen Verbündeten auszusortieren.“

„Lady Sonea hat recht“, sagte Nirili sanft. „Wir wurden alle getäuscht. Im Krieg kann es geschehen, dass Parteien sich spalten und neue Bündnisse entstehen.“

„Aber es ist das erste Mal, dass die Verräter sich derart spalten“, wandte Dannyl ein.

Nirili schnitt eine Grimasse. „Wenn Ihr mich fragt, dann war dieser Schritt längst überfällig.“

„Der Hohe Lord hat uns soeben angewiesen, uns so schnell wie möglich zum Nordpass zu begeben“, unterbrach Sonea die Diskussion.

„Dazu müssten wir wieder in die Ebene.“

„Dann achten wir eben besonders gut darauf, ob uns jemand folgt, und ziehen uns im Zweifelsfall in die Berge zurück.“

„Sonea, das ist ein ziemliches Risiko“, begann Dannyl vorsichtig.

In einer energischen Bewegung schob Sonea ihr Kinn vor. „Dannyl, die Gilde braucht uns beide. Es ist niemandem geholfen, wenn wir beide überleben und dort ankommen, wenn es keine Gilde mehr gibt.“

„Nach allem, was Asara gehört hat, werdet Ihr nicht direkt verfolgt“, sagte Nirili. „Es wäre somit ein annehmbares Risiko. Außerdem warten unten zwei Pferde.“

Sonea lächelte dankbar. „Du hast sie gehört, Dannyl. Versuch nicht, dich gegen zwei höhere Magierinnen aufzulehnen, wenn diese dein einziger Schutz sind. Außerdem bin ich von uns beiden diejenige mit dem Messer.“


***


In den vergangenen Monaten hatte Regin die wöchentlichen Besuche im Abendsaal zu schätzen gelernt. Er liebte es, Gerüchte in die Welt zu setzen oder sich wichtig zu machen, indem er an Diskussionen über den Krieg oder die darauf abgestimmte Ausbildung der Novizen teilnahm.

An diesem Abend hingegen verspürte er bei dem Anblick der roten, grünen und purpurfarbenen Roben eine Nervosität, die ihm fremd war. Mit wachsender Anspannung musterte er die Anwesenden, wobei sein Blick allenthalben an grünen Roben hängenblieb und sich löste, wenn er unter ihnen nicht die Person erblickte, die zu sehen er befürchtet hatte.

Das ist doch albern, schalt er sich. Du warst fast zwei Jahre mit ihr zusammen und davor wart ihr ein ganzes Jahr lang Freunde. Kein Grund, dich vor ihr zu fürchten.

Aber während Regin durch die Menge zu den höheren Magiern schritt, erkannte er, dass ihm nicht nur der Gedanke an Trassia zu schaffen machte. Inzwischen musste die gesamte Gilde über ihre Trennung bescheid wissen. Und so wie er die Magier kannte, würden sie darüber reden, so wie sie alles diskutierten, was nur in irgendeiner Form skandalös war.

„ … hat ihm einen Korb gegeben“, konnte er sie flüstern hören.

„ … wenn mein Liebster so etwas getan hätte, hätte ich ihn auch verlassen.“

Spürend, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg, beeilte Regin sich, die höheren Magier zu erreichen. Die noch wenige Stunden zuvor verspürte Euphorie hatte sich in Nichts aufgelöst. Als Lord Balkan ihn zu sich winkte, war das wie eine Rettung.

„Wir erörtern gerade ein Thema, das für Euch interessant sein könnte, Lord Regin“, rumpelte das Oberhaupt der Krieger.

Oh, hoffentlich ist meine und Trassias Trennung nicht auch bei ihnen das Thema des Abends!, dachte Regin.

„Guten Abend“, grüßte er nacheinander den Administrator und die Oberhäupter der Disziplinen sein Unbehagen durch interessierte Höflichkeit überspielend. „Darf ich fragen, um welches Thema es geht?“

„Wir diskutieren unsere Vorgehensweise, sollten wir uns in den nächsten Wochen einem Angriff der Duna ausgesetzt fühlen“, informierte ihn Administrator Osen.

„Im Abendsaal?“, fragte Regin überrascht.

„Lord Regin, die gesamte Gilde ist inzwischen über die Ereignisse in Sachaka im Bilde“, sagte Balkan. „So betrachtet macht es auch keinen Unterschied, ob wir diese Themen öffentlich oder hinter verschlossenen Türen diskutieren. Zumal wir nicht wissen, wie viel Zeit uns noch bleibt.“

„Bevor ich hierher kam, war ich beim Hohen Lord“, fügte Osen hinzu. „Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir besser daran tun, uns darauf vorzubereiten, ohne Verbündeten gegen Duna und Sachakaner zu kämpfen.“

Mit einem Mal war alle Furcht vor den Gerüchten über ihn und Trassia vergessen. „Ich weiß, dass wir uns nicht mehr auf die Hilfe der Verräter verlassen können“, sagte Regin. „Doch ich dachte, die Gilde will nun gemeinsame Sache mit der gemäßigten Hälfte Sachakas machen.“

„Auch darauf können wir uns nicht verlassen“, sagte Balkan. „Wir haben einen Kurier entsandt. Doch selbst, wenn der Palastmeister der Sachakaner sich umgehend mit uns verbünden sollte, wäre es ein Wettlauf mit der Zeit zwischen seinen Magiern und den Duna, wenn wir davon ausgehen, dass diese nach Süden ziehen und von den Ödländern aus den Weg nach Kyralia nehmen.“

„Weil sie davon ausgehen, dass die Verräter uns zur Hilfe kommen“, folgerte Regin. „Weil sie nicht wissen, dass wir uns von ihnen distanzieren wollen.“

„Exakt.“

„Wir haben eine verschwindende Chance, die Katastrophe zu verhindern“, sprach Lady Vinara. „Dazu müsste Auslandsadministrator Dannyl die Duna davon überzeugen, dass wir nichts mit den Plänen der Verräter zu tun haben. Die Duna hegen keinen direkten Groll gegen uns. Es wäre somit vielleicht möglich, die Situation zu deeskalieren.“

Aber das war reichlich unwahrscheinlich. Der Ort, der den Duna am heiligsten war, war zerstört. Regin konnte sich nicht einmal annähernd vorstellen, wie groß der Zorn dieser Barbaren sein musste.

„Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass die Verräter uns wirklich hintergangen haben“, sagte er. „Sie waren die letzten beiden Jahre auf unserer Seite. Sie kämpfen wie wir für das Gute.“

„Dabei gehen sie sehr viel radikaler vor als wir, Regin“, sagte Lady Vinara sanft. „Und sie verfügen über die größere Macht. Das macht sie anfälliger für derartige Aktionen.“

„Sowohl Dannyl als auch Akkarin halten es für wahrscheinlich, dass die Verräter den Anschlag in der Ettkriti-Ebene tatsächlich selbst verübt haben“, fügte Balkan hinzu. „In jedem Fall wären wir töricht, würden wir uns darauf verlassen, dass dies nur eine Intrige ist, um uns und unsere Verbündeten zu entzweien.“

Damit war die Gilde vorerst auf sich allein gestellt. Aber damit waren sie nicht die Einzigen. „Dieser Palastmeister wird unser Angebot annehmen müssen“, sagte Regin. „Denn er muss nicht nur nicht nur gegen Duna und Kachiros Leute kämpfen. Er wird die Verräter ebenfalls zum Gegner haben. Doch bis Hilfe von uns dort wäre, müssten sie sich allein gegen ihre Gegner verteidigen.“ Er sah zu Balkan. „Ich nehme an, die neuen Waffen werden dabei eine Rolle spielen?“

Sein ehemaliger Mentor nickte. „Akkarin hat mir nach den heutigen Tests versichert, dass er und Sarrin die Schilddiebe im größeren Umfang herstellen werden. Lord Sarrin ist bereits mit Lord Peakin, Lord Rothen und einigen weiteren Alchemisten dabei, die Produktion vorzubereiten. Der Großteil der Herstellung ist offenkundig Alchemie, den schwarzmagischen Teil kann Sarrin alleine übernehmen, so dass Akkarin sich um Savedra und Merin kümmern kann.“

„Für einen Kampf brauchen wir zudem Schildsenker“, sagte Osen. „Auch von diesen werden in den nächsten Tagen einige hundert hergestellt. Insbesondere von denen, die Lady Sonea und Lord Sarrin mit schwarzer Magie verstärkt haben.“

„Und wir brauchen Magie“, fügte Regin hinzu.

„Der König muss es noch absegnen, doch Akkarin hat empfohlen, dass auch die Novizen ihre Magie ab sofort im Dome wieder speichern sollen“, antwortete Balkan.

Sofern der König die Gefahr erkennt, dachte Regin. Bis jetzt hatten sie nur vage Vermutungen, dass es wirklich zu einer erneuten Konfrontation kam.

„Wo ist der Hohe Lord?“, fragte er.

„Akkarin ist in den Palast gefahren“, antwortete Balkan. „Er sagte mir nur, er habe etwas mit dem König zu besprechen.“

„Die Novizen werden beunruhigt sein, wenn sie erfahren, dass auch sie ihre Magie spenden müssen“, sprach Lady Vinara. „So kurz vor den Sommerprüfungen wird sich das negativ auf ihre Prüfungsvorbereitung auswirken.“

„Wir können die Novizen nicht davon ausschließen“, entgegnete Balkan. „Ihre Magie ist für die Gilde zu wichtig.“

Regin machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Durch das Lernen lenken sie sich ab“, sagte er. „Je eifriger sie lernen, desto besser können sie die Gilde in einem Kampf unterstützen.“

„Man könnte ihre Prüfungen verschieben, bis die Gefahr gebannt ist“, überlegte Vinara.

„Oder ihre Stunden in Kriegskunst erhöhen, um ihnen Sicherheit zu geben“, sagte Regin. „Was sie dadurch in anderen Kursen versäumen, holen sie im nächsten Halbjahr nach.“

„Eine gute Idee, Lord Regin“, sagte Administrator Osen erfreut. „Allerdings werden wir die Arena auch für unsere eigenen Übungen brauchen. Ich werde Jerrik fragen, wie er darüber denkt.“ Er sah sich um. „Ich werde ihn später deswegen konsultieren.“

Die höheren Magier schienen erleichtert, dass Osen den mürrischen Rektor nicht zu sich rief.

„Steht bereits fest, wo wir den Sachakanern begegnen?“, fragte Regin. „Fangen wir sie an der Grenze ab oder irgendwo in Sachaka? Ohne die Verräter könnte es schwierig werden, Informationen über die Stärke und den Weg unserer Gegner zu erhalten.“

„Auf keinen Fall in Kyralia!“, sagte Balkan entschieden. „Die Krieger entlang der Grenze sind angewiesen, verstärkt die Augen offenzuhalten. Ich gehe zudem davon aus, dass die Verräter uns warnen, wenn sich Sachakaner nähern.“

Osen runzelte die Stirn. „Obwohl sie uns hintergangen haben?“

„Akkarin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Tatsache, dass die Verräter uns für ihre Zwecke benutzt haben, nicht zwingend bedeutet, dass sie uns bei einem Angriff ihre Hilfe verweigern. Sollte bei ihnen eine Radikalisierung stattgefunden haben, wird diese noch immer die Sicherheit ihrer Schutzbefohlenen zum Ziel haben.“

„Das bedeutet jedoch nicht, dass ihre Wertevorstellungen mit unseren übereinstimmen“, fügte Lady Vinara hinzu.

„Aber sie könnten auch nicht mehr bereit sein, uns zu helfen, weil sie nun ihre eigenen Ziele verfolgen“, entgegnete Regin.

„Ja“, grollte Balkan. „Doch die Option braucht uns nicht zu kümmern, weil wir uns darauf vorbereiten werden, unseren Feinden allein zu begegnen.“

Osen seufzte. „Sollte der Hohe Lord mit seiner Vermutung richtigliegen, wird uns keine andere Wahl bleiben, als uns von den Verrätern zu distanzieren.“

Für diese Situation gab es keine zufriedenstellende Lösung. Regin war frustriert. „Lord Balkan hat recht“, sagte er. „Wir sollten uns nicht auf ihre Hilfe verlassen. Wenn sie uns helfen, ist das gut. Wenn nicht, müssen wir uns selbst helfen. Sollte die Schlacht in den Bergen oder in den Ödländern stattfinden, wird uns die Kampfstrategie, die ich in den letzten Wochen ausgearbeitet habe, helfen. Es heißt, die Duna wären den Kampf in bergigem Gelände nicht gewohnt. Das verschafft uns einen Vorteil.“

Die höheren Magier wirkten skeptisch.

„Was ist das für eine Strategie?“, fragte Osen.

„Sie stammt ursprünglich von Lord Vorel, ihm blieb jedoch keine Zeit, sie zu vollenden“, antwortete Regin. „Die Krieger trainieren sie seit einer Weile in der Arena, einige Tests fanden sogar im Steinbruch statt. Es wäre eine gute Gelegenheit, die Strategie im echten Kampf zu testen.“

„Wenn die Gilde gegen eine Übermacht kämpfen muss?“, fragte Lady Vinara entsetzt.

„Die Krieger sind ein eingespieltes Tea,“, sagte Regin. „Der Hohe Lord und Lord Sarrin waren bei einigen Tests als Gegner dabei und waren zufrieden.“

„Wenn wir ohne die Verräter kämpfen müssen, kostet uns das Magier“, sprach Balkan. „Sollte Lord Regins Idee scheitern, würde das nur wenig am Endergebnis ändern. Da ich bei den Tests dabei war und Regin und ich die Details wiederholt diskutiert haben, sehe ich in seiner Idee eine Chance.“

Regins Herz machte einen Sprung. Die Unterstützung durch seinen ehemaligen Mentor freute ihn nicht nur, weil Balkan so viel von ihm hielt, sondern weil es seine Idee war, die er befürwortete. „Wir könnten weitere Magier in dieser Strategie unterweisen“, sagte er eifrig.

„Und ihre Sicherheit riskieren? In den wenigen Wochen, die uns bleiben, bis die Duna in die Nähe Kyralias kommen, werden unsere Heiler und Alchemisten nicht von den ihnen zugewiesenen Rollen in unseren Kampfgruppen auf unsere neue Strategie umgelernt haben.“

„Diese Aufgabenteilung macht Sinn“, fügte Lady Vinara hinzu. „Unsere Krieger sind in den Angriffstechniken sehr viel erfahrener als wir anderen Magier es je sein könnten.“

Für einen Moment war Regin gekränkt, doch sein ehemaliger Mentor und das Oberhaupt der Heiler hatten recht.

„Das habe ich in meinem Eifer wohl übersehen“, sagte er sein charmantestes Lächeln aufsetzend.

„Ihr seid noch jung“, entgegnete Lady Vinara. „Und Euer Eifer spricht für Euch.“

Ich wünschte, Trassia würde das ebenso sehen …

Als sich die Diskussion auf das Thema Heilerkapazitäten auf dem Land verlagerte und Osen erklärte, er würde mit Jerrik am nächsten Tag wegen der Änderung des Lehrplans sprechen, verabschiedete Regin sich. Seit seinem Umzug hatte er nicht besonders gut geschlafen. Das Bett war kalt und der weiche Körper in seinen Armen fehlte. Im Erdgeschoss zu wohnen hatte zudem den unerwünschten Nebeneffekt, dass er sich trotz Papierblenden beobachtet fühlte.

Auch eine Stunde nach seiner Ankunft war der Abendsaal noch immer überfüllt und er konnte die Magier flüstern hören und ihre Blicke auf sich spüren. Anscheinend bin ich gerade interessanter als die Situation mit Sachaka und Duna, fuhr es ihm durch den Kopf. Zum ersten Mal in seinem Leben galt ihm eine Aufmerksamkeit, die er nicht wollte.

„Ah, da ist ja der Mann der Woche!“

Regin fuhr herum und erblickte Kerrin und Iskren. „Guten Abend, Lord Kerrin und Lord Iskren“, zwang er sich mit aller Freundlichkeit, die er aufbringen konnte, zu sagen. „Wie darf ich das verstehen?“

„Nun, zuerst setzt Ihr Euch dafür ein, dass unserem allseits beliebten Dorfheiler der Kopf zurechtgerückt wird, und dann wird Eure neue Strategie vielleicht schon bald an den Sachakanern getestet“, antwortete Kerrin.

Es war immer wieder überwältigend, wie schnell sich eine Neuigkeit in der Gilde verbreitete. Kerrin und Iskren hatten nicht gerade in der Nähe der höheren Magier gestanden und doch hatten sie davon erfahren.

„Nun, in Bezug auf Ersteres gehört Ihr bedauerlicherweise zu den wenigen, die das so sehen“, erwiderte Regin. „Und was die Strategie betrifft, so arbeite ich noch daran, Balkan davon zu überzeugen, sie in der bevorstehenden Schlacht einzusetzen.“

„Macht Euch nichts draus, Lord Regin“, sagte Kerrin. „Ihr habt richtig gehandelt. Sie reden nur darüber, weil es sonst nichts gibt, worüber sie lästern können.“

„Wie könnte es auch anders sein?“, erwiderte Regin mit einem ironischen Lächeln. Er nickte Kerrin und Iskren zu und verließ dann beinahe fluchtartig den Abendsaal.

Kurz vor den Türen wäre er fast mit einer kleinen, grüngewandeten Gestalt zusammengestoßen.

„Trassia!“

„Hallo Regin“, sagte sie und verstummte dann.

Doch auch Regin war mit einem Mal der Worte verlegen.

„Ich … ich hatte dich gar nicht gesehen“, stammelte er.

„Ich bin nach dir gekommen.“ Trassia wies zu einer Gruppe Heiler. „Ich war dort bei Lady Indria und Lord Kiano.“ Ihre Augen huschten unstet durch den Abendsaal. „Ich wollte dir nur sagen, dass dieses ganze Gerede nicht von mir in die Welt gesetzt wurde. Ich würde so etwas nicht tun, egal was zwischen uns vorgefallen ist, oder was du getan hast. Oder wie sehr ich dich hasse.“

Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. „Ich weiß zu schätzen, dass du unsere Trennung als unsere Privatsache behandelst“, sagte er um einen neutralen Gesichtsausdruck bemüht.

„Nein.“ In einem Wirbel zorniger Locken schüttelten Trassia den Kopf. „Hätte ich es getan, so hätte ich mich damit auf ein Niveau herab begeben, für das ich mir zu schade bin.“

„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nur meine Pflicht getan habe, liebste Trassia?“, fragte Regin.

„Egal, wie oft du es sagst, es wird nichts daran ändern, dass du es aus purer Niedertracht getan hast!“, fauchte sie. „Gute Nacht, Lord Regin!“

Mit diesen Worten stürmte sie zurück zu den Heilern. Als sie sich der Gruppe näherte, wandten sich Lady Indria und die andere Heilerin zu ihm um, ihre Blicke wie Dolche.

Regin nickte ihnen mit aller Gelassenheit zu, die er aufbringen konnte. Dann beeilte er sich, den Abendsaal zu verlassen.


***


Noch in der Nacht waren sie wieder in die Ebene hinabgestiegen. Der Weg war beschwerlich, doch sie kamen schneller vorwärts, weil es kontinuierlich bergab ging. Als sich der Mond über die rauchverhangene Ebene der Aschenwüste im Osten erhob und sein fahl-silbriges Licht die schroffen Hänge erhellte, beschleunigten sie ihr Tempo. Sie hielten nur kurz, damit Sonea Nirilis und Dannyls Müdigkeit heilen konnte, dann reisten sie weiter. Nirili ritt ein Stück voraus und suchte mit scharfen Augen nach dem bequemsten Weg.

„Der Hohe Lord hat mit dem König gesprochen“, berichtete Sonea, als sie den Fuß der Berge erreichten. In dem schwachen Licht des Mondes wirkte sie noch blasser als sonst. Besorgt fragte Dannyl sich, ob ihr die Strapazen dieser Reise wirklich so gut bekamen, wie sie vorgab. Wahrscheinlich würde es das nie erfahren. „Die Gilde wird sich offiziell von den Verrätern distanzieren. Jedoch wird Akkarin auf die entsprechende Gelegenheit warten, das öffentlich bekanntzugeben.“

Nirilis Kopf fuhr herum. „Heißt das, Euer Anführer gibt sich vor Savedra ahnungslos bezüglich des Anschlags?“, fragte sie.

„So ist es“, antwortete Sonea.

„Wir können nicht abschätzen, wie Savedra reagiert, wenn sie erfährt, dass wir die Wahrheit kennen“, fügte Dannyl hinzu. „Deswegen stellen wir uns unwissend und halten sie hin.“

„Und wenn Divako und die Duna sich entscheiden sollten, Kyralia anzugreifen?“, warf Nirili ein. „Was, wenn es meinen Schwestern und Ishakas Mitverschwörern nicht gelingt, sie aufzuhalten?“

„Dann müssen wir Savedra offiziell um Unterstützung bitten“, antwortete Dannyl. „Mit den Verrätern haben wir die größte Chance, gegen einen solchen Angriff zu bestehen. Wir würden uns distanzieren, sobald die Gefahr gebannt ist. Es ist nicht gerade die eleganteste Lösung, aber es ist die sicherste.“

„Dennoch bereitet sich die Gilde darauf vor, allein gegen eine Übermacht zu kämpfen“, sagte Sonea. „Inzwischen haben wir neue Phiolen, mit denen wir höhere Magier effektiv bekämpfen können. Sie wurden gestern getestet und sollen in der nächsten Woche in größeren Mengen produziert werden. Allerdings“, das Weiße in ihren Augen blitzte, als sie zu Nirili sah, „werden wir diese zunächst nicht mit Eurem Volk teilen.“

„Das verstehe ich“, erwiderte Nirili. „Und ich verstehe, solltet Ihr nicht mehr gewillt sein, mit uns zu kooperieren, wenn das alles hier vorbei ist.“

Wenn das alles hier vorbei ist und wir noch leben, werden wir unsere Bündnisse neu überdenken müssen, dachte Dannyl. In dem absurden Szenario in seinem Kopf würde die Gilde mit einem Teil der Verräter und einem Teil der Sachakaner zusammenarbeiten, um das Land zu zivilisieren und die radikaleren Vertreter beider Seiten zu jagen. Irgendwann in ferner Zukunft würden auch die Sklaven befreit und schwarze Magie verboten werden.

Und Tayend und ich können uns öffentlich zueinander bekennen, ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen, fügte er mit einem leisen Schnauben hinzu. Und Rothen wird sich freuen, dass ich endlich die Liebe gefunden habe.

Etwas stieß ihn sanft in die Seite.

„Träumst du?“

Dannyl zuckte zusammen. „Jetzt rächst du dich für jedes Mal, das ich dich das in Yukai gefragt habe, eh?“

Sonea musterte ihm mit schmalen Augen. „Wenn ich das wollte, dann hättest du bis Imardin keine Ruhe mehr vor mir.“

Dannyl lachte. „Komm schon, Sonea! Als ob ich so schlimm gewesen wäre!“

„Ich rechne die Anreise mit dazu.“

Er bedachte sie mit einem wissenden Blick. Zu gut erinnerte er sich an das Häuflein Elend, das er während seiner Wachen, wenn sie irgendwo in den Ödländern lagerten, erlebt hatte. In Yukai hatte sie es besser verborgen, doch es war da gewesen. Seit ihrer überstürzten Flucht war Sonea dagegen wie ausgewechselt und Dannyl kam nicht umhin, sich zu fragen, ob dies nur dem Ernst der Lage zu verdanken war oder ob jene letzte Nacht im Tempel etwas verändert hatte.

Aber er wusste, auch darauf würde er niemals eine Antwort erhalten.

„Was wolltest du mir sagen?“, fragte er.

„Merin hat angeordnet, dass Magier und Novizen von nun an jeden Tag ihre Magie in den Dome geben. Die Stadtbevölkerung wurde zudem angehalten, ihre Magie freiwillig zu spenden. Die Krieger am Südpass werden Kontakt zu Nachiri herstellen. Sie soll die Krieger informieren, sobald sich in Sachaka etwas tut oder die Duna sich nähern. Dann wird die Gilde mit einigen ausgewählten Magiern ausrücken.“

Überrascht hob Dannyl die Augenbrauen. „Eine kleine Armee?“, fragte er.

Die kleine schwarze Magierin hob die Schultern. „Sie bleiben solange in Imardin, wie es ihnen möglich ist, um sich möglichst effektiv stärken zu können.“

„Dann muss die neue Waffe ziemlich gut sein“, bemerkte Dannyl.

Sonea nickte. „Akkarin sagt, die Krieger hätten bei der Demonstration mit Verstörung reagiert.“

Was für eine Waffe habt ihr erschaffen?, wollte Dannyl fragen und war sich zugleich nicht sicher, ob er das wissen wollte. Sonea hatte ihm gegenüber einmal angedeutet, dass sie und Akkarin dabei gewesen waren, eine neue Waffe zu entwickeln und er wusste, dass Tayend dem Hohen Lord mit den Büchern assistierte, die er und Dannyl einst in Elyne gefunden hatten. Solange es uns hilft, zu überleben und keine Unschuldigen zu Schaden kommen, soll mir egal sein, wie mächtig diese Waffe ist …

Lieber wäre Dannyl den Weg der Diplomatie gegangen, doch er musste einsehen, wann alle Diplomatie versagte. Ihren Gegnern den Kampf auszureden, wenn sie vor ihnen standen, war ein ebenso hehrer Traum wie seine Vorstellung einer Zukunft nach diesem Krieg.

„Bedenkt man, dass Eure Krieger inzwischen an den Kampf gegen höhere Magier gewohnt sein sollten, gehe ich davon aus, dass diese Waffe auch Euren Feinden Furcht einflößen wird“, bemerkte Nirili von ihrem Sattel aus.

Ein gefährliches Lächeln huschte über Soneas Gesicht, das Mondlicht warf groteske Schatten auf ihre sonst so weichen Züge. „Und ob es das wird.“

Trotz aller Euphorie wollte Dannyl sich jedoch nicht darauf verlassen, dass dies ausreichen würde. Sein Blick glitt zu der rauchverhangenen Ebene im Osten. Die Sterne waren verhüllt und hier und da leuchtete der graue Schleier in einem unheilvollen Rot. So nah an den Bergen war die Aschenwüste überraschend friedlich. Dennoch schien niemand sie auf diesem Weg zu durchqueren. Der Weg war nur mäßig beschwerlich, dafür hingegen länger, als wenn man von Yukai direkt nach Süden zog.

Eine Weile lauschte er dem Gespräch der beiden schwarzen Magierinnen über Kampfstrategien. Sollten Frauen nicht weich und sanft sein?, fragte er sich. Stattdessen war er mit zwei mächtigen Kriegerinnen unterwegs, die beide auf ihre Weise gefährlich waren. Die Verräter waren alle so, aber sie mussten so sein, um in einem Land wie Sachaka zu überleben. Doch auch Bessia war nicht weich und sanft gewesen und Dannyls Vorstellung scheiterte daran, sie sich so als erwachsene Frau vorzustellen.

„Nirili, es gibt eine Frage, die Dannyl und ich uns in den letzten Tagen oft gestellt haben“, sprach Sonea.

„Was für eine Frage?“

„Was glaubt Ihr, wie Savedra reagiert, wenn sie erfährt, dass wir die Wahrheit kennen? Wird sie es abstreiten? Wird sie der Gilde den Krieg erklären oder wird sie ihren Plan ungehemmt in die Tat umsetzen?“

„Diese Frage kann ich Euch nicht beantworten“, sagte die Verräterin. „Normalerweise bin ich in den fruchtbaren Regionen stationiert. Ich komme nur selten in die Zuflucht. Meine Aufgabe ist … war … das Beobachten. Nur, wenn ich wichtige Informationen hatte, habe ich Savedra kontaktiert.“

„Dennoch seid Ihr Savedra begegnet. Und sie ist eine von Euch. Damit könnt Ihre ihre Aktionen besser nachvollziehen als ich oder Dannyl.“

Nirili hob die Schultern, ihre Miene ein Ausdruck von Ratlosigkeit und Frustration. „Ich glaube nicht, dass sie Euch den Krieg erklären wird. Mit all ihren Feinden kann sie sich das nicht leisten. Ich würde ihr eher zutrauen, dass sie so tun wird, als …“

Sie riss sie an den Zügeln ihres Pferdes. Das Tier wieherte protestierend und blieb dann stehen. Sonea und Dannyl tauschten einen Blick und schlossen zu ihr auf.

Eine Nachricht von Asara oder von Nachiri an der Grenze, dachte Dannyl. Oder – sein Herz setzte einen Schlag aus – Savedra hat irgendwie von unseren Plänen erfahren.

Endlich regte Nirili sich wieder. Als sie sich umwandte, war ihre Miene mit einem Entsetzen erfüllt, dass Dannyl das Schlimmste befürchtete.

„Ich habe gerade erfahren, dass Savedra heute Nachmittag die Verräter in den fruchtbaren Regionen zum Angriff auf sämtliche Ashaki befohlen hat.“

***


Im nächsten Kapitel hat König Merin kein allzu erfreuliches Erwachen und Asara macht einen interessanten Fund …


Fragen zum Kapitel

Wie macht sich Ivasako als neuer Herrscher? Findet ihr seine Entscheidungen klug?

Wie denkt ihr über die neue Schildwaffe der Gilde?

Habt ihr erwartet, dass Savedra ihre Armee so schnell aussendet?

Jetzt wo die Situation ein wenig klarer ist: Was haltet ihr von den Plänen der einzelnen Gruppen, i.e. Asara und ihre Schwestern, Ishaka/Ivasako und der Gilde?

Wie denkt ihr über die kurze Begegnung von Regin und Trassia im Abendsaal?

Würdet ihr Dannyl recht geben, dass die Gilde ihre Bündnisse etc. neu überdenken muss, wenn der Krieg vorbei ist?
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