Die Bürde der schwarzen Magier III - Das Heiligtum von Yukai
von Lady Sonea
Kurzbeschreibung
Anderthalb Jahre nach dem Massaker von Arvice ist Sonea noch immer gebrochen von ihrer Erfahrung mit Marika. Sachaka steht derweil gebeutelt von Kämpfen am Rande des Ruins. Als die Situation eskaliert und Kyralia erneut in Gefahr gerät, sind sich die Anführer der Kriegsparteien einig, dass nur noch Verhandlungen den Konflikt beenden können. Als Vermittler fordern sie den Mann, dessen Ruf sich bis über die Grenzen der Verbündeten Länder hinaus verbreitet hat: Auslandsadministrator Dannyl. Gegen den Willen des Hohen Lords entscheidet Sonea, Dannyl zum Ort der Verhandlungen, einem alten Tempel in der Wüste von Duna, zu eskortieren. Doch die Konferenz wirft ihre Schatten voraus und das nicht nur, weil Sonea sich wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sieht. Schon bald bemerken sie und Dannyl, dass jede Partei ihr eigenes Spiel spielt, und sie müssen die richtigen Verbündeten finden, um zu die drohende Katastrophe zu verhindern …
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Mix
Hoher Lord Akkarin
Lord Dannyl
Lord Dorrien
Lord Rothen
Regin
Sonea
02.08.2016
04.06.2019
56
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05.09.2017
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Hallo ihr Lieben, heute gehen die Verhandlungen in die nächste Runde und es geht ein wenig turbulent zu. Ich hoffe, es gefällt euch weiterhin.
Vielen lieben Dank an Caparzo und Sabrina Snape für die Reviews zum letzten Kapitel <3
„Ist das wahr?“ Vor Schreck hätte Dannyl fast seinen Raka verschüttet. So früh am Morgen fühlte er sich für schlechte Nachrichten noch nicht bereit. Das helle Tageslicht, das durch die Fensterschlitze seines Quartiers fiel, vermochte nicht viel daran zu ändern.
Sonea nickte düster. „Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen, Dannyl. Doch das käme einer Lüge gleich.“
Dannyl stöhnte unterdrückt auf. Sollte es tatsächlich zu einem Machtwechsel in Arvice kommen, so würde das den Ausgang der Konferenz auf ungeahnte Weise beeinflussen. Er wollte nicht so dumm sein und glauben, ein neuer Herrscher in Sachaka wäre eher einer Zusammenarbeit zugeneigt.
„Wie groß sind Asaras Chancen, an diese Sari heranzukommen?“
„Das ist schwer zu sagen“, antwortete Sonea. „Sie begleitet Ishaka überall hin, während er seine Frau völlig vernachlässigt. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals ohne sie gesehen zu haben.“
„Sind sie ein Paar?“, fragte Dannyl verwirrt.
„Sie ist seine Bettsklavin, Dannyl.“
„Aber da ist mehr“, folgerte er. Er hatte genügend Gelegenheit gehabt, Ishaka und seine Bettsklavin bei den Sitzungen und während der Abendessen im Raum der Priester zu beobachten. Während die anderen Sachakaner ihren Sklaven nie mehr Beachtung als einem Möbelstück schenkten, war das Verhältnis von Ashaki Ishaka und Sari nahezu zärtlich. Ließ man ihren Standesunterschied außen vor, so hätte man meinen können, Sari sei seine Geliebte.
„Ist Liebe im Spiel?“, fragte er.
Sonea zögerte. Dannyl konnte ihr ansehen, dass sie wegen irgendetwas mit sich rang. „Ich weiß es nicht, Dannyl. Die Sachakaner denken nicht in Begriffen wie Liebe. Aber wenn ich raten könnte, würde ich sagen, dass Sari sich ihrem Meister mit dem Herzen unterworfen hat. So wie Ishaka für sie empfindet, was er eigentlich für seine Frau empfinden sollte. Also, wenn du so fragst, dann ist es vielleicht Liebe. Jedoch keine gleichberechtigte.“
Dannyl kannte die sachakanische Definition von Liebe. Auf eine gewisse Weise war sie romantisch, weil Begehren, Unterwerfung, Hingabe und das Übernehmen von Verantwortung für einen anderen Menschen im Idealfall Ausprägungen von Liebe waren. Er hatte lange gebraucht, um das zu begreifen. Allerdings fehlten in der Definition der Sachakaner Begriffe wie Respekt, Vertrauen und Einvernehmlichkeit. Sicher nicht in jeder Beziehung, doch wenn er sich an die Gedichte von Chivari dem Reimer erinnerte, dann fanden sie zumindest keine Erwähnung, weil sie in der Romantisierung einer Gesellschaft von Meistern und Sklaven keinen Platz hatten.
Aber wenn Ishaka seine Sklavin nie genötigt hatte und sie von Anfang an einander zugetan gewesen waren, dann war Liebe möglich.
„Ist das nicht skandalös?“, fragte er.
Die kleine schwarze Magierin hob die Schultern. „Die Ehe wird arrangiert worden sein. Das einzige Interesse an seiner Frau wird einem möglichen Erben gelten.“
„Hast du sie einmal gesehen?“
„Er hat sie zu großen Festen in den Palast mitgenommen“, antwortete Sonea. „Doch die Frauen der Ashaki haben immer in einem anderen Raum gefeiert. Nur die Männer waren in der Thronhalle.“
Dannyl nickte langsam. Tatsächlich war er nicht überrascht. In Sachaka waren Ehefrauen und Töchter nur bessere Sklavinnen und galten hauptsächlich als Vorzeigeobjekte und für die Zeugung von Nachkommen.
„Also kennt sie all seine schmutzigen Geheimnisse“, folgerte er.
Sonea nickte, während sie einen Schluck Pachisaft trank. „Und es heißt, sie sei sehr intelligent.“
Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Dann ist sie Ishaka nicht nur in Bezug auf seine sexuelle Befriedigung nützlich. Wie genau will Asara an sie herankommen?“
„Sie versucht, Zweifel in ihr zu säen und den Wunsch, ihr magisches Potential zu entwickeln. Sari könnte eine großartige Magierin werden und Ishaka ist verrückt genug nach ihr, dass er sich dazu erweichen könnte. Er hat selbst einige Sklaven in höherer Magie unterwiesen, die sein Anwesen bewachen. Zwei hat er sogar als Schutz mitgebracht.“
„Weil sie als Magierin besser für die Verräter arbeiten kann?“, fragte Dannyl.
„Das auch. Doch wenn er es nicht erlaubt, überdenkt sie ihre Zuneigung vielleicht und ist bereit, für die Verräter zu spionieren. Aber Dannyl … ich weiß nicht.“
Der furchterfüllte Ton in seiner Stimme ließ ihn aufhorchen. „Was weißt du nicht?“
„Ob das so eine gute Idee wäre. Sari könnte die Gelegenheit nutzen, um die Verräter für Ishaka auszuspionieren.“
Unwillkürlich musste Dannyl über ihre Besorgnis lächeln. Das war so typisch für sie. „Ich bin sicher, die Verräter sind sich dieser Gefahr bewusst“, entgegnete er sanft. „Asara weiß, was sie tut. Glaub mir.“
Die kleine schwarze Magierin hob die Schultern. „Du kennst sie besser als ich.“
Ja, das tat Dannyl. Gedankenverloren nippte er an seinem Raka und beobachtete Ishaka, der sich mit seiner Sklavin im noch schattigen Garten niedergelassen hatte. Ja, es war eine von Hierarchie geprägte Liebe. Wenn er an seine Gefühle für Tayend dachte und daran, wie er sich gegenüber gewissen Autoritäten fühlte oder wie es war, selbst das Sagen zu haben, dann glaubte er sogar, es nachvollziehen zu können. Denn wieso konnte man nicht beides miteinander vermischen?
Ob es Sonea auch so ergeht? Er runzelte die Stirn. Es würde einiges erklären und es schien zu ihr zu passen. Aber sie und Akkarin waren keine Sachakaner. Sonea ließ sich nicht alles gefallen und Akkarin behandelte sie mit Respekt, wo Ishaka diesen gegenüber seiner Sklavin nicht nötig hatte. Das machte es wiederum nicht wirklich vergleichbar.
„Oh, da wäre noch etwas Wichtiges“, sagte Sonea plötzlich.
Dannyl riss sich von dem Anblick des seltsamen Paares los und wandte sich ihr zu.
„Was?“, fragte er.
„Asara glaubt, Sari sympathisiert vielleicht heimlich mit den Verrätern.“
„Wie das?“
„Als die Duna im Frühjahr ausgezogen sind, um die Zuflucht zu finden, wurden sie vorgewarnt. Von Sari.“
Interessant, dachte Dannyl. Und Ishaka war an einer Verschwörung gegen den Imperator beteiligt.
„Aber sie hat es Asara nicht direkt erzählt, nehme ich an?“
Sonea schüttelte den Kopf. „Asara hat es von einer ihrer Informantinnen erfahren. Diese hat es von einem anderen Sklaven erfahren. Aber die Quelle ließ sich bis zu Sari zurückverfolgen. Man braucht die Verräter in Arvice nicht direkt kontaktieren. Die Sklaven tratschen es von ganz alleine weiter. Deswegen unterliegen die Sklaven im Palast auch einem strikten Redeverbot.“
Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Ishaka hat sich möglicherweise gegen Kachiro verschworen und seine Sklavin warnt die Verräter – wenn das kein Zufall ist, dann weiß ich es auch nicht.“
„Du meinst, Sari weiß von seinem Vorhaben und hilft ihm?“
„Wenn sie so intelligent ist, wie du sagst, und er sie überallhin mitnimmt, liegt die Vermutung nahe. Selbst, wenn er nicht ihren Rat einholt, ist es sehr gut möglich, dass sie ihn auf eigene Faust unterstützt.“
„Ja“, sagte Sonea tonlos. „Das ist sehr gut möglich.“
„Trotzdem sollten du und Asara vorsichtig sein“, fuhr Dannyl warnend fort. „Wenn Ishaka nichts von dieser Sache weiß, dann könnte ein zu direktes Vorgehen sowohl Sari als auch uns in Gefahr bringen.“
Sonea nickte. „Und wir wissen nicht, wie Ishaka zu den Verrätern steht. Dass sie vorgewarnt wurden, bedeutet nur, dass irgendjemand verhindern wollte, dass dieser Krieg noch schlimmer wird, als er bereits ist.“
„Wenn ich irgendwie kann, werde ich dir und Asara helfen“, versprach Dannyl.
„Das ist lieb von dir. Aber was willst du tun?“
Dannyl lächelte geheimnisvoll. „Ich habe da bereits einige Ideen.“ Aber er würde einen Moment abwarten, in dem er Ishaka für sich hatte.
Er leerte seinen Raka und erhob sich. „Doch nun wird es Zeit, sich ein weiteres Mal in die verbalen Schlachten der schwarzen Magier Sachakas und Dunas zu begeben“, erklärte er. Er streckte eine Hand nach Sonea aus. „Was meinst du?“
Sonea ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Die Luft vibrierte, als sie den schalldichten Schild, unter dem sie gesessen hatten, auflöste. „Ich würde lügen, würde ich sagen, dass mich diese Vorstellung erfreut“, sagte sie.
Es wäre besser gewesen, hätte Akkarin damals in den Bergen mit Takedo kurzen Prozess gemacht, dachte Sonea. Sofern sie dann nicht darüber streiten würden. Sie hatte versucht zu begreifen, warum alle glaubten, ein Anrecht auf die Bestrafung dieses Mannes zu haben, und war gescheitert. Inzwischen tat Takedo ihr leid. Letztendlich war auch er nur ein Opfer des Krieges. Während Verräter, Ichani und Imperialisten über sein Schicksal stritten, verbrachte er seine Tage in einem finsteren Loch im Versteck der Verräter. Nach allem, was sie wusste, war dieses so tief, dass er sich nicht herauslevitieren konnte. Und sollte es ihm doch gelingen, so erwarteten ihn an dessen Ende mehrere Verräterinnen, bereit seine Magie zu nehmen und ihn wieder auf den Boden seines Verlies zu befördern.
„Ichani Takedo ist ein Verräter des Imperiums und damit ist es an Imperator Kachiro, ihn zu bestrafen“, erklärte Divako gerade. Von allen Ashaki hatte Sonea ihn stets am wenigsten leiden können. Doch erst hier in Yukai wurde ihr das wahre Ausmaß ihrer Abneigung bewusst. Divako war die sachakanische Version von Lord Garrel und sie wollte sich nicht ausmalen, was das dies für Sachaka bedeutete, wenn Kachiro so große Stücke auf ihn hielt, wie es hieß. Divako behandelte seine Sklaven schlechter als die anderen Ashaki, denen Sonea im Palast begegnet war. Selbst Marika war besser zu seinen Sklaven gewesen. Zumindest, sofern diese ihm gehorcht haben.
Manchmal glaubte Sonea, Marika war gar nicht so übel gewesen. Selbst die hart arbeitenden Sklaven, die den Palast putzten, hatten ein überraschend gutes Leben geführt. Bestrafungen waren nur selten nötig gewesen und alle schienen stolz darauf gewesen zu sein, einem König zu dienen. Sie hingegen hatte Marika von seiner unerfreulichen Seite kennengelernt, woran sowohl ihre unterschiedlichen Kulturen als auch ihre Weigerung, sich ihrem größten Feind zu unterwerfen, die Schuld getragen hatten. Erst später hatte er sie gut behandelt. Und ihre dunkle Seite hatte sie dazu getrieben, dass er sie noch besser behandelte.
„Ichani Takedo ist ein Ausgestoßener“, sagte Miriko. „Damit untersteht er nicht mehr sachakanischem Recht und es obliegt mir und meinen Leuten, ihn angemessen zu bestrafen.“
„Er hat sich mit anderen Ashaki gegen den Imperator verschworen, kaum dass dieser den Thron bestiegen hatte“, gab Divako zurück. „Darunter im Übrigen auch mit Euch, Ichani Miriko. Doch auch vor Imperator Kachiro hat er heimlich seine Intrigen gegen den König gesponnen. Indem er versucht hat, Kyralia auf eigene Faust zu erobern, hat er dem Imperator sein Vorrecht auf dieses Land streitig gemacht. Insofern ist seine Bestrafung unsere Angelegenheit.“ Er warf einen finsteren Blick zu den Verrätern. „Also liefert ihn an uns aus.“
„Die Verräter werden Takedo nur ausliefern, wenn Ihr uns auf angemessene Weise entgegenkommt“, entgegnete Zalava kühl.
„Und Euch in unserer Politik mitmischen lassen?“, rief Takiro. „So wichtig ist Takedo nicht.“
Sonea verdrehte innerlich die Augen. Nur Magier schafften es, exakt dieselbe Diskussion wieder und wieder zu führen. Wie sollten sie auf diese Weise jemals zu einer Lösung ihres Konfliktes finden? Sie fand, es war an der Zeit, dass Dannyl ein Machtwort sprach. Es war das, was sie selbst schon vor einer Woche getan hätte. Aber das widersprach offenkundig Dannyls Strategie.
„Indem sie sich gegenseitig ihre Taten an den Kopf werfen, befreien sie sich von dem Zorn, den sie gegeneinander hegen“, hatte er ihr vor einigen Abenden beim Essen erklärt. „Wenn sie damit fertig sind, werden sie offener für vernünftige Argumente sein.“
„Und was, wenn das ihren Zorn nur noch mehr schürt?“, hatte Sonea entgegnet.
„Dann werden die Duna einen Kampf in Yukai zu verhindern wissen.“
Obwohl Sonea nicht überzeugt war, hatte sie keine weiteren Einwände gehabt. Aus ihren gelegentlichen Streits mit Akkarin wusste sie, dass es manchmal besser war, seinem Zorn erst Luft zu machen, bevor man den Konflikt lösen konnte.
„Kachiros Vorgänger hat einst meinen Vorgänger hinrichten lassen, weil meine Leute einen Mann hingerichtet haben, der Marikas Befehle missachtet hat und daraufhin zum Ichani wurde“, unterbrach Dannyl die Streitenden. Sonea warf ihm einen überraschten Blick zu. Während der vergangenen Stunde hatte er geschwiegen und der Diskussion seinen Lauf gelassen. „Ashaki Ikaro war unwichtig in Marikas Kyrima-Spiel. Sein einziges Vergehen war, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Und doch hat Marika den Befehl erteilt, um ein Exempel zu statuieren. Wenn der Imperator nicht davor zurückschreckt, einen Unterhändler der Ichani zu köpfen, wieso sollte ihm Takedo dann diesbezüglich unwichtiger sein?“
Aus den Augenwinkeln sah Sonea, wie Arikhai Dannyl einen anerkennenden Blick zuwarf. Arlava und Ivara pfiffen leise und anzüglich durch die Zähne und Takiro war einen Augenblick lang sprachlos.
„In Euren Worten steckt eine nicht zu verleugnende Wahrheit, Auslandsadministrator Dannyl“, sagte Takiro schmeichelnd. „Doch der Imperator wird niemals eine Beteiligung der Verräter an Sachakas Politik erlauben. So war es all die Jahrhunderte seit Beginn des Paktes und so wird es für die nächsten Generationen von Sachakanern bleiben.“
Sonea entfuhr ein entnervtes Stöhnen. Sie hatte genug. „Aber sie sind ein Teil Eures Landes“, sagte sie. „Ob Ihr es wollt oder nicht, sie sind eine politische Partei, sie nehmen bereits Einfluss. Würdet Ihr anstatt Euch zu bekämpfen, zusammenarbeiten, könntet Ihr so viel mehr für Sachaka erreichen.“
Die Ashaki starrten sie an. Divako lauernd, Ishaka berechnend und Takiro mit offenem Mund. Sarkaro sah aus, als habe er mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet.
„Es ist richtig, dass die Verräter auf unsere Politik Einfluss nehmen, Lady Sonea“, sprach Divako schließlich in die Stille. „Doch das macht sie noch lange nicht zu einer Partei. Sie sind unsere Gegner, Feinde. Und somit nicht erwünscht.“
„Aber genau davon lebt Politik“, gab Sonea zurück. „Anstatt Eure Gegner anzuhören und daraus zu lernen und Dinge besser zu machen, erklärt Ihr sie zu Ichani. Wenn Ihr keine andere Meinung als die Eure zulasst, müsst Ihr Euch nicht wundern, dass Euer Großes Sachakanisches Imperium zum Untergang verdammt ist!“
„Ihr wagt es uns und den Imperator zu beleidigen?“, schnarrte Divako. „Was fällt Euch ein?“ Und Takiro fügte hinzu: „Das ist eine Unverschämtheit!“
„Und Ihr demonstriert dieser Versammlung gerade sehr deutlich, was die Kriegerin der Gildenmagier Euch soeben versucht hat, klarzumachen“, sagte Arikhai. Einige Duna lachten unterdrückt. Nervös schielte Sonea zu den Verrätern, die ebenfalls aussahen, als hätten sie Mühe ihre Erheiterung zu unterdrücken. Dannyl zwinkerte ihr zu und seine Hand berührte die Soneas.
- Ich glaube, ich habe eine Idee.
- Welche?, fragte sie.
- Du wirst schon sehen.
Mit wachsender Verwirrung beobachtete Sonea, wie er sich zu Asara und ihren Schwestern beugte. Mehrere Augenblicke sprachen sie so leise, dass es unmöglich war, sie zu verstehen, dann richtete Dannyl sich mit einem leicht selbstgefälligen Lächeln auf seinem Kissen auf und sah zu den Ashaki.
„Ich bin sicher, es lässt sich ein Kompromiss finden“, sprach er. „Eine so grundlegende Veränderung in der Politik Eures Landes sollte nicht unüberlegt getroffen werden und wir werden in den nächsten Verhandlungstagen gewiss noch darüber diskutieren. Für das konkrete Problem Ichani Takedo betreffend dachte ich an einen Austausch auf gleicher Ebene.“
„Und was schwebt Euch da vor, Auslandsadministrator?“, fragte Divako lauernd.
Dannyl lächelte unverbindlich. „Ihr erhaltet Takedo, um mit ihm so zu verfahren, wie es Euch beliebt. Im Gegenzug verzichtet Ihr auf die Auslieferung der beiden höheren Gildenmagier Lady Sonea und ihres Ehemannes, dem Hohen Lord Akkarin.“
Die Ashaki sahen sich an, als hätten sie nicht damit gerechnet, dass Dannyl die Auslieferung der beiden höheren Gildenmagier ansprach. Dannyl hatte diesen Vorschlag am vergangenen Tag mit Zalava diskutiert. Bevor er ihn jedoch vorbringen konnte, war die Konferenz unterbrochen worden. Takiro, Divako und Sarkaro begannen sofort eine aufgeregte Diskussion, während Ishakas Blick auf Dannyl ruhte. Er wirkt als Einziger nicht überrascht, stellte Sonea fest. Aber was ist mit den anderen? Sie begriff nicht, warum Dannyls Vorschlag sie so in Aufruhr versetzte.
Instinktiv griff sie nach den Gedanken der Ashaki und zuckte zurück, als sie auf die Mauer von Häme stieß. Divako war der Schlimmste von allen. Hastig verbannte Sonea die Bilder aus ihrem Kopf. Hätte es nicht die Verhandlungen gefährdet, so hätte sie ihn mit Gedankenschlag angegriffen, nur um es ihm heimzuzahlen. Und sie ahnte, dass das seine persönliche Rache für ihre scharfen Worte war. Obwohl noch immer nervös, bereute sie jedoch nicht, sie gesprochen zu haben.
Schließlich räusperte sich Divako. „Wir sind uns einig, dass wir Takedo den Ichani überlassen würden, wenn wir dafür Marikas kleine Sklavin bekommen“, sprach er. „Ihre Vergehen sind schwerwiegender als die halbherzigen Versuche eines ehemaligen Stadtpolitikers, Kyralia zu erobern.“
Sonea zuckte zusammen. Sie ahnte, dies war mehr ein Angriff gegen sie, um ihre Entschlossenheit zu untergraben, als dass Divako das ernst meinen konnte. Kachiro konnte sie noch so sehr einfordern, die Gilde würde sie nicht herausgeben. Akkarin würde sie nicht herausgeben.
„Die Auslieferung von Lady Sonea steht ebenso wenig zur Debatte, wie die unseres Oberhauptes“, entgegnete Dannyl mit ungewohnter Härte in der Stimme. „Gebt Euch damit zufrieden. Die Gilde hat bereits genug an Wiedergutmachung angeboten. Doch sie verkauft nicht ihre eigenen Leute. Mit dem soeben gemachten Angebot wären die Verräter zufrieden, da auch sie kein Interesse daran haben, ihre Schutzbefohlenen auszuliefern. Nehmt es an oder verzichtet auf Takedo.“
Erneut steckten die Ashaki ihre Köpfe zusammen. Sonea beugte sich zu Dannyl. „Umgekehrte Diplomatie?“, fragte sie.
Er hob die Schultern. „Manchmal schadet ein wenig Provokation nicht. Es bringt sie dazu, ihre eigenen Forderungen herabzusenken und könnte sie dazu verführen, ihre wahren Absichten ungewollt zu vertreten.“
„Du bist so unglaublich durchtrieben“, bemerkte Sonea. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich für einen Dieb halten.“
Dannyl lachte leise. „Sollte die Gilde mich je ausstoßen, könnte ich dort eine zweite Karriere beginnen. Imardins Unterwelt könnte einen neuen König gebrauchen, jetzt wo die Diebe für Recht und Ordnung sorgen!“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. „Ich dachte, du wolltest dich ins Hinterland von Elyne zurückziehen und Wein anbauen.“
„Ah, das werde ich auch“, erwiderte Dannyl. „Sobald ich mein Diebes-Imperium aufgebaut habe und es sich von selbst regiert.“
Lachend schüttelte sie den Kopf. „Ist dir aufgefallen, dass Ishaka sich nicht an der Diskussion, beteiligt hat, die ausbrach, als du meine Auslieferung ansprachst?“, fragte sie.
Dannyl nickte mit einem Mal wieder ernst. „Entweder er hat es vorausgeahnt oder er wusste es bereits. Das würde zumindest erklären, warum er nicht überrascht wirkte.“
„Ja“, sagte Sonea. „Hätte ich nicht gewusst, dass der Imperator seit Monaten diese Briefe an die Gilde schickt, hätte ich geglaubt, er wüsste als Einziger davon, während die anderen nicht in Kachiros Plan eingeweiht waren.“
„Aber warum sollte Kachiro ausgerechnet ihn einweihen, wenn er ihm nicht mehr vertraut?“
„Ich weiß es nicht, Dannyl.“ Sonea fuhr sich über die Stirn. „Ich habe versucht, seine Oberflächengedanken zu lesen, aber da ist nichts, was uns diese Frage beantworten könnte.“
„Oder es existiert, doch du misst dem keine Bedeutung bei, weil dir die Zusammenhänge erst noch bewusst werden müssen“, überlegte Dannyl.
Seine Worte erfüllten Sonea mit Unruhe. Zusammen mit Asaras Informationen über eine Verschwörung der Ashaki beschlich sie mehr und mehr die Ahnung, dass mehr hinter der ganzen Sache steckte, als sich ihr erschloss. Was es auch war, es hatte das Potential, nicht nur sie und Dannyl in Gefahr zu bringen, sondern jegliche Versuche, für Frieden zu sorgen.
Als Dannyl eine verspätete Mittagspause einberief, kam das einer Erlösung gleich. Den ganzen Morgen war über die Auslieferung Takedos diskutiert worden, wobei auch die Forderung nach Sonea und ihrem Mann überraschend eine Rolle gespielt hatte. Obwohl alle Ashaki auf die Vorstellung, Sonea an den Imperator auszuliefern, mit Begeisterung reagiert hatten, wunderte Asara sich, dass manche auch überrascht auf die Idee an sich reagiert hatten. Dies bestärkte ihre düstersten Vermutungen.
Es erklärte jedoch nicht, warum Ishaka im Gegensatz zu den anderen als Einziger von Kachiros Forderung zu wissen schien, wenn der Imperator ihm nicht vertraute.
Mit einem Becher gekühlten Marinsaft verließ Asara den Raum der Priester und erklomm die Stufen zu den Quartieren der Verräter. Sie brauchte für eine kurze Weile Ruhe vor den streitenden Delegierten. Nirili stand im Schatten einer Säule und starrte mit gelangweilter Miene auf einen Punkt auf der anderen Seite des Säulengangs. Zalava wachte auf der gegenüberliegenden Seite, halb verschmolzen mit dem Schatten der Säule neben ihr. Als Asara die Treppe verließ, wandte ihre Schwester sich ihr zu.
„Kommst du mir Gesellschaft leisten?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Gleich, Liebes“, antwortete Asara. „Zunächst möchte ich mich frisch machen und in der Kühle meines Zimmers ein wenig ausruhen.“
Nirili nickte verständnisvoll. „Ich werde dich rechtzeitig wecken, solltest du einschlafen.“
Asara lächelte. „Das ist lieb von dir.“
Sie löste das magische Schloss ihrer Tür und trat in die relative Kühle dahinter. Ihren Willen ausstreckend ließ sie die Tür hinter sich zufallen und streckte sich auf dem Bett aus.
Eine Weile blieb sie mit geschlossenen Augen liegen. Dann trank sie einen tiefen Schluck von ihrem Saft und richtete ihren Willen auf das Blutjuwel, das Zalava ihr für die Diskussion überlassen hatte.
- Savedra!
Die Antwort kam nahezu ohne Verzögerung.
- Asara, meine liebe Tochter! Welche Neuigkeiten bringst du?
- Ich habe Informationen, die bei der Suche nach den Mördern meiner Schwestern helfen könnten.
Savedras erste Reaktion war erfüllt mit Besorgnis und Alarmiertheit.
- Sprich!, forderte sie Asara auf. Was hast du erfahren?
- Zuerst war es nur ein Gerücht, dass sich eine Gruppe von Stadt-Ashaki gegen den Imperator verschworen hat. Es hieß, sogar einige Ashaki aus den fruchtbaren Regionen wären daran beteiligt. Als Vikacha mir davon berichtete, dachte ich noch, diese Gruppe würde von Ishaka angeführt, doch vorhin hatte ich vielmehr den Eindruck, dass Ishaka als Einziger auf Kachiros Seite ist und seine Mitstreiter nicht in dessen Pläne eingeweiht sind. Denn er besaß Informationen, die sonst nur den Gildenmagiern bekannt sind, weil Kachiro ihnen seit einer Weile gewisse Auslieferungsforderungen schickt. Allerdings ergibt das keinen wirklichen Sinn.
- Möglicherweise handelt es sich um zwei Gruppierungen, überlegte Savedra. Oder Kachiro hat nur verlauten lassen, dass er Ishaka einer Verschwörung verdächtigt, während in Wirklichkeit Divako, Takiro und Sarkaro gegen ihn arbeiten. Sarkaros Involvierung würde insofern dazu passen, dass Land-Ashaki beteiligt sind.
Asara nahm diese Worte in sich auf. Sie ergaben beinahe zu viel Sinn. Aber das war nicht, was sie daran störte.
- Aber wieso hat Ishaka sich dann für eine Begrünung der Ödländer starkgemacht, wenn Kachiro am selben Tag auf einer Party im Palast verlauten ließ, dass er diese aus diversen strategischen Gründen ablehnt?
- Ich weiß es nicht, Liebes, sandte Savedra. In jedem Fall muss diese Sache beobachtet werden. Wie glaubst du hängt der Anschlag damit zusammen?
Wenn diese Gruppe gegen Kachiro arbeitet, wird sie die Konferenz verhindern wollen, antwortete Asara. Schließlich war es seine Idee. Vielleicht wollen sie, dass der Krieg weitergeht, weil sie Kyralia unbedingt wollen, oder aus persönlicher Rache. Allerdings wäre das nur der Fall, wenn Kachiro aufrichtig an Frieden interessiert ist. Sollten sie wissen, dass sein Friedensangebot nur eine Farce ist, versuchen sie vielleicht durch den Anschlag die Delegierten darauf aufmerksam zu machen, weil die Alternative darin bestünde, sich selbst zu offenbaren und sie das nicht riskieren dürfen.
Savedra schwieg eine Weile.
- Das ist sehr gut möglich, sandte sie schließlich. Vikacha und Anjiaka mögen diese Angelegenheit weiter untersuchen. Versuch du derweil mehr über Ishakas Bettsklavin herauszubekommen.
- Verstanden, Große Mutter. Bist du mit deinen eigenen Untersuchungen des Anschlags weitergekommen?
- Ich habe mir noch einmal Lenyakas Worte über Belaras Verbindungen zu unseren abtrünnigen Schwestern durch den Kopf gehenlassen und muss ihr zustimmen. Belara hätte niemals mit ihnen sympathisiert. Also kann sie nicht deswegen gestorben sein.
- Vielleicht war sie ungewolltes Opfer, weil ihre drei Begleiterinnen auf Grund einer Verbindung zu den Rebellen gestorben sind?, schlug Asara vor. Sollten es wirklich unsere Magierinnen gewesen sein, so würde ich ihnen genug Skrupellosigkeit zutrauen, ein solches Opfer zu bringen, wenn sie schon skrupellos genug sind, ihre eigenen Schwestern für Kontakt zu den Rebellen zu töten.
- Diejenigen, denen ich solche Aktionen zutraue, sind allesamt zu Ichani geworden, entgegnete Savedra grimmig. Oder tot.
- Aber das heißt nicht, dass der Krieg weitere unserer Schwestern dazu gemacht hat.
- Warum willst du unbedingt, dass es unsere Leute gewesen sind, Asara?
Die plötzliche Strenge in der Stimme ihrer Anführerin ließ Asara zusammenzucken. Auf eine unangenehme Weise fühlte sie sich ertappt.
- Es gibt nichts, was ich mir weniger wünsche, antwortete sie. Doch zugleich ist es das, was ich am meisten fürchte.
- Asara, gräme dich nicht deswegen, sandte Savedra. Momentan deuten alle Anzeichen darauf, dass der oder die Verantwortlichen zu einer anderen Partei gehören. Ich wäre untröstlich, würde meine eigenen Töchter gegen mich arbeiten und meine bisher in diesem Krieg erreichten Ziele zerstören. Deswegen will ich die Möglichkeit, dass es unsere Leute waren, nicht ignorieren. Doch bisher laufen die Untersuchungen ins Leere.
Eine halbe Stunde später trat Asara auf den Säulengang. „Du siehst nicht aus, als hätte die Ruhe dir etwas gebracht“, bemerkte Nirili.
Asara stellte sich zu ihr in den Schatten der Säule. „Ich werde keine Ruhe finden, bis dieser Krieg vorbei ist oder ich tot bin“, seufzte sie.
„Ich weiß, was du meinst.“ Eine Grimasse schneidend blickte Nirili in den Garten auf dem Grund des Felsenkessels. Dort spazierte Ishaka mit seiner Sklavin unter einem Baldachin, den einer seiner Sklaven für ihn hielt, während Takiro neben ihnen her schritt und sich Luft zufächelte. Von hier oben aus waren ihre Stimmen nicht zu verstehen. Andere waren schlauer und hatten sich in den Schatten des unteren Säulengangs zurückgezogen oder waren wahrscheinlich im Raum der Priester. „Die Bedingungen, unter denen diese Konferenz stattfindet, machen es nicht gerade leichter.“
„Nein.“
Für einen kurzen Augenblick überlegte Asara, ihrer Schwester von ihren Bedenken bezüglich Savedras Sorglosigkeit zu erzählen, entschied sich jedoch dagegen. Als Anführerin ihres Volkes kannte Savedra jede einzelne Magierin. Asara hingegen kannte die meisten nur beim Namen, da sie in Arvice weitgehend isoliert von den Verrätern lebte. Zudem wären ihre Schwestern dumm, wenn sie einander abschlachteten, wo sie sich mit einem übermächtigen Feind konfrontiert sahen.
„Meine Hauptaufgabe mag im Beobachten bestehen, doch ich weiß, wenn ein Auftrag zum Scheitern verurteilt ist“, sagte Nirili plötzlich in die Stille. „Manche Missionen sind riskant erwecken den Eindruck, als wäre ihr Resultat den Preis nicht wert. Doch sie gelingen nichtsdestotrotz. Aber ich weiß auch, wann eine Mission scheitert.“
Asaras Herz setzte einen Schlag aus. „Also glaubst du, die Konferenz wird scheitern?“, fragte sie atemlos.
„Ja“, sagte Nirili nur.
„Könnt Ihr eine Weile auf ihn aufpassen, Asara?“
Die Verräterin nickte. „Bei mir ist Euer Auslandsadministrator in den besten Händen.“ Sie warf einen kritischen Blick zu ihren Schwestern, die sich im Schatten des Säulengangs zusammengefunden hatten, und einigen leichtbekleideten Duna-Kriegern schmachtende Blicke zuwarfen. „Ich würde ihn sogar vor meinen eigenen Schwestern beschützen, auch wenn ich davon ausgehe, dass sie ihr Interesse vorübergehend verlagert haben.“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. „Ich stehe in Eurer Schuld, Asara.“
Die andere Frau winkte ab. „Braucht Ihr eine Eskorte?“
Soneas Faust schloss sich um den Speicherstein in einer Tasche ihrer Robe. „Nein“, antwortete sie. „Ich kann auf mich aufpassen.“
„Seid trotzdem vorsichtig. Ich vertraue den Duna, dass sie sich an die an diesem Ort geltenden Regeln halten. Doch ich vertraue nicht den anderen Delegierten.“
„Nein, das wäre äußerst töricht“, stimmte Sonea zu. „Macht Euch keine Sorgen, ich komme zurecht.“ Mit einem kurzen Nicken wandte sie sich ab und eilte auf den Tunnel zu, der zum Eingang des Tempels führte.
Manchmal habe ich bei ihr den Eindruck, dass sie versucht mich zu bemuttern, dachte Sonea, während sie den Weg der Demut durchquerte. Sie mochte Asara, ganz besonders seit Dannyl ihr erzählt hatte, dass eben diese Frau ihn nach seinen gescheiterten Verhandlungen mit Marika aus Arvice gerettet hatte. Aber sie mochte es nicht, wie ein junges Harrel behandelt zu werden. Denn es erinnerte sie zu sehr daran, was geschehen war.
Ärgerlicherweise schien jeder genau das zu versuchen, bis Sonea jeden weiteren Versuch unterband. Selbst jene, die die Wahrheit nicht kannten, ahnten, was ihr unter Marika widerfahren war. Sonea hasste es.
Doch während die Gildenmagier kaum eine Vorstellung von dem Leben in Sachaka hatten, wussten die Verräter bescheid. Sonea spürte, dass es die ganze Zeit wie eine unausgesprochene Tatsache zwischen ihr und ihnen stand. Und deswegen bereitet ihr die Nähe dieser Frauen Unbehagen.
Der Platz vor dem Eingang des Tempels war verlassen. Die Sonnenstrahlen brannten sich ihren Weg in die Schlucht und heizten Soneas Robe auf unangenehme Weise auf. Warum kann es nicht einen Schild geben, mit dem man die Wärme abhalten kann?, fragte Sonea sich. Es erschien ihr nicht richtig, dass man Schilde errichten konnte, um Regen und Kälte abzuhalten, aber nicht, um Sonne und Hitze zu entkommen und sie wünschte sich wiederholt die leichten Kleider zurück, die sie in Arvice getragen hatte. Sie hätte die Robenpflicht verflucht, würde der lange, weite Stoff sie nicht vor unerwünschten Blicken schützen und ihr vor den Ashaki ein gewisses Maß an Respekt verschaffen.
Der Weg durch die Schlucht war nur kurz, bis die ersten Zelte der Duna auftauchten, die sich entlang der Felswände zusammendrängten. Aus einigen Dächern quoll Rauch, hier und da erblickte Sonea Männer und Frauen vor ihren Zelten sitzen und täglichen Arbeiten nachgehen. Mehrere kleine, nackte Kinder rannten schreiend und lachend hinter einer Schar Rassook her. Die Vögel protestierten und schlugen hilflos mit ihren kurzen Flügeln. Kopfschüttelnd hielt Sonea auf das Zelt neben dem größten zu.
Sie mögen in unseren Augen Barbaren sein, aber eigentlich sind sie zivilisierter als die Sachakaner, fuhr es ihr durch den Kopf. Die Lebensweise war vermutlich das, was die Duna so barbarisch wirken ließ. Die Lan lebten jedoch auf ähnliche Weise und waren Teil der Allianz.
Als Sonea die Zelte auf ihrem Weg passierte, hoben die Duna ihre Köpfe und beäugten sie misstrauisch. Ihrer Kleidung und der fehlenden Körperbemalung nach zu urteilen waren es Sklaven. Sonea entdeckte jedoch auch einige Krieger, die das Lager bewachten und sie wusste, weitere waren oberhalb der Schlucht postiert.
Wissend, dass die Duna nicht viel Wert auf Höflichkeitsgesten legten, lächelte Sonea ihnen zu. Zu ihrer Bestürzung verstörte die Sklaven ihre Geste.
Als sie das Zelt erreichte, trat ihr ein Krieger in den Weg. „Was wollt Ihr?“, fragte er mit dem harten Akzent, mit dem die Duna Sachakanisch sprachen.
„Nach dem Patienten sehen“, antwortete Sonea. Den Widerstand des Mannes registrierend richtete sie sich auf und schob ihr Kinn vor. „Ich wünsche, mich von seinem Wohlergehen zu überzeugen.“
„Mir ist nicht erlaubt, Fremde durchzulassen.“
Sonea widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Waren alle Duna so starrsinnig oder war sie ein besonders schwieriges Exemplar geraten? „Ich war es, die ihn geheilt hat. Und jetzt lasst mich durch. Ich bin sicher, Euer Kriegsherr wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass Ihr mich daran hindern wolltet, nach seinem Bruder zu sehen.“
„Selbstverständlich, Leydie“, sagte der Mann, ihren Titel seltsam betonend und trat zur Seite.
Sonea nickte nur. Dann schob sie die Stoffbahnen am Eingang zur Seite und betrat das Zelt.
Irakhi lag auf dem Lager aus Fellen, auf dem er am vergangenen Tag gelegen hatte, als Sonea ihn geheilt hatte. Man hatte ihn gewaschen und in ein frisches Gewand gekleidet, was ihn bereits viel gesünder wirken ließ. Seine Wangen waren jedoch ein wenig zu blass und die Blutergüsse und Prellungen beschrieben ein schillerndes Muster aus Blau, Purpur und Schwarz auf seiner Haut. Als der Junge Sonea erblickte, huschte ein flüchtiges Lächeln sein Gesicht.
Zu Soneas Überraschung war er nicht allein. Das halbwüchsige Mädchen an seiner Seite war ihr nur allzu vertraut.
„Lady Sonea“, sagte Arikhais Zweitfrau mit mindestens ebenso großer Überraschung und richtete sich auf ihrem Kissen auf.
„Yui“, erwiderte Sonea.
„Kommt Ihr nach seinen Verletzungen sehen?“
Sonea nickte. „Ich will mich vergewissern, dass die Knochen an den richtigen Stellen zusammenwachsen und sich nicht verschoben haben, bevor seine Selbstheilung eingesetzt hat.“ Sie hatte die Brüche bewusst nicht vollständig geheilt, damit Irakhi aus diesem Vorfall lernte.
„Das ist sehr freundlich von Euch“, erwiderte Yui. „Ohne Euch wäre Irakhi jetzt tot oder ein Krüppel.“
„Ich tue nur, was getan werden muss“, entgegnete Sonea. Yuis Dankbarkeit erfüllte sie mit Unbehagen. Sie war die einzige Person an diesem lebensfeindlichen Ort, die die nötigen Kenntnisse besaß, weil sie Zusatzstunden in Heilkunst gehabt und ihre Lehrerin sie den Stoff des Vertiefungskurses gelehrt hatte. Aber selbst ohne dieses Wissen hätte sie alles getan, um den Jungen zu retten. „Als Gildenmagierin bin ich verpflichtet zu helfen.“
Yui ließ ein Kissen aus einer Ecke des Zeltes an Irakhis Lager schweben. „Setzt Euch“, bot sie Sonea an. „Dann könnt Ihr ihn besser untersuchen.“
Dankend ließ Sonea sich auf dem Kissen nieder. Yuis Kontrolle war bemerkenswert. Die Duna unterwiesen ihre magisch talentierten Kinder früher in Magie als andere Völker. Allerdings waren sie auch gezwungen, früh erwachsen zu werden. Mit vierzehn galt Yui bei ihrem Volk als erwachsen und durfte höhere Magie lernen.
Eine seltsame Kultur, dachte Sonea. Die Mitglieder eines jeden Stammes wurden, sofern magisches Potential vorhanden war, zu Magiern ausgebildet. Die Nichtmagier galten als Sklaven. Quellen waren nur jene, deren magisches Potential nicht entfesselt worden war. Yui hatte Glück gehabt, dass sie bei ihrer Gefangennahme die Grundlagen der Magie bereits beherrscht hatte.
Insofern waren die Duna fortschrittlicher als die Sachakaner. Doch dass der stärkere und ruhmreichere Krieger als der attraktivere galt und das die weibliche Kriegsbeute dazu veranlasste, sich jenem Mann je nach Stand unterzuordnen oder anzuschließen, fand Sonea dagegen mehr als barbarisch. Besser, sie dachte nicht weiter darüber nach. Das System der Sachakaner war bereits verstörend genug und hatte ihr Denken auf eine Weise verändert, die sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
„Hallo Irakhi“, grüßte sie den Jungen mit einem Lächeln. „Wie geht es dir heute?“
„Besser“, antwortete Arikhais jüngerer Bruder. „Und bereit, wieder Levitation zu üben.“
„Das werden wir sehen, wenn ich dich untersucht habe“, erwiderte Sonea mit leichter Strenge in der Stimme.
„Warum?“, verlangte Irakhi zu wissen. „Ich fühle mich wieder gesund. Die blauen Flecken sind mir egal.“
„Es geht nicht um die blauen Flecken“, sagte Sonea. „Du magst äußerlich gesund erscheinen und dich gut fühlen, aber das heißt nicht, dass deine Knochen schon wieder vollständig geheilt sind. Sie könnten erneut brechen, wenn du aufstehst und sie bewegst.“
„Dann heilt Ihr mich einfach erneut.“
„Die Bruchstellen könnten so kompliziert sein, dass sie meine Fähigkeiten übersteigen und ich werde nicht immer da sein, um dich zu heilen“, sagte Sonea mit leisem Nachdruck. „Außerdem bezweifle ich, dass dein großer Bruder sehr erfreut wäre, wenn er erfährt, dass du dich nicht an seine Anweisungen gehalten hast.“
Irakhi verzog das Gesicht und murmelte etwas auf Duna, das wie ein Fluch klang.
Sonea ließ ihm ein paar Augenblicke, um sich zu beruhigen. Er war jung und es verlangte ihm danach, sich mit Jungen in seinem Alter zu messen. Alles und jeder, der ihn davon abhielt, kratzte an seiner Männlichkeit. „Also Irakhi, erlaubst du mir, dich zu untersuchen?“, fragte sie.
Der Junge nickte entschlossen.
„Gut.“ Mit einem gewinnenden Lächeln umfasste Sonea sein Handgelenk und sandte ihren Geist in seinen Körper.
Es brauchte nicht lange, um die Brüche und inneren Verletzungen zu untersuchen. Das Gewebe und die Knochen hatten begonnen zusammenzuwachsen. Doch wo sie bei einem erwachsenen Magier über Nacht vollständig geheilt wären, war Irakhi davon noch mindestens eine Nacht entfernt.
„Du wirst noch einige Tage im Bett bleiben müssen“, teilte Sonea ihm mit. „Deine Knochen sind noch nicht so weit.“
„Ich werde vorsichtig sein“, versprach der Junge.
Wissend, wie viel ein solches Versprechen selbst im Erwachsenenalter noch galt, schüttelte Sonea den Kopf. „Das wird dein Bruder nicht wollen. Er wird dich bestrafen.“
„Dieses Risiko ist ein Duna bereit, einzugehen“, erklärte Irakhi stolz. Er runzelte die Stirn. „Was nicht heißen soll, dass ich Eure Heilung nicht gerne in Anspruch genommen habe“, fügte er rasch hinzu.
„Heilende Magie hält die Menschen leider nicht davon ab, törichte Ideen in die Tat umzusetzen“, bemerkte Sonea erheitert. Dann wurde sie jedoch wieder ernst. „Ich werde deinem Bruder empfehlen, dass du noch zwei Tage im Bett bleiben musst. Danach wirst du wieder mit deinen Freunden Levitation üben können.“
Der Junge verzog das Gesicht. „Bis dahin werden sie es können und ich nicht. Sie werden mich auslachen. Aber ich bin der Bruder des Kriegsherrn!“, rief er zornig.
„Dann liegt es an dir, sie mit etwas anderem zu beeindrucken“, entgegnete Sonea. „Etwas, das sie noch nicht gelernt haben. Ich bin sicher, da lässt sich etwas finden.“
Zu ihrer Freude hellte sich Irakhis Miene wieder auf. „Kommt Ihr morgen wieder nach mir sehen?“, fragte er.
„Ja“, antwortete Sonea, obwohl sie bezweifelte, das würde nötig sein.
„Ihr würdet ihm eine große Freude machen, wenn Ihr ihm etwas zeigt, dass seine Freunde niemals lernen werden“, sagte Yui, als sie Sonea nach draußen begleitete.
„Dazu bin ich nicht befugt“, erwiderte Sonea bedauernd. Selbst wenn die Gilde es erlaubte, würde sie Wochen darüber diskutieren, welchen magischen Trick sie einen Duna-Jungen lehren durfte. „Aber ich könnte ihm einige Kampftechniken zeigen, die er noch nicht von seinem Lehrer gelernt hat.“
„Wenn Ihr das tun könnt, wäre das großartig.“
Sonea lächelte. Offenkundig war Irakhi wie ein kleiner Bruder für Yui, auch wenn sie in Wirklichkeit die Frau seines älteren Bruders war. Arikhai war allerdings fast doppelt so alt, wie das Mädchen und daher konnte Sonea ihre Zuneigung nachvollziehen.
„Lord Dorrien was machen wir hier?“ Mit einer Mischung aus Neugier und Verwirrung ließ Viana ihren Blick über das Innere der steinernen Kuppel schweifen, in der die frühe Gilde ihre Novizen unterrichtet hatte. Der Schein von Dorriens Lichtkugel trieb die Schatten in einem radialen Muster von der Stelle fort, wo sie unter der Decke hing.
Dorrien lächelte geheimnisvoll. „Das wirst du gleich sehen.“
Als er am Nachmittag zu Lord Balkan gegangen und ihm seine Idee erklärt hatte, hatte sich das Oberhaupt der Krieger überraschend unkompliziert gezeigt. „Ihr seid Vianas Mentor. Ich habe keine Einwände, wenn Ihr sie bei der Vorbereitung auf ihre Prüfungen unterstützt“, hatte er beinahe geistesabwesend erklärt. „Der Dome enthält genug Magie, um Kämpfe schwarzer Magier zu überstehen. Und mit Eurem Grundwissen in Kriegskunst könnt Ihr nicht viel anstellen, was Eure Novizin gefährden würde, sofern Ihr die Regeln beachtet.“
„Ich habe Viana bereits in Windbruch ein paar Grundlagen gelehrt“, hatte Dorrien daraufhin erwidert. „Von daher bin ich mit den Schutzvorkehrungen bestens vertraut.“
„Dann habe ich keine Einwände.“
Überrascht und erfreut hatte Dorrien sich bedankt und war aus dem Büro des Kriegers geeilt. Er hatte den Moment perfekt abgepasst. Da Viana gerade Privatunterricht bei Regin gehabt hatte, war er mit Balkan alleine gewesen. Dorrien traute dem Bengel nicht weit genug, dass er ihn wissen lassen wollte, dass er mit Viana in den Dome ging. Auch wenn er Viana in der Gilde auf Distanz hielt, bestand fortwährend die Gefahr, dass jemand hinter die Fassade ihres Mentor-Novizin-Verhältnis sah.
Er führte Viana in die Mitte der kleinen Kampffläche. „Nachdem du mir gestern erzählt hast, dass du dich mit manchen Angriffstechniken noch ein wenig schwertust, dachte ich, wir könnten gemeinsam daran arbeiten.“
Viana strahlte. „Lord Dorrien, das ist wirklich sehr nett von Euch!“
„Ich bin dein Mentor“, entgegnete Dorrien lachend. „Selbst, wenn ich nicht die Absicht im Hinterkopf hätte, die Gerüchte zu zerstreuen, will ich, dass du in Kriegskunst gut abschneidest.“
„Wegen der Nähe zum Pass.“
„Richtig, kleine Viana.“ Er klopfte ihr auf die Schulter. „Bist du bereit, gegen deinen Mentor anzutreten?“
Sie lächelte mit einem Funkeln in ihren tironussbraunen Augen, das beinahe frech war. „Seit Ihr mich das mit dem Schild gelehrt habt, brenne ich darauf.“
Lachend errichtete Dorrien ihren Inneren Schild. „Mach dir keine Sorgen, dass du mir etwas tun könntest“, sagte er. „Du kannst mich mit deiner vollen Stärke angreifen. Und ich beherrsche weitaus weniger Tricks, als dein Lehrer.“ Als Novize hatte er sich von Darren und Kayan ein paar Tricks abgeschaut, gegen jemanden wie Regin würde er jedoch hoffnungslos unterliegen. Er hatte gesehen, wie sich der Bengel und Sonea in der Arena duelliert hatten. Obwohl Regin das Duell verloren hatte, war schon damals zu erkennen gewesen, dass er eines Tages ein großer Krieger werden würde.
Soweit Dorrien wusste, hatte er seinen Abschluss sogar nur geringfügig schlechter als Sonea gemacht.
Auf sein Kommando begannen sie zu kämpfen. Vianas Angriffe kamen noch ein wenig zögerlich, doch als sie anfing, sich auf ihren Gegner einzustellen, wurden ihre Angriffe immer selbstbewusster. Erfreut konterte Dorrien und versuchte, sie weiter aus der Reserve zu locken.
„Du hast mich ausgetrickst!“, entfuhr es ihr, als ein Kraftschlag sie von hinten traf, den sie nicht gesehen hatte.
„So etwas würde ich niemals tun, kleine Viana“, entgegnete Dorrien erheitert. „Du darfst deine Verteidigung an keiner Stelle vernachlässigen. Das ist eine alte Kriegerweisheit.“
Ihre Nase kräuselte sich vor Erheiterung, dann konterte sie mit einem doppelten Feuerschlag, den Dorrien nicht von ihr erwartet hatte.
„Heh!“, rief er. „Das steht aber nicht auf dem Lehrplan!“
„Den hat Lord Regin mir gezeigt“, sagte sie. „Für die besonders fiesen Gegner.“
„Ich geb dir gleich fies!“, gab er zurück und konterte mit einem Hagel Betäubungsschläge, während er einen Hitzeschlag durch den Boden sandte. Darrens alter Lieblingstrick.
„Oh“, machte Viana, als ihr Innerer Schild getroffen wurde. „Damit habt wohl Ihr gewonnen.“
Dorrien konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Er hatte nicht vorgehabt, eine solch fortgeschrittene Technik zu verwenden. Es war einfach passiert, weil er sich von ihr hatte provozieren lassen.
„Noch eine Runde, kleine Viana?“, fragte er.
Sie nickte.
Dieses Mal ließ Dorrien sie gewinnen, indem er vorgab, von ihrem Täuschungsmanöver abgelenkt gewesen zu sein, während er ihren eigentlichen Angriff hatte kommen sehen. Vielleicht gelang es ihm so, sie zu motivieren. Doch er hatte sich in seiner Novizin getäuscht.
„Mylord, es ist nicht fair, wenn Ihr mich gewinnen last“, protestierte sie. „Was soll ich denn davon lernen?“
„Kriegerehre.“
Ihre Augen verengten sich. „Ist das auch wieder so eine Kriegerweisheit?“
„Nein.“ Dorrien lachte. „Die ist von mir.“ Er machte einen Schritt auf sie zu. „Du warst sehr gut, kleine Viana“, sagte er, während er ihren Inneren Schild löste. „Wenn wir das noch ein oder zwei Mal bis zu deinen Prüfungen wiederholen, solltest du diese ohne Schwierigkeiten bestehen.“
Viana strahlte. „Vielen Dank, Mylord.“
„Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte er.
Mit einem scheuen Lächeln sah sie zu ihm auf, ihre Augen strahlten und ihre Wangen waren leicht gerötet. Dorrien hatte sie selten so glücklich gesehen.
„Das hat dir gefallen, nicht wahr?“, fragte er.
Sie nickte nur.
Mit einem Mal war sie ihm viel zu nahe. Dorrien konnte den wunderbaren Duft ihres Haares riechen. Und sie waren völlig allein. Niemand würde sie sehen. Einem plötzlichen Impuls folgend streckte er eine Hand nach ihr aus und strich über die zarte Haut ihrer Wange. Dann beugte er sich zu ihr hinab und drückte seine Lippen auf ihre.
„Lord Dorrien!“, entfuhr es ihr überrascht.
„Was ist?“, fragte er. „Hast du Angst, jemand könnte uns sehen?“
„Nein“, begann sie. „Ich …“
Weiter ließ Dorrien sie nicht kommen. Er zog sie fester in seine Arme und küsste sie erneut. Viana legte ihre Arme um ihn und erwiderte den Kuss. Ihre Lippen teilten sich bereitwillig und Dorrien konnte sie leise aufseufzen hören. Er spürte, wie sich etwas in seinen Lenden zu regen begann. Er versuchte, es zu unterdrücken und den Kuss zu genießen, doch Vianas Duft, ihr warmer Körper gegen seinen geschmiegt und das Gefühl ihrer weichen Brust an seiner, machten das unmöglich. Während er sie eng umschlungen hielt, fuhr eine Hand ihren Rücken hinab, über die Rundung ihres Gesäßes und unter den Saum ihrer kurzen Robe.
Viana japste überrascht nach Luft. Dorrien lachte leise, hob sie hoch und trug sie zur Wand, wo er sie mit dem Rücken dem kühlen Stein zugewandt absetzte. Dann schob er sich gegen sie und küsste sie, jetzt mit mehr Verlangen. Er konnte spüren, wie Vianas Puls sich beschleunigte und die Hitze in ihr zunahm. Ein Griff unter ihre Robe bestätigte ihm endgültig, dass sie erregt war.
Fasziniert beobachtete er, wie ihre Atmung schneller, aber nicht lauter wurde, während er sie streichelte und zugleich ihre Halsbeuge liebkoste.
„Ich will dich“, flüsterte sie atemlos. „Jetzt.“
Irgendwie brachte das Dorrien wieder zur Besinnung. Er ließ von ihr ab.
„Nein“, sagte er. „Ich kann nicht.“
Vianas Arme fielen von seinen Schultern herab. „Warum nicht?“
„Weil wir in der Gilde sind. Es tut mir leid, kleine Viana. Ich hätte das nicht tun dürfen.“
„Aber du hast doch gesagt, hier wäre es sicher“, sagte sie verständnislos. „Und bei Lord Rothen …“
„Bei meinem Vater kann ich mir sicher sein, dass wir ungestört sind. Aber nicht hier. Was, wenn ein liebestoller Novize gerade denselben Einfall hat und uns sieht?“ Oder dieser Regin …
Viana erstarrte. „Das habe ich nicht bedacht.“
Dorrien seufzte und strich ihr eine Strähne ihres tennblonden Haares, die sich aus einem ihrer Zöpfe gelöst hatte, aus der Stirn. „Ich habe mich von meinen Instinkten beherrschen lassen und uns beide dadurch fast in Gefahr gebracht“, sagte er. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Es tut mir leid.“
„Es ist passiert, weil wir lange getrennt waren und weil du mich liebst.“
„Ja.“ Wahrscheinlich … Dorrien seufzte. Er war keiner dieser Männer, die sich selbst über ihre Triebe vergaßen, sobald sie einer schönen Frau begegneten. Das war eine Sicherheit, die er Viana geben konnte. Zumindest hatte er das geglaubt.
Die Erkenntnis brachte sein Verlangen schlagartig zum Erliegen. Plötzlich wollte er nichts mehr, als mit ihr dort sein, wo sie beide sicher und ungestört waren.
Er nahm ihre Hand. „Es ist spät geworden“, sagte er. „Gehen wir nach Hause.“
Auch wenn Sonea nach ihrem Gespräch mit Yui die Duna für weniger barbarisch erachtete, war sie froh, als die Säulen des Tempels vor ihr im Dämmerlicht der Schlucht auftauchten. Der lange Tag hatte sie erschöpft, der Wüstensand war selbst auf dem kurzen Weg durch die Schlucht bis unter ihre Robe gedrungen und Sonea sehnte sich nach einem Bad, um das Gefühl von Staub und Schmutz auf ihrer Haut loszuwerden, bevor sie Dannyl zum Abendmahl im Raum der Priester begleitete.
„Welch streunenden Yeel haben wir denn hier gefunden?“
Sonea erstarrte. Auch ohne die schnarrende Stimme während der Verhandlungen gehört zu haben, hätte sie sie auf Anhieb wiedererkannt. Einen tiefen Atemzug nehmend wandte sie sich um.
„Ihr solltet Euch lieber vorsehen, Ashaki Divako“, sagte sie. „Wenn man einen Yeel zu sehr reizt, dann beißt er. Das kann üble Wunden geben.“
Demjenigen von Marikas Beratern, den Sonea am meisten hasste, verschlug es für einen Moment die Sprache. Anscheinend hatte er nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet.
„Jeden Yeel kann man zähmen“, erklang eine andere Stimme.
Sonea fuhr herum.
„Am Ende gehorchen sie alle.“ Ein dünnes Lächeln umspielte Ishakas Mundwinkel. Er machte einen Schritt auf sie zu. Sonea wich unwillkürlich zurück und stieß gegen einen unsichtbaren Widerstand. Sie wollte ausweichen, doch dann war Divako neben ihr und schnitt ihr den Fluchtweg ab. Zu ihrer anderen Seite war das Mauerwerk des Tempels und so war sie ihm und Ishaka, die sie beide um mehr als einen Kopf überragten, völlig ausgeliefert.
„Wenn der König dich nicht für sich beansprucht hätte, hätte ich dich genommen.“ Ishaka strich über ihre Wange und ihre Lippen. Dann fasste er unerwartet grob ihr Kinn. „Sari wünscht sich schon lange eine Bettgespielin. Und was würde ihren Ansprüchen mehr genügen, als Marikas ehemalige Lieblingssklavin?“
Alles in Sonea schrie danach, sich seinem Griff zu entwinden, doch sie war wie erstarrt.
„Da müsstet Ihr aber viel Zeit investieren, um sie so weit zu zähmen“, sagte Divako. „Denn sonst tötet sie Euch im Schlaf.“ Seine Hand umschloss ihren Nacken. „Aber wenn Ihr wollt, könnte ich das für Euch erledigen. Ich weiß, wie man mit unwilligen Sklaven am besten umgeht. Danach wird sie Euch keine Probleme mehr bereiten.“
Nach allem, was Sonea an diesem Tag in seinen Gedanken gesehen hatte, glaubte sie ihm aufs Wort. Ihre Faust ballte sich um den Speicherstein im Ärmel ihrer Robe, während sie fieberhaft nach einem anderen Weg suchte, den beiden Ashaki zu entkommen. Sie wollte diese Auseinandersetzung nicht durch Gewalt beenden, denn das konnte die Verhandlungen in Gefahr bringen und würde zweifelsohne den Zorn der Duna erregen. Und sie wollte nicht die Erste sein, die damit begann. Sie würde ihre Magie nur einsetzen, um sich zu verteidigen.
„Nur zu“, forderte sie Divako auf. „Wenn Ihr unbedingt wie Marika enden wollt, kann ich dem gerne nachhelfen.“
„Ich denke“, begann Ashaki Ishaka nachdenklich, „das mit der Zähmung kann ich selbst erledigen. Eure Methoden sagen mir nicht gerade zu und ich fürchte, sie würden unseren kleinen Yeel am Ende noch rebellischer machen.“
„Eure stille Arroganz hat schon immer bis in die Ödländer gestunken, Ashaki Ishaka“, zischte Sonea. „Ihr haltet Euch wohl für etwas ganz Besonderes?“ Bevor der Ashaki den Mund öffnen konnte, um etwas zu darauf zu erwidern, entriss Sonea sich seinem Griff mit einem Trick, den Cery ihr einst gezeigt hatte, und fuhr herum zu seinem Begleiter. „Und Ihr seid so schmierig wie eh und je, dass es mich wundert, wie Marika und sein Nachfolger Euch nur in seiner Nähe ertragen können.“
Divakos Gesicht verfinsterte sich. „Was meint Ihr, Ishaka? Wird es nicht langsam Zeit, diesem kleinen Yeel zu zeigen, wo sein Platz ist?“
„Da gebe ich Euch vollkommen recht.“
„Was geht hier vor?“
Zwei Frauen hatten den Säulengang betreten und betrachteten die Ashaki missbilligend. Asara und Zalava.
Soneas Herz machte einen Sprung.
„Nur eine kleine Unterhaltung zwischen alten Bekannten“, sagte Ishaka glatt.
Zalava hob fragend eine Augenbraue. „Unter einer kleinen Unterhaltung verstehe ich etwas anderes“, sagte sie. „Wenn der Imperator davon erfährt, wird er nicht erfreut sein, dass seine Abgesandten die Regeln der Diplomatie verletzt haben.“
Die beiden Ashaki ließen von Sonea ab.
„Der Imperator würde uns belohnen, wenn wir diese Verhandlungen nicht nur in seinem Sinne beenden, sondern ihm auch noch die Königsmörderin bringen“, sagte Divako, woraufhin Ishaka ihm einen scharfen Blick zuwarf.
„Da wäre ich an Eurer Stelle nicht so sicher.“ Die Verräterin betrachtete Divako missbilligend. „Ich könnte mir vorstellen, dass insbesondere Ihr Kachiro früher oder später unbequem werdet. Was Eure Kenntnisse als Kriegsmeister angeht, so seid Ihr ersetzbar.“
Da hatte sie gar nicht so unrecht, wusste Sonea. Divako hatte noch nie mit Intelligenz brilliert. Zwei Jahre zuvor war er noch Marikas Finanzmeister gewesen, doch selbst darin hatte ihn Marikas Leibwächter übertroffen. Sonea erinnerte sich daran, wie sie eines Nachmittags im Palastgarten gesessen und das sachakanische Steuersystem diskutiert hatten, nachdem er sie vor Marikas P’anaal gerettet hatte. Ivasako war nun der neue Finanzmeister, während Divako nur Kriegsmeister geworden war, weil Kachiro einen militärischen Berater brauchte.
Asara war neben sie getreten. „Lady Sonea, geht es Euch gut?“, fragte sie eine Hand auf Soneas Arm legend.
Sonea nickte, obwohl ihr das Herz noch immer bis zum Hals schlug und ihre Hände feucht und zittrig waren. „Sie sind nicht wichtig genug, um diese Art von Aufmerksamkeit von mir verdient zu haben“, sagte sie hart.
Asara betrachtete sie mitfühlend. „Da habt Ihr völlig recht.“
„Ihr solltet jetzt gehen“, teilte ihre Schwester den beiden Ashaki mit. „Eure Anwesenheit wird in der Nähe unserer Quartiere nicht gerne gesehen. Meine Schwestern könnten noch auf die Idee kommen, Ihr wärt für den Mordanschlag auf Auslandsadministrator Dannyls Eskorte in den Ödländern verantwortlich.“
Die beiden Ashaki warfen einander vielsagende Blicke zu und entfernten sich. Die Schritte ihrer Stiefel hallten zwischen den Säulen wider.
„Kommt“, sagte Asara sanft. „Wir begleiten Euch zu Eurem Quartier.“
„Das ist sehr freundlich von Euch“, erwiderte Sonea. „Und ich stehe in Eurer Schuld. Doch das ist nicht nötig. Ich finde den Weg alleine.“
„Wir haben denselben Weg“, erinnerte die Verräterin. „Wir kommen mit bis zu unserem Wohnbereich. Nur für den Fall, dass sich noch mehr von Ishakas und Divakos Sorte hier irgendwo verstecken.“
Sonea verzog das Gesicht. Sie fand, sie brauchte keine Eskorte, doch auf eine zweite Begegnung dieser Art konnte sie getrost verzichten. Wären die beiden Frauen nicht zufällig vorbeigekommen, wäre es früher oder später zum Einsatz von Magie gekommen.
„Dann lasst uns gehen“, sagte sie. Sie wollte nichts als zurück in ihr Quartier.
Sie verließen den Säulengang und traten in den kleinen Steingarten, um den sich die Quartiere der Verräter und der Gilde befanden.
„Ich gehe baden“, erklärte Zalava. „Es wird Zeit, den Staub der Wüste abzuwaschen.“
Asara lachte. „Wir sehen uns später, Liebes.“ Sie wandte sich zu Sonea. „Wenn Euch etwas bedrückt und Ihr jemanden zum Reden braucht, der nicht zu Euren konservativen Landsleuten gehört, könnt Ihr jederzeit auf mich zukommen.“
Sonea betrachtete sie überrascht ob des spontanen Angebots. „Das ist sehr großzügig von Euch, Asara“, erwiderte sie. „Doch ich denke nicht, dass das nötig ist. Ich komme klar.“
„Das bezweifle ich nicht“, sagte die andere Frau. „Doch sollte sich das eines Tages ändern, so zögert nicht, meine Hilfe anzunehmen.“
Sonea nickte nur und wandte sich zu ihrem Quartier. Mit letzter Kraft belegte sie die Tür mit einem magischen Schloss, dann glitt sie den Rücken gegen das Holz gelehnt zu Boden. Sie zog die Beine an die Brust, legte ihre Arme darüber und bettete ihren Kopf darauf. Mit einem Mal war ihr Elend übermächtig. Sie war wieder die verängstigte Sklavin, die trotz ihrer blockierten Kräfte sich jenen widersetzte, denen sie gehorchen sollte.
Damals bei ihrer Flucht aus Arvice hatte sie sich geschworen, sich nie wieder so schwach und hilflos zu fühlen. Doch Ishaka und Divako war genau das gelungen. Wie sollte sie den Abend überstehen? Wie sollte sie ihnen am nächsten Tag wieder unter die Augen treten?
- Sonea, was ist passiert?
Sie zuckte zusammen. Sie fühlte sich ertappt, weil er sie in einem Moment der Schwäche erwischt hatte, und fand sich zugleich albern, weil sie sich vor ihm für nichts zu schämen brauchte.
- Nur eine kleine Begegnung mit alten Bekannten, sandte sie. Nichts, was dich beunruhigen müsste.
- Du bist weit fort in einem fremden Land und unter Menschen, die dir feindlichen gesonnen sind, entgegnete er. Wie sollte ich da nicht besorgt sein?
- Warum hast du mir dann vorhin nicht geholfen?
- Weil ich eine Diskussion mit Tayend und Lord Sarrin geführt habe. Ich habe den Aufruhr deiner Gefühle erst danach wahrgenommen, doch da warst du bereits in deinem Quartier. Ich spioniere dir nicht hinterher, Sonea.
- Es tut mir leid, ich wollte dich nicht anfahren.
- Das hast du nicht. Erzähl mir, was los ist.
Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf.
- Nein. Es ist nicht der Rede wert. Was gibt es bei dir Neues? Wie seid ihr mit den Schilddieben vorwärtsgekommen?
- Wir haben vielleicht eine Möglichkeit gefunden, sie zu realisieren. Doch ich würde zuerst deine Meinung dazu hören.
Obwohl Sonea glaubte, dass nichts auf dieser Welt sie in diesem Augenblick weniger interessierte, entschied sie, das hören zu wollen. Und so berichtete Akkarin ihr, was er mit Dannyls Gefährten und dem ehemaligen Oberhaupt der Alchemisten herausgefunden hatte.
- Wir werden in den nächsten Wochen einige Versuchsreihen starten, schloss er. Und dann wird sich zeigen, ob unsere Theorie richtig ist.
- Sie klingt auf jeden Fall sehr plausibel, sandte Sonea. Aber das hatten sie bei den Speichersteinen auch wieder und wieder geglaubt. Ich finde, ihr solltet es versuchen. Aber sagt mir bescheid, wenn es soweit ist. Ich würde gerne zusehen.
- Ich werde dich zusehen lassen, versprach er. Seine Präsenz veränderte sich, als er fortfuhr: Aber das ist noch nicht alles. Tatsächlich wollte ich dich deswegen später noch rufen.
Das, was er mit seinen Worten sandte, löste eine erwartungsvolle Neugier in ihr aus.
- Was ist es?
Das hier.
Er sandte ihr eine Folge von Bildern, die Sonea fast das Herz zerrissen. Lorlen, wie er über den Boden in seinem Zimmer krabbelte, sein Stoffharrel lag in dem Sessel, in dem Akkarin zu sitzen pflegte, wenn er sich Zeit für seinen Sohn nahm. Sonea beobachtete, wie ihr Sohn darauf zu krabbelte, seine Hände griffen nach oben, doch sie waren zu kurz, um sein Kuscheltier zu erreichen. Und dann zog er sich an dem Sessel empor.
Sie hielt den Atem an.
Lorlen griff nach seinem Stoffharrel und wandte sich strahlend um.
„Komm her“, hörte sie Takans Stimme.
Lorlen kicherte. Dann machte er, seinen Harrel an sich gedrückt, ein paar Schritte nach vorne, dann knickten seine Beine um.
„Bu!“, machte er noch immer strahlend.
„Das hast du gut gemacht“, hörte sie Takans Stimme. Dann sah sie wie seine Arme nach dem Baby griffen und es emporhoben und die Erinnerung brach ab.
- Er ist gelaufen, sandte Sonea fassungslos.
In Akkarins Stimme schwang ein Stolz mit, den Sonea nur in den wenigen Situationen erlebt hatte, in denen er sie als Novizin gelobt hatte.
- Ja.
- Warum hast du mich nicht gerufen, als es passiert ist?
- Ich war selbst nicht dabei. Beim nächsten Mal werde ich dich rufen.
Natürlich. Wäre auch er dabei gewesen, hätte sie die Erinnerung aus seiner Sicht und nicht durch Takans Blutjuwel gesehen. Ihre Augen begannen zu brennen und etwas Heißes lief ihre Wangen hinab, als Schmerz und Sehnsucht mit einem Mal übermächtig wurden.
- Oh Akkarin, ich will nach Hause!, sandte sie.
- Ich vermisse dich auch, erwiderte er.
- Gib Lorlen einen Kuss von mir.
- Das werde ich. Wir werden diese Zeit überstehen, wir waren schon länger getrennt.
- Wir haben Schlimmeres durchgemacht.
- Ja.
Nachdem sie ihr Gespräch beendet hatten, blieb Sonea noch eine Weile auf dem Boden vor ihrer Tür sitzen und kämpfte gegen die Tränen an. Dann trocknete sie ihre Augen, erhob sich und begann damit, sich auf den Abend vorzubereiten.
Von seinem Platz auf der Tribüne hatte Regin einen ausgezeichneten Blick auf die Arena. Es geschah selten, dass er hier saß. Meistens stand er auf ihrem sandigen Boden und kämpfte oder – seit neustem – unterrichtete. An diesem Abend fand jedoch kein magischer Kampf in der Arena statt. Sechszehn Novizen duellierten einander mit Schwertern beaufsichtigt von nur zwei Kriegern.
Ursprünglich war der Kurs nur von einem Krieger unterrichtet worden, doch der Krieg und die erste Novizin, die sich seit Generationen für diese Disziplin entschieden hatte, hatten für eine wahre Revolution des Wahlpflichtfachs für Krieger gesorgt. Neben beinahe sämtlichen Novizen, die Kriegskunst als Disziplin gewählt hatten, hatten auch angehende Heiler und Alchemisten daran Gefallen gefunden. Insgesamt nahmen drei Mädchen daran teil, darunter Nastia.
Doch sie waren nicht der Grund, warum Regin den Unterricht beobachtete.
Mit dem Läuten zum Ende des Abendunterrichts hob Lord Kerrin eine Hand. Die Novizen ließen ihre Schwerter sinken. Regin beobachtete, wie sie diese an ihre Lehrer zurückgaben und zum Portal eilten. Regin erhob sich von seinem Sitz und verließ die Tribüne. Als er sich dem Portal näherte, kamen ihm die Novizen entgegen. Fast alle waren aus Lord Balkans Klasse.
Als sie Regin erblickten, grüßten sie ihn respektvoll und eilten dann auf die Novizenquartiere zu, die Mädchen kicherten, als sie ihn passierten, und Nastia warf ihm einen schmachtenden Blick zu.
Ein selbstgefälliges Lächeln aufsetzend schritt Regin durch das Portal in die Arena.
„Guten Abend, Lord Kerrin!“, rief er, als er die Sandfläche betrat. „Lord Iskren.“
Die beiden Krieger, die gerade dabei waren, die Übungsschwerter in einer Box zu verstauen, hielten inne.
„Lord Regin“, sagte Regins ehemaliger Schwerkampflehrer überrascht. „Was führt Euch her? Ein kleines Duell vielleicht?“
„Die Idee ist verlockend, aber nicht heute“, lehnte Regin ab. „Ich werde jedoch bei Gelegenheit gerne darauf zurückkommen.“ Er lächelte sein charmantestes Lächeln. „Tatsächlich hatte ich gehofft, Euch für mein neustes Projekt begeistern zu können.“
Lord Iskren hob fragend die Augenbrauen. „Was für ein Projekt ist das?“
„Lord Vorels letzte Strategie.“
„Die Strategie, die ihn das Leben gekostet hat?“
„Es war nicht die Strategie, sondern die Sachakaner, die das bewirkt haben.“ Das Gefühl von Stolz war überwältigend, als Regin fortfuhr: „Lord Vorels Idee war brillant, doch es war nicht abzusehen, dass einer der Sachakaner mit unseren eigenen Waffen angreift. In den vergangenen Wochen habe ich mich dieser Strategie gewidmet und sie weiter ausgefeilt. Der nächste Schritt wäre ein Test in einer realen Umgebung, die Ähnlichkeit mit einem Berggelände hat.“
„Das hört sich alles ganz vielversprechend an“, sagte Lord Kerrin. „Aber wo wollt Ihr so eine Umgebung hernehmen?“
„Der Steinbruch“, antwortete Regin. „Die Bedingungen dort sind nicht genau wie im Hochgebirge, doch für unsere Zwecke sollte es vorerst genügen.“
„Mir ist noch nicht ganz klar, wozu Ihr uns dabei braucht.“
„Die Tests sollen ihm Rahmen unseres wöchentlichen Duells gegen den Hohen Lord stattfinden. Um die Übung im Steinbruch durchführen zu können, sollten möglichst viele von uns dazu bereit sein, daran teilzunehmen.“
„Ich kann mir zwar noch nicht vorstellen, dass Vorels Idee gegen die Sachakaner funktionieren soll“, sagte Iskren, „aber ich wäre dabei.“
„Ich begrüße Eure Entscheidung.“ Regin sah zu dem Schwertkampflehrer. „Und wie steht Ihr dazu?“
„Lord Vorel war ein ausgezeichneter Krieger“, sagte Lord Kerrin. „Wenn Ihr Euch seiner letzten Strategie annehmt, dann kann daraus nur Gutes entspringen.“
„Ich danke Euch“, wollte Regin sagen, war jedoch abgelenkt, als er eine große Gestalt in grünen Roben und eine etwas kleinere in Novizenroben und tennblonden Zöpfen aus dem Dome trat.
Was haben sie dort gemacht?, fuhr es ihm durch den Kopf. Gestern Abend sind sie in den Wald verschwunden, und jetzt das?
„Lord Regin?“
Regin zuckte zusammen. Kerrin und Iskren starrten ihn verwirrt an.
„Bitte entschuldigt“, sagte er zu den beiden Kriegern. „Ich war nur gerade mit den Gedanken woanders.“
„Bei dem Dorfheiler?“, fragte Kerrin mit einem feixenden Blick zu Dorrien und seiner Novizin.
„Ich frage mich die ganze Zeit, was er hier tut“, erklärte Regin. „Ich hatte ihn erst zu den Sommerprüfungen zurück erwartet.“
„Vielleicht hatte er Sehnsucht nach seiner kleinen Hirtentochter“, überlegte Iskren. „Ihr unterrichtet sie doch während Lady Sonea in Duna verweilt. Was wisst Ihr über die Beziehung der beiden?“
„Nicht mehr und nicht weniger als der Rest der Gilde auch“, antwortete Regin. Aber er ahnte, dass da mehr war. Vianas Reaktion auf Dorrien und dessen finstere Blicke neulich in der Arena ließen Verliebtheit und Eifersucht vermuten. Allerdings hatte der Dorfheiler auch eifersüchtig auf Sonea und Akkarin reagiert. „Viana ist eine fleißige Novizin. Während der letzten Wochen hat sie nicht den Eindruck erweckt, Sehnsucht nach ihrem Mentor zu haben.“
„Aber Ihr glaubt, dass mehr dahinter steckt“, unterstellte Lord Kerrin.
Regin tat als sei er überrascht. „Wie kommt Ihr darauf?“, fragte er unschuldig.
„Nun, so wie Ihr den beiden hinterher gestarrt habt, könnte man fast meinen, Ihr habt selbst ein Auge auf das Mädchen geworfen“, bemerkte Iskren.
„Sie ist die Tochter eines Reberhirten!“, sagte Regin verächtlich. „Allein sie zu verführen würde Schande über mein Haus bringen.“ Er betrachtete die beiden Krieger empört. Glaubten sie wirklich, er würde sich in ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen verlieben? Nun, seine beste Freundin stammte aus den Hüttenvierteln und er hatte seine ersten sexuellen Erfahrungen mit Flavia gesammelt – vielleicht war die Idee unter diesem Aspekt gar nicht so abwegig.
Lord Iskren lachte so unterdrückt, dass es einem albernen Kichern gleichkam. „Womit bewiesen wäre, dass Ihr nicht wegen Viana an den beiden interessiert seid.“
Mit einem vielsagenden Blick verschränkte Regin die Arme vor der Brust. „Selbst, wenn es so wäre, was interessiert Euch das?“
„Ihr erinnert Euch noch an die Beschwerde, die wir über Lord Dorrien bei den höheren Magiern eingereicht haben?“
Regin nickte. Das Thema war im Abendsaal lebhaft diskutiert worden. Darüber hatte er sogar den Zorn von Dorriens Vater auf sich gezogen, was ihn jedoch reichlich wenig kümmerte. Er hatte Lord Rothen mit seinen friedfertigen und weltverbesserlichen Ansichten nie sonderlich leiden können. Soweit er wusste, war die Beschwerde der beiden Krieger schließlich an das Oberhaupt der Heiler weitergeleitet wurden, welches versprochen hatte, Dorrien einen Tadel zu erteilen.
„Sein Verhalten während des Wiederaufbaus dieses Bergdorfes war für die Gilde schlichtweg nicht tragbar. Er hat uns wie Hafenarbeiter behandelt und nicht wie Krieger, die dazu beigetragen haben, dass die Sachakaner nicht noch mehr als dieses Dorf verwüstet haben.“ Lord Iskren entfuhr ein leises Schnauben. „Es hatte den Eindruck, als würde er uns die Schuld an der Verwüstung geben.“
„Hat Lady Vinara sich dieser Sache denn nicht angenommen?“, fragte Regin. „Ich meine gehört zu haben, dass sie deswegen ziemlich verärgert war.“
„Doch, das hat sie“, antwortete Lord Kerrin. „Aber wir finden nicht, dass ein Tadel Bestrafung genug ist.“
Würde er eurem Haus angehören, würdet ihr schreien, dass seine Strafe noch zu hart sei, dachte Regin sich an einen Fall erinnernd, der kurz vor Beginn seines Studiums für Aufruhr innerhalb der Gilde und der Häuser gesorgt hatte. Jener Magier aus Haus Maron war für Erpressung und Freiheitsberaubung zum Nordpass versetzt worden, wo er bei der Invasion der Ichani getötet worden war.
Kerrin und Iskren sind nicht besser als Fergun, dachte Regin. Doch sein Onkel hatte ihn gelehrt, sich seine Mitstreiter unter jenen zu suchen, die die gleichen Ziele verfolgten. Und wenn dies zwei nur wenig magisch talentierte Krieger aus Haus Maron waren, dann sollte es wohl so sein. Sie hatten Garrel unterstützt, sie würden auch ihn unterstützen.
„Nun, an einen abgelegenen Ort kann sie ihn nicht mehr versetzen“, sagte er. „Und seine Sklaventreiberei ist nicht schwerwiegend genug, dass härtere Strafen gerechtfertigt wären.“
„Oh, wir wollen auch nicht, dass er härter bestraft wird“, erwiderte Lord Iskren mit einem liebenswürdigen Lächeln. „Eine Lektion würde uns bereits genügen.“
Regin lächelte dünn. Eine Lektion würde auch ihm gelegen kommen. Denn dafür ärgerte er sich bereits zu lange über den Dorfheiler. Und er fand, die Gilde sollte ihn nicht damit durchkommen lassen, dass er eine offensichtliche Affäre mit seiner Novizin hatte. Es war ähnlich wie damals bei Sonea und Akkarin. Die Magier verschlossen die Augen, weil die Wahrheit für ihre beschauliche Welt zu entsetzlich war. Also brauchten sie jemanden, der ihnen die Augen öffnete.
„Wie gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung, was zwischen Lord Dorrien und Viana abläuft“, sagte er. „Aber das heißt nicht, dass man es nicht herausfinden kann.“
Von einer lähmenden Furcht erfüllt, die sich wie eine kalte Faust in Soneas Magen zusammenballte, klopfte sie an diesem Abend sachte gegen Dannyls Tür. Nur wenige Augenblicke später hörte sie Schritte, und der Auslandsadministrator stand vor ihr.
„Bist du bereit?“, fragte er.
„Das sollte ich wohl lieber dich fragen“, erwiderte Sonea mit einem schiefen Lächeln. Sie warf einen Blick auf den juwelenbesetzten Dolch an ihrer Hüfte und den Beutel. Obwohl sie ihre Bedenken hatte, inwiefern dieser ihr im Ernstfall nützen würde, fühlte sie sich ein wenig sicherer, wenn sie ihn dabei hatte.
„Ich habe mich so gut aufgehübscht, wie das mit einer Robe möglich ist“, erwiderte ihr Freund mit einem Grinsen. Dahinter konnte Sonea jedoch Anzeichen von Anspannung erkennen. Der bevorstehende Abend behagte ihm ähnlich wenig wie ihr.
„Komm“, sagte er ihr den Arm reichend.
Sonea hing sich daran und sie schritten über den Säulengang bis zur nächsten Treppe. Ivara und Lahiri schlossen sich ihnen in einigen Schritt Entfernung an, so lautlos, dass nicht mehr viel gefehlt hätte, dass Sonea ihre Sinne ausstrecken musste, um den Klang ihrer Stiefel zu hören.
Die Sonne war in einem Flammenmeer untergegangen und der Himmel leuchtete in den kräftigsten Rot- und Purpurtönen. Als sie den Tempel verließen, bot sich Sonea ein noch besserer Blick auf den Himmel.
Wie muss das erst in der Wüste aussehen?, fuhr es ihr durch den Kopf. Selbst auf ihrer Reise nach Yukai hatte sie keinen solchen Himmel gesehen.
Zwischen den hohen Felsen brachte ein frischer Wind Bewegung in die Luft, die Sonea noch immer als viel zu warm empfand. Vom Himmel war jetzt nur noch ein schmaler Streifen zu sehen, der von einem leuchtenden Rot an dem einen Ende zu einem dunklen Blau am anderen Ende wurde. Das Lager der Duna begrüßte sie mit kleinen, leuchtenden Feuern vor den Zelten, vor denen Menschen saßen und ihr Abendmahl einnahmen. Die Stoffbahnen am Eingang des größten Zeltes waren zurückgeschlagen und boten Blick auf ein gemütliches Innere. In der Mitte des Raumes waren mehrere Sitzkissen in einem Kreis angeordnet. Auf dem Kissen gegenüber vom Eingang saß Kriegsherr Arikhai umringt von seinen beiden Frauen und sah ihnen entgegen. Neben ihnen entdeckte Sonea den betagten Gelehrten Mirakhi.
Die beiden Verräter verschmolzen irgendwo mit den Schatten.
„Guten Abend, Kriegsherr Arikhai“, grüßte Dannyl die Fäuste vor der Brust gekreuzt. Sonea beeilte sich, es ihm gleichzutun.
„Auslandsadministrator Dannyl und Lady Sonea“, erwiderte Arikhai mit höflicher Distanziertheit. „Kommt herein und setzt Euch. Das Abendmahl wird gleich gebracht. Möchtet Ihr vorab vielleicht ein wenig Marrakh?“
Sonea und Dannyl tauschten einen Blick. „Sehr gern“, erwiderte Dannyl und auch Sonea nickte.
Arikhai winkte einen Sklaven herbei und befahl etwas in seiner harten Sprache. Während Sonea und Dannyl sich auf zwei nebeneinanderliegende Kissen niederließen, verließ der Sklave das Zelt und kehrte wenig später mit einem Krug aus Ton zurück.
„Das ist die Milch, die unsere Pferde abgeben, wenn sie Junge haben“, erklärte Arikhai, während der Sklave zwei Becher mit einer weiß-bläulichen Flüssigkeit befüllte. „Wir sammeln sie in Krügen, die wir im Wüstensand vergraben, damit sie gärt.“
Dannyl nahm seinen Becher entgegen. „Das hört sich sehr faszinierend an“, sagte er interessiert. Sonea konnte jedoch spüren, dass ihm die Vorstellung, das zu trinken, nicht behagte. Und auch sie konnte sich bessere Getränke als vergorene Milch vorstellen.
„Mein Volk liebt dieses Getränk“, sagte der Kriegsherr. „Unsere Kinder bekommen es, sobald ihre Mütter keine Milch mehr geben.“
„Ist es denn nicht schädlich für sie?“, fragte Sonea. „Soweit ich weiß, hat vergorene Milch eine berauschende Wirkung.“ Weswegen ich gleich aus zweierlei Gründen nicht davon trinken sollte …
„Das ist richtig, doch es macht unsere Kinder zu kräftigen und starken Kriegern.“
Das wagte Sonea zu bezweifeln, doch sie wusste es besser, als zu argumentieren. Sie wollte Arikhai nicht verärgern, indem sie seine Kultur in Frage stellte. Die Duna, die sie bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte, machten allesamt nicht den Eindruck, in irgendeiner Weise geschädigt zu sein.
Nachdem Arikhai auf den Erfolg der Konferenz getrunken und auch Dannyl seine Marrakh probiert hatte, nippte sie vorsichtig an ihrem Becher. Kaum, dass ein wenig der vergorenen Flüssigkeit in ihren Mund gelangt war, breitete sich ein beißender und bitterer Geschmack in ihrem Mund aus, und sie musste sich bemühen, nicht das Gesicht zu verziehen.
„Und?“, fragte Arikhai, nachdem sie probiert hatten. „Was haltet Ihr von dem Getränk meines Volkes?“
„Ein ungewohnter, aber interessanter Geschmack“, sagte Dannyl ernsthaft.
Der Duna blickte zu Sonea.
„Ich fürchte, dieses Getränk sagt mir nicht zu“, antwortete sie. „Ich hoffe, Ihr könnt mir das verzeihen, Kriegsherr Arikhai.“
Zu ihrer Überraschung nickte der Kriegsherr. „Nicht jedem Fremden sagen unsere Speisen und Getränke zu. Manchmal muss man der Marrakh ein paar Versuche geben, weil der Geschmack sehr gewöhnungsbedürftig ist, wenn man sie nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat.“ Er wies zu Soneas Becher. „Kann mein Sklave Euch stattdessen etwas anderes bringen? Wein? Wasser? Saft?“
Auch wenn Sonea alles für ein Glas Saft gegeben hätte, wollte sie Arikhais Sklaven keine Umstände machen. „Wasser wäre wunderbar.“
Kaum, dass sie das Gewünschte erhalten hatte, kamen weitere Sklaven und brachten das Abendessen und arrangierten es zwischen den Duna und ihren Gästen auf dem Boden. Sonea erblickte Fleischspieße, grobgemahlenes Brot, getrocknete Früchte und kleine herzhafte Kuchen, die mit einem merkwürdig aussehenden Getreide gebacken waren, von dem Arikhai erklärte, dass es in der Wüste wachse, wenn man wusste, wo man danach suchen musste.
Das Essen war einfach, aber köstlich, wie alles, was Sonea bis jetzt in Yukai gegessen hatte. Während die Mahlzeiten im Tempel für gewöhnlich größtenteils der sachakanischen Küche entsprungen waren, war das Abendessen, das Arikhais Sklaven ihnen servierten, duna. Sonea glaubte, den Sand und die Sonne aus den Speisen herauszuschmecken. Jedes Gericht hatte eine ganz besondere Würze, obwohl die Küche der Duna weitgehend ohne Gewürze auskam.
„Wie sind die Speisen?“, erkundigte sich Arikhai, nachdem sie ihren ersten Hunger gestillt hatten.
„Einfach hervorragend“, sagte Dannyl und Sonea nickte bestätigend.
„Bei einer guten Mahlzeit lässt es sich am besten verhandeln, hat mein Vater immer gesagt.“ Arikhai griff nach einem zweiten Fleischspieß und lehnte sich auf seinem Kissen zurück. „Hunger macht einen Krieger aggressiv und unbesonnen.“
„Und da muss ich ihm zustimmen.“ Dannyl brach sich ein Stück von einem der herzhaften Kuchen ab. „Was genau wünscht Ihr, mit mir zu erörtern?“
„Zwei Dinge“, antwortete Arikhai. „Doch ich würde es vorziehen, das wichtigere Anliegen zuerst zu besprechen.“
„Sprecht“, forderte Dannyl ihn auf. „Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass Lady Sonea und ich alles vertraulich behandeln werden.“
Arikhais schwarze Augen huschten flüchtig zu Sonea, dann nickte er. „Es geht um die Bedingungen, die ich an einen Frieden habe“, begann er. „König Marika hat meinem Volk die Herrschaft über die Aschenwüste zugesprochen. Er hat meinem Vater zudem das Wort gegeben, nach einem Sieg über die Gildenmagier und die Verräter meinen Stamm dabei zu unterstützen, die restlichen Stämme aus der Aschenwüste zurück nach Norden zu treiben.
„Seit wir für das Imperium kämpfen, hat mein Volk jedoch zu viele Verluste erlitten. Mein Stamm hat Schwierigkeiten, sein eigenes Gebiet zu halten, die Herrschaft über die komplette Aschenwüste ist momentan unmöglich geworden. Als mein Vater sich mit Marika verbündet hat, war nicht abzusehen, dass dieser Krieg so fatal für uns verlaufen würde. Das Imperium schien seinen Gegnern überlegen, doch der Mord an meinem Vater, seinen Sandreitern und nahezu einhundert Ashaki in einer Nacht, hat das Machtgefüge verändert. Inzwischen muss mein Volk darum fürchten, dass Kachiro das Wort seines Vorgängers nicht halten kann. Uns gehört die Aschenwüste, doch unser Besitzanspruch ist so flüchtig wie der Wind, wenn wir ihn nicht geltend machen können.“
Dannyl nickte langsam. „Also wollt Ihr, dass ich Euch dabei helfe, die Herrschaft über die Aschenwüste zu erlangen?“
„Ja“, antwortete Arikhai. „Dieser Krieg hat mein Volk nahezu ruiniert, es war ein Fehler, sich ihm anzuschließen. Doch nachdem mein Vater und seine Sandreiter heimtückisch im Schlaf ermordet wurden, blieb meinem Volk keine Wahl, als ihren Tod rächen zu wollen. Die Mörder sind noch immer nicht bestraft worden, dafür sind viele tapfere Krieger der Duna gestorben.“ Er sah zu Sonea. „Ich weiß, Euer Mann war an dem Massaker beteiligt, doch als Mann von Ehre sollte er sich uns stellen und für seine Taten geradestehen. Dasselbe gilt für die an dem Überfall beteiligten Verräter.“
Woher habe ich nur gewusst, dass das kommt?, dachte Sonea. In jener Nacht hatte Akkarin einige Duna getötet, darunter möglicherweise auch Karami. Erfahren würden sie das vermutlich nie und sie begriff, dass es keine Rolle spielte. Mit einem Mal verspürte sie Panik und Hilflosigkeit. Akkarin war ein Mann von Ehre. Wenn Arikhai verlangte, dass er sich für seine Taten verantwortete, dann würde er das tun.
„Kriegsherr Arikhai“, sprach Dannyl. „Ich bin überzeugt, der Hohe Lord wird sich bei Euch in aller Form für den Tod Eures Vaters entschuldigen.“
„Ich will keine Entschuldigung.“ Arikhais Augen funkelten hart. „Ich will Vergeltung.“
„Die Gilde ist bereit, Wiedergutmachung zu leisten. Wir haben Mittel und Wege, Euch dabei zu helfen, dass ihr erhaltet, was Kachiro Euch nicht geben kann.“
- Sag ihm, dass ich bereit bin, ihn zu einem persönlichen Gespräch zu treffen.
Sonea zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Akkarin sie beobachtete, doch es hätte sie gewundert, hätte er es nicht getan. Und sei es nur aus einem übertriebenen Beschützerinstinkt, weil sie kaum eine Stunde zuvor noch so aufgelöst gewesen war.
- Bist du des Wahnsinns?, entfuhr es ihr.
- Ich wäre wahnsinnig, würde ich die Konfrontation meiden. Und jetzt sag es ihm.
Unwillig gab Sonea Akkarins Worte weiter.
„Und wann und wo soll das sein?“, fragte der Kriegsherr. „Will er dafür nach Yukai kommen?“
„Er schlägt ein Treffen an einem der Pässe zu Kyralia vor, wenn diese Konferenz zu Ende ist“, antwortete Sonea. „Der Hohe Lord ist ein vielbeschäftigter Mann und hat viele Angelegenheiten in der Gilde zu regeln, weswegen er der Gilde nicht lange fernbleiben kann.“
„Ist er deswegen nicht mitgekommen?“, fragte Taki.
Sonea nickte. „Ich stehe jedoch per Blutjuwel mit ihm in Verbindung. Ich kann Euch seine Worte weitergeben.“
„Nicht nötig“, winkte Arikhai ab. „Ich ziehe eine persönliche Begegnung vor. Sollte er nicht zu meiner Zufriedenheit reagieren, werde ich ihn zu einem Duell herausfordern.“
Sonea sog entsetzt die Luft ein. Akkarin gegen einen wilden Duna-Krieger? Das konnte doch niemals gutgehen!
- Darauf wirst du dich nicht einlassen, sandte sie.
- Die Duna sind ein kriegerisches Volk, antwortete ihr Mann. Wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Konflikt zwischen der Gilde und Arikhais Volk zu lösen, dann soll es so sein.
- Aber …, begann sie.
- Sonea, versuch nicht, es mir auszureden, ermahnte er sie streng. Ich repräsentiere die Gilde. Ich muss mich für das, was ich damals getan habe, verantworten, auch wenn es im Krieg geschehen ist. Und was diese Nacht betrifft, so muss ich mich für Savaras Taten ebenfalls verantworten.
Und damit würde er die Verantwortung für den Tod der meisten Duna, die damals im Palast residiert hatten, übernehmen. Sie wollte protestieren, doch dann begriff sie, dass es um Ehre und das Zeigen guter Absichten ging.
- Du könntest dabei sterben, wandte sie dennoch ein.
- Das ist unser Berufsrisiko, entgegnete er mit einem Anflug von Erheiterung.
Sie verdrehte innerlich die Augen. Das war wieder einmal typisch.
„Der Hohe Lord ist zu einem Duell bereit, sollte sich Euer Anspruch nicht auf diplomatischem Wege lösen lassen“, sagte sie.
„Euer Hoher Lord ist ein sehr weiser und ehrenhafter Mann“, sprach Arikhais ältester Berater.
Taki und Yui bedachten Sonea mit einem neugierigen Blick. „Ist er so groß, wie sein Ruf?“, fragte Yui.
„Ich weiß nicht, wie groß sein Ruf außerhalb der Verbündeten Länder ist, doch ich halte ihn für einen sehr großen Mann“, antwortete Sonea vorsichtig.
„Kriegsherr Arikhai, wärt Ihr bereit, diesen Teil Eurer Forderungen mit dem Hohen Lord der Magiergilde persönlich zu diskutieren, so dass wir uns bis dahin Euren anderen Forderungen widmen können?“, fragte Dannyl.
Arikhai nickte. „Das soll mir recht sein.“ Seine Augen blitzten zu Sonea. „Sollte er sein Wort brechen, so haben wir seine Frau.“
„Ich denke nicht, dass ich Eure Geisel bin“, sagte Sonea hart. „Akkarin wird sein Wort nicht brechen, dafür verbürge ich mich.“
Mirakhi beugte sich zu seinem Anführer und sprach leise auf Duna auf ihn ein. Arikhai nickte knapp und sah dann wieder zu Sonea. „Mein Berater hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass unklug wäre, eine Kriegerin als Pfand zu benutzen, die nicht unserem Volk angehört.“
Sonea erschauderte. Die Duna nicht mehr zum Feind zu haben, war wichtiger, als die persönlichen Konsequenzen eines solchen Handels. „Wenn es sein muss und er sein Wort brechen sollte, werde ich nicht eher nach Kyralia zurückkehren, als bis er sich eines Besseren besinnt. Doch ich erwarte, dass Ihr mich als Euren Gast behandelt. Meine Heilkünste bekommt ihr für die Dauer meines Aufenthalts gratis dazu.“
Dannyls Augen weiteten sich. Er berührte ihren Arm.
- Was wird das, Sonea?
- Arikhai soll wissen, dass er auf mein und Akkarins Wort vertrauen kann. Ich weiß, diese Form der Diplomatie ist ungewohnt für dich, doch ich weiß ein wenig über die Denkweise der Duna, seit ich in Arvice war.
- Es macht Sinn, doch ich weiß nicht, ob ich das gutheißen kann.
Sonea widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Warum versuchten nur immer alle, sie zu beschützen? Es war ein Risiko, das sie eingehen musste. Und sie tat es bereitwillig. Für Kyralia und für die Gilde.
Arikhai hat weder vor, mich zu töten, noch mich zu seiner Sklavin zu machen oder den Imperialisten auszuliefern, sandte sie mit mehr Zuversicht, als sie verspürte. Tatsächlich war das nur eine wilde Annahme, die sie auf Grund von Arikhais durchweg ehrenhaften Charakter gemacht hatte. Arikhai wird uns nichts tun. Würde er es darauf anlegen, würden wir Yukai ohnehin nicht mehr lebend verlassen. Selbst die Waffen, die ich mitgenommen habe, würden uns dagegen nicht viel nützen.
Sie konnte Dannyls Unbehagen spüren.
- Wenn nötig, könnten wir uns vielleicht hier herauskämpfen, sandte sie daher. Mit einem guten Plan. Sollten wir jedoch gegen alle unsere Feinde zugleich kämpfen müssen, würde es schlecht aussehen.
- Dann hoffe ich, dass es nicht soweit kommt.
Sonea richtete ihren Willen wieder auf ihr Blutjuwel.
- Bist du mit meinem Angebot einverstanden?
- Es gefällt mir nicht, aber ich habe keine Einwände.
- Denkst du mir gefällt, dass du dich in wenigen Wochen vielleicht mit einem wilden Duna duellierst?, gab sie zurück.
„Lady Sonea“, sagte Arikhai in die Stille, die sich im Zelt ausgebreitet hatte. „Euer Mut ist bewundernswert und solltet Ihr gezwungen sein, Euer Wort zu halten, so könnt Ihr gewiss sein, dass mein Volk und ich Euch als eine unserer Kriegerinnen behandeln werden, ohne Euch unsere Sitten aufzuzwingen oder Euch in Feinseligkeiten mit den Feinden meines Stammes zu involvieren. Die Duna respektieren Kriegerinnen im Gegensatz zu manch anderen Völkern und nach allem, was man über Euch hört, habt Ihr Euch diesen Respekt wahrhaftig verdient.“
„Wir würden Euch gerne willkommen heißen und Euch die Zeit, die Ihr von Eurem Mann getrennt wärt, so angenehm wie möglich machen“, fügte die ältere seiner beiden Frauen hinzu. Yui indes schenkte Sonea ein hinreißendes Lächeln.
Sonea schluckte. Sie hatte nicht mit so viel Warmherzigkeit gerechnet und bei dem Gedanken, vielleicht noch länger von Akkarin getrennt zu sein, wurde ihr schwer ums Herz. Aber das war immer noch besser, als die Sklavin von Ishaka oder Divako zu werden.
„Kriegsherr Arikhai, habt Ihr weitere Anliegen, bei denen ich meine Hilfe anbieten kann?“, fragte Dannyl.
„Die Aschenwüste ist meinem Volk genug. Wir hatten kein Interesse an diesem Krieg, wir haben uns nur daran beteiligt, weil wir darin eine Chance sahen, die Aschenwüste endlich ganz zu unserem Territorium zu machen. Abgesehen von dem Mord an meinem Vater, seinen Frauen und seinen Beratern, möchte ich diesen Krieg nicht zu einer persönlichen Angelegenheit machen.“
Und damit hat er den anderen Parteien einiges voraus. Und Sonea befand, dass die Duna weniger barbarisch waren, als ihre Lebensweise implizierte. Ihre Ansichten zeigten zudem, dass sie sich vielleicht mit ihnen einigen konnten, womit die Sachakaner irgendwann alleine dastehen würden.
Dannyl konnte noch immer nicht glauben, was da soeben passiert war. Obwohl sie ein halbes Jahr als Marikas Sklavin gelebt hatte, hatte Sonea sich soeben den Duna als Pfand angeboten, sollte Akkarin sein Wort brechen. Auch wenn er nur erahnen konnte, dass sie das tat, um das kriegerische Wüstenvolk von der Ehrenhaftigkeit der Gilde zu überzeugen, so konnte er ihre Entscheidung nicht gutheißen.
„Ich werde Euer Anliegen unterstützen und bin überzeugt, dass es auch im Sinne unserer Verbündeten ist“, sprach er zu Arikhai gewandt, darum bemüht, kein Drama aus ihrer Entscheidung zu machen.
Der Anführer des mächtigsten Duna-Stammes der Aschenwüste nickte. „Außer dem Massaker von Arvice hegen wir keinen Groll gegen die Verräter. Wir sehen in ihnen einen würdigen Gegner. Menschenleben sind so flüchtig, wie Wüstensand. Es ist eines ehrenhaften Kriegers nicht würdig, Konflikte über Jahrhunderte zu pflegen, so wie Sachaka es tut.“
„Zudem können Kinder nicht an dem schuld sein, was ihre Eltern getan haben“, fügte Dannyl hinzu. „Aber wenn der Wunsch nach Vergeltung so tief verwurzelt ist, verfällt er auch nicht mit dem Tod. Doch diese Denkweise lässt sich nur schwerlich ändern, wenn sie bereits über so viele Generationen existiert.“
„Die Verräter könnten den Krieg gegen uns weiterführen wollen“, wandte Yui ein. „Sofern“, sie verzog das Gesicht, „sie sich nicht gerade für Arikhais Sandreiter interessieren.“
„Die Anführerin der Verräter ist eine der intelligentesten und weisesten Menschen, die ich kenne“, sagte Dannyl. „Sie trägt nicht nach und ist bereit zu verzeihen.“ Außer bei ihren eigenen Leuten, fügte er für sich hinzu. Doch Savedra musste ihre Töchter mit derart gnadenloser Hand führen, wenn die Verräter gegen die Ashaki bestehen und ihre Ziele weiterhin verfolgen und leben wollten. Sie hatte auch Kachiros Angebot angenommen, so wie sie sich zu allem bereit erklären würde, das ihrem Volk bei der Erfüllung seiner Aufgaben half.
„Bei meinem Volk wird die Attraktivität eines Mannes an seiner Stärke und seiner Tapferkeit im Kampf bemessen“, sprach Arikhai. „Es spricht für meine Krieger, wenn die eine oder andere Verräterin sich zu ihnen hingezogen fühlt und es zeugt von einer gegenseitigen Akzeptanz.“
„Es ist in jedem Fall eine gute Grundlage“, stimmte Dannyl zu. „Nichtsdestotrotz sehe ich zu viel Misstrauen und Vorurteile zwischen den Parteien und zu wenig Bereitschaft, beides abzulegen.“
Sich auf seinem Kissen zurücklehnend nippte Arikhai an seiner Marrakh. „Mein Vater sagte einst: ’Lerne deinen Gegner kennen, bevor du dich auf ihn einlässt.’ Als Junge dachte ich immer, dass er damit den Kampf meint, doch inzwischen glaube ich, er hat dies auch auf alle anderen Situationen bezogen.“
„Euer Vater war ein sehr weiser Mann“, erwiderte Dannyl.
Ein versonnenes Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Anführers. „Das war er in der Tat.“
„Ich habe sämtliche mir verfügbaren Informationen über die Teilnehmer dieser Konferenz vor ihrem Beginn eingeholt“, sagte Dannyl nach den länglichen, purpurfarben bis braunen exotischen Trockenfrüchten langend, die die Duna Kabi nannten. „Und ich nehme an, die anderen Parteien haben dies auch getan. Jeden Tag nehmen wir gemeinsam unsere Mahlzeiten ein und diskutieren über Stunden, doch solange dieses Misstrauen herrscht, werden wir uns immer nur streiten.“
Arikhai nickte langsam. „Am besten lernt man seinen Gegner kennen und verstehen, in dem man mit ihm gegen einen anderen Gegner kämpft“, sagte er. „Das kann sogar dazu führen, dass man in ihm keinen Gegner mehr sieht.“
Nicht zum ersten Mal war Dannyl von der Persönlichkeit dieses Mannes beeindruckt. Trotz seiner Jugend war er wahrhaftig ein guter Anführer. Allerdings wuchsen die Kinder der Duna ganz anders auf als kyralische oder sachakanische Kinder. Sie lernten früher Magie und sie wurden schneller erwachsen.
„Aber die Teilnehmer dieser Konferenz haben keinen gemeinsamen Feind außer Uneinigkeit“, entgegnete Dannyl. „Es gibt kein Volk, das uns alle bedroht. Wie also sollen wir uns gegen einen Gegner einen?“
„Indem wir etwas tun, bei dem wir uns einig sind.“ Taki beendete ihre Mahlzeit, stellte ihren Becher ab und streckte sich auf ihrem Kissen aus. Sie und ihr Mann tauschen einen Blick. Arikhai nickte kaum merklich, dann sah die junge Frau zu Dannyl und Sonea. „Etwas, das uns zwingt, zusammenzuarbeiten.“
„Und was schwebt Euch davor?“, fragte Dannyl.
„Eine Jagd“, antwortete Taki wie selbstverständlich. „Die richtige Zeit hat zwar bereits vor zwei Monden begonnen, doch in diesem Teil der Wüste leben kaum Duna. Die Chancen stehen gut, dass wir Glück haben.“
„Ich verstehe noch nicht ganz“, sagte Dannyl, während Sonea neben ihm leicht die Luft einsog.
Er berührte ihr Handgelenk.
- Du weißt, worum es geht?
- Das glaube ich zumindest, antwortete sie. Aber ich dachte immer, es wäre nur eine Kreatur aus Enrasa.
Sonea hatte ihm von dem Kartenspiel erzählt, das sich in Sachaka so großer Beliebtheit erfreute. Dannyl spürte, wie seine Neugier wuchs.
„Ihr werdet es bald verstehen. Und ich gehe davon aus, dass es Euch und Lady Sonea, aber auch den anderen Delegierten gefallen wird“, sprach Arikhai.
„Den Ashaki möglicherweise nicht“, murmelte Yui, während sie ihren Kopf auf Arikhais Schoß bettete. „Oder jenen, die es noch bis vor kurzem waren.“
„Soweit ich weiß, gehen auch Ashaki hin und wieder auf die Jagd“, sagte Sonea. „Wobei sie eher Enka und Jari jagen als das, was Euch vorschwebt.“
Arikhais erste Frau unterdrückte ein Kichern. „Das würde bedeuten, dass es sehr interessant werden könnte! Ich bin gespannt, wie Ashaki Takiro sich schlägt.“
Ihr Mann warf ihr einen mahnenden Blick zu. Die beiden wechselten einige Worte auf Duna, die in Dannyls Ohren so harsch klangen, wie der Rest ihrer Sprache. An der Körpersprache der beiden konnte er jedoch ablesen, dass dem Anführer der Scherz nicht gefiel.
„Also, Auslandsadministrator.“ Arikhai strich über das glatte schwarze Haar seiner kleinen Zweitfrau. „Wollt Ihr die Jagd morgen vor den Delegierten verkünden, oder würdet Ihr vorziehen, dass ich es tue?“
„Ich schlage vor, wir tun es gemeinsam.“ Dannyl leerte seinen Becher und stellte ihn ab. „Und gehen damit mit gutem Beispiel voran.“
„Ihr seid ein großer Mann, Auslandsadministrator Dannyl. Ihr mögt kein Krieger im eigentlichen Sinne sein, doch Euer Mund ist Eure vernichtendste Waffe.“
Dannyl lächelte schief. „Dann wollen wir hoffen, dass diese Waffe mächtig genug ist, um diesen Krieg zu beenden.“
„Die Chancen darauf sind für den Frieden allein durch Euren Einsatz gestiegen.“ Arikhai zog nun auch seine erste Frau zu sich. „Doch vielleicht sollten wir zunächst die Details klären.“
Erfreut und von Tatendrang erfüllt rieb Dannyl sich die Hände. „Das ist eine wundervolle Idee.“
Ein breites, silbernes Band von Sternen glitzerte zwischen den schwarzen, gezackten Rändern der Schlucht, als sie das Zelt des Duna-Kriegsherrn verließen und zum Tempel zurückgingen. Die Nacht war eisig und so hatte Dannyl einen Wärmeschild um sich und Sonea errichtet. Die kleine schwarze Magierin hatte sich an seinen Arm gehangen, die Verräter-Eskorte folgte ihnen in einigem Abstand wie zwei stille Schatten.
„Bei Akkarin fühlt sich das immer so steif und unpersönlich an“, hatte Sonea einmal gesagt. „So, als würde es nicht zu uns passen. Doch mit dir ist es genau richtig.“ Darüber wie es sich für eine Frau anfühlte, sich bei einem Mann einzuhaken, hatte Dannyl sich noch nie Gedanken gemacht. Er konnte sich indes an keine Frau erinnern, die ihr Missfallen dagegen offen gezeigt hatte. Die Hand des anderen zu nehmen war so viel persönlicher, was Soneas Abneigung gegen das Einhaken bei Akkarin vermutlich erklärte.
„Arikhai ist nicht nur ein guter Gastgeber, er wäre auch ein hervorragender Partner, um auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten“, sagte Dannyl auf Kyralisch. „Zu schade, dass er kein Interesse an dauerhaften Allianzen hat.“
„Die Duna sind ein Nomadenvolk“, sagte Sonea. „Bündnisse und Versprechen existieren so lange, wie sie es brauchen oder der Frieden zwischen zwei Stämmen anhält. Sie sind noch sehr viel kriegerischer als die Ichani. Mit dem Unterschied, dass sie Ehre besitzen.“
„Ist das der Grund, warum du dich als Pfand angeboten hast?“
Sie sah zu ihm hoch. „Nein. Aber ich vertraue seinem Wort, Dannyl.“
Wollen wir trotzdem hoffen, dass es nicht dazu kommt, dachte er.
Sie betraten den Tempel. Die Schritte ihrer Stiefel hallten durch die Eingangshalle und begleitete sie auf ihrem Weg durch den Tunnel, dessen Inschrift Arikhais ältester Berater Dannyl für den nächsten Abend zu erklären versprochen hatte. So sehr Dannyl davon noch immer fasziniert war, so wenig waren seine Gedanken jetzt damit beschäftigt.
„Sonea, ich habe deinen Mut und deine Entschlossenheit schon immer bewundert“, sagte er vorsichtig. „Aber ich kann es nicht gutheißen.“
„Ich würde es selbst dann tun, wenn der Hohe Lord es verbietet“, entgegnete sie stur.
Dannyl starrte sie an. „Akkarin hat es dir erlaubt?“, entfuhr es ihm.
„Es steht im Augenblick wohl kaum in seiner Macht, es zu verhindern, nicht wahr?“, erwiderte sie mit einem ironischen Lächeln.
Nein, das tat es nicht. Trotzdem war Dannyl nicht einverstanden. Während er noch darüber nachdachte, was er ihr sagen sollte, erreichten sie den Felsenkessel. Sie grüßten Asara, die Wache hielt, und umrundeten den Säulengang.
Vor ihrem Quartier hielt Sonea inne. „Dannyl.“ Ihre Stimme war leise, aber nicht weniger eindringlich. „Ich will, dass du mir eine Frage beantwortest.“
Dannyl nickte bedeutungsvoll zu ihrer Eskorte, die sich daraufhin zurückzog. „Frag.“
In der Stille der Dunkelheit konnte er ihren tiefen Atemzug hören. „Bist du überhaupt damit einverstanden, dass ich dich nach Yukai begleitet habe?“
So wie sie die Frage gestellt hatte, schien sie dies ernsthaft zu beschäftigen. Stirnrunzelnd überlegte Dannyl, wie er ihr die Antwort am besten beibringen konnte, ohne von ihr zu Asche verbrannt zu werden.
„Es bedeutet mir sehr viel, dass du trotz deiner Vorgeschichte mit mir gekommen bist“, sagte er. „Jemand anderes hätte die Aufgabe übernehmen können, doch niemand würde sich besser eignen als du. Deine Gesellschaft ist die meiste Zeit über sehr angenehm und nicht selten auch erheiternd. Ich kann dir Dinge anvertrauen, über die ich nicht einmal mit Rothen sprechen würde. Du bist für mich zu einer Freundin geworden, Sonea.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, du bist mehr als das.“
Das Weiß in ihren Augen leuchtete in der Dunkelheit. „Das ist wundervoll Dannyl“, sagte sie hingerissen. „Aber wo ist das Aber?“
„Das Aber ist, dass ich dir befohlen hätte, zuhause zu bleiben, hätte ich die Macht gehabt, es zu verhindern.“
Ihr entfuhr ein entnervtes Stöhnen. „Warum müssen mich alle immerzu wie ein junges Harrel behandeln?“
„Weil wir dich lieben, Sonea.“ Dannyl griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht. „Weil wir nicht wollen, dass dir ein Leid geschieht.“
„Leid zu durchleben ist eines der Risiken, die man als Verteidiger der Gilde auf sich nehmen muss“, entgegnete sie hart. „Ich habe bereits den Albtraum meines Lebens durchlebt. Ihn ein zweites Mal zu durchleben, schreckt mich nicht.“
Auf Anhieb fielen Dannyl mindestens ein Dutzend Argumente ein, wieso eine Wiederholung von Arvice für sie noch entsetzlicher sein könnte, doch er blieb still. Er wusste, wann alle Diplomatie versagte. Und Sonea war zuweilen sturer als alle Delegierten zusammen. Sogar Akkarin scheiterte an ihr, wenn es darauf ankam, obwohl er der Einzige zu sein schien, dem Sonea bereitwillig gehorchte. Dann begriff er jedoch den wahren Grund für seine Sorge. Und sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen.
„Bitte entschuldige“, sagte er. „Ich will dir deine Eigenständigkeit nicht nehmen, noch will ich der übermäßig beschützende große Bruder sein. Aber manchmal erinnerst du mich zu sehr an Bessia. Und dann denke ich, ich könnte mein Versagen von damals wiedergutmachen.“
„Du hast nicht versagt, Dannyl“, flüsterte Sonea. „Du warst nicht einmal dort. Und vielleicht hättest du nicht einmal etwas tun können.“
„Vielleicht“, stimmte Dannyl zu. „Trotzdem fühlt es sich so an.“
„So hat es sich auch angefühlt, als ich Akkarin für tot hielt.“ Sie hielt inne und er konnte nur erahnen, was in ihr vorging. „Dabei war ich nicht einmal in der Nähe. Es tat weh zu begreifen, dass ich nichts hätte tun können. Ich habe es nur ausgehalten, indem ich mein altes Leben hinter mir ließ.“
Was erklärte, warum sie so schnell darüber hinweggekommen war. Doch Dannyl war sein halbes Leben vor sich selbst weggelaufen. Das wollte er nicht wiederholen.
„Ich bewundere, dass es dir gelungen ist. Falls du ein paar gute Ratschläge hast, nehme ich sie gerne an.“
Sonea neigte den Kopf zur Seite. „Wenn ich dir helfen kann, immer gerne.“
„Danke“, erwiderte er. „Eine Frage würde ich dir jedoch gerne noch stellen, wenn ich darf.“
Sie hielt inne. „Welche?“
„Warum, Sonea?“
Die kleine schwarze Magierin sah zu ihm auf. In ihrem Blick lag eine solche Verwüstung, dass Dannyl augenblicklich erschauderte. „Weil es mir vielleicht hilft, über Arvice hinwegzukommen“, flüsterte sie.
* Kabi – eiförmige, sehr süße Frucht, die bevorzugt getrocknet verspeist wird.
Fragen zum Kapitel
Hat Sonea mit ihrem Ausbruch während der Verhandlungen recht? Haltet ihr das für eine gute oder schlechte Idee?
Mit dem Wissen aus diesem Kapitel: Was oder wer glaubt ihr steckt hinter den Auslieferungsforderungen, die schon früher aufgetaucht sind?
Über wen regt ihr euch gerade mehr auf? Dorrien oder Regin und warum? :D
Könnte Soneas Ausbruch bei den Verhandlungen dafür gesorgt haben, dass die Ashaki ihr auflauern? Würdet ihr sagen, dass das anschließende Gespräch mit Akkarin hilft?
Was haltet ihr von den Ergebnissen des Gesprächs zwischen Asara und Savedra in Bezug auf den Anschlag und die Verschwörung der Ashaki?
Wie schätzt ihr Arikhai und die Duna nach dem Abendessen mit Dannyl und Sonea ein? Glaubt ihr, dass er gegenüber Sonea sein Wort halten würde, sollte es soweit kommen?
Im nächsten Kapitel werden weitere Forderungen gestellt, ein Charakter kann das Spionieren nicht lassen und ein anderer begeht einen folgeschweren Fehler …
Vielen lieben Dank an Caparzo und Sabrina Snape für die Reviews zum letzten Kapitel <3
***
Kapitel 28 – Ausgeliefert
„Ist das wahr?“ Vor Schreck hätte Dannyl fast seinen Raka verschüttet. So früh am Morgen fühlte er sich für schlechte Nachrichten noch nicht bereit. Das helle Tageslicht, das durch die Fensterschlitze seines Quartiers fiel, vermochte nicht viel daran zu ändern.
Sonea nickte düster. „Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen, Dannyl. Doch das käme einer Lüge gleich.“
Dannyl stöhnte unterdrückt auf. Sollte es tatsächlich zu einem Machtwechsel in Arvice kommen, so würde das den Ausgang der Konferenz auf ungeahnte Weise beeinflussen. Er wollte nicht so dumm sein und glauben, ein neuer Herrscher in Sachaka wäre eher einer Zusammenarbeit zugeneigt.
„Wie groß sind Asaras Chancen, an diese Sari heranzukommen?“
„Das ist schwer zu sagen“, antwortete Sonea. „Sie begleitet Ishaka überall hin, während er seine Frau völlig vernachlässigt. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals ohne sie gesehen zu haben.“
„Sind sie ein Paar?“, fragte Dannyl verwirrt.
„Sie ist seine Bettsklavin, Dannyl.“
„Aber da ist mehr“, folgerte er. Er hatte genügend Gelegenheit gehabt, Ishaka und seine Bettsklavin bei den Sitzungen und während der Abendessen im Raum der Priester zu beobachten. Während die anderen Sachakaner ihren Sklaven nie mehr Beachtung als einem Möbelstück schenkten, war das Verhältnis von Ashaki Ishaka und Sari nahezu zärtlich. Ließ man ihren Standesunterschied außen vor, so hätte man meinen können, Sari sei seine Geliebte.
„Ist Liebe im Spiel?“, fragte er.
Sonea zögerte. Dannyl konnte ihr ansehen, dass sie wegen irgendetwas mit sich rang. „Ich weiß es nicht, Dannyl. Die Sachakaner denken nicht in Begriffen wie Liebe. Aber wenn ich raten könnte, würde ich sagen, dass Sari sich ihrem Meister mit dem Herzen unterworfen hat. So wie Ishaka für sie empfindet, was er eigentlich für seine Frau empfinden sollte. Also, wenn du so fragst, dann ist es vielleicht Liebe. Jedoch keine gleichberechtigte.“
Dannyl kannte die sachakanische Definition von Liebe. Auf eine gewisse Weise war sie romantisch, weil Begehren, Unterwerfung, Hingabe und das Übernehmen von Verantwortung für einen anderen Menschen im Idealfall Ausprägungen von Liebe waren. Er hatte lange gebraucht, um das zu begreifen. Allerdings fehlten in der Definition der Sachakaner Begriffe wie Respekt, Vertrauen und Einvernehmlichkeit. Sicher nicht in jeder Beziehung, doch wenn er sich an die Gedichte von Chivari dem Reimer erinnerte, dann fanden sie zumindest keine Erwähnung, weil sie in der Romantisierung einer Gesellschaft von Meistern und Sklaven keinen Platz hatten.
Aber wenn Ishaka seine Sklavin nie genötigt hatte und sie von Anfang an einander zugetan gewesen waren, dann war Liebe möglich.
„Ist das nicht skandalös?“, fragte er.
Die kleine schwarze Magierin hob die Schultern. „Die Ehe wird arrangiert worden sein. Das einzige Interesse an seiner Frau wird einem möglichen Erben gelten.“
„Hast du sie einmal gesehen?“
„Er hat sie zu großen Festen in den Palast mitgenommen“, antwortete Sonea. „Doch die Frauen der Ashaki haben immer in einem anderen Raum gefeiert. Nur die Männer waren in der Thronhalle.“
Dannyl nickte langsam. Tatsächlich war er nicht überrascht. In Sachaka waren Ehefrauen und Töchter nur bessere Sklavinnen und galten hauptsächlich als Vorzeigeobjekte und für die Zeugung von Nachkommen.
„Also kennt sie all seine schmutzigen Geheimnisse“, folgerte er.
Sonea nickte, während sie einen Schluck Pachisaft trank. „Und es heißt, sie sei sehr intelligent.“
Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Dann ist sie Ishaka nicht nur in Bezug auf seine sexuelle Befriedigung nützlich. Wie genau will Asara an sie herankommen?“
„Sie versucht, Zweifel in ihr zu säen und den Wunsch, ihr magisches Potential zu entwickeln. Sari könnte eine großartige Magierin werden und Ishaka ist verrückt genug nach ihr, dass er sich dazu erweichen könnte. Er hat selbst einige Sklaven in höherer Magie unterwiesen, die sein Anwesen bewachen. Zwei hat er sogar als Schutz mitgebracht.“
„Weil sie als Magierin besser für die Verräter arbeiten kann?“, fragte Dannyl.
„Das auch. Doch wenn er es nicht erlaubt, überdenkt sie ihre Zuneigung vielleicht und ist bereit, für die Verräter zu spionieren. Aber Dannyl … ich weiß nicht.“
Der furchterfüllte Ton in seiner Stimme ließ ihn aufhorchen. „Was weißt du nicht?“
„Ob das so eine gute Idee wäre. Sari könnte die Gelegenheit nutzen, um die Verräter für Ishaka auszuspionieren.“
Unwillkürlich musste Dannyl über ihre Besorgnis lächeln. Das war so typisch für sie. „Ich bin sicher, die Verräter sind sich dieser Gefahr bewusst“, entgegnete er sanft. „Asara weiß, was sie tut. Glaub mir.“
Die kleine schwarze Magierin hob die Schultern. „Du kennst sie besser als ich.“
Ja, das tat Dannyl. Gedankenverloren nippte er an seinem Raka und beobachtete Ishaka, der sich mit seiner Sklavin im noch schattigen Garten niedergelassen hatte. Ja, es war eine von Hierarchie geprägte Liebe. Wenn er an seine Gefühle für Tayend dachte und daran, wie er sich gegenüber gewissen Autoritäten fühlte oder wie es war, selbst das Sagen zu haben, dann glaubte er sogar, es nachvollziehen zu können. Denn wieso konnte man nicht beides miteinander vermischen?
Ob es Sonea auch so ergeht? Er runzelte die Stirn. Es würde einiges erklären und es schien zu ihr zu passen. Aber sie und Akkarin waren keine Sachakaner. Sonea ließ sich nicht alles gefallen und Akkarin behandelte sie mit Respekt, wo Ishaka diesen gegenüber seiner Sklavin nicht nötig hatte. Das machte es wiederum nicht wirklich vergleichbar.
„Oh, da wäre noch etwas Wichtiges“, sagte Sonea plötzlich.
Dannyl riss sich von dem Anblick des seltsamen Paares los und wandte sich ihr zu.
„Was?“, fragte er.
„Asara glaubt, Sari sympathisiert vielleicht heimlich mit den Verrätern.“
„Wie das?“
„Als die Duna im Frühjahr ausgezogen sind, um die Zuflucht zu finden, wurden sie vorgewarnt. Von Sari.“
Interessant, dachte Dannyl. Und Ishaka war an einer Verschwörung gegen den Imperator beteiligt.
„Aber sie hat es Asara nicht direkt erzählt, nehme ich an?“
Sonea schüttelte den Kopf. „Asara hat es von einer ihrer Informantinnen erfahren. Diese hat es von einem anderen Sklaven erfahren. Aber die Quelle ließ sich bis zu Sari zurückverfolgen. Man braucht die Verräter in Arvice nicht direkt kontaktieren. Die Sklaven tratschen es von ganz alleine weiter. Deswegen unterliegen die Sklaven im Palast auch einem strikten Redeverbot.“
Dannyl pfiff leise durch die Zähne. „Ishaka hat sich möglicherweise gegen Kachiro verschworen und seine Sklavin warnt die Verräter – wenn das kein Zufall ist, dann weiß ich es auch nicht.“
„Du meinst, Sari weiß von seinem Vorhaben und hilft ihm?“
„Wenn sie so intelligent ist, wie du sagst, und er sie überallhin mitnimmt, liegt die Vermutung nahe. Selbst, wenn er nicht ihren Rat einholt, ist es sehr gut möglich, dass sie ihn auf eigene Faust unterstützt.“
„Ja“, sagte Sonea tonlos. „Das ist sehr gut möglich.“
„Trotzdem sollten du und Asara vorsichtig sein“, fuhr Dannyl warnend fort. „Wenn Ishaka nichts von dieser Sache weiß, dann könnte ein zu direktes Vorgehen sowohl Sari als auch uns in Gefahr bringen.“
Sonea nickte. „Und wir wissen nicht, wie Ishaka zu den Verrätern steht. Dass sie vorgewarnt wurden, bedeutet nur, dass irgendjemand verhindern wollte, dass dieser Krieg noch schlimmer wird, als er bereits ist.“
„Wenn ich irgendwie kann, werde ich dir und Asara helfen“, versprach Dannyl.
„Das ist lieb von dir. Aber was willst du tun?“
Dannyl lächelte geheimnisvoll. „Ich habe da bereits einige Ideen.“ Aber er würde einen Moment abwarten, in dem er Ishaka für sich hatte.
Er leerte seinen Raka und erhob sich. „Doch nun wird es Zeit, sich ein weiteres Mal in die verbalen Schlachten der schwarzen Magier Sachakas und Dunas zu begeben“, erklärte er. Er streckte eine Hand nach Sonea aus. „Was meinst du?“
Sonea ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Die Luft vibrierte, als sie den schalldichten Schild, unter dem sie gesessen hatten, auflöste. „Ich würde lügen, würde ich sagen, dass mich diese Vorstellung erfreut“, sagte sie.
***
Es wäre besser gewesen, hätte Akkarin damals in den Bergen mit Takedo kurzen Prozess gemacht, dachte Sonea. Sofern sie dann nicht darüber streiten würden. Sie hatte versucht zu begreifen, warum alle glaubten, ein Anrecht auf die Bestrafung dieses Mannes zu haben, und war gescheitert. Inzwischen tat Takedo ihr leid. Letztendlich war auch er nur ein Opfer des Krieges. Während Verräter, Ichani und Imperialisten über sein Schicksal stritten, verbrachte er seine Tage in einem finsteren Loch im Versteck der Verräter. Nach allem, was sie wusste, war dieses so tief, dass er sich nicht herauslevitieren konnte. Und sollte es ihm doch gelingen, so erwarteten ihn an dessen Ende mehrere Verräterinnen, bereit seine Magie zu nehmen und ihn wieder auf den Boden seines Verlies zu befördern.
„Ichani Takedo ist ein Verräter des Imperiums und damit ist es an Imperator Kachiro, ihn zu bestrafen“, erklärte Divako gerade. Von allen Ashaki hatte Sonea ihn stets am wenigsten leiden können. Doch erst hier in Yukai wurde ihr das wahre Ausmaß ihrer Abneigung bewusst. Divako war die sachakanische Version von Lord Garrel und sie wollte sich nicht ausmalen, was das dies für Sachaka bedeutete, wenn Kachiro so große Stücke auf ihn hielt, wie es hieß. Divako behandelte seine Sklaven schlechter als die anderen Ashaki, denen Sonea im Palast begegnet war. Selbst Marika war besser zu seinen Sklaven gewesen. Zumindest, sofern diese ihm gehorcht haben.
Manchmal glaubte Sonea, Marika war gar nicht so übel gewesen. Selbst die hart arbeitenden Sklaven, die den Palast putzten, hatten ein überraschend gutes Leben geführt. Bestrafungen waren nur selten nötig gewesen und alle schienen stolz darauf gewesen zu sein, einem König zu dienen. Sie hingegen hatte Marika von seiner unerfreulichen Seite kennengelernt, woran sowohl ihre unterschiedlichen Kulturen als auch ihre Weigerung, sich ihrem größten Feind zu unterwerfen, die Schuld getragen hatten. Erst später hatte er sie gut behandelt. Und ihre dunkle Seite hatte sie dazu getrieben, dass er sie noch besser behandelte.
„Ichani Takedo ist ein Ausgestoßener“, sagte Miriko. „Damit untersteht er nicht mehr sachakanischem Recht und es obliegt mir und meinen Leuten, ihn angemessen zu bestrafen.“
„Er hat sich mit anderen Ashaki gegen den Imperator verschworen, kaum dass dieser den Thron bestiegen hatte“, gab Divako zurück. „Darunter im Übrigen auch mit Euch, Ichani Miriko. Doch auch vor Imperator Kachiro hat er heimlich seine Intrigen gegen den König gesponnen. Indem er versucht hat, Kyralia auf eigene Faust zu erobern, hat er dem Imperator sein Vorrecht auf dieses Land streitig gemacht. Insofern ist seine Bestrafung unsere Angelegenheit.“ Er warf einen finsteren Blick zu den Verrätern. „Also liefert ihn an uns aus.“
„Die Verräter werden Takedo nur ausliefern, wenn Ihr uns auf angemessene Weise entgegenkommt“, entgegnete Zalava kühl.
„Und Euch in unserer Politik mitmischen lassen?“, rief Takiro. „So wichtig ist Takedo nicht.“
Sonea verdrehte innerlich die Augen. Nur Magier schafften es, exakt dieselbe Diskussion wieder und wieder zu führen. Wie sollten sie auf diese Weise jemals zu einer Lösung ihres Konfliktes finden? Sie fand, es war an der Zeit, dass Dannyl ein Machtwort sprach. Es war das, was sie selbst schon vor einer Woche getan hätte. Aber das widersprach offenkundig Dannyls Strategie.
„Indem sie sich gegenseitig ihre Taten an den Kopf werfen, befreien sie sich von dem Zorn, den sie gegeneinander hegen“, hatte er ihr vor einigen Abenden beim Essen erklärt. „Wenn sie damit fertig sind, werden sie offener für vernünftige Argumente sein.“
„Und was, wenn das ihren Zorn nur noch mehr schürt?“, hatte Sonea entgegnet.
„Dann werden die Duna einen Kampf in Yukai zu verhindern wissen.“
Obwohl Sonea nicht überzeugt war, hatte sie keine weiteren Einwände gehabt. Aus ihren gelegentlichen Streits mit Akkarin wusste sie, dass es manchmal besser war, seinem Zorn erst Luft zu machen, bevor man den Konflikt lösen konnte.
„Kachiros Vorgänger hat einst meinen Vorgänger hinrichten lassen, weil meine Leute einen Mann hingerichtet haben, der Marikas Befehle missachtet hat und daraufhin zum Ichani wurde“, unterbrach Dannyl die Streitenden. Sonea warf ihm einen überraschten Blick zu. Während der vergangenen Stunde hatte er geschwiegen und der Diskussion seinen Lauf gelassen. „Ashaki Ikaro war unwichtig in Marikas Kyrima-Spiel. Sein einziges Vergehen war, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Und doch hat Marika den Befehl erteilt, um ein Exempel zu statuieren. Wenn der Imperator nicht davor zurückschreckt, einen Unterhändler der Ichani zu köpfen, wieso sollte ihm Takedo dann diesbezüglich unwichtiger sein?“
Aus den Augenwinkeln sah Sonea, wie Arikhai Dannyl einen anerkennenden Blick zuwarf. Arlava und Ivara pfiffen leise und anzüglich durch die Zähne und Takiro war einen Augenblick lang sprachlos.
„In Euren Worten steckt eine nicht zu verleugnende Wahrheit, Auslandsadministrator Dannyl“, sagte Takiro schmeichelnd. „Doch der Imperator wird niemals eine Beteiligung der Verräter an Sachakas Politik erlauben. So war es all die Jahrhunderte seit Beginn des Paktes und so wird es für die nächsten Generationen von Sachakanern bleiben.“
Sonea entfuhr ein entnervtes Stöhnen. Sie hatte genug. „Aber sie sind ein Teil Eures Landes“, sagte sie. „Ob Ihr es wollt oder nicht, sie sind eine politische Partei, sie nehmen bereits Einfluss. Würdet Ihr anstatt Euch zu bekämpfen, zusammenarbeiten, könntet Ihr so viel mehr für Sachaka erreichen.“
Die Ashaki starrten sie an. Divako lauernd, Ishaka berechnend und Takiro mit offenem Mund. Sarkaro sah aus, als habe er mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet.
„Es ist richtig, dass die Verräter auf unsere Politik Einfluss nehmen, Lady Sonea“, sprach Divako schließlich in die Stille. „Doch das macht sie noch lange nicht zu einer Partei. Sie sind unsere Gegner, Feinde. Und somit nicht erwünscht.“
„Aber genau davon lebt Politik“, gab Sonea zurück. „Anstatt Eure Gegner anzuhören und daraus zu lernen und Dinge besser zu machen, erklärt Ihr sie zu Ichani. Wenn Ihr keine andere Meinung als die Eure zulasst, müsst Ihr Euch nicht wundern, dass Euer Großes Sachakanisches Imperium zum Untergang verdammt ist!“
„Ihr wagt es uns und den Imperator zu beleidigen?“, schnarrte Divako. „Was fällt Euch ein?“ Und Takiro fügte hinzu: „Das ist eine Unverschämtheit!“
„Und Ihr demonstriert dieser Versammlung gerade sehr deutlich, was die Kriegerin der Gildenmagier Euch soeben versucht hat, klarzumachen“, sagte Arikhai. Einige Duna lachten unterdrückt. Nervös schielte Sonea zu den Verrätern, die ebenfalls aussahen, als hätten sie Mühe ihre Erheiterung zu unterdrücken. Dannyl zwinkerte ihr zu und seine Hand berührte die Soneas.
- Ich glaube, ich habe eine Idee.
- Welche?, fragte sie.
- Du wirst schon sehen.
Mit wachsender Verwirrung beobachtete Sonea, wie er sich zu Asara und ihren Schwestern beugte. Mehrere Augenblicke sprachen sie so leise, dass es unmöglich war, sie zu verstehen, dann richtete Dannyl sich mit einem leicht selbstgefälligen Lächeln auf seinem Kissen auf und sah zu den Ashaki.
„Ich bin sicher, es lässt sich ein Kompromiss finden“, sprach er. „Eine so grundlegende Veränderung in der Politik Eures Landes sollte nicht unüberlegt getroffen werden und wir werden in den nächsten Verhandlungstagen gewiss noch darüber diskutieren. Für das konkrete Problem Ichani Takedo betreffend dachte ich an einen Austausch auf gleicher Ebene.“
„Und was schwebt Euch da vor, Auslandsadministrator?“, fragte Divako lauernd.
Dannyl lächelte unverbindlich. „Ihr erhaltet Takedo, um mit ihm so zu verfahren, wie es Euch beliebt. Im Gegenzug verzichtet Ihr auf die Auslieferung der beiden höheren Gildenmagier Lady Sonea und ihres Ehemannes, dem Hohen Lord Akkarin.“
Die Ashaki sahen sich an, als hätten sie nicht damit gerechnet, dass Dannyl die Auslieferung der beiden höheren Gildenmagier ansprach. Dannyl hatte diesen Vorschlag am vergangenen Tag mit Zalava diskutiert. Bevor er ihn jedoch vorbringen konnte, war die Konferenz unterbrochen worden. Takiro, Divako und Sarkaro begannen sofort eine aufgeregte Diskussion, während Ishakas Blick auf Dannyl ruhte. Er wirkt als Einziger nicht überrascht, stellte Sonea fest. Aber was ist mit den anderen? Sie begriff nicht, warum Dannyls Vorschlag sie so in Aufruhr versetzte.
Instinktiv griff sie nach den Gedanken der Ashaki und zuckte zurück, als sie auf die Mauer von Häme stieß. Divako war der Schlimmste von allen. Hastig verbannte Sonea die Bilder aus ihrem Kopf. Hätte es nicht die Verhandlungen gefährdet, so hätte sie ihn mit Gedankenschlag angegriffen, nur um es ihm heimzuzahlen. Und sie ahnte, dass das seine persönliche Rache für ihre scharfen Worte war. Obwohl noch immer nervös, bereute sie jedoch nicht, sie gesprochen zu haben.
Schließlich räusperte sich Divako. „Wir sind uns einig, dass wir Takedo den Ichani überlassen würden, wenn wir dafür Marikas kleine Sklavin bekommen“, sprach er. „Ihre Vergehen sind schwerwiegender als die halbherzigen Versuche eines ehemaligen Stadtpolitikers, Kyralia zu erobern.“
Sonea zuckte zusammen. Sie ahnte, dies war mehr ein Angriff gegen sie, um ihre Entschlossenheit zu untergraben, als dass Divako das ernst meinen konnte. Kachiro konnte sie noch so sehr einfordern, die Gilde würde sie nicht herausgeben. Akkarin würde sie nicht herausgeben.
„Die Auslieferung von Lady Sonea steht ebenso wenig zur Debatte, wie die unseres Oberhauptes“, entgegnete Dannyl mit ungewohnter Härte in der Stimme. „Gebt Euch damit zufrieden. Die Gilde hat bereits genug an Wiedergutmachung angeboten. Doch sie verkauft nicht ihre eigenen Leute. Mit dem soeben gemachten Angebot wären die Verräter zufrieden, da auch sie kein Interesse daran haben, ihre Schutzbefohlenen auszuliefern. Nehmt es an oder verzichtet auf Takedo.“
Erneut steckten die Ashaki ihre Köpfe zusammen. Sonea beugte sich zu Dannyl. „Umgekehrte Diplomatie?“, fragte sie.
Er hob die Schultern. „Manchmal schadet ein wenig Provokation nicht. Es bringt sie dazu, ihre eigenen Forderungen herabzusenken und könnte sie dazu verführen, ihre wahren Absichten ungewollt zu vertreten.“
„Du bist so unglaublich durchtrieben“, bemerkte Sonea. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich für einen Dieb halten.“
Dannyl lachte leise. „Sollte die Gilde mich je ausstoßen, könnte ich dort eine zweite Karriere beginnen. Imardins Unterwelt könnte einen neuen König gebrauchen, jetzt wo die Diebe für Recht und Ordnung sorgen!“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. „Ich dachte, du wolltest dich ins Hinterland von Elyne zurückziehen und Wein anbauen.“
„Ah, das werde ich auch“, erwiderte Dannyl. „Sobald ich mein Diebes-Imperium aufgebaut habe und es sich von selbst regiert.“
Lachend schüttelte sie den Kopf. „Ist dir aufgefallen, dass Ishaka sich nicht an der Diskussion, beteiligt hat, die ausbrach, als du meine Auslieferung ansprachst?“, fragte sie.
Dannyl nickte mit einem Mal wieder ernst. „Entweder er hat es vorausgeahnt oder er wusste es bereits. Das würde zumindest erklären, warum er nicht überrascht wirkte.“
„Ja“, sagte Sonea. „Hätte ich nicht gewusst, dass der Imperator seit Monaten diese Briefe an die Gilde schickt, hätte ich geglaubt, er wüsste als Einziger davon, während die anderen nicht in Kachiros Plan eingeweiht waren.“
„Aber warum sollte Kachiro ausgerechnet ihn einweihen, wenn er ihm nicht mehr vertraut?“
„Ich weiß es nicht, Dannyl.“ Sonea fuhr sich über die Stirn. „Ich habe versucht, seine Oberflächengedanken zu lesen, aber da ist nichts, was uns diese Frage beantworten könnte.“
„Oder es existiert, doch du misst dem keine Bedeutung bei, weil dir die Zusammenhänge erst noch bewusst werden müssen“, überlegte Dannyl.
Seine Worte erfüllten Sonea mit Unruhe. Zusammen mit Asaras Informationen über eine Verschwörung der Ashaki beschlich sie mehr und mehr die Ahnung, dass mehr hinter der ganzen Sache steckte, als sich ihr erschloss. Was es auch war, es hatte das Potential, nicht nur sie und Dannyl in Gefahr zu bringen, sondern jegliche Versuche, für Frieden zu sorgen.
***
Als Dannyl eine verspätete Mittagspause einberief, kam das einer Erlösung gleich. Den ganzen Morgen war über die Auslieferung Takedos diskutiert worden, wobei auch die Forderung nach Sonea und ihrem Mann überraschend eine Rolle gespielt hatte. Obwohl alle Ashaki auf die Vorstellung, Sonea an den Imperator auszuliefern, mit Begeisterung reagiert hatten, wunderte Asara sich, dass manche auch überrascht auf die Idee an sich reagiert hatten. Dies bestärkte ihre düstersten Vermutungen.
Es erklärte jedoch nicht, warum Ishaka im Gegensatz zu den anderen als Einziger von Kachiros Forderung zu wissen schien, wenn der Imperator ihm nicht vertraute.
Mit einem Becher gekühlten Marinsaft verließ Asara den Raum der Priester und erklomm die Stufen zu den Quartieren der Verräter. Sie brauchte für eine kurze Weile Ruhe vor den streitenden Delegierten. Nirili stand im Schatten einer Säule und starrte mit gelangweilter Miene auf einen Punkt auf der anderen Seite des Säulengangs. Zalava wachte auf der gegenüberliegenden Seite, halb verschmolzen mit dem Schatten der Säule neben ihr. Als Asara die Treppe verließ, wandte ihre Schwester sich ihr zu.
„Kommst du mir Gesellschaft leisten?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Gleich, Liebes“, antwortete Asara. „Zunächst möchte ich mich frisch machen und in der Kühle meines Zimmers ein wenig ausruhen.“
Nirili nickte verständnisvoll. „Ich werde dich rechtzeitig wecken, solltest du einschlafen.“
Asara lächelte. „Das ist lieb von dir.“
Sie löste das magische Schloss ihrer Tür und trat in die relative Kühle dahinter. Ihren Willen ausstreckend ließ sie die Tür hinter sich zufallen und streckte sich auf dem Bett aus.
Eine Weile blieb sie mit geschlossenen Augen liegen. Dann trank sie einen tiefen Schluck von ihrem Saft und richtete ihren Willen auf das Blutjuwel, das Zalava ihr für die Diskussion überlassen hatte.
- Savedra!
Die Antwort kam nahezu ohne Verzögerung.
- Asara, meine liebe Tochter! Welche Neuigkeiten bringst du?
- Ich habe Informationen, die bei der Suche nach den Mördern meiner Schwestern helfen könnten.
Savedras erste Reaktion war erfüllt mit Besorgnis und Alarmiertheit.
- Sprich!, forderte sie Asara auf. Was hast du erfahren?
- Zuerst war es nur ein Gerücht, dass sich eine Gruppe von Stadt-Ashaki gegen den Imperator verschworen hat. Es hieß, sogar einige Ashaki aus den fruchtbaren Regionen wären daran beteiligt. Als Vikacha mir davon berichtete, dachte ich noch, diese Gruppe würde von Ishaka angeführt, doch vorhin hatte ich vielmehr den Eindruck, dass Ishaka als Einziger auf Kachiros Seite ist und seine Mitstreiter nicht in dessen Pläne eingeweiht sind. Denn er besaß Informationen, die sonst nur den Gildenmagiern bekannt sind, weil Kachiro ihnen seit einer Weile gewisse Auslieferungsforderungen schickt. Allerdings ergibt das keinen wirklichen Sinn.
- Möglicherweise handelt es sich um zwei Gruppierungen, überlegte Savedra. Oder Kachiro hat nur verlauten lassen, dass er Ishaka einer Verschwörung verdächtigt, während in Wirklichkeit Divako, Takiro und Sarkaro gegen ihn arbeiten. Sarkaros Involvierung würde insofern dazu passen, dass Land-Ashaki beteiligt sind.
Asara nahm diese Worte in sich auf. Sie ergaben beinahe zu viel Sinn. Aber das war nicht, was sie daran störte.
- Aber wieso hat Ishaka sich dann für eine Begrünung der Ödländer starkgemacht, wenn Kachiro am selben Tag auf einer Party im Palast verlauten ließ, dass er diese aus diversen strategischen Gründen ablehnt?
- Ich weiß es nicht, Liebes, sandte Savedra. In jedem Fall muss diese Sache beobachtet werden. Wie glaubst du hängt der Anschlag damit zusammen?
Wenn diese Gruppe gegen Kachiro arbeitet, wird sie die Konferenz verhindern wollen, antwortete Asara. Schließlich war es seine Idee. Vielleicht wollen sie, dass der Krieg weitergeht, weil sie Kyralia unbedingt wollen, oder aus persönlicher Rache. Allerdings wäre das nur der Fall, wenn Kachiro aufrichtig an Frieden interessiert ist. Sollten sie wissen, dass sein Friedensangebot nur eine Farce ist, versuchen sie vielleicht durch den Anschlag die Delegierten darauf aufmerksam zu machen, weil die Alternative darin bestünde, sich selbst zu offenbaren und sie das nicht riskieren dürfen.
Savedra schwieg eine Weile.
- Das ist sehr gut möglich, sandte sie schließlich. Vikacha und Anjiaka mögen diese Angelegenheit weiter untersuchen. Versuch du derweil mehr über Ishakas Bettsklavin herauszubekommen.
- Verstanden, Große Mutter. Bist du mit deinen eigenen Untersuchungen des Anschlags weitergekommen?
- Ich habe mir noch einmal Lenyakas Worte über Belaras Verbindungen zu unseren abtrünnigen Schwestern durch den Kopf gehenlassen und muss ihr zustimmen. Belara hätte niemals mit ihnen sympathisiert. Also kann sie nicht deswegen gestorben sein.
- Vielleicht war sie ungewolltes Opfer, weil ihre drei Begleiterinnen auf Grund einer Verbindung zu den Rebellen gestorben sind?, schlug Asara vor. Sollten es wirklich unsere Magierinnen gewesen sein, so würde ich ihnen genug Skrupellosigkeit zutrauen, ein solches Opfer zu bringen, wenn sie schon skrupellos genug sind, ihre eigenen Schwestern für Kontakt zu den Rebellen zu töten.
- Diejenigen, denen ich solche Aktionen zutraue, sind allesamt zu Ichani geworden, entgegnete Savedra grimmig. Oder tot.
- Aber das heißt nicht, dass der Krieg weitere unserer Schwestern dazu gemacht hat.
- Warum willst du unbedingt, dass es unsere Leute gewesen sind, Asara?
Die plötzliche Strenge in der Stimme ihrer Anführerin ließ Asara zusammenzucken. Auf eine unangenehme Weise fühlte sie sich ertappt.
- Es gibt nichts, was ich mir weniger wünsche, antwortete sie. Doch zugleich ist es das, was ich am meisten fürchte.
- Asara, gräme dich nicht deswegen, sandte Savedra. Momentan deuten alle Anzeichen darauf, dass der oder die Verantwortlichen zu einer anderen Partei gehören. Ich wäre untröstlich, würde meine eigenen Töchter gegen mich arbeiten und meine bisher in diesem Krieg erreichten Ziele zerstören. Deswegen will ich die Möglichkeit, dass es unsere Leute waren, nicht ignorieren. Doch bisher laufen die Untersuchungen ins Leere.
Eine halbe Stunde später trat Asara auf den Säulengang. „Du siehst nicht aus, als hätte die Ruhe dir etwas gebracht“, bemerkte Nirili.
Asara stellte sich zu ihr in den Schatten der Säule. „Ich werde keine Ruhe finden, bis dieser Krieg vorbei ist oder ich tot bin“, seufzte sie.
„Ich weiß, was du meinst.“ Eine Grimasse schneidend blickte Nirili in den Garten auf dem Grund des Felsenkessels. Dort spazierte Ishaka mit seiner Sklavin unter einem Baldachin, den einer seiner Sklaven für ihn hielt, während Takiro neben ihnen her schritt und sich Luft zufächelte. Von hier oben aus waren ihre Stimmen nicht zu verstehen. Andere waren schlauer und hatten sich in den Schatten des unteren Säulengangs zurückgezogen oder waren wahrscheinlich im Raum der Priester. „Die Bedingungen, unter denen diese Konferenz stattfindet, machen es nicht gerade leichter.“
„Nein.“
Für einen kurzen Augenblick überlegte Asara, ihrer Schwester von ihren Bedenken bezüglich Savedras Sorglosigkeit zu erzählen, entschied sich jedoch dagegen. Als Anführerin ihres Volkes kannte Savedra jede einzelne Magierin. Asara hingegen kannte die meisten nur beim Namen, da sie in Arvice weitgehend isoliert von den Verrätern lebte. Zudem wären ihre Schwestern dumm, wenn sie einander abschlachteten, wo sie sich mit einem übermächtigen Feind konfrontiert sahen.
„Meine Hauptaufgabe mag im Beobachten bestehen, doch ich weiß, wenn ein Auftrag zum Scheitern verurteilt ist“, sagte Nirili plötzlich in die Stille. „Manche Missionen sind riskant erwecken den Eindruck, als wäre ihr Resultat den Preis nicht wert. Doch sie gelingen nichtsdestotrotz. Aber ich weiß auch, wann eine Mission scheitert.“
Asaras Herz setzte einen Schlag aus. „Also glaubst du, die Konferenz wird scheitern?“, fragte sie atemlos.
„Ja“, sagte Nirili nur.
***
„Könnt Ihr eine Weile auf ihn aufpassen, Asara?“
Die Verräterin nickte. „Bei mir ist Euer Auslandsadministrator in den besten Händen.“ Sie warf einen kritischen Blick zu ihren Schwestern, die sich im Schatten des Säulengangs zusammengefunden hatten, und einigen leichtbekleideten Duna-Kriegern schmachtende Blicke zuwarfen. „Ich würde ihn sogar vor meinen eigenen Schwestern beschützen, auch wenn ich davon ausgehe, dass sie ihr Interesse vorübergehend verlagert haben.“
Sonea verkniff sich ein Lächeln. „Ich stehe in Eurer Schuld, Asara.“
Die andere Frau winkte ab. „Braucht Ihr eine Eskorte?“
Soneas Faust schloss sich um den Speicherstein in einer Tasche ihrer Robe. „Nein“, antwortete sie. „Ich kann auf mich aufpassen.“
„Seid trotzdem vorsichtig. Ich vertraue den Duna, dass sie sich an die an diesem Ort geltenden Regeln halten. Doch ich vertraue nicht den anderen Delegierten.“
„Nein, das wäre äußerst töricht“, stimmte Sonea zu. „Macht Euch keine Sorgen, ich komme zurecht.“ Mit einem kurzen Nicken wandte sie sich ab und eilte auf den Tunnel zu, der zum Eingang des Tempels führte.
Manchmal habe ich bei ihr den Eindruck, dass sie versucht mich zu bemuttern, dachte Sonea, während sie den Weg der Demut durchquerte. Sie mochte Asara, ganz besonders seit Dannyl ihr erzählt hatte, dass eben diese Frau ihn nach seinen gescheiterten Verhandlungen mit Marika aus Arvice gerettet hatte. Aber sie mochte es nicht, wie ein junges Harrel behandelt zu werden. Denn es erinnerte sie zu sehr daran, was geschehen war.
Ärgerlicherweise schien jeder genau das zu versuchen, bis Sonea jeden weiteren Versuch unterband. Selbst jene, die die Wahrheit nicht kannten, ahnten, was ihr unter Marika widerfahren war. Sonea hasste es.
Doch während die Gildenmagier kaum eine Vorstellung von dem Leben in Sachaka hatten, wussten die Verräter bescheid. Sonea spürte, dass es die ganze Zeit wie eine unausgesprochene Tatsache zwischen ihr und ihnen stand. Und deswegen bereitet ihr die Nähe dieser Frauen Unbehagen.
Der Platz vor dem Eingang des Tempels war verlassen. Die Sonnenstrahlen brannten sich ihren Weg in die Schlucht und heizten Soneas Robe auf unangenehme Weise auf. Warum kann es nicht einen Schild geben, mit dem man die Wärme abhalten kann?, fragte Sonea sich. Es erschien ihr nicht richtig, dass man Schilde errichten konnte, um Regen und Kälte abzuhalten, aber nicht, um Sonne und Hitze zu entkommen und sie wünschte sich wiederholt die leichten Kleider zurück, die sie in Arvice getragen hatte. Sie hätte die Robenpflicht verflucht, würde der lange, weite Stoff sie nicht vor unerwünschten Blicken schützen und ihr vor den Ashaki ein gewisses Maß an Respekt verschaffen.
Der Weg durch die Schlucht war nur kurz, bis die ersten Zelte der Duna auftauchten, die sich entlang der Felswände zusammendrängten. Aus einigen Dächern quoll Rauch, hier und da erblickte Sonea Männer und Frauen vor ihren Zelten sitzen und täglichen Arbeiten nachgehen. Mehrere kleine, nackte Kinder rannten schreiend und lachend hinter einer Schar Rassook her. Die Vögel protestierten und schlugen hilflos mit ihren kurzen Flügeln. Kopfschüttelnd hielt Sonea auf das Zelt neben dem größten zu.
Sie mögen in unseren Augen Barbaren sein, aber eigentlich sind sie zivilisierter als die Sachakaner, fuhr es ihr durch den Kopf. Die Lebensweise war vermutlich das, was die Duna so barbarisch wirken ließ. Die Lan lebten jedoch auf ähnliche Weise und waren Teil der Allianz.
Als Sonea die Zelte auf ihrem Weg passierte, hoben die Duna ihre Köpfe und beäugten sie misstrauisch. Ihrer Kleidung und der fehlenden Körperbemalung nach zu urteilen waren es Sklaven. Sonea entdeckte jedoch auch einige Krieger, die das Lager bewachten und sie wusste, weitere waren oberhalb der Schlucht postiert.
Wissend, dass die Duna nicht viel Wert auf Höflichkeitsgesten legten, lächelte Sonea ihnen zu. Zu ihrer Bestürzung verstörte die Sklaven ihre Geste.
Als sie das Zelt erreichte, trat ihr ein Krieger in den Weg. „Was wollt Ihr?“, fragte er mit dem harten Akzent, mit dem die Duna Sachakanisch sprachen.
„Nach dem Patienten sehen“, antwortete Sonea. Den Widerstand des Mannes registrierend richtete sie sich auf und schob ihr Kinn vor. „Ich wünsche, mich von seinem Wohlergehen zu überzeugen.“
„Mir ist nicht erlaubt, Fremde durchzulassen.“
Sonea widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Waren alle Duna so starrsinnig oder war sie ein besonders schwieriges Exemplar geraten? „Ich war es, die ihn geheilt hat. Und jetzt lasst mich durch. Ich bin sicher, Euer Kriegsherr wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass Ihr mich daran hindern wolltet, nach seinem Bruder zu sehen.“
„Selbstverständlich, Leydie“, sagte der Mann, ihren Titel seltsam betonend und trat zur Seite.
Sonea nickte nur. Dann schob sie die Stoffbahnen am Eingang zur Seite und betrat das Zelt.
Irakhi lag auf dem Lager aus Fellen, auf dem er am vergangenen Tag gelegen hatte, als Sonea ihn geheilt hatte. Man hatte ihn gewaschen und in ein frisches Gewand gekleidet, was ihn bereits viel gesünder wirken ließ. Seine Wangen waren jedoch ein wenig zu blass und die Blutergüsse und Prellungen beschrieben ein schillerndes Muster aus Blau, Purpur und Schwarz auf seiner Haut. Als der Junge Sonea erblickte, huschte ein flüchtiges Lächeln sein Gesicht.
Zu Soneas Überraschung war er nicht allein. Das halbwüchsige Mädchen an seiner Seite war ihr nur allzu vertraut.
„Lady Sonea“, sagte Arikhais Zweitfrau mit mindestens ebenso großer Überraschung und richtete sich auf ihrem Kissen auf.
„Yui“, erwiderte Sonea.
„Kommt Ihr nach seinen Verletzungen sehen?“
Sonea nickte. „Ich will mich vergewissern, dass die Knochen an den richtigen Stellen zusammenwachsen und sich nicht verschoben haben, bevor seine Selbstheilung eingesetzt hat.“ Sie hatte die Brüche bewusst nicht vollständig geheilt, damit Irakhi aus diesem Vorfall lernte.
„Das ist sehr freundlich von Euch“, erwiderte Yui. „Ohne Euch wäre Irakhi jetzt tot oder ein Krüppel.“
„Ich tue nur, was getan werden muss“, entgegnete Sonea. Yuis Dankbarkeit erfüllte sie mit Unbehagen. Sie war die einzige Person an diesem lebensfeindlichen Ort, die die nötigen Kenntnisse besaß, weil sie Zusatzstunden in Heilkunst gehabt und ihre Lehrerin sie den Stoff des Vertiefungskurses gelehrt hatte. Aber selbst ohne dieses Wissen hätte sie alles getan, um den Jungen zu retten. „Als Gildenmagierin bin ich verpflichtet zu helfen.“
Yui ließ ein Kissen aus einer Ecke des Zeltes an Irakhis Lager schweben. „Setzt Euch“, bot sie Sonea an. „Dann könnt Ihr ihn besser untersuchen.“
Dankend ließ Sonea sich auf dem Kissen nieder. Yuis Kontrolle war bemerkenswert. Die Duna unterwiesen ihre magisch talentierten Kinder früher in Magie als andere Völker. Allerdings waren sie auch gezwungen, früh erwachsen zu werden. Mit vierzehn galt Yui bei ihrem Volk als erwachsen und durfte höhere Magie lernen.
Eine seltsame Kultur, dachte Sonea. Die Mitglieder eines jeden Stammes wurden, sofern magisches Potential vorhanden war, zu Magiern ausgebildet. Die Nichtmagier galten als Sklaven. Quellen waren nur jene, deren magisches Potential nicht entfesselt worden war. Yui hatte Glück gehabt, dass sie bei ihrer Gefangennahme die Grundlagen der Magie bereits beherrscht hatte.
Insofern waren die Duna fortschrittlicher als die Sachakaner. Doch dass der stärkere und ruhmreichere Krieger als der attraktivere galt und das die weibliche Kriegsbeute dazu veranlasste, sich jenem Mann je nach Stand unterzuordnen oder anzuschließen, fand Sonea dagegen mehr als barbarisch. Besser, sie dachte nicht weiter darüber nach. Das System der Sachakaner war bereits verstörend genug und hatte ihr Denken auf eine Weise verändert, die sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
„Hallo Irakhi“, grüßte sie den Jungen mit einem Lächeln. „Wie geht es dir heute?“
„Besser“, antwortete Arikhais jüngerer Bruder. „Und bereit, wieder Levitation zu üben.“
„Das werden wir sehen, wenn ich dich untersucht habe“, erwiderte Sonea mit leichter Strenge in der Stimme.
„Warum?“, verlangte Irakhi zu wissen. „Ich fühle mich wieder gesund. Die blauen Flecken sind mir egal.“
„Es geht nicht um die blauen Flecken“, sagte Sonea. „Du magst äußerlich gesund erscheinen und dich gut fühlen, aber das heißt nicht, dass deine Knochen schon wieder vollständig geheilt sind. Sie könnten erneut brechen, wenn du aufstehst und sie bewegst.“
„Dann heilt Ihr mich einfach erneut.“
„Die Bruchstellen könnten so kompliziert sein, dass sie meine Fähigkeiten übersteigen und ich werde nicht immer da sein, um dich zu heilen“, sagte Sonea mit leisem Nachdruck. „Außerdem bezweifle ich, dass dein großer Bruder sehr erfreut wäre, wenn er erfährt, dass du dich nicht an seine Anweisungen gehalten hast.“
Irakhi verzog das Gesicht und murmelte etwas auf Duna, das wie ein Fluch klang.
Sonea ließ ihm ein paar Augenblicke, um sich zu beruhigen. Er war jung und es verlangte ihm danach, sich mit Jungen in seinem Alter zu messen. Alles und jeder, der ihn davon abhielt, kratzte an seiner Männlichkeit. „Also Irakhi, erlaubst du mir, dich zu untersuchen?“, fragte sie.
Der Junge nickte entschlossen.
„Gut.“ Mit einem gewinnenden Lächeln umfasste Sonea sein Handgelenk und sandte ihren Geist in seinen Körper.
Es brauchte nicht lange, um die Brüche und inneren Verletzungen zu untersuchen. Das Gewebe und die Knochen hatten begonnen zusammenzuwachsen. Doch wo sie bei einem erwachsenen Magier über Nacht vollständig geheilt wären, war Irakhi davon noch mindestens eine Nacht entfernt.
„Du wirst noch einige Tage im Bett bleiben müssen“, teilte Sonea ihm mit. „Deine Knochen sind noch nicht so weit.“
„Ich werde vorsichtig sein“, versprach der Junge.
Wissend, wie viel ein solches Versprechen selbst im Erwachsenenalter noch galt, schüttelte Sonea den Kopf. „Das wird dein Bruder nicht wollen. Er wird dich bestrafen.“
„Dieses Risiko ist ein Duna bereit, einzugehen“, erklärte Irakhi stolz. Er runzelte die Stirn. „Was nicht heißen soll, dass ich Eure Heilung nicht gerne in Anspruch genommen habe“, fügte er rasch hinzu.
„Heilende Magie hält die Menschen leider nicht davon ab, törichte Ideen in die Tat umzusetzen“, bemerkte Sonea erheitert. Dann wurde sie jedoch wieder ernst. „Ich werde deinem Bruder empfehlen, dass du noch zwei Tage im Bett bleiben musst. Danach wirst du wieder mit deinen Freunden Levitation üben können.“
Der Junge verzog das Gesicht. „Bis dahin werden sie es können und ich nicht. Sie werden mich auslachen. Aber ich bin der Bruder des Kriegsherrn!“, rief er zornig.
„Dann liegt es an dir, sie mit etwas anderem zu beeindrucken“, entgegnete Sonea. „Etwas, das sie noch nicht gelernt haben. Ich bin sicher, da lässt sich etwas finden.“
Zu ihrer Freude hellte sich Irakhis Miene wieder auf. „Kommt Ihr morgen wieder nach mir sehen?“, fragte er.
„Ja“, antwortete Sonea, obwohl sie bezweifelte, das würde nötig sein.
„Ihr würdet ihm eine große Freude machen, wenn Ihr ihm etwas zeigt, dass seine Freunde niemals lernen werden“, sagte Yui, als sie Sonea nach draußen begleitete.
„Dazu bin ich nicht befugt“, erwiderte Sonea bedauernd. Selbst wenn die Gilde es erlaubte, würde sie Wochen darüber diskutieren, welchen magischen Trick sie einen Duna-Jungen lehren durfte. „Aber ich könnte ihm einige Kampftechniken zeigen, die er noch nicht von seinem Lehrer gelernt hat.“
„Wenn Ihr das tun könnt, wäre das großartig.“
Sonea lächelte. Offenkundig war Irakhi wie ein kleiner Bruder für Yui, auch wenn sie in Wirklichkeit die Frau seines älteren Bruders war. Arikhai war allerdings fast doppelt so alt, wie das Mädchen und daher konnte Sonea ihre Zuneigung nachvollziehen.
***
„Lord Dorrien was machen wir hier?“ Mit einer Mischung aus Neugier und Verwirrung ließ Viana ihren Blick über das Innere der steinernen Kuppel schweifen, in der die frühe Gilde ihre Novizen unterrichtet hatte. Der Schein von Dorriens Lichtkugel trieb die Schatten in einem radialen Muster von der Stelle fort, wo sie unter der Decke hing.
Dorrien lächelte geheimnisvoll. „Das wirst du gleich sehen.“
Als er am Nachmittag zu Lord Balkan gegangen und ihm seine Idee erklärt hatte, hatte sich das Oberhaupt der Krieger überraschend unkompliziert gezeigt. „Ihr seid Vianas Mentor. Ich habe keine Einwände, wenn Ihr sie bei der Vorbereitung auf ihre Prüfungen unterstützt“, hatte er beinahe geistesabwesend erklärt. „Der Dome enthält genug Magie, um Kämpfe schwarzer Magier zu überstehen. Und mit Eurem Grundwissen in Kriegskunst könnt Ihr nicht viel anstellen, was Eure Novizin gefährden würde, sofern Ihr die Regeln beachtet.“
„Ich habe Viana bereits in Windbruch ein paar Grundlagen gelehrt“, hatte Dorrien daraufhin erwidert. „Von daher bin ich mit den Schutzvorkehrungen bestens vertraut.“
„Dann habe ich keine Einwände.“
Überrascht und erfreut hatte Dorrien sich bedankt und war aus dem Büro des Kriegers geeilt. Er hatte den Moment perfekt abgepasst. Da Viana gerade Privatunterricht bei Regin gehabt hatte, war er mit Balkan alleine gewesen. Dorrien traute dem Bengel nicht weit genug, dass er ihn wissen lassen wollte, dass er mit Viana in den Dome ging. Auch wenn er Viana in der Gilde auf Distanz hielt, bestand fortwährend die Gefahr, dass jemand hinter die Fassade ihres Mentor-Novizin-Verhältnis sah.
Er führte Viana in die Mitte der kleinen Kampffläche. „Nachdem du mir gestern erzählt hast, dass du dich mit manchen Angriffstechniken noch ein wenig schwertust, dachte ich, wir könnten gemeinsam daran arbeiten.“
Viana strahlte. „Lord Dorrien, das ist wirklich sehr nett von Euch!“
„Ich bin dein Mentor“, entgegnete Dorrien lachend. „Selbst, wenn ich nicht die Absicht im Hinterkopf hätte, die Gerüchte zu zerstreuen, will ich, dass du in Kriegskunst gut abschneidest.“
„Wegen der Nähe zum Pass.“
„Richtig, kleine Viana.“ Er klopfte ihr auf die Schulter. „Bist du bereit, gegen deinen Mentor anzutreten?“
Sie lächelte mit einem Funkeln in ihren tironussbraunen Augen, das beinahe frech war. „Seit Ihr mich das mit dem Schild gelehrt habt, brenne ich darauf.“
Lachend errichtete Dorrien ihren Inneren Schild. „Mach dir keine Sorgen, dass du mir etwas tun könntest“, sagte er. „Du kannst mich mit deiner vollen Stärke angreifen. Und ich beherrsche weitaus weniger Tricks, als dein Lehrer.“ Als Novize hatte er sich von Darren und Kayan ein paar Tricks abgeschaut, gegen jemanden wie Regin würde er jedoch hoffnungslos unterliegen. Er hatte gesehen, wie sich der Bengel und Sonea in der Arena duelliert hatten. Obwohl Regin das Duell verloren hatte, war schon damals zu erkennen gewesen, dass er eines Tages ein großer Krieger werden würde.
Soweit Dorrien wusste, hatte er seinen Abschluss sogar nur geringfügig schlechter als Sonea gemacht.
Auf sein Kommando begannen sie zu kämpfen. Vianas Angriffe kamen noch ein wenig zögerlich, doch als sie anfing, sich auf ihren Gegner einzustellen, wurden ihre Angriffe immer selbstbewusster. Erfreut konterte Dorrien und versuchte, sie weiter aus der Reserve zu locken.
„Du hast mich ausgetrickst!“, entfuhr es ihr, als ein Kraftschlag sie von hinten traf, den sie nicht gesehen hatte.
„So etwas würde ich niemals tun, kleine Viana“, entgegnete Dorrien erheitert. „Du darfst deine Verteidigung an keiner Stelle vernachlässigen. Das ist eine alte Kriegerweisheit.“
Ihre Nase kräuselte sich vor Erheiterung, dann konterte sie mit einem doppelten Feuerschlag, den Dorrien nicht von ihr erwartet hatte.
„Heh!“, rief er. „Das steht aber nicht auf dem Lehrplan!“
„Den hat Lord Regin mir gezeigt“, sagte sie. „Für die besonders fiesen Gegner.“
„Ich geb dir gleich fies!“, gab er zurück und konterte mit einem Hagel Betäubungsschläge, während er einen Hitzeschlag durch den Boden sandte. Darrens alter Lieblingstrick.
„Oh“, machte Viana, als ihr Innerer Schild getroffen wurde. „Damit habt wohl Ihr gewonnen.“
Dorrien konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Er hatte nicht vorgehabt, eine solch fortgeschrittene Technik zu verwenden. Es war einfach passiert, weil er sich von ihr hatte provozieren lassen.
„Noch eine Runde, kleine Viana?“, fragte er.
Sie nickte.
Dieses Mal ließ Dorrien sie gewinnen, indem er vorgab, von ihrem Täuschungsmanöver abgelenkt gewesen zu sein, während er ihren eigentlichen Angriff hatte kommen sehen. Vielleicht gelang es ihm so, sie zu motivieren. Doch er hatte sich in seiner Novizin getäuscht.
„Mylord, es ist nicht fair, wenn Ihr mich gewinnen last“, protestierte sie. „Was soll ich denn davon lernen?“
„Kriegerehre.“
Ihre Augen verengten sich. „Ist das auch wieder so eine Kriegerweisheit?“
„Nein.“ Dorrien lachte. „Die ist von mir.“ Er machte einen Schritt auf sie zu. „Du warst sehr gut, kleine Viana“, sagte er, während er ihren Inneren Schild löste. „Wenn wir das noch ein oder zwei Mal bis zu deinen Prüfungen wiederholen, solltest du diese ohne Schwierigkeiten bestehen.“
Viana strahlte. „Vielen Dank, Mylord.“
„Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte er.
Mit einem scheuen Lächeln sah sie zu ihm auf, ihre Augen strahlten und ihre Wangen waren leicht gerötet. Dorrien hatte sie selten so glücklich gesehen.
„Das hat dir gefallen, nicht wahr?“, fragte er.
Sie nickte nur.
Mit einem Mal war sie ihm viel zu nahe. Dorrien konnte den wunderbaren Duft ihres Haares riechen. Und sie waren völlig allein. Niemand würde sie sehen. Einem plötzlichen Impuls folgend streckte er eine Hand nach ihr aus und strich über die zarte Haut ihrer Wange. Dann beugte er sich zu ihr hinab und drückte seine Lippen auf ihre.
„Lord Dorrien!“, entfuhr es ihr überrascht.
„Was ist?“, fragte er. „Hast du Angst, jemand könnte uns sehen?“
„Nein“, begann sie. „Ich …“
Weiter ließ Dorrien sie nicht kommen. Er zog sie fester in seine Arme und küsste sie erneut. Viana legte ihre Arme um ihn und erwiderte den Kuss. Ihre Lippen teilten sich bereitwillig und Dorrien konnte sie leise aufseufzen hören. Er spürte, wie sich etwas in seinen Lenden zu regen begann. Er versuchte, es zu unterdrücken und den Kuss zu genießen, doch Vianas Duft, ihr warmer Körper gegen seinen geschmiegt und das Gefühl ihrer weichen Brust an seiner, machten das unmöglich. Während er sie eng umschlungen hielt, fuhr eine Hand ihren Rücken hinab, über die Rundung ihres Gesäßes und unter den Saum ihrer kurzen Robe.
Viana japste überrascht nach Luft. Dorrien lachte leise, hob sie hoch und trug sie zur Wand, wo er sie mit dem Rücken dem kühlen Stein zugewandt absetzte. Dann schob er sich gegen sie und küsste sie, jetzt mit mehr Verlangen. Er konnte spüren, wie Vianas Puls sich beschleunigte und die Hitze in ihr zunahm. Ein Griff unter ihre Robe bestätigte ihm endgültig, dass sie erregt war.
Fasziniert beobachtete er, wie ihre Atmung schneller, aber nicht lauter wurde, während er sie streichelte und zugleich ihre Halsbeuge liebkoste.
„Ich will dich“, flüsterte sie atemlos. „Jetzt.“
Irgendwie brachte das Dorrien wieder zur Besinnung. Er ließ von ihr ab.
„Nein“, sagte er. „Ich kann nicht.“
Vianas Arme fielen von seinen Schultern herab. „Warum nicht?“
„Weil wir in der Gilde sind. Es tut mir leid, kleine Viana. Ich hätte das nicht tun dürfen.“
„Aber du hast doch gesagt, hier wäre es sicher“, sagte sie verständnislos. „Und bei Lord Rothen …“
„Bei meinem Vater kann ich mir sicher sein, dass wir ungestört sind. Aber nicht hier. Was, wenn ein liebestoller Novize gerade denselben Einfall hat und uns sieht?“ Oder dieser Regin …
Viana erstarrte. „Das habe ich nicht bedacht.“
Dorrien seufzte und strich ihr eine Strähne ihres tennblonden Haares, die sich aus einem ihrer Zöpfe gelöst hatte, aus der Stirn. „Ich habe mich von meinen Instinkten beherrschen lassen und uns beide dadurch fast in Gefahr gebracht“, sagte er. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Es tut mir leid.“
„Es ist passiert, weil wir lange getrennt waren und weil du mich liebst.“
„Ja.“ Wahrscheinlich … Dorrien seufzte. Er war keiner dieser Männer, die sich selbst über ihre Triebe vergaßen, sobald sie einer schönen Frau begegneten. Das war eine Sicherheit, die er Viana geben konnte. Zumindest hatte er das geglaubt.
Die Erkenntnis brachte sein Verlangen schlagartig zum Erliegen. Plötzlich wollte er nichts mehr, als mit ihr dort sein, wo sie beide sicher und ungestört waren.
Er nahm ihre Hand. „Es ist spät geworden“, sagte er. „Gehen wir nach Hause.“
***
Auch wenn Sonea nach ihrem Gespräch mit Yui die Duna für weniger barbarisch erachtete, war sie froh, als die Säulen des Tempels vor ihr im Dämmerlicht der Schlucht auftauchten. Der lange Tag hatte sie erschöpft, der Wüstensand war selbst auf dem kurzen Weg durch die Schlucht bis unter ihre Robe gedrungen und Sonea sehnte sich nach einem Bad, um das Gefühl von Staub und Schmutz auf ihrer Haut loszuwerden, bevor sie Dannyl zum Abendmahl im Raum der Priester begleitete.
„Welch streunenden Yeel haben wir denn hier gefunden?“
Sonea erstarrte. Auch ohne die schnarrende Stimme während der Verhandlungen gehört zu haben, hätte sie sie auf Anhieb wiedererkannt. Einen tiefen Atemzug nehmend wandte sie sich um.
„Ihr solltet Euch lieber vorsehen, Ashaki Divako“, sagte sie. „Wenn man einen Yeel zu sehr reizt, dann beißt er. Das kann üble Wunden geben.“
Demjenigen von Marikas Beratern, den Sonea am meisten hasste, verschlug es für einen Moment die Sprache. Anscheinend hatte er nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet.
„Jeden Yeel kann man zähmen“, erklang eine andere Stimme.
Sonea fuhr herum.
„Am Ende gehorchen sie alle.“ Ein dünnes Lächeln umspielte Ishakas Mundwinkel. Er machte einen Schritt auf sie zu. Sonea wich unwillkürlich zurück und stieß gegen einen unsichtbaren Widerstand. Sie wollte ausweichen, doch dann war Divako neben ihr und schnitt ihr den Fluchtweg ab. Zu ihrer anderen Seite war das Mauerwerk des Tempels und so war sie ihm und Ishaka, die sie beide um mehr als einen Kopf überragten, völlig ausgeliefert.
„Wenn der König dich nicht für sich beansprucht hätte, hätte ich dich genommen.“ Ishaka strich über ihre Wange und ihre Lippen. Dann fasste er unerwartet grob ihr Kinn. „Sari wünscht sich schon lange eine Bettgespielin. Und was würde ihren Ansprüchen mehr genügen, als Marikas ehemalige Lieblingssklavin?“
Alles in Sonea schrie danach, sich seinem Griff zu entwinden, doch sie war wie erstarrt.
„Da müsstet Ihr aber viel Zeit investieren, um sie so weit zu zähmen“, sagte Divako. „Denn sonst tötet sie Euch im Schlaf.“ Seine Hand umschloss ihren Nacken. „Aber wenn Ihr wollt, könnte ich das für Euch erledigen. Ich weiß, wie man mit unwilligen Sklaven am besten umgeht. Danach wird sie Euch keine Probleme mehr bereiten.“
Nach allem, was Sonea an diesem Tag in seinen Gedanken gesehen hatte, glaubte sie ihm aufs Wort. Ihre Faust ballte sich um den Speicherstein im Ärmel ihrer Robe, während sie fieberhaft nach einem anderen Weg suchte, den beiden Ashaki zu entkommen. Sie wollte diese Auseinandersetzung nicht durch Gewalt beenden, denn das konnte die Verhandlungen in Gefahr bringen und würde zweifelsohne den Zorn der Duna erregen. Und sie wollte nicht die Erste sein, die damit begann. Sie würde ihre Magie nur einsetzen, um sich zu verteidigen.
„Nur zu“, forderte sie Divako auf. „Wenn Ihr unbedingt wie Marika enden wollt, kann ich dem gerne nachhelfen.“
„Ich denke“, begann Ashaki Ishaka nachdenklich, „das mit der Zähmung kann ich selbst erledigen. Eure Methoden sagen mir nicht gerade zu und ich fürchte, sie würden unseren kleinen Yeel am Ende noch rebellischer machen.“
„Eure stille Arroganz hat schon immer bis in die Ödländer gestunken, Ashaki Ishaka“, zischte Sonea. „Ihr haltet Euch wohl für etwas ganz Besonderes?“ Bevor der Ashaki den Mund öffnen konnte, um etwas zu darauf zu erwidern, entriss Sonea sich seinem Griff mit einem Trick, den Cery ihr einst gezeigt hatte, und fuhr herum zu seinem Begleiter. „Und Ihr seid so schmierig wie eh und je, dass es mich wundert, wie Marika und sein Nachfolger Euch nur in seiner Nähe ertragen können.“
Divakos Gesicht verfinsterte sich. „Was meint Ihr, Ishaka? Wird es nicht langsam Zeit, diesem kleinen Yeel zu zeigen, wo sein Platz ist?“
„Da gebe ich Euch vollkommen recht.“
„Was geht hier vor?“
Zwei Frauen hatten den Säulengang betreten und betrachteten die Ashaki missbilligend. Asara und Zalava.
Soneas Herz machte einen Sprung.
„Nur eine kleine Unterhaltung zwischen alten Bekannten“, sagte Ishaka glatt.
Zalava hob fragend eine Augenbraue. „Unter einer kleinen Unterhaltung verstehe ich etwas anderes“, sagte sie. „Wenn der Imperator davon erfährt, wird er nicht erfreut sein, dass seine Abgesandten die Regeln der Diplomatie verletzt haben.“
Die beiden Ashaki ließen von Sonea ab.
„Der Imperator würde uns belohnen, wenn wir diese Verhandlungen nicht nur in seinem Sinne beenden, sondern ihm auch noch die Königsmörderin bringen“, sagte Divako, woraufhin Ishaka ihm einen scharfen Blick zuwarf.
„Da wäre ich an Eurer Stelle nicht so sicher.“ Die Verräterin betrachtete Divako missbilligend. „Ich könnte mir vorstellen, dass insbesondere Ihr Kachiro früher oder später unbequem werdet. Was Eure Kenntnisse als Kriegsmeister angeht, so seid Ihr ersetzbar.“
Da hatte sie gar nicht so unrecht, wusste Sonea. Divako hatte noch nie mit Intelligenz brilliert. Zwei Jahre zuvor war er noch Marikas Finanzmeister gewesen, doch selbst darin hatte ihn Marikas Leibwächter übertroffen. Sonea erinnerte sich daran, wie sie eines Nachmittags im Palastgarten gesessen und das sachakanische Steuersystem diskutiert hatten, nachdem er sie vor Marikas P’anaal gerettet hatte. Ivasako war nun der neue Finanzmeister, während Divako nur Kriegsmeister geworden war, weil Kachiro einen militärischen Berater brauchte.
Asara war neben sie getreten. „Lady Sonea, geht es Euch gut?“, fragte sie eine Hand auf Soneas Arm legend.
Sonea nickte, obwohl ihr das Herz noch immer bis zum Hals schlug und ihre Hände feucht und zittrig waren. „Sie sind nicht wichtig genug, um diese Art von Aufmerksamkeit von mir verdient zu haben“, sagte sie hart.
Asara betrachtete sie mitfühlend. „Da habt Ihr völlig recht.“
„Ihr solltet jetzt gehen“, teilte ihre Schwester den beiden Ashaki mit. „Eure Anwesenheit wird in der Nähe unserer Quartiere nicht gerne gesehen. Meine Schwestern könnten noch auf die Idee kommen, Ihr wärt für den Mordanschlag auf Auslandsadministrator Dannyls Eskorte in den Ödländern verantwortlich.“
Die beiden Ashaki warfen einander vielsagende Blicke zu und entfernten sich. Die Schritte ihrer Stiefel hallten zwischen den Säulen wider.
„Kommt“, sagte Asara sanft. „Wir begleiten Euch zu Eurem Quartier.“
„Das ist sehr freundlich von Euch“, erwiderte Sonea. „Und ich stehe in Eurer Schuld. Doch das ist nicht nötig. Ich finde den Weg alleine.“
„Wir haben denselben Weg“, erinnerte die Verräterin. „Wir kommen mit bis zu unserem Wohnbereich. Nur für den Fall, dass sich noch mehr von Ishakas und Divakos Sorte hier irgendwo verstecken.“
Sonea verzog das Gesicht. Sie fand, sie brauchte keine Eskorte, doch auf eine zweite Begegnung dieser Art konnte sie getrost verzichten. Wären die beiden Frauen nicht zufällig vorbeigekommen, wäre es früher oder später zum Einsatz von Magie gekommen.
„Dann lasst uns gehen“, sagte sie. Sie wollte nichts als zurück in ihr Quartier.
Sie verließen den Säulengang und traten in den kleinen Steingarten, um den sich die Quartiere der Verräter und der Gilde befanden.
„Ich gehe baden“, erklärte Zalava. „Es wird Zeit, den Staub der Wüste abzuwaschen.“
Asara lachte. „Wir sehen uns später, Liebes.“ Sie wandte sich zu Sonea. „Wenn Euch etwas bedrückt und Ihr jemanden zum Reden braucht, der nicht zu Euren konservativen Landsleuten gehört, könnt Ihr jederzeit auf mich zukommen.“
Sonea betrachtete sie überrascht ob des spontanen Angebots. „Das ist sehr großzügig von Euch, Asara“, erwiderte sie. „Doch ich denke nicht, dass das nötig ist. Ich komme klar.“
„Das bezweifle ich nicht“, sagte die andere Frau. „Doch sollte sich das eines Tages ändern, so zögert nicht, meine Hilfe anzunehmen.“
Sonea nickte nur und wandte sich zu ihrem Quartier. Mit letzter Kraft belegte sie die Tür mit einem magischen Schloss, dann glitt sie den Rücken gegen das Holz gelehnt zu Boden. Sie zog die Beine an die Brust, legte ihre Arme darüber und bettete ihren Kopf darauf. Mit einem Mal war ihr Elend übermächtig. Sie war wieder die verängstigte Sklavin, die trotz ihrer blockierten Kräfte sich jenen widersetzte, denen sie gehorchen sollte.
Damals bei ihrer Flucht aus Arvice hatte sie sich geschworen, sich nie wieder so schwach und hilflos zu fühlen. Doch Ishaka und Divako war genau das gelungen. Wie sollte sie den Abend überstehen? Wie sollte sie ihnen am nächsten Tag wieder unter die Augen treten?
- Sonea, was ist passiert?
Sie zuckte zusammen. Sie fühlte sich ertappt, weil er sie in einem Moment der Schwäche erwischt hatte, und fand sich zugleich albern, weil sie sich vor ihm für nichts zu schämen brauchte.
- Nur eine kleine Begegnung mit alten Bekannten, sandte sie. Nichts, was dich beunruhigen müsste.
- Du bist weit fort in einem fremden Land und unter Menschen, die dir feindlichen gesonnen sind, entgegnete er. Wie sollte ich da nicht besorgt sein?
- Warum hast du mir dann vorhin nicht geholfen?
- Weil ich eine Diskussion mit Tayend und Lord Sarrin geführt habe. Ich habe den Aufruhr deiner Gefühle erst danach wahrgenommen, doch da warst du bereits in deinem Quartier. Ich spioniere dir nicht hinterher, Sonea.
- Es tut mir leid, ich wollte dich nicht anfahren.
- Das hast du nicht. Erzähl mir, was los ist.
Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf.
- Nein. Es ist nicht der Rede wert. Was gibt es bei dir Neues? Wie seid ihr mit den Schilddieben vorwärtsgekommen?
- Wir haben vielleicht eine Möglichkeit gefunden, sie zu realisieren. Doch ich würde zuerst deine Meinung dazu hören.
Obwohl Sonea glaubte, dass nichts auf dieser Welt sie in diesem Augenblick weniger interessierte, entschied sie, das hören zu wollen. Und so berichtete Akkarin ihr, was er mit Dannyls Gefährten und dem ehemaligen Oberhaupt der Alchemisten herausgefunden hatte.
- Wir werden in den nächsten Wochen einige Versuchsreihen starten, schloss er. Und dann wird sich zeigen, ob unsere Theorie richtig ist.
- Sie klingt auf jeden Fall sehr plausibel, sandte Sonea. Aber das hatten sie bei den Speichersteinen auch wieder und wieder geglaubt. Ich finde, ihr solltet es versuchen. Aber sagt mir bescheid, wenn es soweit ist. Ich würde gerne zusehen.
- Ich werde dich zusehen lassen, versprach er. Seine Präsenz veränderte sich, als er fortfuhr: Aber das ist noch nicht alles. Tatsächlich wollte ich dich deswegen später noch rufen.
Das, was er mit seinen Worten sandte, löste eine erwartungsvolle Neugier in ihr aus.
- Was ist es?
Das hier.
Er sandte ihr eine Folge von Bildern, die Sonea fast das Herz zerrissen. Lorlen, wie er über den Boden in seinem Zimmer krabbelte, sein Stoffharrel lag in dem Sessel, in dem Akkarin zu sitzen pflegte, wenn er sich Zeit für seinen Sohn nahm. Sonea beobachtete, wie ihr Sohn darauf zu krabbelte, seine Hände griffen nach oben, doch sie waren zu kurz, um sein Kuscheltier zu erreichen. Und dann zog er sich an dem Sessel empor.
Sie hielt den Atem an.
Lorlen griff nach seinem Stoffharrel und wandte sich strahlend um.
„Komm her“, hörte sie Takans Stimme.
Lorlen kicherte. Dann machte er, seinen Harrel an sich gedrückt, ein paar Schritte nach vorne, dann knickten seine Beine um.
„Bu!“, machte er noch immer strahlend.
„Das hast du gut gemacht“, hörte sie Takans Stimme. Dann sah sie wie seine Arme nach dem Baby griffen und es emporhoben und die Erinnerung brach ab.
- Er ist gelaufen, sandte Sonea fassungslos.
In Akkarins Stimme schwang ein Stolz mit, den Sonea nur in den wenigen Situationen erlebt hatte, in denen er sie als Novizin gelobt hatte.
- Ja.
- Warum hast du mich nicht gerufen, als es passiert ist?
- Ich war selbst nicht dabei. Beim nächsten Mal werde ich dich rufen.
Natürlich. Wäre auch er dabei gewesen, hätte sie die Erinnerung aus seiner Sicht und nicht durch Takans Blutjuwel gesehen. Ihre Augen begannen zu brennen und etwas Heißes lief ihre Wangen hinab, als Schmerz und Sehnsucht mit einem Mal übermächtig wurden.
- Oh Akkarin, ich will nach Hause!, sandte sie.
- Ich vermisse dich auch, erwiderte er.
- Gib Lorlen einen Kuss von mir.
- Das werde ich. Wir werden diese Zeit überstehen, wir waren schon länger getrennt.
- Wir haben Schlimmeres durchgemacht.
- Ja.
Nachdem sie ihr Gespräch beendet hatten, blieb Sonea noch eine Weile auf dem Boden vor ihrer Tür sitzen und kämpfte gegen die Tränen an. Dann trocknete sie ihre Augen, erhob sich und begann damit, sich auf den Abend vorzubereiten.
***
Von seinem Platz auf der Tribüne hatte Regin einen ausgezeichneten Blick auf die Arena. Es geschah selten, dass er hier saß. Meistens stand er auf ihrem sandigen Boden und kämpfte oder – seit neustem – unterrichtete. An diesem Abend fand jedoch kein magischer Kampf in der Arena statt. Sechszehn Novizen duellierten einander mit Schwertern beaufsichtigt von nur zwei Kriegern.
Ursprünglich war der Kurs nur von einem Krieger unterrichtet worden, doch der Krieg und die erste Novizin, die sich seit Generationen für diese Disziplin entschieden hatte, hatten für eine wahre Revolution des Wahlpflichtfachs für Krieger gesorgt. Neben beinahe sämtlichen Novizen, die Kriegskunst als Disziplin gewählt hatten, hatten auch angehende Heiler und Alchemisten daran Gefallen gefunden. Insgesamt nahmen drei Mädchen daran teil, darunter Nastia.
Doch sie waren nicht der Grund, warum Regin den Unterricht beobachtete.
Mit dem Läuten zum Ende des Abendunterrichts hob Lord Kerrin eine Hand. Die Novizen ließen ihre Schwerter sinken. Regin beobachtete, wie sie diese an ihre Lehrer zurückgaben und zum Portal eilten. Regin erhob sich von seinem Sitz und verließ die Tribüne. Als er sich dem Portal näherte, kamen ihm die Novizen entgegen. Fast alle waren aus Lord Balkans Klasse.
Als sie Regin erblickten, grüßten sie ihn respektvoll und eilten dann auf die Novizenquartiere zu, die Mädchen kicherten, als sie ihn passierten, und Nastia warf ihm einen schmachtenden Blick zu.
Ein selbstgefälliges Lächeln aufsetzend schritt Regin durch das Portal in die Arena.
„Guten Abend, Lord Kerrin!“, rief er, als er die Sandfläche betrat. „Lord Iskren.“
Die beiden Krieger, die gerade dabei waren, die Übungsschwerter in einer Box zu verstauen, hielten inne.
„Lord Regin“, sagte Regins ehemaliger Schwerkampflehrer überrascht. „Was führt Euch her? Ein kleines Duell vielleicht?“
„Die Idee ist verlockend, aber nicht heute“, lehnte Regin ab. „Ich werde jedoch bei Gelegenheit gerne darauf zurückkommen.“ Er lächelte sein charmantestes Lächeln. „Tatsächlich hatte ich gehofft, Euch für mein neustes Projekt begeistern zu können.“
Lord Iskren hob fragend die Augenbrauen. „Was für ein Projekt ist das?“
„Lord Vorels letzte Strategie.“
„Die Strategie, die ihn das Leben gekostet hat?“
„Es war nicht die Strategie, sondern die Sachakaner, die das bewirkt haben.“ Das Gefühl von Stolz war überwältigend, als Regin fortfuhr: „Lord Vorels Idee war brillant, doch es war nicht abzusehen, dass einer der Sachakaner mit unseren eigenen Waffen angreift. In den vergangenen Wochen habe ich mich dieser Strategie gewidmet und sie weiter ausgefeilt. Der nächste Schritt wäre ein Test in einer realen Umgebung, die Ähnlichkeit mit einem Berggelände hat.“
„Das hört sich alles ganz vielversprechend an“, sagte Lord Kerrin. „Aber wo wollt Ihr so eine Umgebung hernehmen?“
„Der Steinbruch“, antwortete Regin. „Die Bedingungen dort sind nicht genau wie im Hochgebirge, doch für unsere Zwecke sollte es vorerst genügen.“
„Mir ist noch nicht ganz klar, wozu Ihr uns dabei braucht.“
„Die Tests sollen ihm Rahmen unseres wöchentlichen Duells gegen den Hohen Lord stattfinden. Um die Übung im Steinbruch durchführen zu können, sollten möglichst viele von uns dazu bereit sein, daran teilzunehmen.“
„Ich kann mir zwar noch nicht vorstellen, dass Vorels Idee gegen die Sachakaner funktionieren soll“, sagte Iskren, „aber ich wäre dabei.“
„Ich begrüße Eure Entscheidung.“ Regin sah zu dem Schwertkampflehrer. „Und wie steht Ihr dazu?“
„Lord Vorel war ein ausgezeichneter Krieger“, sagte Lord Kerrin. „Wenn Ihr Euch seiner letzten Strategie annehmt, dann kann daraus nur Gutes entspringen.“
„Ich danke Euch“, wollte Regin sagen, war jedoch abgelenkt, als er eine große Gestalt in grünen Roben und eine etwas kleinere in Novizenroben und tennblonden Zöpfen aus dem Dome trat.
Was haben sie dort gemacht?, fuhr es ihm durch den Kopf. Gestern Abend sind sie in den Wald verschwunden, und jetzt das?
„Lord Regin?“
Regin zuckte zusammen. Kerrin und Iskren starrten ihn verwirrt an.
„Bitte entschuldigt“, sagte er zu den beiden Kriegern. „Ich war nur gerade mit den Gedanken woanders.“
„Bei dem Dorfheiler?“, fragte Kerrin mit einem feixenden Blick zu Dorrien und seiner Novizin.
„Ich frage mich die ganze Zeit, was er hier tut“, erklärte Regin. „Ich hatte ihn erst zu den Sommerprüfungen zurück erwartet.“
„Vielleicht hatte er Sehnsucht nach seiner kleinen Hirtentochter“, überlegte Iskren. „Ihr unterrichtet sie doch während Lady Sonea in Duna verweilt. Was wisst Ihr über die Beziehung der beiden?“
„Nicht mehr und nicht weniger als der Rest der Gilde auch“, antwortete Regin. Aber er ahnte, dass da mehr war. Vianas Reaktion auf Dorrien und dessen finstere Blicke neulich in der Arena ließen Verliebtheit und Eifersucht vermuten. Allerdings hatte der Dorfheiler auch eifersüchtig auf Sonea und Akkarin reagiert. „Viana ist eine fleißige Novizin. Während der letzten Wochen hat sie nicht den Eindruck erweckt, Sehnsucht nach ihrem Mentor zu haben.“
„Aber Ihr glaubt, dass mehr dahinter steckt“, unterstellte Lord Kerrin.
Regin tat als sei er überrascht. „Wie kommt Ihr darauf?“, fragte er unschuldig.
„Nun, so wie Ihr den beiden hinterher gestarrt habt, könnte man fast meinen, Ihr habt selbst ein Auge auf das Mädchen geworfen“, bemerkte Iskren.
„Sie ist die Tochter eines Reberhirten!“, sagte Regin verächtlich. „Allein sie zu verführen würde Schande über mein Haus bringen.“ Er betrachtete die beiden Krieger empört. Glaubten sie wirklich, er würde sich in ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen verlieben? Nun, seine beste Freundin stammte aus den Hüttenvierteln und er hatte seine ersten sexuellen Erfahrungen mit Flavia gesammelt – vielleicht war die Idee unter diesem Aspekt gar nicht so abwegig.
Lord Iskren lachte so unterdrückt, dass es einem albernen Kichern gleichkam. „Womit bewiesen wäre, dass Ihr nicht wegen Viana an den beiden interessiert seid.“
Mit einem vielsagenden Blick verschränkte Regin die Arme vor der Brust. „Selbst, wenn es so wäre, was interessiert Euch das?“
„Ihr erinnert Euch noch an die Beschwerde, die wir über Lord Dorrien bei den höheren Magiern eingereicht haben?“
Regin nickte. Das Thema war im Abendsaal lebhaft diskutiert worden. Darüber hatte er sogar den Zorn von Dorriens Vater auf sich gezogen, was ihn jedoch reichlich wenig kümmerte. Er hatte Lord Rothen mit seinen friedfertigen und weltverbesserlichen Ansichten nie sonderlich leiden können. Soweit er wusste, war die Beschwerde der beiden Krieger schließlich an das Oberhaupt der Heiler weitergeleitet wurden, welches versprochen hatte, Dorrien einen Tadel zu erteilen.
„Sein Verhalten während des Wiederaufbaus dieses Bergdorfes war für die Gilde schlichtweg nicht tragbar. Er hat uns wie Hafenarbeiter behandelt und nicht wie Krieger, die dazu beigetragen haben, dass die Sachakaner nicht noch mehr als dieses Dorf verwüstet haben.“ Lord Iskren entfuhr ein leises Schnauben. „Es hatte den Eindruck, als würde er uns die Schuld an der Verwüstung geben.“
„Hat Lady Vinara sich dieser Sache denn nicht angenommen?“, fragte Regin. „Ich meine gehört zu haben, dass sie deswegen ziemlich verärgert war.“
„Doch, das hat sie“, antwortete Lord Kerrin. „Aber wir finden nicht, dass ein Tadel Bestrafung genug ist.“
Würde er eurem Haus angehören, würdet ihr schreien, dass seine Strafe noch zu hart sei, dachte Regin sich an einen Fall erinnernd, der kurz vor Beginn seines Studiums für Aufruhr innerhalb der Gilde und der Häuser gesorgt hatte. Jener Magier aus Haus Maron war für Erpressung und Freiheitsberaubung zum Nordpass versetzt worden, wo er bei der Invasion der Ichani getötet worden war.
Kerrin und Iskren sind nicht besser als Fergun, dachte Regin. Doch sein Onkel hatte ihn gelehrt, sich seine Mitstreiter unter jenen zu suchen, die die gleichen Ziele verfolgten. Und wenn dies zwei nur wenig magisch talentierte Krieger aus Haus Maron waren, dann sollte es wohl so sein. Sie hatten Garrel unterstützt, sie würden auch ihn unterstützen.
„Nun, an einen abgelegenen Ort kann sie ihn nicht mehr versetzen“, sagte er. „Und seine Sklaventreiberei ist nicht schwerwiegend genug, dass härtere Strafen gerechtfertigt wären.“
„Oh, wir wollen auch nicht, dass er härter bestraft wird“, erwiderte Lord Iskren mit einem liebenswürdigen Lächeln. „Eine Lektion würde uns bereits genügen.“
Regin lächelte dünn. Eine Lektion würde auch ihm gelegen kommen. Denn dafür ärgerte er sich bereits zu lange über den Dorfheiler. Und er fand, die Gilde sollte ihn nicht damit durchkommen lassen, dass er eine offensichtliche Affäre mit seiner Novizin hatte. Es war ähnlich wie damals bei Sonea und Akkarin. Die Magier verschlossen die Augen, weil die Wahrheit für ihre beschauliche Welt zu entsetzlich war. Also brauchten sie jemanden, der ihnen die Augen öffnete.
„Wie gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung, was zwischen Lord Dorrien und Viana abläuft“, sagte er. „Aber das heißt nicht, dass man es nicht herausfinden kann.“
***
Von einer lähmenden Furcht erfüllt, die sich wie eine kalte Faust in Soneas Magen zusammenballte, klopfte sie an diesem Abend sachte gegen Dannyls Tür. Nur wenige Augenblicke später hörte sie Schritte, und der Auslandsadministrator stand vor ihr.
„Bist du bereit?“, fragte er.
„Das sollte ich wohl lieber dich fragen“, erwiderte Sonea mit einem schiefen Lächeln. Sie warf einen Blick auf den juwelenbesetzten Dolch an ihrer Hüfte und den Beutel. Obwohl sie ihre Bedenken hatte, inwiefern dieser ihr im Ernstfall nützen würde, fühlte sie sich ein wenig sicherer, wenn sie ihn dabei hatte.
„Ich habe mich so gut aufgehübscht, wie das mit einer Robe möglich ist“, erwiderte ihr Freund mit einem Grinsen. Dahinter konnte Sonea jedoch Anzeichen von Anspannung erkennen. Der bevorstehende Abend behagte ihm ähnlich wenig wie ihr.
„Komm“, sagte er ihr den Arm reichend.
Sonea hing sich daran und sie schritten über den Säulengang bis zur nächsten Treppe. Ivara und Lahiri schlossen sich ihnen in einigen Schritt Entfernung an, so lautlos, dass nicht mehr viel gefehlt hätte, dass Sonea ihre Sinne ausstrecken musste, um den Klang ihrer Stiefel zu hören.
Die Sonne war in einem Flammenmeer untergegangen und der Himmel leuchtete in den kräftigsten Rot- und Purpurtönen. Als sie den Tempel verließen, bot sich Sonea ein noch besserer Blick auf den Himmel.
Wie muss das erst in der Wüste aussehen?, fuhr es ihr durch den Kopf. Selbst auf ihrer Reise nach Yukai hatte sie keinen solchen Himmel gesehen.
Zwischen den hohen Felsen brachte ein frischer Wind Bewegung in die Luft, die Sonea noch immer als viel zu warm empfand. Vom Himmel war jetzt nur noch ein schmaler Streifen zu sehen, der von einem leuchtenden Rot an dem einen Ende zu einem dunklen Blau am anderen Ende wurde. Das Lager der Duna begrüßte sie mit kleinen, leuchtenden Feuern vor den Zelten, vor denen Menschen saßen und ihr Abendmahl einnahmen. Die Stoffbahnen am Eingang des größten Zeltes waren zurückgeschlagen und boten Blick auf ein gemütliches Innere. In der Mitte des Raumes waren mehrere Sitzkissen in einem Kreis angeordnet. Auf dem Kissen gegenüber vom Eingang saß Kriegsherr Arikhai umringt von seinen beiden Frauen und sah ihnen entgegen. Neben ihnen entdeckte Sonea den betagten Gelehrten Mirakhi.
Die beiden Verräter verschmolzen irgendwo mit den Schatten.
„Guten Abend, Kriegsherr Arikhai“, grüßte Dannyl die Fäuste vor der Brust gekreuzt. Sonea beeilte sich, es ihm gleichzutun.
„Auslandsadministrator Dannyl und Lady Sonea“, erwiderte Arikhai mit höflicher Distanziertheit. „Kommt herein und setzt Euch. Das Abendmahl wird gleich gebracht. Möchtet Ihr vorab vielleicht ein wenig Marrakh?“
Sonea und Dannyl tauschten einen Blick. „Sehr gern“, erwiderte Dannyl und auch Sonea nickte.
Arikhai winkte einen Sklaven herbei und befahl etwas in seiner harten Sprache. Während Sonea und Dannyl sich auf zwei nebeneinanderliegende Kissen niederließen, verließ der Sklave das Zelt und kehrte wenig später mit einem Krug aus Ton zurück.
„Das ist die Milch, die unsere Pferde abgeben, wenn sie Junge haben“, erklärte Arikhai, während der Sklave zwei Becher mit einer weiß-bläulichen Flüssigkeit befüllte. „Wir sammeln sie in Krügen, die wir im Wüstensand vergraben, damit sie gärt.“
Dannyl nahm seinen Becher entgegen. „Das hört sich sehr faszinierend an“, sagte er interessiert. Sonea konnte jedoch spüren, dass ihm die Vorstellung, das zu trinken, nicht behagte. Und auch sie konnte sich bessere Getränke als vergorene Milch vorstellen.
„Mein Volk liebt dieses Getränk“, sagte der Kriegsherr. „Unsere Kinder bekommen es, sobald ihre Mütter keine Milch mehr geben.“
„Ist es denn nicht schädlich für sie?“, fragte Sonea. „Soweit ich weiß, hat vergorene Milch eine berauschende Wirkung.“ Weswegen ich gleich aus zweierlei Gründen nicht davon trinken sollte …
„Das ist richtig, doch es macht unsere Kinder zu kräftigen und starken Kriegern.“
Das wagte Sonea zu bezweifeln, doch sie wusste es besser, als zu argumentieren. Sie wollte Arikhai nicht verärgern, indem sie seine Kultur in Frage stellte. Die Duna, die sie bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte, machten allesamt nicht den Eindruck, in irgendeiner Weise geschädigt zu sein.
Nachdem Arikhai auf den Erfolg der Konferenz getrunken und auch Dannyl seine Marrakh probiert hatte, nippte sie vorsichtig an ihrem Becher. Kaum, dass ein wenig der vergorenen Flüssigkeit in ihren Mund gelangt war, breitete sich ein beißender und bitterer Geschmack in ihrem Mund aus, und sie musste sich bemühen, nicht das Gesicht zu verziehen.
„Und?“, fragte Arikhai, nachdem sie probiert hatten. „Was haltet Ihr von dem Getränk meines Volkes?“
„Ein ungewohnter, aber interessanter Geschmack“, sagte Dannyl ernsthaft.
Der Duna blickte zu Sonea.
„Ich fürchte, dieses Getränk sagt mir nicht zu“, antwortete sie. „Ich hoffe, Ihr könnt mir das verzeihen, Kriegsherr Arikhai.“
Zu ihrer Überraschung nickte der Kriegsherr. „Nicht jedem Fremden sagen unsere Speisen und Getränke zu. Manchmal muss man der Marrakh ein paar Versuche geben, weil der Geschmack sehr gewöhnungsbedürftig ist, wenn man sie nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat.“ Er wies zu Soneas Becher. „Kann mein Sklave Euch stattdessen etwas anderes bringen? Wein? Wasser? Saft?“
Auch wenn Sonea alles für ein Glas Saft gegeben hätte, wollte sie Arikhais Sklaven keine Umstände machen. „Wasser wäre wunderbar.“
Kaum, dass sie das Gewünschte erhalten hatte, kamen weitere Sklaven und brachten das Abendessen und arrangierten es zwischen den Duna und ihren Gästen auf dem Boden. Sonea erblickte Fleischspieße, grobgemahlenes Brot, getrocknete Früchte und kleine herzhafte Kuchen, die mit einem merkwürdig aussehenden Getreide gebacken waren, von dem Arikhai erklärte, dass es in der Wüste wachse, wenn man wusste, wo man danach suchen musste.
Das Essen war einfach, aber köstlich, wie alles, was Sonea bis jetzt in Yukai gegessen hatte. Während die Mahlzeiten im Tempel für gewöhnlich größtenteils der sachakanischen Küche entsprungen waren, war das Abendessen, das Arikhais Sklaven ihnen servierten, duna. Sonea glaubte, den Sand und die Sonne aus den Speisen herauszuschmecken. Jedes Gericht hatte eine ganz besondere Würze, obwohl die Küche der Duna weitgehend ohne Gewürze auskam.
„Wie sind die Speisen?“, erkundigte sich Arikhai, nachdem sie ihren ersten Hunger gestillt hatten.
„Einfach hervorragend“, sagte Dannyl und Sonea nickte bestätigend.
„Bei einer guten Mahlzeit lässt es sich am besten verhandeln, hat mein Vater immer gesagt.“ Arikhai griff nach einem zweiten Fleischspieß und lehnte sich auf seinem Kissen zurück. „Hunger macht einen Krieger aggressiv und unbesonnen.“
„Und da muss ich ihm zustimmen.“ Dannyl brach sich ein Stück von einem der herzhaften Kuchen ab. „Was genau wünscht Ihr, mit mir zu erörtern?“
„Zwei Dinge“, antwortete Arikhai. „Doch ich würde es vorziehen, das wichtigere Anliegen zuerst zu besprechen.“
„Sprecht“, forderte Dannyl ihn auf. „Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass Lady Sonea und ich alles vertraulich behandeln werden.“
Arikhais schwarze Augen huschten flüchtig zu Sonea, dann nickte er. „Es geht um die Bedingungen, die ich an einen Frieden habe“, begann er. „König Marika hat meinem Volk die Herrschaft über die Aschenwüste zugesprochen. Er hat meinem Vater zudem das Wort gegeben, nach einem Sieg über die Gildenmagier und die Verräter meinen Stamm dabei zu unterstützen, die restlichen Stämme aus der Aschenwüste zurück nach Norden zu treiben.
„Seit wir für das Imperium kämpfen, hat mein Volk jedoch zu viele Verluste erlitten. Mein Stamm hat Schwierigkeiten, sein eigenes Gebiet zu halten, die Herrschaft über die komplette Aschenwüste ist momentan unmöglich geworden. Als mein Vater sich mit Marika verbündet hat, war nicht abzusehen, dass dieser Krieg so fatal für uns verlaufen würde. Das Imperium schien seinen Gegnern überlegen, doch der Mord an meinem Vater, seinen Sandreitern und nahezu einhundert Ashaki in einer Nacht, hat das Machtgefüge verändert. Inzwischen muss mein Volk darum fürchten, dass Kachiro das Wort seines Vorgängers nicht halten kann. Uns gehört die Aschenwüste, doch unser Besitzanspruch ist so flüchtig wie der Wind, wenn wir ihn nicht geltend machen können.“
Dannyl nickte langsam. „Also wollt Ihr, dass ich Euch dabei helfe, die Herrschaft über die Aschenwüste zu erlangen?“
„Ja“, antwortete Arikhai. „Dieser Krieg hat mein Volk nahezu ruiniert, es war ein Fehler, sich ihm anzuschließen. Doch nachdem mein Vater und seine Sandreiter heimtückisch im Schlaf ermordet wurden, blieb meinem Volk keine Wahl, als ihren Tod rächen zu wollen. Die Mörder sind noch immer nicht bestraft worden, dafür sind viele tapfere Krieger der Duna gestorben.“ Er sah zu Sonea. „Ich weiß, Euer Mann war an dem Massaker beteiligt, doch als Mann von Ehre sollte er sich uns stellen und für seine Taten geradestehen. Dasselbe gilt für die an dem Überfall beteiligten Verräter.“
Woher habe ich nur gewusst, dass das kommt?, dachte Sonea. In jener Nacht hatte Akkarin einige Duna getötet, darunter möglicherweise auch Karami. Erfahren würden sie das vermutlich nie und sie begriff, dass es keine Rolle spielte. Mit einem Mal verspürte sie Panik und Hilflosigkeit. Akkarin war ein Mann von Ehre. Wenn Arikhai verlangte, dass er sich für seine Taten verantwortete, dann würde er das tun.
„Kriegsherr Arikhai“, sprach Dannyl. „Ich bin überzeugt, der Hohe Lord wird sich bei Euch in aller Form für den Tod Eures Vaters entschuldigen.“
„Ich will keine Entschuldigung.“ Arikhais Augen funkelten hart. „Ich will Vergeltung.“
„Die Gilde ist bereit, Wiedergutmachung zu leisten. Wir haben Mittel und Wege, Euch dabei zu helfen, dass ihr erhaltet, was Kachiro Euch nicht geben kann.“
- Sag ihm, dass ich bereit bin, ihn zu einem persönlichen Gespräch zu treffen.
Sonea zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Akkarin sie beobachtete, doch es hätte sie gewundert, hätte er es nicht getan. Und sei es nur aus einem übertriebenen Beschützerinstinkt, weil sie kaum eine Stunde zuvor noch so aufgelöst gewesen war.
- Bist du des Wahnsinns?, entfuhr es ihr.
- Ich wäre wahnsinnig, würde ich die Konfrontation meiden. Und jetzt sag es ihm.
Unwillig gab Sonea Akkarins Worte weiter.
„Und wann und wo soll das sein?“, fragte der Kriegsherr. „Will er dafür nach Yukai kommen?“
„Er schlägt ein Treffen an einem der Pässe zu Kyralia vor, wenn diese Konferenz zu Ende ist“, antwortete Sonea. „Der Hohe Lord ist ein vielbeschäftigter Mann und hat viele Angelegenheiten in der Gilde zu regeln, weswegen er der Gilde nicht lange fernbleiben kann.“
„Ist er deswegen nicht mitgekommen?“, fragte Taki.
Sonea nickte. „Ich stehe jedoch per Blutjuwel mit ihm in Verbindung. Ich kann Euch seine Worte weitergeben.“
„Nicht nötig“, winkte Arikhai ab. „Ich ziehe eine persönliche Begegnung vor. Sollte er nicht zu meiner Zufriedenheit reagieren, werde ich ihn zu einem Duell herausfordern.“
Sonea sog entsetzt die Luft ein. Akkarin gegen einen wilden Duna-Krieger? Das konnte doch niemals gutgehen!
- Darauf wirst du dich nicht einlassen, sandte sie.
- Die Duna sind ein kriegerisches Volk, antwortete ihr Mann. Wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Konflikt zwischen der Gilde und Arikhais Volk zu lösen, dann soll es so sein.
- Aber …, begann sie.
- Sonea, versuch nicht, es mir auszureden, ermahnte er sie streng. Ich repräsentiere die Gilde. Ich muss mich für das, was ich damals getan habe, verantworten, auch wenn es im Krieg geschehen ist. Und was diese Nacht betrifft, so muss ich mich für Savaras Taten ebenfalls verantworten.
Und damit würde er die Verantwortung für den Tod der meisten Duna, die damals im Palast residiert hatten, übernehmen. Sie wollte protestieren, doch dann begriff sie, dass es um Ehre und das Zeigen guter Absichten ging.
- Du könntest dabei sterben, wandte sie dennoch ein.
- Das ist unser Berufsrisiko, entgegnete er mit einem Anflug von Erheiterung.
Sie verdrehte innerlich die Augen. Das war wieder einmal typisch.
„Der Hohe Lord ist zu einem Duell bereit, sollte sich Euer Anspruch nicht auf diplomatischem Wege lösen lassen“, sagte sie.
„Euer Hoher Lord ist ein sehr weiser und ehrenhafter Mann“, sprach Arikhais ältester Berater.
Taki und Yui bedachten Sonea mit einem neugierigen Blick. „Ist er so groß, wie sein Ruf?“, fragte Yui.
„Ich weiß nicht, wie groß sein Ruf außerhalb der Verbündeten Länder ist, doch ich halte ihn für einen sehr großen Mann“, antwortete Sonea vorsichtig.
„Kriegsherr Arikhai, wärt Ihr bereit, diesen Teil Eurer Forderungen mit dem Hohen Lord der Magiergilde persönlich zu diskutieren, so dass wir uns bis dahin Euren anderen Forderungen widmen können?“, fragte Dannyl.
Arikhai nickte. „Das soll mir recht sein.“ Seine Augen blitzten zu Sonea. „Sollte er sein Wort brechen, so haben wir seine Frau.“
„Ich denke nicht, dass ich Eure Geisel bin“, sagte Sonea hart. „Akkarin wird sein Wort nicht brechen, dafür verbürge ich mich.“
Mirakhi beugte sich zu seinem Anführer und sprach leise auf Duna auf ihn ein. Arikhai nickte knapp und sah dann wieder zu Sonea. „Mein Berater hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass unklug wäre, eine Kriegerin als Pfand zu benutzen, die nicht unserem Volk angehört.“
Sonea erschauderte. Die Duna nicht mehr zum Feind zu haben, war wichtiger, als die persönlichen Konsequenzen eines solchen Handels. „Wenn es sein muss und er sein Wort brechen sollte, werde ich nicht eher nach Kyralia zurückkehren, als bis er sich eines Besseren besinnt. Doch ich erwarte, dass Ihr mich als Euren Gast behandelt. Meine Heilkünste bekommt ihr für die Dauer meines Aufenthalts gratis dazu.“
Dannyls Augen weiteten sich. Er berührte ihren Arm.
- Was wird das, Sonea?
- Arikhai soll wissen, dass er auf mein und Akkarins Wort vertrauen kann. Ich weiß, diese Form der Diplomatie ist ungewohnt für dich, doch ich weiß ein wenig über die Denkweise der Duna, seit ich in Arvice war.
- Es macht Sinn, doch ich weiß nicht, ob ich das gutheißen kann.
Sonea widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Warum versuchten nur immer alle, sie zu beschützen? Es war ein Risiko, das sie eingehen musste. Und sie tat es bereitwillig. Für Kyralia und für die Gilde.
Arikhai hat weder vor, mich zu töten, noch mich zu seiner Sklavin zu machen oder den Imperialisten auszuliefern, sandte sie mit mehr Zuversicht, als sie verspürte. Tatsächlich war das nur eine wilde Annahme, die sie auf Grund von Arikhais durchweg ehrenhaften Charakter gemacht hatte. Arikhai wird uns nichts tun. Würde er es darauf anlegen, würden wir Yukai ohnehin nicht mehr lebend verlassen. Selbst die Waffen, die ich mitgenommen habe, würden uns dagegen nicht viel nützen.
Sie konnte Dannyls Unbehagen spüren.
- Wenn nötig, könnten wir uns vielleicht hier herauskämpfen, sandte sie daher. Mit einem guten Plan. Sollten wir jedoch gegen alle unsere Feinde zugleich kämpfen müssen, würde es schlecht aussehen.
- Dann hoffe ich, dass es nicht soweit kommt.
Sonea richtete ihren Willen wieder auf ihr Blutjuwel.
- Bist du mit meinem Angebot einverstanden?
- Es gefällt mir nicht, aber ich habe keine Einwände.
- Denkst du mir gefällt, dass du dich in wenigen Wochen vielleicht mit einem wilden Duna duellierst?, gab sie zurück.
„Lady Sonea“, sagte Arikhai in die Stille, die sich im Zelt ausgebreitet hatte. „Euer Mut ist bewundernswert und solltet Ihr gezwungen sein, Euer Wort zu halten, so könnt Ihr gewiss sein, dass mein Volk und ich Euch als eine unserer Kriegerinnen behandeln werden, ohne Euch unsere Sitten aufzuzwingen oder Euch in Feinseligkeiten mit den Feinden meines Stammes zu involvieren. Die Duna respektieren Kriegerinnen im Gegensatz zu manch anderen Völkern und nach allem, was man über Euch hört, habt Ihr Euch diesen Respekt wahrhaftig verdient.“
„Wir würden Euch gerne willkommen heißen und Euch die Zeit, die Ihr von Eurem Mann getrennt wärt, so angenehm wie möglich machen“, fügte die ältere seiner beiden Frauen hinzu. Yui indes schenkte Sonea ein hinreißendes Lächeln.
Sonea schluckte. Sie hatte nicht mit so viel Warmherzigkeit gerechnet und bei dem Gedanken, vielleicht noch länger von Akkarin getrennt zu sein, wurde ihr schwer ums Herz. Aber das war immer noch besser, als die Sklavin von Ishaka oder Divako zu werden.
„Kriegsherr Arikhai, habt Ihr weitere Anliegen, bei denen ich meine Hilfe anbieten kann?“, fragte Dannyl.
„Die Aschenwüste ist meinem Volk genug. Wir hatten kein Interesse an diesem Krieg, wir haben uns nur daran beteiligt, weil wir darin eine Chance sahen, die Aschenwüste endlich ganz zu unserem Territorium zu machen. Abgesehen von dem Mord an meinem Vater, seinen Frauen und seinen Beratern, möchte ich diesen Krieg nicht zu einer persönlichen Angelegenheit machen.“
Und damit hat er den anderen Parteien einiges voraus. Und Sonea befand, dass die Duna weniger barbarisch waren, als ihre Lebensweise implizierte. Ihre Ansichten zeigten zudem, dass sie sich vielleicht mit ihnen einigen konnten, womit die Sachakaner irgendwann alleine dastehen würden.
***
Dannyl konnte noch immer nicht glauben, was da soeben passiert war. Obwohl sie ein halbes Jahr als Marikas Sklavin gelebt hatte, hatte Sonea sich soeben den Duna als Pfand angeboten, sollte Akkarin sein Wort brechen. Auch wenn er nur erahnen konnte, dass sie das tat, um das kriegerische Wüstenvolk von der Ehrenhaftigkeit der Gilde zu überzeugen, so konnte er ihre Entscheidung nicht gutheißen.
„Ich werde Euer Anliegen unterstützen und bin überzeugt, dass es auch im Sinne unserer Verbündeten ist“, sprach er zu Arikhai gewandt, darum bemüht, kein Drama aus ihrer Entscheidung zu machen.
Der Anführer des mächtigsten Duna-Stammes der Aschenwüste nickte. „Außer dem Massaker von Arvice hegen wir keinen Groll gegen die Verräter. Wir sehen in ihnen einen würdigen Gegner. Menschenleben sind so flüchtig, wie Wüstensand. Es ist eines ehrenhaften Kriegers nicht würdig, Konflikte über Jahrhunderte zu pflegen, so wie Sachaka es tut.“
„Zudem können Kinder nicht an dem schuld sein, was ihre Eltern getan haben“, fügte Dannyl hinzu. „Aber wenn der Wunsch nach Vergeltung so tief verwurzelt ist, verfällt er auch nicht mit dem Tod. Doch diese Denkweise lässt sich nur schwerlich ändern, wenn sie bereits über so viele Generationen existiert.“
„Die Verräter könnten den Krieg gegen uns weiterführen wollen“, wandte Yui ein. „Sofern“, sie verzog das Gesicht, „sie sich nicht gerade für Arikhais Sandreiter interessieren.“
„Die Anführerin der Verräter ist eine der intelligentesten und weisesten Menschen, die ich kenne“, sagte Dannyl. „Sie trägt nicht nach und ist bereit zu verzeihen.“ Außer bei ihren eigenen Leuten, fügte er für sich hinzu. Doch Savedra musste ihre Töchter mit derart gnadenloser Hand führen, wenn die Verräter gegen die Ashaki bestehen und ihre Ziele weiterhin verfolgen und leben wollten. Sie hatte auch Kachiros Angebot angenommen, so wie sie sich zu allem bereit erklären würde, das ihrem Volk bei der Erfüllung seiner Aufgaben half.
„Bei meinem Volk wird die Attraktivität eines Mannes an seiner Stärke und seiner Tapferkeit im Kampf bemessen“, sprach Arikhai. „Es spricht für meine Krieger, wenn die eine oder andere Verräterin sich zu ihnen hingezogen fühlt und es zeugt von einer gegenseitigen Akzeptanz.“
„Es ist in jedem Fall eine gute Grundlage“, stimmte Dannyl zu. „Nichtsdestotrotz sehe ich zu viel Misstrauen und Vorurteile zwischen den Parteien und zu wenig Bereitschaft, beides abzulegen.“
Sich auf seinem Kissen zurücklehnend nippte Arikhai an seiner Marrakh. „Mein Vater sagte einst: ’Lerne deinen Gegner kennen, bevor du dich auf ihn einlässt.’ Als Junge dachte ich immer, dass er damit den Kampf meint, doch inzwischen glaube ich, er hat dies auch auf alle anderen Situationen bezogen.“
„Euer Vater war ein sehr weiser Mann“, erwiderte Dannyl.
Ein versonnenes Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Anführers. „Das war er in der Tat.“
„Ich habe sämtliche mir verfügbaren Informationen über die Teilnehmer dieser Konferenz vor ihrem Beginn eingeholt“, sagte Dannyl nach den länglichen, purpurfarben bis braunen exotischen Trockenfrüchten langend, die die Duna Kabi nannten. „Und ich nehme an, die anderen Parteien haben dies auch getan. Jeden Tag nehmen wir gemeinsam unsere Mahlzeiten ein und diskutieren über Stunden, doch solange dieses Misstrauen herrscht, werden wir uns immer nur streiten.“
Arikhai nickte langsam. „Am besten lernt man seinen Gegner kennen und verstehen, in dem man mit ihm gegen einen anderen Gegner kämpft“, sagte er. „Das kann sogar dazu führen, dass man in ihm keinen Gegner mehr sieht.“
Nicht zum ersten Mal war Dannyl von der Persönlichkeit dieses Mannes beeindruckt. Trotz seiner Jugend war er wahrhaftig ein guter Anführer. Allerdings wuchsen die Kinder der Duna ganz anders auf als kyralische oder sachakanische Kinder. Sie lernten früher Magie und sie wurden schneller erwachsen.
„Aber die Teilnehmer dieser Konferenz haben keinen gemeinsamen Feind außer Uneinigkeit“, entgegnete Dannyl. „Es gibt kein Volk, das uns alle bedroht. Wie also sollen wir uns gegen einen Gegner einen?“
„Indem wir etwas tun, bei dem wir uns einig sind.“ Taki beendete ihre Mahlzeit, stellte ihren Becher ab und streckte sich auf ihrem Kissen aus. Sie und ihr Mann tauschen einen Blick. Arikhai nickte kaum merklich, dann sah die junge Frau zu Dannyl und Sonea. „Etwas, das uns zwingt, zusammenzuarbeiten.“
„Und was schwebt Euch davor?“, fragte Dannyl.
„Eine Jagd“, antwortete Taki wie selbstverständlich. „Die richtige Zeit hat zwar bereits vor zwei Monden begonnen, doch in diesem Teil der Wüste leben kaum Duna. Die Chancen stehen gut, dass wir Glück haben.“
„Ich verstehe noch nicht ganz“, sagte Dannyl, während Sonea neben ihm leicht die Luft einsog.
Er berührte ihr Handgelenk.
- Du weißt, worum es geht?
- Das glaube ich zumindest, antwortete sie. Aber ich dachte immer, es wäre nur eine Kreatur aus Enrasa.
Sonea hatte ihm von dem Kartenspiel erzählt, das sich in Sachaka so großer Beliebtheit erfreute. Dannyl spürte, wie seine Neugier wuchs.
„Ihr werdet es bald verstehen. Und ich gehe davon aus, dass es Euch und Lady Sonea, aber auch den anderen Delegierten gefallen wird“, sprach Arikhai.
„Den Ashaki möglicherweise nicht“, murmelte Yui, während sie ihren Kopf auf Arikhais Schoß bettete. „Oder jenen, die es noch bis vor kurzem waren.“
„Soweit ich weiß, gehen auch Ashaki hin und wieder auf die Jagd“, sagte Sonea. „Wobei sie eher Enka und Jari jagen als das, was Euch vorschwebt.“
Arikhais erste Frau unterdrückte ein Kichern. „Das würde bedeuten, dass es sehr interessant werden könnte! Ich bin gespannt, wie Ashaki Takiro sich schlägt.“
Ihr Mann warf ihr einen mahnenden Blick zu. Die beiden wechselten einige Worte auf Duna, die in Dannyls Ohren so harsch klangen, wie der Rest ihrer Sprache. An der Körpersprache der beiden konnte er jedoch ablesen, dass dem Anführer der Scherz nicht gefiel.
„Also, Auslandsadministrator.“ Arikhai strich über das glatte schwarze Haar seiner kleinen Zweitfrau. „Wollt Ihr die Jagd morgen vor den Delegierten verkünden, oder würdet Ihr vorziehen, dass ich es tue?“
„Ich schlage vor, wir tun es gemeinsam.“ Dannyl leerte seinen Becher und stellte ihn ab. „Und gehen damit mit gutem Beispiel voran.“
„Ihr seid ein großer Mann, Auslandsadministrator Dannyl. Ihr mögt kein Krieger im eigentlichen Sinne sein, doch Euer Mund ist Eure vernichtendste Waffe.“
Dannyl lächelte schief. „Dann wollen wir hoffen, dass diese Waffe mächtig genug ist, um diesen Krieg zu beenden.“
„Die Chancen darauf sind für den Frieden allein durch Euren Einsatz gestiegen.“ Arikhai zog nun auch seine erste Frau zu sich. „Doch vielleicht sollten wir zunächst die Details klären.“
Erfreut und von Tatendrang erfüllt rieb Dannyl sich die Hände. „Das ist eine wundervolle Idee.“
Ein breites, silbernes Band von Sternen glitzerte zwischen den schwarzen, gezackten Rändern der Schlucht, als sie das Zelt des Duna-Kriegsherrn verließen und zum Tempel zurückgingen. Die Nacht war eisig und so hatte Dannyl einen Wärmeschild um sich und Sonea errichtet. Die kleine schwarze Magierin hatte sich an seinen Arm gehangen, die Verräter-Eskorte folgte ihnen in einigem Abstand wie zwei stille Schatten.
„Bei Akkarin fühlt sich das immer so steif und unpersönlich an“, hatte Sonea einmal gesagt. „So, als würde es nicht zu uns passen. Doch mit dir ist es genau richtig.“ Darüber wie es sich für eine Frau anfühlte, sich bei einem Mann einzuhaken, hatte Dannyl sich noch nie Gedanken gemacht. Er konnte sich indes an keine Frau erinnern, die ihr Missfallen dagegen offen gezeigt hatte. Die Hand des anderen zu nehmen war so viel persönlicher, was Soneas Abneigung gegen das Einhaken bei Akkarin vermutlich erklärte.
„Arikhai ist nicht nur ein guter Gastgeber, er wäre auch ein hervorragender Partner, um auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten“, sagte Dannyl auf Kyralisch. „Zu schade, dass er kein Interesse an dauerhaften Allianzen hat.“
„Die Duna sind ein Nomadenvolk“, sagte Sonea. „Bündnisse und Versprechen existieren so lange, wie sie es brauchen oder der Frieden zwischen zwei Stämmen anhält. Sie sind noch sehr viel kriegerischer als die Ichani. Mit dem Unterschied, dass sie Ehre besitzen.“
„Ist das der Grund, warum du dich als Pfand angeboten hast?“
Sie sah zu ihm hoch. „Nein. Aber ich vertraue seinem Wort, Dannyl.“
Wollen wir trotzdem hoffen, dass es nicht dazu kommt, dachte er.
Sie betraten den Tempel. Die Schritte ihrer Stiefel hallten durch die Eingangshalle und begleitete sie auf ihrem Weg durch den Tunnel, dessen Inschrift Arikhais ältester Berater Dannyl für den nächsten Abend zu erklären versprochen hatte. So sehr Dannyl davon noch immer fasziniert war, so wenig waren seine Gedanken jetzt damit beschäftigt.
„Sonea, ich habe deinen Mut und deine Entschlossenheit schon immer bewundert“, sagte er vorsichtig. „Aber ich kann es nicht gutheißen.“
„Ich würde es selbst dann tun, wenn der Hohe Lord es verbietet“, entgegnete sie stur.
Dannyl starrte sie an. „Akkarin hat es dir erlaubt?“, entfuhr es ihm.
„Es steht im Augenblick wohl kaum in seiner Macht, es zu verhindern, nicht wahr?“, erwiderte sie mit einem ironischen Lächeln.
Nein, das tat es nicht. Trotzdem war Dannyl nicht einverstanden. Während er noch darüber nachdachte, was er ihr sagen sollte, erreichten sie den Felsenkessel. Sie grüßten Asara, die Wache hielt, und umrundeten den Säulengang.
Vor ihrem Quartier hielt Sonea inne. „Dannyl.“ Ihre Stimme war leise, aber nicht weniger eindringlich. „Ich will, dass du mir eine Frage beantwortest.“
Dannyl nickte bedeutungsvoll zu ihrer Eskorte, die sich daraufhin zurückzog. „Frag.“
In der Stille der Dunkelheit konnte er ihren tiefen Atemzug hören. „Bist du überhaupt damit einverstanden, dass ich dich nach Yukai begleitet habe?“
So wie sie die Frage gestellt hatte, schien sie dies ernsthaft zu beschäftigen. Stirnrunzelnd überlegte Dannyl, wie er ihr die Antwort am besten beibringen konnte, ohne von ihr zu Asche verbrannt zu werden.
„Es bedeutet mir sehr viel, dass du trotz deiner Vorgeschichte mit mir gekommen bist“, sagte er. „Jemand anderes hätte die Aufgabe übernehmen können, doch niemand würde sich besser eignen als du. Deine Gesellschaft ist die meiste Zeit über sehr angenehm und nicht selten auch erheiternd. Ich kann dir Dinge anvertrauen, über die ich nicht einmal mit Rothen sprechen würde. Du bist für mich zu einer Freundin geworden, Sonea.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, du bist mehr als das.“
Das Weiß in ihren Augen leuchtete in der Dunkelheit. „Das ist wundervoll Dannyl“, sagte sie hingerissen. „Aber wo ist das Aber?“
„Das Aber ist, dass ich dir befohlen hätte, zuhause zu bleiben, hätte ich die Macht gehabt, es zu verhindern.“
Ihr entfuhr ein entnervtes Stöhnen. „Warum müssen mich alle immerzu wie ein junges Harrel behandeln?“
„Weil wir dich lieben, Sonea.“ Dannyl griff nach ihrer Hand und drückte sie leicht. „Weil wir nicht wollen, dass dir ein Leid geschieht.“
„Leid zu durchleben ist eines der Risiken, die man als Verteidiger der Gilde auf sich nehmen muss“, entgegnete sie hart. „Ich habe bereits den Albtraum meines Lebens durchlebt. Ihn ein zweites Mal zu durchleben, schreckt mich nicht.“
Auf Anhieb fielen Dannyl mindestens ein Dutzend Argumente ein, wieso eine Wiederholung von Arvice für sie noch entsetzlicher sein könnte, doch er blieb still. Er wusste, wann alle Diplomatie versagte. Und Sonea war zuweilen sturer als alle Delegierten zusammen. Sogar Akkarin scheiterte an ihr, wenn es darauf ankam, obwohl er der Einzige zu sein schien, dem Sonea bereitwillig gehorchte. Dann begriff er jedoch den wahren Grund für seine Sorge. Und sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen.
„Bitte entschuldige“, sagte er. „Ich will dir deine Eigenständigkeit nicht nehmen, noch will ich der übermäßig beschützende große Bruder sein. Aber manchmal erinnerst du mich zu sehr an Bessia. Und dann denke ich, ich könnte mein Versagen von damals wiedergutmachen.“
„Du hast nicht versagt, Dannyl“, flüsterte Sonea. „Du warst nicht einmal dort. Und vielleicht hättest du nicht einmal etwas tun können.“
„Vielleicht“, stimmte Dannyl zu. „Trotzdem fühlt es sich so an.“
„So hat es sich auch angefühlt, als ich Akkarin für tot hielt.“ Sie hielt inne und er konnte nur erahnen, was in ihr vorging. „Dabei war ich nicht einmal in der Nähe. Es tat weh zu begreifen, dass ich nichts hätte tun können. Ich habe es nur ausgehalten, indem ich mein altes Leben hinter mir ließ.“
Was erklärte, warum sie so schnell darüber hinweggekommen war. Doch Dannyl war sein halbes Leben vor sich selbst weggelaufen. Das wollte er nicht wiederholen.
„Ich bewundere, dass es dir gelungen ist. Falls du ein paar gute Ratschläge hast, nehme ich sie gerne an.“
Sonea neigte den Kopf zur Seite. „Wenn ich dir helfen kann, immer gerne.“
„Danke“, erwiderte er. „Eine Frage würde ich dir jedoch gerne noch stellen, wenn ich darf.“
Sie hielt inne. „Welche?“
„Warum, Sonea?“
Die kleine schwarze Magierin sah zu ihm auf. In ihrem Blick lag eine solche Verwüstung, dass Dannyl augenblicklich erschauderte. „Weil es mir vielleicht hilft, über Arvice hinwegzukommen“, flüsterte sie.
* Kabi – eiförmige, sehr süße Frucht, die bevorzugt getrocknet verspeist wird.
Fragen zum Kapitel
Hat Sonea mit ihrem Ausbruch während der Verhandlungen recht? Haltet ihr das für eine gute oder schlechte Idee?
Mit dem Wissen aus diesem Kapitel: Was oder wer glaubt ihr steckt hinter den Auslieferungsforderungen, die schon früher aufgetaucht sind?
Über wen regt ihr euch gerade mehr auf? Dorrien oder Regin und warum? :D
Könnte Soneas Ausbruch bei den Verhandlungen dafür gesorgt haben, dass die Ashaki ihr auflauern? Würdet ihr sagen, dass das anschließende Gespräch mit Akkarin hilft?
Was haltet ihr von den Ergebnissen des Gesprächs zwischen Asara und Savedra in Bezug auf den Anschlag und die Verschwörung der Ashaki?
Wie schätzt ihr Arikhai und die Duna nach dem Abendessen mit Dannyl und Sonea ein? Glaubt ihr, dass er gegenüber Sonea sein Wort halten würde, sollte es soweit kommen?
Im nächsten Kapitel werden weitere Forderungen gestellt, ein Charakter kann das Spionieren nicht lassen und ein anderer begeht einen folgeschweren Fehler …