Die Bürde der schwarzen Magier III - Das Heiligtum von Yukai
von Lady Sonea
Kurzbeschreibung
Anderthalb Jahre nach dem Massaker von Arvice ist Sonea noch immer gebrochen von ihrer Erfahrung mit Marika. Sachaka steht derweil gebeutelt von Kämpfen am Rande des Ruins. Als die Situation eskaliert und Kyralia erneut in Gefahr gerät, sind sich die Anführer der Kriegsparteien einig, dass nur noch Verhandlungen den Konflikt beenden können. Als Vermittler fordern sie den Mann, dessen Ruf sich bis über die Grenzen der Verbündeten Länder hinaus verbreitet hat: Auslandsadministrator Dannyl. Gegen den Willen des Hohen Lords entscheidet Sonea, Dannyl zum Ort der Verhandlungen, einem alten Tempel in der Wüste von Duna, zu eskortieren. Doch die Konferenz wirft ihre Schatten voraus und das nicht nur, weil Sonea sich wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sieht. Schon bald bemerken sie und Dannyl, dass jede Partei ihr eigenes Spiel spielt, und sie müssen die richtigen Verbündeten finden, um zu die drohende Katastrophe zu verhindern …
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Mix
Hoher Lord Akkarin
Lord Dannyl
Lord Dorrien
Lord Rothen
Regin
Sonea
02.08.2016
04.06.2019
56
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Dieses Kapitel
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02.08.2016
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Prolog
Nahezu lautlos tanzte die Schreibfeder über das erlesene Papier und hinterließ elegante Schnörkel in Schwarz, die sich zu Buchstaben, Silben und Wörtern zusammenfügten. Ohne die perfekt ausbalancierte Feder aus Parraholz, einer Spitze aus Gold und einem ebenso goldenen Gegengewicht am anderen Ende des Stils, wäre das Ergebnis weitaus weniger beeindruckend, wusste Ivasako.
Takiros Empfehlung ist ihr Gold wahrhaftig wert, dachte er. Einige Jahre zuvor hatte der Berater des Imperators ihm die Manufaktur, die einer seiner Freunde unter den Stadt-Ashaki betrieb, empfohlen, und ebenso lange bezog Ivasako seine Schreibfedern von dort. Rückblickend fand er jedoch, dass er nicht einmal, als er noch Einladungen zu den großen Festen seines Meisters geschrieben hatte, für die Qualität und ihren nicht gerade geringen Preis so dankbar gewesen war, wie jetzt. In seinen Händen war die Schreibfeder willig wie eine junge Sklavin und schenkte ihm mühelos jedes Schriftbild, das er sich wünschte.
Jetzt nur noch die Unterschrift, dachte er, nachdem er den letzten Satz verfasst hatte. Obwohl er als Verwalter des Palastes und Finanzmeister des Imperators täglich die verschiedensten Unterschriften zu Gesicht bekam und sich diese genau eingeprägt hatte, empfand er das als die größte Herausforderung. Ein frisches Blatt zur Hand nehmend, tauchte er seine Feder erneut in das Tintenfass und wiederholte den vertrautgewordenen Schriftzug mehrfach, bis ihn das Ergebnis überzeugte.
Dann tauchte er die Feder erneut in das Tintenfass und signierte den Brief. Nach einem kleinen Teil seiner Magie greifend ließ er die Tinte trocknen, dann faltete er den Brief zusammen und steckte ihn in einen Umschlag. Der Wachsstift begann zwischen seinen Fingern zu schmelzen, und noch während er darauf starrte, fielen drei dicke Tropfen auf das Pergament. Ivasako griff nach dem Stempel und drückte das Cravas, das Zeichen des sachakanischen Königshauses, tief in das Wachs. Es war das erste Mal nach langer Zeit, dass sich dieser Akt wieder richtig anfühlte.
Eine grimmige Befriedigung verspürend, legte er den Brief auf den Stapel mit zwei Dutzend Briefen an verschiedene Ashaki, die Antworten des Imperators auf deren Anliegen oder Bestellungen von Wein und Delikatessen enthielten. Den Bogen mit den Unterschriften warf er in Schale aus Keramik. Noch während er darauf starrte, ging das Pergament in Flammen auf.
Die Tür flog auf und ein kleiner Junge von fast neun Jahren stürmte in sein Büro. Yakari, der sich vor Ivasakos Füßen zusammengerollt hatte, bewegte sich und fauchte leise ob der Störung. „Ihr habt mich gerufen, Meister Ivasako?“, rief der Junge freudig und warf sich zu Boden.
Ivasako schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er Jorika ermahnt hatte, ihm nicht auf diese Weise seinen Respekt zu erweisen, so wie er vergessen hatte, wann er seine Versuche aufgegeben hatte.
„Dein Blutjuwel ist aus meinem Blut und niemand außer dir kann es berühren“, sagte er amüsiert. „Wer sonst sollte nach dir gerufen haben?“
Jorika blinzelte verwirrt, dann begann er zu grinsen.
„Steh auf“, sagte Ivasako. „Ich habe einen Auftrag für dich.“
Sein kleiner Assistent strahlte unvermittelt. „Was soll ich tun, Meister Ivasako?“
Ivasako wies auf den Stapel mit Briefen. „Liefere die Briefe aus. Diejenigen, die an Ashaki außerhalb von Arvice gehen, überbringst du unseren Kurieren, die übrigen kannst du selbst verteilen. Inzwischen solltest du wissen, wer wo wohnt.“
„Wird sofort erledigt, Meister Ivasako!“, rief Jorika. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“
Ivasako lächelte. Er öffnete eine Schublade seines Schreibtischs und zog eine verzierte Holzschachtel heraus. „Hier“, sagte er und warf dem Jungen zwei Silberstücke zu. „Auf dem Rückweg darfst du dir dafür etwas auf den Märkten kaufen.“
Geschickt fing Jorika die Münzen auf und ließ sie in der Hosentasche seiner Uniform verschwinden. Dann griff er mit einem leicht durchtrieben Grinsen die Briefe und eilte nach draußen.
Zeit fürs Morgenmahl, dachte Ivasako, nachdem sich die Tür hinter seinem kleinen Assistenten geschlossen hatte. Er verschloss sein Tintenfass und belegte die Schublade mit der Geldschatulle mit einem magischen Schloss.
„Komm, Yakari“, sagte er.
Der P’anaal kam unter dem Schreibtisch hervor und streckte sich. Dann trottete er auf weichen Pfoten hinter Ivasako nach draußen.
Ein kalter Wind blies ihm entgegen, kaum dass er durch das Eingangsportal des Palastes trat und die Stufen hinab in den Hof eilte. Er warf einen Blick zum Himmel. Graue Wolken jagten dunkel und Regen verkündend vom Meer heran, wie eine stumme Erinnerung, dass noch immer Winter war und die vergangene Woche nur einen vagen Vorgeschmack auf den Frühling gebracht hatte.
Der Palastmeister seufzte leise. Nichts war, wie es sein sollte. Der Krieg ging bald in sein drittes Jahr. Das Ziel, das einst in greifbarer Nähe gewesen war, schien sich mit jedem Tag weiter zu entfernen. Die vermeintlichen Gegner hatten sich als mächtiger und wehrhafter erwiesen und Sachaka war wieder einmal dabei, sich selbst zu ruinieren.
Und der Mann, der all das hätte richten können, war tot.
Schaudernd schlang er die Arme um den Leib, dann schuf er einen Wärmeschild um sich und wandte sich zu dem prachtvollen Gebäude am Rande des Palasthofes.
Er fand sie im Raum des Meisters auf einem Hocker, das lange schwarze und mit winzigen Perlen verzierte Haar fiel offen über ihre entblößten Schultern, die das einzige Stück Haut waren, die das dunkelrote Gewand offenbarte. In ihren Händen hielt sie eine Nähnadel und ein Stück Stoff, das nach einem Teil für ein neues Kleid aussah.
Wenn sie näht, ist sie so konzentriert, wie wenn sie Vyer spielt, fuhr es Ivasako durch den Kopf. In solchen Momenten fand er sie schöner denn je.
Als sie seine Schritte hörte, hob Ienara den Kopf. „Ich habe mich schon gefragt, ob Ihr mich verhungern lasst, Palastmeister“, sagte sie mit einem leicht spöttischen Unterton.
„Niemals“, erwiderte er ernsthaft. „Ich hielt es nur für besser, zunächst die heutige Post abzuarbeiten.“
Ienara legte ihre Näharbeit beiseite und erhob sich. „Damit du mehr Zeit für das Wesentliche hast?“
„Genau“, sagte er und schlang einen Arm um ihre Taille. Für einen kurzen Augenblick genoss er ihre Nähe, als sie sich an ihn schmiegte. „Ich dachte, das wäre in deinem Sinne.“
„Da du schon fort warst, als ich heute Morgen aufgestanden bin, ja.“
Obwohl sie beide daran gewöhnt waren, früh aufzustehen, übertraf Ivasako sie darin oft. Er zog es vor, seine Arbeit dann zu erledigen, wenn der Palast noch ruhig war. Anders als vor Ienara nahm er das Morgen- und Abendmahl jedoch nicht mehr allein an seinem Schreibtisch ein, sondern kehrte dazu zur Cachira zurück.
„Aber ich muss dich vorwarnen“, sagte er augenzwinkernd, „ich muss nachher wieder arbeiten.“
„Wann musst du das nicht?“ Ienara wies zu dem niedrigen Tisch in der von zwei Diwanen und mehreren Hockern gesäumten Sitzecke. „Setzt dich und lass uns essen, bevor du wieder weg musst.“
Bei dem Anblick der Kuchen, Früchte und der Karaffe mit duftendem Raka, spürte Ivasako, wie sein Magen zu rumpeln begann. Einen Arm um Ienara gelegt, schritt er zur Sitzecke und ließ sich auf einem Diwan ihr gegenüber nieder.
Wie gemacht, um Gäste zu empfangen und zu unterhalten, dachte er, während er eine kandierte Pachischeibe aß. Nur, dass der Palastmeister selten Gäste hat, weil alle Besucher des Palastes den Imperator aufsuchen. Dennoch war es eine gute Idee gewesen, den Raum, der einst der Aufenthaltsraum der Mädchen von Marikas Cachira gewesen war, zu renovieren, so dass Ivasako und seine kleine ’Familie’ dort ihre Zeit verbringen konnten und Ienara nicht andauernd daran erinnert wurde, was sie verloren hatte. Noch allzu lebhaft erinnerte Ivasako sich daran, wie er sie beinahe bekniet hatte, zu den Verrätern zu gehen und nicht den Rest ihres Lebens im Palast zu fristen, während die bloße Vorstellung, sie niemals wiederzusehen, ihm das Herz zerrissen hatte. Doch Ienara hatte entschieden, zu bleiben.
„Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht“, hatte sie gesagt. „Ich bin zu alt, um ein neues zu beginnen.“
Dafür hatte sie sich dem Letzten Willen ihres gemeinsamen Meisters umso bereitwilliger gebeugt. Obwohl sie offiziell Ivasakos Frau war, sah Ienara sich noch immer als Sklavin. Wie auch bei Jorika war Ivasako daran gescheitert, ihr das abzugewöhnen und so akzeptierte er es, hatte ihr jedoch das Versprechen abgerungen, sich ihm nur noch im Bett zu unterwerfen, weil er alles andere nicht ertragen hätte. Sie waren seit Marikas Tod frei und der Palastmeister sah keinen Grund, die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben wie Sklaven zu behandeln, wenn er selbst auch nach fünfzehn Jahren noch mit seiner eigenen Freiheit haderte. Unter Marika hatte er sich dieser Freiheit niemals stellen müssen. Sein Tod hatte jedoch alles verändert.
„Wo ist Jorika?“ Ienara langte nach dem Raka und schenkte ihnen beiden ein.
„Post ausliefern“, antwortete Ivasako.
„Hat er etwas gegessen?“
„Wenn er zwischendurch in den Küchen war, ja.“
Ienara bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick. „Du bist nachlässig“, bemerkte sie. „Er ist wie ein Sohn für uns.“
„Jorika mag mein Blutjuwel tragen, doch ich kontrolliere nicht jeden seiner Schritte“, stellte Ivasako richtig. „Er ist alt genug, um sich Essen zu besorgen, wenn er hungrig ist. Und solange er zum Abendmahl nach Hause kommt, werde ich ihm deswegen keine Vorschriften machen.“
Die Miene seiner Frau wurde säuerlich. Ivasako kannte diesen Gesichtsausdruck nur allzu gut. Mit diesem hatte sie sogar Marika die Meinung gesagt – und war damit jedes Mal durchgekommen. Allerdings war ihr Meister auch vernünftig genug gewesen, um einzusehen, wann er einen schwerwiegenden Fehler beging. Zumindest in den meisten Fällen …
„Ich habe ihm etwas Geld mitgegeben, dann kann er sich unterwegs etwas kaufen“, fügte er einen Schluck Raka trinkend hinzu.
Schlagartig veränderte sich der Ausdruck in Ienaras dunklen Augen.
„Auf den Märkten?“
Ivasako ließ die Tasse sinken.
„Ja.“
***
So, das war der Prolog. Ich hoffe, er hat euch gefallen. Kapitel 1 kommt am nächsten Dienstag und dann geht es wie gewohnt zweiwöchentlich weiter.
Abschließend noch ein paar Fragen für die Spekulanten unter euch:
Warum ist Ivasako so auf die Unterschrift fixiert?
Wieso fühlt es sich wieder richtig an, das Siegel des sachakanischen Königshauses zu benutzen?
Was glaubt ihr, was es mit den Märkten auf sich hat?