Leaves of Yggdrasil
Kurzbeschreibung
[Fortsetzung der TV-Serie THE SHANNARA CHRONICLES] **Vormals Red & Silver, Blue & Gold.** Nachdem Amberle zum Ellcrys wurde, kämpfen alle im Reich darum, die Scherben der Schlacht wegzukehren: so sucht Wil in Safehold nach Eretria, Ander muss sich dem königlichen Alltag stellen und Amberle schwankt zwischen Akzeptanz und Rebellion gegen ihr Schicksal. Und als Bandon sich als ernstzunehme Gefahr entpuppt, hilft nur noch ein Wunder, um einen erneuten Krieg zu verhindern...
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
21.05.2016
27.09.2016
12
25.868
4
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22.05.2016
1.691
Anmerkung: Bisher hatte meine Betaleserin noch keine Zeit zum Korrekturlesen, aber das ändert sich hoffentlich nächste Woche. Bei groben Schnitzern schreibt mir bitte eine Nachricht, damit ich sie schon mal bereinigen kann. Korrekturen werden nachträglich eingepflegt und gleichzeitig das nächste Kapitel hochgeladen.
Wil: Ellcrys & Aufbruch nach Safehold
Wils Kopf lag an Amberles Stamm. Er war alleine, den ganzen Tag schon. Niemand kam, um nach Amberle zu sehen. Der Schock saß tief, bei allen. Allanon war gegangen. Der Mond war aufgegangen und seine Strahlen verfingen sich in den roten Blättern des Baums, den Wil nicht mehr verlassen wollte. Die Feuer um ihn herum brannten in den Leuchtern und Feuerkörben und er war froh, allein mit Amberle zu sein.
Sie schwieg. Kein Wort, wenn er die Rinde des Baumes berührte. Kein Bild, kein Gedanke, nichts. Dabei hatte er sich sehnlichst gewünscht, noch einmal ihre Stimme zu hören, wenn auch nur in seinem Kopf. Oder sich der Versuchung hinzugeben, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Ihre erste Liebesnacht war noch keine zwei Tage her und er konnte nicht hinnehmen, dass es gleichzeitig auch die letzte war. Er hatte Amberle so sehr geliebt, er liebte sie immer noch.
Und jetzt stand sie vor ihm, nicht mehr aus Fleisch und Blut und Knochen, sondern aus Rinde, Harz und Blättern. Mit schweren Ästen und blutroten Knospen. Die Tränen brannten in seinen Augen, die Trauer und die Wut machten ihn unfähig, klar zu denken. Er wusste, er musste handeln. Irgendetwas tun. Nichts war für ihn schlimmer, als das Nichtstun. Hier zu sitzen und nicht ein oder aus zu wissen, machte ihn wahnsinnig. Seine Geliebte war ein verdammter Baum, Eretria war gefangen oder tot in Safehold.
„Amberle, sag mir doch, was ich tun soll“, flüsterte er, immer noch an den Stamm des Baumes gelehnt. Er zog einen Handschuh aus und legte seine linke Hand an den Stamm. Unter seiner Haut spürte er, wie die Rinde sich erwärmte. Erst dachte er sich nichts dabei, doch es wurde immer wärmer. „Amberle?“, fragte Wil leise und in ängstlicher Hoffnung. Er sah zu den Ästen hinauf. Der Wind war abgeflaut, es war beinahe ganz still. Aber es regten sich die ersten Blätter. Sie wiegten sich nicht in einer unsichtbaren Böe, sondern sie zitterten. Ganz leicht nur. „Amberle? Bist du das?“, Wil fragte jetzt drängender. Legte seine zweite Hand auf die Rinde.
Es war eindeutig. Unter seinen Händen erwärmte es sich. Die Blätter zitterten stärker, das Rauschen war nun deutlicher zu hören. Wil schoß es durch den Kopf, ein Bild von Amberle. Wie sie nachts frierend an einem Feuer saß, die Arme um sich geschlungen, eine raue Decke über den Schultern. Aber ein Baum fror doch nicht, oder etwa doch?
„Was kann ich für dich tun? Kannst du dich verständlich machen?“
Ich spreche mit einem Baum, großartig, dachte Wil im Stillen. Nein, er sprach mit seiner Freundin. Der Frau, die er liebte. Auch wenn sie ihm nicht mehr auf die Art und Weise antworten konnte, wie er es sich wünschte. Sie war dort drin, seine Amberle. Gefangen in einem Baum lebte ihre Seele und sie reagierte auf seine Berührungen. Einer Eingebung folgend stand Wil auf und legte seine Hände fester an den Stamm, lehnte seinen Oberkörper ebenfalls dagegen und drückte sein Ohr an die Rinde. Es rauschte darin, als würde er das Meer hören. Oder Blut, das durch Adern fließt. Er hörte es pumpen und arbeiten. Es fühlte sich gut an.
»Wil.«
Er hörte seinen Namen nicht. Er spürte ihn.
Und er wusste, dass Amberle mit ihm sprach. Nicht so, wie er es erwartet hatte, aber es war immerhin ein Anfang.
Die Visionen, die Amberle von ihrem Vorgänger erhalten haben musste, waren wahrscheinlich ähnlich gewesen. Wenn auch stärker. Er spürte das Flüstern wie einen Windhauch auf seiner Seele, ohne Bilder oder etwas anderes. Es war nur sein Name.
Ja, ich kann dich hören, gab er in Gedanken zurück und presste die Augen zusammen. Bitte, bitte, bitte, flehte er, ich muss mit ihr sprechen.
Die Antwort kam prompt. Wieder nur sein Name. Diesmal aber etwas lauter.
»Wil.«
Ihm traten die Tränen heiß und leidenschaftlich in die Augen. Seine Fingernägel gruben sich in die Rinde. Die Krone des Baumes zitterte einmal kurz. Von der Hitzigkeit seiner Gefühle erschrocken und aus Angst, Amberle verletzt zu haben, strich er über die Stellen, in die er seine Fingernägel gestoßen hatte. Aber statt des Gefühls, dass er ihr wehgetan hatte, schien es ihr zu gefallen.
Ein Bild zwang sich vor sein inneres Auge, ein Bild, das er selbst nicht heraufbeschworen hatte. Es war wie ein Blatt Papier, das jemand aus einem Buch gerissen hatte. Zusammenhanglos, schwer verständlich. Der Bildschnipsel wiederholte sich mehrfach, und schließlich sah Wil, was Amberle ihm zeigen wollte. Es war eine Erinnerung an den Sex, den sie gehabt hatten. Der Geschmack ihrer Haut brannte Wil auf der Zunge, so intensiv rauschte das Bild in ihm vorbei. Er konnte ihr Stöhnen hören. Es machte ihn schwindelig. Was machst du da?, dachte er. Verdammt, Amberle. Ich vermisse dich.
Ein Laut, der wie ein Lachen klang und ein Rauschen in den Ästen war die Antwort…
*
Die Entscheidung, nach Safehold zu reiten, hatte er beschlossen, schon bevor Amberle zu kommunizieren begonnen hatte. Doch jetzt war Wil sich sicher, dass er das einzig Richtige tat. Der schwarze Rappe, auf dessen Rücken er saß, legte ein ordentliches Tempo vor, aber er wusste, er würde dennoch mindestens zwei mal rasten müssen, um zu schlafen. Alleine loszureiten, war eigentlich keine gute Idee gewesen. Aber wen hätte er schon mitnehmen können?
Allanon war an Anders Seite geblieben und würde sich wahrscheinlich um den entflohenen Bandon kümmern, der jetzt vollkommen frei und diesem verdammten Schwert herumlief. Niemand wusste, was Bandon tun würde. Wil verstand, dass Allanon dort gebraucht wurde, wo es am ehesten brannte und das war eben nicht auf der wenig aussichtsvollen Reise nach Safehold, um ein Rover-Mädchen zu retten, das in den Augen des Druiden seine Schuldigkeit an der Welt getan hatte. Ob Wil jemals wirklichen, reinen Frieden mit Allanon schließen konnte, wusste er nicht.
Ander als König hatte jetzt einiges zu tun. Seine gesamte Familie war tot (oder ein Baum), ebenso war die Schwarze Wache ohne Commander. All das musste nun geklärt werden. Und sonst kannte Wil kaum jemanden vom Elfenvolk gut genug.
Wil Ohmsford umklammerte das Säckchen mit den drei blauen Elfensteinen, das er sich um den Hals gebunden hatte. Alles, was er jetzt hatte, war das Pferd, die Sterne und seine Verzweiflung. Nicht auch noch Eretria. Wenn er sie auch noch verlor, hatte er außer seinem Onkel Flick niemanden mehr. Und Onkel Flick durfte gar nicht erst erfahren, dass Wil ihn belogen und die Elfensteine behalten hatte. Er würde stinksauer sein, auch wenn Wil mitgeholfen hatte, die Welt von den Dämonen zu befreien. Wenn er Eretria gefunden hatte, (und sie noch lebte!) würde er sie nach Aborlon bringen, damit sie mit Amberle sprechen konnte. Das war es, was er wollte und auch Amberle.
Während die Erinnerung an seine ‚Nachtwache‘ beim Ellcrys nachdachte, bemerkte er die Dämmerung. Es war keine Siedlung weit und breit und er musste sich darauf gefasst machen, in einer Höhle oder im Gehölz Unterschlupf zu suchen.
Die Zeit war wie der Wind in seinem Haar an ihm vorbeigerauscht. Er musste sich nun beeilen.
*
Es war jetzt stockdunkel, glücklicherweise hatte Wil ein geschütztes Plätzchen gefunden. ER hatte dafür zwar den Pfad verlassen müssen, dafür konnte er sich nun aber in einer Höhle verstecken. Das Pferd, das er selbst Artac nannte, hatte er draußen angepflockt. Das Feuer, das er sich angezündet hatte, war nicht unbedingt groß, aber es spendete ihm Licht und Wärme. Die Trinkschläuche hatte er an einem Bächlein in der Nähe gefüllt. Sein abendliches Mahl bestand aus einem Brocken harten Käse und einer dicken Scheibe Graubrot. Es war sättigend und lag ihm schwer im Magen, als er sich schließlich sein Bett machte. Unter der Decke im Schein des Feuers sah er die Schatten an der Wand tanzen. Sie wirkten hypnotisierend und die Erinnerungen überfielen ihn erneut.
Amberle hatte zu ihm gesprochen. In Bildern. Und sie war in seinem Kopf, diese Stimme. Er spürte die Verbindung, auch wenn sie still war. Sie war da, ein Band war geknüpft worden zwischen ihm und dem Baum, in dessen Inneren Amberle nun… lebte? Lebte sie? Lebte ihr Körper? Oder was war damit passiert?
Bei dem Gedanken wurde Wil mulmig im Magen und er hoffte, das Abendessen würde dort bleiben, wo es sollte. Niemand wusste, was im Ellcrys geschah, außer den Erwählten. Und sie hatte es ihm nicht erzählt. Erzählen können. Sie war nun irgendwie in diesem Baum gefangen. In Wil schrie alles danach, sie von dieser Bürde zu befreien und der Gedanke war egoistisch. Amberle war nun die Barriere zwischen den Dämonen und den Vier Landen. Ohne sie würden die Dämonen erneut ausbrechen. Auch wenn sie ohne den Dagda Mor keine Galleonsfigur, keinen Führer mehr hatten, waren Dämonen immer noch gefährlich. Wil schwenkte die Elfensteine in seiner Hand. Und diese hier würden nur begrenzt helfen. Amberle, er und der letzte ihnen wohlgesonnene Druide bildeten die einzige erkennbare Front.
Und trotzdem wollte er Amberle wieder für sich haben. Sie berühren. Er sehnte sich nach ihr und der Gedanke jagte ihm die Hitze durch die Adern. Er hatte gesehen, an was Amberle sich erinnerte. Sie hatte in der letzten Nacht, als er bei ihr im Heiligtum gewesen war, nur seinen Namen gesagt, mehr konnte sie noch nicht artikulieren. Aber sie konnte ihm Erinnerungen zeigen. Gefühlte Erinnerungen. Sie erinnerte sich lebhaft. Wil starrte an die Decke seines Verstecks und sie wurde zur Leinwand für seine Fantasien. Unter dem Stoff seiner Hose wurde er steif und hart und so sehr er versuchte, sich nicht hinreißen zu lassen, konnte er nicht verhindern, dass er sich selbst dabei berührte, wenn er an Amberle dachte. Wie im Heiligtum einen Tag zuvor dauerte es nicht lange, bis er kam, sich dabei die Unterlippe blutig beißend.
Wird das nun mein Liebesleben sein?, dachte er, während er sich über die feuchte Stirn strich. Eine Fernbeziehung mit einem Baum?
Über diesen deprimierenden Gedanken schlief er ein und träumte von Safehold, dem Ort, an dem er Eretria hoffentlich lebend wiederfinden würde.
~
Wil: Ellcrys & Aufbruch nach Safehold
Wils Kopf lag an Amberles Stamm. Er war alleine, den ganzen Tag schon. Niemand kam, um nach Amberle zu sehen. Der Schock saß tief, bei allen. Allanon war gegangen. Der Mond war aufgegangen und seine Strahlen verfingen sich in den roten Blättern des Baums, den Wil nicht mehr verlassen wollte. Die Feuer um ihn herum brannten in den Leuchtern und Feuerkörben und er war froh, allein mit Amberle zu sein.
Sie schwieg. Kein Wort, wenn er die Rinde des Baumes berührte. Kein Bild, kein Gedanke, nichts. Dabei hatte er sich sehnlichst gewünscht, noch einmal ihre Stimme zu hören, wenn auch nur in seinem Kopf. Oder sich der Versuchung hinzugeben, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Ihre erste Liebesnacht war noch keine zwei Tage her und er konnte nicht hinnehmen, dass es gleichzeitig auch die letzte war. Er hatte Amberle so sehr geliebt, er liebte sie immer noch.
Und jetzt stand sie vor ihm, nicht mehr aus Fleisch und Blut und Knochen, sondern aus Rinde, Harz und Blättern. Mit schweren Ästen und blutroten Knospen. Die Tränen brannten in seinen Augen, die Trauer und die Wut machten ihn unfähig, klar zu denken. Er wusste, er musste handeln. Irgendetwas tun. Nichts war für ihn schlimmer, als das Nichtstun. Hier zu sitzen und nicht ein oder aus zu wissen, machte ihn wahnsinnig. Seine Geliebte war ein verdammter Baum, Eretria war gefangen oder tot in Safehold.
„Amberle, sag mir doch, was ich tun soll“, flüsterte er, immer noch an den Stamm des Baumes gelehnt. Er zog einen Handschuh aus und legte seine linke Hand an den Stamm. Unter seiner Haut spürte er, wie die Rinde sich erwärmte. Erst dachte er sich nichts dabei, doch es wurde immer wärmer. „Amberle?“, fragte Wil leise und in ängstlicher Hoffnung. Er sah zu den Ästen hinauf. Der Wind war abgeflaut, es war beinahe ganz still. Aber es regten sich die ersten Blätter. Sie wiegten sich nicht in einer unsichtbaren Böe, sondern sie zitterten. Ganz leicht nur. „Amberle? Bist du das?“, Wil fragte jetzt drängender. Legte seine zweite Hand auf die Rinde.
Es war eindeutig. Unter seinen Händen erwärmte es sich. Die Blätter zitterten stärker, das Rauschen war nun deutlicher zu hören. Wil schoß es durch den Kopf, ein Bild von Amberle. Wie sie nachts frierend an einem Feuer saß, die Arme um sich geschlungen, eine raue Decke über den Schultern. Aber ein Baum fror doch nicht, oder etwa doch?
„Was kann ich für dich tun? Kannst du dich verständlich machen?“
Ich spreche mit einem Baum, großartig, dachte Wil im Stillen. Nein, er sprach mit seiner Freundin. Der Frau, die er liebte. Auch wenn sie ihm nicht mehr auf die Art und Weise antworten konnte, wie er es sich wünschte. Sie war dort drin, seine Amberle. Gefangen in einem Baum lebte ihre Seele und sie reagierte auf seine Berührungen. Einer Eingebung folgend stand Wil auf und legte seine Hände fester an den Stamm, lehnte seinen Oberkörper ebenfalls dagegen und drückte sein Ohr an die Rinde. Es rauschte darin, als würde er das Meer hören. Oder Blut, das durch Adern fließt. Er hörte es pumpen und arbeiten. Es fühlte sich gut an.
»Wil.«
Er hörte seinen Namen nicht. Er spürte ihn.
Und er wusste, dass Amberle mit ihm sprach. Nicht so, wie er es erwartet hatte, aber es war immerhin ein Anfang.
Die Visionen, die Amberle von ihrem Vorgänger erhalten haben musste, waren wahrscheinlich ähnlich gewesen. Wenn auch stärker. Er spürte das Flüstern wie einen Windhauch auf seiner Seele, ohne Bilder oder etwas anderes. Es war nur sein Name.
Ja, ich kann dich hören, gab er in Gedanken zurück und presste die Augen zusammen. Bitte, bitte, bitte, flehte er, ich muss mit ihr sprechen.
Die Antwort kam prompt. Wieder nur sein Name. Diesmal aber etwas lauter.
»Wil.«
Ihm traten die Tränen heiß und leidenschaftlich in die Augen. Seine Fingernägel gruben sich in die Rinde. Die Krone des Baumes zitterte einmal kurz. Von der Hitzigkeit seiner Gefühle erschrocken und aus Angst, Amberle verletzt zu haben, strich er über die Stellen, in die er seine Fingernägel gestoßen hatte. Aber statt des Gefühls, dass er ihr wehgetan hatte, schien es ihr zu gefallen.
Ein Bild zwang sich vor sein inneres Auge, ein Bild, das er selbst nicht heraufbeschworen hatte. Es war wie ein Blatt Papier, das jemand aus einem Buch gerissen hatte. Zusammenhanglos, schwer verständlich. Der Bildschnipsel wiederholte sich mehrfach, und schließlich sah Wil, was Amberle ihm zeigen wollte. Es war eine Erinnerung an den Sex, den sie gehabt hatten. Der Geschmack ihrer Haut brannte Wil auf der Zunge, so intensiv rauschte das Bild in ihm vorbei. Er konnte ihr Stöhnen hören. Es machte ihn schwindelig. Was machst du da?, dachte er. Verdammt, Amberle. Ich vermisse dich.
Ein Laut, der wie ein Lachen klang und ein Rauschen in den Ästen war die Antwort…
*
Die Entscheidung, nach Safehold zu reiten, hatte er beschlossen, schon bevor Amberle zu kommunizieren begonnen hatte. Doch jetzt war Wil sich sicher, dass er das einzig Richtige tat. Der schwarze Rappe, auf dessen Rücken er saß, legte ein ordentliches Tempo vor, aber er wusste, er würde dennoch mindestens zwei mal rasten müssen, um zu schlafen. Alleine loszureiten, war eigentlich keine gute Idee gewesen. Aber wen hätte er schon mitnehmen können?
Allanon war an Anders Seite geblieben und würde sich wahrscheinlich um den entflohenen Bandon kümmern, der jetzt vollkommen frei und diesem verdammten Schwert herumlief. Niemand wusste, was Bandon tun würde. Wil verstand, dass Allanon dort gebraucht wurde, wo es am ehesten brannte und das war eben nicht auf der wenig aussichtsvollen Reise nach Safehold, um ein Rover-Mädchen zu retten, das in den Augen des Druiden seine Schuldigkeit an der Welt getan hatte. Ob Wil jemals wirklichen, reinen Frieden mit Allanon schließen konnte, wusste er nicht.
Ander als König hatte jetzt einiges zu tun. Seine gesamte Familie war tot (oder ein Baum), ebenso war die Schwarze Wache ohne Commander. All das musste nun geklärt werden. Und sonst kannte Wil kaum jemanden vom Elfenvolk gut genug.
Wil Ohmsford umklammerte das Säckchen mit den drei blauen Elfensteinen, das er sich um den Hals gebunden hatte. Alles, was er jetzt hatte, war das Pferd, die Sterne und seine Verzweiflung. Nicht auch noch Eretria. Wenn er sie auch noch verlor, hatte er außer seinem Onkel Flick niemanden mehr. Und Onkel Flick durfte gar nicht erst erfahren, dass Wil ihn belogen und die Elfensteine behalten hatte. Er würde stinksauer sein, auch wenn Wil mitgeholfen hatte, die Welt von den Dämonen zu befreien. Wenn er Eretria gefunden hatte, (und sie noch lebte!) würde er sie nach Aborlon bringen, damit sie mit Amberle sprechen konnte. Das war es, was er wollte und auch Amberle.
Während die Erinnerung an seine ‚Nachtwache‘ beim Ellcrys nachdachte, bemerkte er die Dämmerung. Es war keine Siedlung weit und breit und er musste sich darauf gefasst machen, in einer Höhle oder im Gehölz Unterschlupf zu suchen.
Die Zeit war wie der Wind in seinem Haar an ihm vorbeigerauscht. Er musste sich nun beeilen.
*
Es war jetzt stockdunkel, glücklicherweise hatte Wil ein geschütztes Plätzchen gefunden. ER hatte dafür zwar den Pfad verlassen müssen, dafür konnte er sich nun aber in einer Höhle verstecken. Das Pferd, das er selbst Artac nannte, hatte er draußen angepflockt. Das Feuer, das er sich angezündet hatte, war nicht unbedingt groß, aber es spendete ihm Licht und Wärme. Die Trinkschläuche hatte er an einem Bächlein in der Nähe gefüllt. Sein abendliches Mahl bestand aus einem Brocken harten Käse und einer dicken Scheibe Graubrot. Es war sättigend und lag ihm schwer im Magen, als er sich schließlich sein Bett machte. Unter der Decke im Schein des Feuers sah er die Schatten an der Wand tanzen. Sie wirkten hypnotisierend und die Erinnerungen überfielen ihn erneut.
Amberle hatte zu ihm gesprochen. In Bildern. Und sie war in seinem Kopf, diese Stimme. Er spürte die Verbindung, auch wenn sie still war. Sie war da, ein Band war geknüpft worden zwischen ihm und dem Baum, in dessen Inneren Amberle nun… lebte? Lebte sie? Lebte ihr Körper? Oder was war damit passiert?
Bei dem Gedanken wurde Wil mulmig im Magen und er hoffte, das Abendessen würde dort bleiben, wo es sollte. Niemand wusste, was im Ellcrys geschah, außer den Erwählten. Und sie hatte es ihm nicht erzählt. Erzählen können. Sie war nun irgendwie in diesem Baum gefangen. In Wil schrie alles danach, sie von dieser Bürde zu befreien und der Gedanke war egoistisch. Amberle war nun die Barriere zwischen den Dämonen und den Vier Landen. Ohne sie würden die Dämonen erneut ausbrechen. Auch wenn sie ohne den Dagda Mor keine Galleonsfigur, keinen Führer mehr hatten, waren Dämonen immer noch gefährlich. Wil schwenkte die Elfensteine in seiner Hand. Und diese hier würden nur begrenzt helfen. Amberle, er und der letzte ihnen wohlgesonnene Druide bildeten die einzige erkennbare Front.
Und trotzdem wollte er Amberle wieder für sich haben. Sie berühren. Er sehnte sich nach ihr und der Gedanke jagte ihm die Hitze durch die Adern. Er hatte gesehen, an was Amberle sich erinnerte. Sie hatte in der letzten Nacht, als er bei ihr im Heiligtum gewesen war, nur seinen Namen gesagt, mehr konnte sie noch nicht artikulieren. Aber sie konnte ihm Erinnerungen zeigen. Gefühlte Erinnerungen. Sie erinnerte sich lebhaft. Wil starrte an die Decke seines Verstecks und sie wurde zur Leinwand für seine Fantasien. Unter dem Stoff seiner Hose wurde er steif und hart und so sehr er versuchte, sich nicht hinreißen zu lassen, konnte er nicht verhindern, dass er sich selbst dabei berührte, wenn er an Amberle dachte. Wie im Heiligtum einen Tag zuvor dauerte es nicht lange, bis er kam, sich dabei die Unterlippe blutig beißend.
Wird das nun mein Liebesleben sein?, dachte er, während er sich über die feuchte Stirn strich. Eine Fernbeziehung mit einem Baum?
Über diesen deprimierenden Gedanken schlief er ein und träumte von Safehold, dem Ort, an dem er Eretria hoffentlich lebend wiederfinden würde.
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