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Mein turbulentes Leben

Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie, Liebesgeschichte / P18 / Gen
OC (Own Character) Ole Plogstedt
29.03.2016
20.09.2016
38
66.454
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06.04.2016 2.033
 
Als ich mich umdrehte, stand Ole hinter mir. „Habe ich das mit dem Balg gerade richtig verstanden?“ schnaubte er. „Ja hast du!“ gab ich genau so angepisst zurück. „Ich wollte nie Kinder haben. Ich liebe dich, aber ein Kind? Das ändert einfach alles.“ Er fauchte. „Ich dachte, du würdest dich wenigstens etwas darüber freuen.“ „Tue ich aber nicht wirklich. Mir macht diese Situation eher Angst. Ich bin 31! Ich habe mir das einfach etwas anders vorgestellt!“ „Na wunderbar? Und jetzt?“ „Jetzt ist es eben so. Aber bis zur zwölften Woche ist ja ohnehin nichts gesichert. Vielleicht haben wir ja Glück, und das ganze regelt sich von alleine?“ Das war wohl der falsche Satz gewesen, denn Ole feuerte seine Kaffeetasse mit voller Wucht gegen die Wand und stürmte wutentbrannt aus dem Wohnzimmer. Ich zuckte mit den Schultern, und widmete mich wieder meinem Tee.
Als ich fertig war, räumte ich meine Tasse in den Geschirrspüler, und fand Ole auf dem Balkon. „Die Scheiße da drin putzt du aber selber weg, dass wir uns da verstanden haben“, schnauzte ich. Er sah mich traurig an. „Haben wir. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du unser Kind derart ablehnst. Ich meine, ich liebe dich und du liebst mich. Meinst du nicht, dass das Kleine das nicht perfekt macht? Ich freue mich so wahnsinnig auf den kleinen Wurm. Es ist ja nicht gerade üblich, mit 47 nochmal Papa zu werden.“ „Ich denke trotzdem, dass ich das Beratungsgespräch wahrnehmen werde“, seufzte ich. Ole schaute mich an. „Im Ernst?“ „Ach, ich weiß es nicht. Die Situation überfordert mich heillos.“ Ich wurde in eine liebevolle Umarmung gezogen. „Wir schaffen das mein Schatz. Das verspreche ich dir.“ Ich küsste ihn sanft. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, dass alles gut werden könnte. „Ich liebe dich“, flüsterte ich Ole zu. Er lächelte mich warm an. „Ich dich auch!“
Drei Stunden später lief ich abgehetzt im Z&Ko ein. „Morgen ihr Süßen!“ krähte ich meinen Kollegen zu. Robin grinste. „Guten Morgen, Bauchi!“ Lea gab ihm einen Klaps. „Man sieht doch noch überhaupt nichts!“ Mario fegte aus der Küche. „Pia? Was machst du hier? Ich habe vor nächster Woche nicht mit dir gerechnet.“ „Und warum kamst du auf diese Idee?“ „Naja, der Umzug etc.“ „Ole muss doch auch wieder arbeiten? Was soll ich daheim? Am Daumen nuckeln?“ Lea lachte, und warf mir meine Schürze zu. Gemeinsam machten wir uns daran, die Tische einzudecken. „Wie geht es dir?“ fragte ich meine Kollegin. Die hübsche Frau mit den burgunderroten Haaren lächelte. „Naja, nicht so gut.“ „Ralf?“ „Woher…“ „Lea, ich bin nicht dumm. Das sieht ein blinder, wie nahe ihr euch steht.“ „Er trennt sich partout nicht von seiner Frau!“ Ich schloss sie in die Arme. „Das wird. Ich weiß nicht, aber mich beschleicht das Gefühl, als ob ich auch auf eurer Hochzeit tanzen würde!“ Ich küsste sie freundschaftlich auf die Stirn. Robin machte hinter der Theke Würgegeräusche. Wir Frauen ließen uns davon aber nicht beirren. Da betraten die ersten Gäste das Lokal. „Willkommen im Z&Ko, ich bin Pia….“ Spulte ich meinen Text herunter. Ich führte die beiden smarten Anzugträger an einen Tisch am Fenster und reichte ihnen die Karten. Danach wandte ich mich den älteren Damen an Tisch 3 zu. Lea bediente zwei junge Männer, die sie mit ihren Blicken geradezu auszogen, und eine Gruppe, die offensichtlich wegen der beiden Chefs hier war. Heute war allerdings nur Mario an Bord, Ralf war mit Martin auf einem Dreh. Martin und ich verstanden uns zwar ganz gut, aber mein Herz gehörte eindeutig meinen beiden Chefs. Die Anzugträger machten auf sich aufmerksam. Ich trabte artig an den Tisch. „Welchen Riesling können sie uns denn empfehlen?“ „Den Weißriesling vom Weingut Bühler&Co. in Baden Württemberg. Er hat eine leicht fruchtige Note, und ist nicht zu süß.“ Den nehme ich doch direkt“, meinte der ältere der beiden. „Und was ist denn ihr Lieblingswein?“ fragte der jüngere. „Oh, da habe ich mehrere. Aber der, der immer geht, ist der Shiraz vom Weingut o’Toole in Australien. Der ist zwar sehr dunkel, aber leicht im Geschmack, und gerade der Jahrgang 2012 hat eine leichte Aprikosennote, die ich persönlich sehr gerne habe.“ „Sie haben mich überzeugt.“ „Darf es für die Herren auch etwas zu essen sein?“ „Gerne. Was essen sie denn am liebsten?“ „Ich liebe die Pasta meines Chefs. Sie ist ein wahrer Glücklichmacher. Am besten sie nehmen zum Riesling die mit Lachs, und zum Shiraz die mit Rindfleischstreifen. Die Rotweinsauce wird allerdings aus einem wunderbaren Cuvee ebenfalls vom Weingut Bühler&Co. hergestellt.“ Die beiden Herren nickten zustimmend. „Wenn ich ihnen ein Kompliment machen darf?“ fragte der jüngere der beiden. „Sehr gerne, welche Frau hört nicht gerne Komplimente?“ „Wir waren ja schon öfter in Weinlokalen mit kleiner Speisekarte, aber so eine kompetente Bedienung hatten wir noch nie. Und hübsch sind sie noch dazu.“ Ich errötete. Ich liebte das Z&Ko so sehr, dass ich mich vom Biertrinker in eine Weinkennerin gewandelt hatte. Ich hatte nächtelang die Weinkarten studiert, und mich mit Ralf durch die Bestände probiert. Und inzwischen liebte ich das Getränk sehr. Das schien bei den Gästen anzukommen, denn auch meine beiden anderen Tische verließen sich auf meine Empfehlungen.
Ich watschelte gut gelaunt in die Küche. „Zweimal Pasta für Tisch 8, einmal mit Lachs, einmal mit Rind! Dann hätte Tisch 3 gerne einen Flammkuchen und Tisch 10 die vegane Platte!“ brüllte ich. Mario zwinkerte mir zu, und ich gab die Weinbestellungen bei  Robin durch.
Er stellte mir in Windeseile die Gläser aufs Tablett und ich servierte routiniert die Weine. Da hörte ich das Telefon läuten. Meine Kollegen schienen mal wieder taub zu sein, also erbarmte ich mich. „Das Z&Ko, Pia am Apparat?“ „Achim. Du antwortest nicht auf meine Mails?“ „Ich habe noch keine bekommen?“ Achim tippte hektisch auf seinem PC herum. „Ach du Sch…du hast recht. Naja, aber was anderes. Habt ihr morgen ab 19 Uhr einen Tisch für 5? Wir wollten bei euch unsere Teambesprechung machen.“ Ich blätterte im Reservierungsbuch. „Bekomme ich hin. Habs notiert, bis morgen, und schick mir die Mail!“ Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte der Apparat erneut. „Das Z&Ko, Pia am…“ „Ralf hier! Ist Mario um die Ecke?“ „Boss, der Chef ist in der Küche, was ist denn so dringend?“ „Wir haben hier die Kacke am Dampfen! Wir brauchen ihn dringend in München!“ „Wie stellt ihr euch das vor? Der Laden knallt komplett, wir kommen kaum nach, da können wir den Chef echt nicht entbehren! Achim hat doch keine acht Arme? Aber lasst mich kurz telefonieren! Ich melde mich!“ Kurz darauf wählte ich eine Münchener Nummer. „Das Schweigers, Bianca am Apparat?“ „Das Z&Ko in Berlin, Pia, hallo. Ist Andi auch im Restaurant?“ Die junge Frau räusperte sich. „Sind sie ein komischer Fan oder so?“ „Nein, ich bin Ole Plogstedts Lebensgefährtin.“ „Ah, Frau Werner! Moment, ich gebe sie an den Chef weiter.“ „Schweiger?“ „Andi, dem Himmel sei Dank! Kannst du dir zwei Tage freimachen ab morgen? Ralf und Martin stecken in der Tinte, und Mario können wir hier nicht weglassen, unsere Bude rockt.“ Andi lachte. „Bei dir kommt man genauso wenig zu Wort wie bei Fo! Aber gib mir mal Ralfs oder Martins Nummer, das bekommen wir hin!“
Zehn Minuten später kam der erlösende Anruf vom Boss, dass Andi einspringen würde.
In all dem Trubel hatte ich meine Tische dennoch freundlich weiter bedient. Als die Anzugmänner bezahlt hatten, hinterließen sie ein Kuvert auf dem Tisch. „Pia“ stand darauf. Ich öffnete es neugierig. Es waren 50 € und eine Notiz darin. „Danke für ihren exzellenten Service, Sascha Jascheroff und Mats Freiwald vom Guide Michelin“. Ich wurde blass. Das hatte mir noch gefehlt.
„MARIO!“ brüllte ich. Die letzten Gäste waren gerade gegangen, und wir hatten den Laden geschlossen. In drei Stunden sollte es weiter gehen. „Was schreist du so?“ „Sieh dir das an!“ Ich drückte ihm die Notiz in die Hand, und auch er erbleichte.
Zwei Wochen später hatte ich eine Woche frei, um mit Achim den Stand der ITB zu schmeissen. Wir hatten tierischen Spaß dabei, und akquirierten einige Kunden. Jerrit, der am Stand neben uns stand, lachte. „Du bist ja ein richtiges Verkaufswunder!“ „Hab ich von Achim gelernt. Immerhin hatte ich oft genug das Vergnügen mit ihm.“  „Gehst du mit mir eine rauchen?“ „Muss dich enttäuschen. Baby an Bord, da ist nichts mehr mit rauchen.“ Achims Mine erhellte sich. „Und das sagst du uns so nebenbei?“ „Naja, fünfte Woche. Da ist doch noch gar nichts gesichert.“ „Trotzdem freuen wir uns!“ meinte Jerrit. Herr Reinert, unser aller Chef in dieser Woche, tauchte hinter uns auf. „Über was freut ihr euch?“ „Pia ist schwanger!“ Herr Reinert brachte mir einen Barhocker. „Ab jetzt wird gesessen! Jungs, dass ihr die Frau nicht schont?“  „Aber ich bin doch nur schwanger?“ „Keine Widerrede, sie setzen sich jetzt!“ resolut bugsierte mich der smarte Bayer auf den Hocker. „Achim, tu was!“ jammerte ich. Mein Kollege zwinkerte nur. „Genieß es.“ Drei Tage später war ich von der Vorzugsbehandlung allerdings wahnsinnig genervt. Ich durfte nicht einmal mehr leichte Kisten tragen, und Herr Reinert hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich mit allem Essen, das auf der Messe verfügbar war, zu mästen. „Stop!“ jammerte ich. „Ich bin doch nur….“ „Wir haben es verstanden!“ kam es dreistimmig zurück. „Also dann folgendes: Ab heute stehe ich wieder, kein Essen mehr und ich trage auch wieder Kisten!“ Die drei Männer schnaubten.
Am Ende der Woche verabschiedete ich mich mit Tränen in den Augen von meinen Kollegen. „Du hältst uns aber fei auf dem Laufenden?“ fragte Richy. Er war von Herrn Reinert zu Richy geworden in den letzten Tagen. Ich nickte. Jerrit und Achim umarmten mich fest. „Macht’s gut, ihr zwei!“ „Ihr auch, wir bleiben im Kontakt?“ „Aber natürlich!“
Zwei Stunden später kam ich am Bahnhof Hamburg-Altona an. Ich wollte einfach nur aus diesem albernen Hosenanzug schlüpfen und für fünf Minuten die Füße hochlegen. Da sah ich schon von weitem meinen Liebsten. Er hielt eine rote Rose in der Hand. Ich hüpfte freudig auf ihn zu. Er strahlte mich aus seinen wunderschönen Augen an. „Da bist du ja endlich wieder, ich habe dich vermisst!“ Ich küsste ihn stürmisch. „Ich dich auch!“ Ein älteres Pärchen, das gerade an uns vorbei lief, rümpfte die Nase. „Sitten sind das heutzutage!“ Die Frau schlug mit ihrer Tasche nach Ole. „Haben sie es so nötig, dass sie sich so ein junges Ding anlachen müssen?“ Ich setzte meinen schönsten Bambiblick auf. „Ach wissen sie, die Liebe kennt kein Alter. Sie sind doch nur neidisch!“ Ich lächelte honigsüß. Beleidigt zogen die beiden von dannen. „Meine Güte, das kann den Leuten doch egal sein, wen wir lieben?“ Ole schloss mich fest in seine Arme. „Eben, wichtig ist nur, dass ich dich jetzt wieder habe.“ „Für drei Tage, danach habe ich Probenwoche mit In Ex.“  Er schaute beleidigt drein. „Du bist ja bald mehr unterwegs als ich.“ „Ja, zum Glück habe ich zwei wunderbare Chefs, die mir diese Freiheiten geben. Von ESJ bin ich ja auch bezahlt worden.“ „Wie wäre es, wenn wir zwei hübschen jetzt nach Hause gehen?“ Ich lächelte versonnen. Nach Hause. Dieses zuhause hatte ich in und bei Ole tatsächlich gefunden. Ich liebte ihn mit jedem Tag mehr, und inzwischen konnte ich mich auch damit anfreunden, dass wir Eltern werden würden. Naja, ganz überzeugt war ich noch nicht, aber es blieb mir ja nichts anderes übrig, als mich damit zu arrangieren.
Drei Tage später trudelte ich im Proberaum der befreundeten Band ein. „Hast du die Lieder mal durch gesungen?“ fragte Micha mich ohne Umschweife. „Hallo Micha, ich freue mich auch wahnsinnig, dich wieder zu sehen!“ neckte ich ihn. „Entschuldige. Ich bin unsensibel.“ Dr. Pyrmonte streckte ihm die Zunge heraus. „Nur ein bisschen.“
Wir begannen mit meinem Lieblingslied, den Merseburger Zaubersprüchen. So ging es einige Stunden. Ich ließ mich auf die Couch fallen. „Noch ein Lied, und ich renne schreiend weg!“ stöhnte ich. Specki nahm mich in den Arm. „Klappt doch aber prima, wenn es so weitergeht, sind wir übermorgen durch!“ Und so kam es. Zwei Tage später waren die Proben abgeschlossen, und ich umarmte die sieben herzlich. „Bis in zwei Wochen!“

Merseburger Zaubersprüche https://www.youtube.com/watch?v=Fs20thZJyeA&nohtml5=False
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