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RFDS (heute) - Teil 1 - Das Team findet sich neu

von COHO
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Familie / P12 / Gen
Dr. Geoff Standish Kate Wellings/Standish
05.03.2016
05.03.2016
4
17.001
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Der neue Funker



„Morgen Andrew. Gut geschlafen?“ Ein junger blonder Mann trat an das Flugzeug des RFDS aus Coopers Crossing und stellte seine Taschen vor der Tür ab.

„Hey David. Ja, alles bestens.“ Andrew, der Pilot, führte noch die letzten Checks vor dem Start durch. „Hast du schon dein Gespräch mit Mr. Franklin geführt?“

„Ja, es war sehr entspannt. Weißt du, jetzt geht mein Traum in Erfüllung. Ich wollte immer wie Mum und Dad für den RFDS arbeiten. Eigentlich wollten wir das alle drei. Nun, mit Scarlett sind wir nun ja schon zu zweit, die sich ihren Traum erfüllen.“

„Es ist ungewöhnlich, dass gerade Scarlett Funkerin geworden ist und nicht Ärztin.“

„Ja, etwas. Aber sie liebte es schon als Kind im Funkraum zu sitzen und dem Funkverkehr zu lauschen. Wahrscheinlich hat sie sich deshalb schon immer am besten mit allen technischen Geräten ausgekannt. Einmal haben Simon und ich die Mikrowelle… naja geschrottet. Dank Scarlett hat keiner je etwas davon erfahren. –

Ach Andrew, bevor ich es vergesse. Wir sollen auf Mr. Franklin warten, er hat noch einen Passagier für uns.“ David lehnte sich an den Flügel der King Star I und starrte auf das Rollfeld hinaus.

„Hat er gesagt wen? Wir dürfen doch nicht einfach so jemanden mitnehmen. Solche Transporte müssen erst angemeldet werden.“ Andrew gesellte sich zu ihm.

„Das habe ich ihm auch gesagt. Weißt du was er da gesagt hat?“

„Keine Ahnung.“ Der Pilot zuckte mit seinen Schultern.

„Er begann zu lachen und sagte: Da sieht man sofort, dass sie beim RFDS aufgewachsen sind. Alle Vorschriften sofort abrufbar.“ Der junge Arzt brachte den Tonfall von Mr. Franklin erstaunlich originalgetreu herüber.

„Wann hat er gesagt, dass er uns den Passagier bringt? Wir müssen uns langsam auf den Weg machen. Morgen früh bin ich für einen Flug eingeteilt.“

„Ich habe keine Ahnung. Aber er sagte, dass der zusätzliche Passagier korrekt angemeldet sei.“

„Genau David.“ Die beiden Männer drehten sich überrascht um. „Ich möchte Sie auch nicht noch länger aufhalten. Es ist gut zu wissen, dass Sie schon so verantwortungsbewusst denken, meine Herren.“ Mr. Franklin war an sie herangetreten.

„Ihr Passagier ist auch schon da. Sie können also sofort starten, wenn sie soweit sind.“

„Und wo ist er?“ Andrew sah den Chef der Personalabteilung fragend an.

„Er steht hinter ihnen.“ Gleichzeitig legte sich beiden Männern eine Hand auf die Schulter. Erstaunt sahen sie sich um. Andrew zog seine Stirn in Falten. Wer war das? Gesehen hatte er das Gesicht schon mal, aber wo?

„Scarlett. Was machst du denn hier? … Was für eine schöne Überraschung!“

David fiel der jungen Frau erfreut um den Hals.

„Hallo David. Es ist schön dich endlich wiederzusehen.“

‚Das also ist Scarlett Standish?! Hübsch.’ Stellte Andrew insgeheim fest. Groß, schlank und mit mittelblonden langen Haaren, die sie zum Pferdschwanz zusammengebunden hatte, stand sie vor ihnen. Er sah sofort ihre Ähnlichkeit mit Kate. Sie war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

„Hallo, du musst Andrew sein.“ Scarlett hielt ihm ihre Hand entgegen.

„Ja. Hallo!“

Da der Pilot seine Stelle in Coopers Crossing erst vor einem Jahr angetreten hatte, kannte er Scarlett bislang nur von den Photographien, die Geoff in seinem Büro stehen hatte. Sie arbeitete in der Zentrale in Charleville als Funkerin und hatte in den Weihnachtsferien keinen Urlaub bekommen.

David und Simon, ihre Brüder, hatte er während der Weihnachtsfeiertage schon kennen gelernt. Sie hatten viel zusammen unternommen und sich gut verstanden.

„Wissen Mum und Dad das du kommst?“

„Nein.“

„Das gibt eine Überraschung!“

„Die größte Überraschung wird für sie aber sein, dass Scarlett die Funkzentrale in Coopers Crossing übernehmen wird.“

„Nee, das glaube ich jetzt nicht. Du wirst unser neuer Funker?“ Andrew stand erstaunt da, den Mund leicht geöffnet. Scarlett konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: „Mach den Mund zu Andrew, es zieht!“

„Wow!“ War alles, was er dazu sagen konnte. Das konnte ja eine spannende Zeit werden.

„Super Scarlett. Nun finden wir nach all den Jahren endlich wieder nach Hause. Nur Simon fehlt, dann wären die drei Standishs wieder komplett.“

„Und könnten endlich wieder die Stadt unsicher machen. Das wolltest du doch sagen David, oder?“

David zwinkerte seiner Schwester nur verschwörerisch lächelnd zu.

„Nun lasst uns endlich fliegen.“ Scarlett nahm ihre Taschen wieder auf. „Ich kann es nicht mehr abwarten endlich wieder nach Hause zu kommen. Reden können wir in der nächsten Zeit noch mehr als genug.“

„Dann darf ich die Herrschaften bitten einzusteigen. Das Gepäck bitte nach hinten und begeben Sie sich dann bitte zügig auf ihre Plätze, damit wir starten können.“

Alle lachten. Mr. Franklin war sehr zufrieden mit der guten Stimmung zwischen den jungen Leuten. Sie schienen sich jetzt schon sehr gut zu verstehen.

„Also, dann wünsche ich ihnen einen guten Heimflug. Und vergessen sie nicht ihre Eltern und ihren Onkel von mir zu grüßen.“

„Danke, Mr. Franklin. Wir werden die Grüße bestimmt weitergeben.“

David und Scarlett gaben ihm zum Abschied nochmals die Hand und gingen dann zur Tür des Flugzeuges.



„Geoff“, Kevin trat mit einer Akte unterm Arm ins Büro seines Bruders. „Ich habe hier die neuesten Blutergebnisse von Carmichael. Ich dachte, das könnte dich vielleicht interessieren.“

„Und?“ Geoff hatte den Stift abgesetzt und sich entspannt zurückgelehnt.

„Alles in bester Ordnung. Keine Anzeichen für eine Entzündung.“

„Das ist eine gute Basis. Trotzdem werden wir ihn die nächsten Tage weiter kontrollieren müssen. Eine Infektion ist noch nicht ausgeschlossen.“

„Nach meinen Erfahrungen, würden wir dann aber jetzt schon leichte Spuren finden.“ Entgegnete Kevin.

„Es wäre schön, wenn du Recht behalten würdest.“ Geoff schaute auf die Uhr an der Wand seines Büros. „Kommst du gleich mit zum Flughafen?“

„Na, aber klar doch.“ Kevin stütze sich auf die Lehne einer der Stühle vor Geoffs Schreibtisch. „Hast du schon einen ungefähren Landetermin?“

„Sie haben sich vor einer halben Stunde gemeldet, dass sie gestartet sind.“ Geoffs Blick fiel erneut auf die Uhr. „Andrew schätzte, dass sie es bis 2 p.m. schaffen könnten.“

„Dann halte ich mir den Zeitraum frei.“ Kevin hob zum Abschied kurz die Hand und verschwand dann still und leise, so wie er gekommen war.



„Hier ist India Hotel Bravo. Wir sind 20 Kilometer südöstlich vor Coopers Crossing und beginnen mit dem Landeanflug.“

„Verstanden India Hotel Bravo.“ Erklang eine männliche Stimme der Flugüberwachung aus dem Äther.

„Scarlett, warum hast du deine Stelle in Charleville aufgegeben? Es hat dir dort doch so gut gefallen.“ David und Scarlett saßen sich im Flugzeug gegenüber.

„Das werde ich euch später erzählen, wenn alle dabei sind. Sonst muss ich es jedem einzeln erklären, und dazu habe ich ehrlich gesagt keine große Lust.“ Scarletts Stimmung hatte sich schlagartig verändert. Sie starrte aus dem Fenster in die Ferne. David wusste sofort, dass er sie jetzt nicht weiter bedrängen durfte. Sie würde ihm doch nichts sagen. Das war schon immer so bei ihr gewesen. Scarlett konnte in Sekundenschnelle ihre Launen ändern. Meistens war sie lustig und ausgelassen, doch schlagartig konnte sie böse, traurig, verzweifelt oder … Wie konnte man diesen Moment beschreiben? So hatte er Scarlett eigentlich noch nie erlebt. Melancholisch?

David wartete. Gleich würde sie wieder die alte Scarlett sein.

„Da ist Crossing! David, jetzt sind wir endlich wieder daheim.“ Scarlett strahlte ihren Bruder an. Alle dunklen Gedanken hatte sie zur Seite geschoben und freute sich auf einen neuen Abschnitt in ihrem Leben.



„Da! Sie kommen.“ Felicitas hatte gespannt den Himmel nach der King Star I abgesucht. Die Erwachsenen hatten ihr die Richtung aus der sie kommen musste gezeigt und sich dann zu einem Schwätzchen zusammengefunden.

Jetzt, da Felicitas die Maschine gesichtet hatte, unterbrachen sie ihr Gespräch und es wurde ruhig auf dem kleinen Flugplatz von Coopers Crossing. Das Geräusch von Motoren wurde immer lauter und bald sahen sie die King I sanft auf der Landebahn aufsetzen. Sie kam auf die Wartenden zugerollt, bis der Pilot die Richtung änderte, sie an ihrem Stellplatz abbremste und zum Stillstand brachte. Die Motoren erstarben.

Gebannt warteten alle, dass sich die Flugzeugtüren öffneten.

Geoff legte Kate beruhigen seinen Arm um die Schultern. Er spürte, wie es sie innerlich nahezu zerriss. Endlich kam wenigstens eines ihrer Kinder wieder für längere Zeit nach Hause. Aber auch er freute sich schon auf gemütliche Abende mit David. Dann konnten sie wieder ihrem gemeinsamen Hobby, das Schachspielen, nachgehen. Die beiden anderen hatten sich nie so richtig dafür erwärmen können.

„David!“ Kate sah ihren Sohn hinter der Maschine hervortreten und eilte ihm entgegen.

„Mum.“ Der junge Mann stellte seine Taschen ab und eilte seinen Eltern entgegen. Stürmisch zog Kate ihren Sohn an sich.

„Schön, dass du wieder da bist.“

„Aber Mum. Ich war doch erst vor sechs Wochen hier. Beim Stadtfest.“

„Hallo Dad.“ David umarmte Geoff.

„Hallo mein Junge. Alles klar soweit?“

„Ja. Morgen können wir durchstarten.“

„Dann komm, lass uns nach Hause fahren.“ Kate hakte sich bei David ein, doch David hielt sie zurück. „Langsam Mum. Mr. Franklin hat mir Jims altes Haus zum Wohnen angeboten.“

„Aber, … du kannst doch auch bei uns wohnen.“

„Kate, David hat recht. Er lebt schon seit Jahren alleine oder mit Freunden zusammen. Du wirst ihn nicht mehr in sein altes Kinderzimmer einquartieren können.“

„Mum.“ Flehend sah David Kate in die Augen. Schließlich nickte sie verstehend.

„Ich habe euch noch eine große Überraschung mitgebracht.“

„Du hast nicht rein zufällig den neuen Funker mit im Gepäck?“ Kevin mischte sich in die Begrüßung ein.

„Hallo Onkel Kevin. Hey Feli, altes Haus. Was gibt es Neues in Coopers?“ David sah seine kleine Cousine ernst an.

„Hallo David. Es gibt ganz viel Neues, was ich dir erzählen muss. Also, da wäre zunächst…“ Die Erwachsenen lachten. „Stopp Feli. Das kannst du mir später alles in Ruhe erzählen. Ich bleibe ja jetzt hier.“ Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Onkel zu: „Woher wusstest du, dass es der neue Funker ist?“

„Weil wir schon seit Wochen auf einen warten und uns Mr. Franklin für die nächsten Tage einen versprochen hat.“

„Nun, dann möchte ich euch unseren Funker vorstellen.“ David drehte sich dem Flugzeug zu und rief laut: „Kommst du?“ Scheinbar unendliche Sekunden vergingen. Dann trat Scarlett hinter dem Flugzeug hervor und strahlte ihren Eltern entgegen.

„Scarlett!“ Geoff stand starr vor Schreck.

„Dad! Mum!“ Scarlett lief auf ihre Familie zu und fiel erst Geoff, dann Kate, Kevin und Felicitas um den Hals. „Ich habe euch alle so schrecklich vermisst.“ Sie atmete tief die Heimatluft ein.

„Was ist mit Charleville? Du hattest dich doch so gut dort eingelebt und warst glücklich.“

„Ich habe euch alle einfach schrecklich vermisst.“ Scarlett traten Tränen in die Augen. „Und als Mr. Franklin mir das Angebot machte, die Stelle hier in Coopers Crossing zu übernehmen, konnte ich einfach nicht nein sagen.“

„Das ist ja wunderbar. Kommt mit, wir fahren zurück in die Stadt. Dort können wir in Ruhe über alles sprechen.“ Kate hakte sich Scarletts Arm unter und ging mit ihr in Richtung Auto davon.

Felicitas zögerte einen kurzen Moment, dann lief sie hinter ihrer Tante her. Das war wirklich eine Überraschung, dass Scarlett nun auch hier war. Das kleine Mädchen verfolgte interessiert das weitere Gespräch:

„Ich nehme an, dir hat Mr. Franklin die kleine Wohnung neben der Zentrale zugedacht?“

„Ja Mum, hat er. Sei bitte nicht traurig deswegen.“

„Nein. Es ist richtig so. Ihr habt euer eigenes Leben.“

„Das hast du schön gesagt Mum.“ Scarlett drehte sich zu den Männern um und sah sie diskutieren. „Dad scheint nicht sehr erfreut mich zu sehen!“

„Doch Scarlett. Es freut ihn sehr, dass sein kleines Mädchen endlich wieder hier ist.“

„Worüber reden die dann so angeregt?“

„Das werden wir auch später besprechen. Euer Vater hat ein Problem mit der Personalzusammenstellung von Mr. Franklin.“

„Du meinst, er möchte uns nicht hier haben?“

„Nein Scarlett. Er liebt euch und möchte euch am liebsten immer um sich haben. Aber du kennst doch das Problem, wenn einem in der Familie etwas zustößt. Wie man in solchen Situation womöglich reagiert.“

„Du meinst, dass man keine klaren Entscheidungen treffen kann?“

„Ja, zum Beispiel.“

„Das kenne ich…“ Scarlett erschrak über ihre Worte und verlor all ihre Farbe im Gesicht. „Ich habe dir doch von meiner Freundin Anne erzählt, wie sie den Unfall hatte, als sie mich in Charleville besuchte?! Da habe ich total falsch reagiert. Ich habe Ben…“ Scarlett räusperte sich, „ich habe ihn angeschrien, weil er nicht zu ihr hinausfliegen wollte.“ Kate hatte das Zögern ihrer Tochter wohl gemerkt, ließ sich aber nichts anmerken. Irgendwann würde sie schon zu ihr kommen und ihr von Charleville erzählen.



Für den nächsten Morgen hatte Geoff die Mitglieder des RFDS aus Coopers Crossing in die Zentrale gebeten. Feierlich hieß er die beiden Neuankömmlinge in ihrer Mitte willkommen und wünschte ihnen einen guten Start in die neuen Aufgaben.

Sie stießen mit Orangensaft an und lachend bildeten sich schnell kleine Grüppchen, die sich angeregt unterhielten. Bis Geoff erneut die Stimme erhob: „Leute, sorry, das ich euch nun unterbrechen muss, aber die Arbeit ruft.“

Noch während er sprach, öffnete sich die Eingangstür und eine große, schlanke Gestalt betrat die Zentrale. Mit einem Scheppern fiel die Tür hinter ihr ins Schloss und ließ die Menschen im Raum zusammenfahren. Gebannt schauten alle in Richtung Tür.

Scarlett war die Erste, die ihn erkannt: „Das gibt es doch nicht, … Simon, was für eine Überraschung!“ Laut aufjauchzend lief sie ihm entgegen. Noch im Windfang fiel sie ihm um den Hals.

„Scarlett! Schön dich mal wieder zu sehen. Du hast dich im letzten Jahr ganz schön rar gemacht.“ Lachend erwiderte der dunkelhaarige Mann die stürmische Umarmung.

Einen Arm um die verlegen wirkende große Schwester gelegt, betrat Simon gut gelaunt den Flur.

„Hallo alle zusammen, da bin ich wieder!“

„Simon.“ Kate trat zu ihm und schloss ihren Jüngsten in die Arme.

„Hey Mum.“ Er drückte sie liebevoll an sich. „Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig zur kleinen Feier gekommen.“

„Ja, das kann man wohl sagen.“ Kate schaute zu ihm hoch. „Aber was machst du hier? Ist etwas passiert? Warum hast du nicht Bescheid gegeben, das du kommst?“

„Langsam Mum, “ Simon strich ihr liebevoll eine Strähne hinters Ohr. Alle Anwesenden hatten sich zu einer riesigen Traube um den Neuankömmling gescharrt. Geoff war neben Kate und Simon getreten und begrüßte ihn mit einem freundschaftlichen Hieb auf die Schulter. „Hey Sohnemann.“

„Hey Dad… Onkel Kevin, wie geht es meiner Lieblingscousine?“ Simon zwinkert seinem Onkel verschwörerisch zu. Er war schon als kleiner Junge ein fröhlicher und ausgelassener Mensch gewesen. Stets überstrahlte ein Lächeln sein Gesicht. „Es ist schön wieder hier zu sein. Aber ihr habt mich nicht erwartet? Merkwürdig. Nun ja, für mich war klar, als ich hörte, dass Scarlett und David auch hier sein würden, dass ich die Stelle auf jeden Fall annehmen wollte.“

Geoffs Lächeln verschwand. Ernst wechselte er einen verzweifelten Blick mit seinem Bruder.

„Jetzt sag nicht, dass du der zweite neue Arzt bist, der in zwei Wochen zu uns stoßen soll?!“ Kevin sah seinen Neffen gespannt an.

„Doch, genau dann beginnt mein Arbeitsvertrag.“

Während sich die jungen Leute freuten und laut durcheinander redeten, schauten sich Geoff, Kevin und Kate entsetzt an.

Geoff ging nur selten aus sich heraus, doch in diesem Augenblick konnte auch er sich nicht mehr zurückhalten.

„Jetzt reicht es. Ich werde diesen sauberen Herrn in Sydney jetzt mal fragen, was er sich dabei denkt!“

Geoff verschwand in seinem Büro und schmiss die Tür laut scheppernd ins Schloss.

Erschrocken legte sich sofort eine Totenstille über die Zentrale. Die jungen Leute konnten Geoff hinter den Glasscheiben in seinem Büro erkennen, wie er wild auf die Ziffern des Telefons herumhackte.

„Mum, was hat Dad denn?“ Simon trat zu ihnen.

„Keine Sorge, es hat nichts mit euch zu tun… Ich denke, wir treffen uns heute Abend alle bei uns. Dann können wir in Ruhe über alles reden.“

„Ja, das wird wohl das Beste sein.“ Kevin stimmte ihr zu. „Los Leute, lasst uns an die Arbeit gehen, wir haben heute noch einiges zu erledigen.“ Er nahm seine Tasche vom Schreibtisch. „Komm David, wir starten mit einem Besuch bei unseren Patienten, dann weißt du sofort über die aktuellen Fälle Bescheid.“

An der Schulter gepackt schob er seinen Neffen vor sich her aus dem Raum. Franziska Blum und Julian Patterson, vom Krankenhauspflegepersonal, folgten ihnen flüsternd. Scarlett ging in den Funkraum und Sue und Andrew setzten sich an ihre Schreibtische, um die Berichte der letzten Flüge zu vervollständigen.

„Nun Simon, wo hat dich Mr. Franklin untergebracht?“ Kate räusperte sich leicht, ihre Stimme klang selbst in ihren Ohren reichlich dünn.

„Was? …“ Simon schrak aus seinen Gedanken hoch, „Ach, ich werde fürs Erste mit David zusammen wohnen.“

„Das ist gut.“

„Mum, was ist hier los?“

„Sei geduldig und warte bitte bis heute Abend, ja?! Wir werden es alle zusammen einmal durchdiskutieren und dann wird hoffentlich alles gut.“ Kate versuchte ihn beruhigend anzulächeln, aber es gelang ihr nicht so recht.

„Du hast noch Urlaub?“ Sie hakte sich bei ihm unter und dirigierte ihn zur Tür hinaus. „Ich habe noch etwas Zeit, wenn du willst komme ich mit zu eurem Haus und helfe dir beim Auspacken des Wagens…“



Am Abend saßen sie alle gemütlich unter dem großen Eukalyptusbaum bei Kate und Geoff im Garten. Der große Tisch war seit Wochen mal wieder aus dem Schuppen geholt worden und gemeinsam hatten sie gemütlich gegessen.

„Was bin ich satt.“ Felicitas hatte sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und rieb sich über den Bauch. „Dad, spielst du jetzt mit mir?“

„Später Feli. Wir müssen erst noch etwas Wichtiges besprechen.“ Kevin strich seiner sechsjährigen Tochter liebevoll über das dunkelblonde Haar.

„Aber könnt ihr das nicht auch Morgen auf der Arbeit tun?“ Felicitas schmollte. „Spielst du mit mir Simon?“ Sie schaute ihren Cousin über den Tisch hinweg an.

„Feli, später. Das hier ist wichtig!“ Damit sah Simon seinen Vater an. „Nun leg los Dad. Was gibt es wichtiges, dass ihr euch nicht über unser Kommen freut?“

Geoff wechselte einen kurzen Blick mit seiner Frau und seinem Bruder, dann lehnte er sich vor, schob seinen Teller an die Seite und legte seine Hände auf den Tisch:

„Als Erstes Simon: Wir freuen uns riesig, dass ihr endlich wieder zu Hause seid. Ihr seid uns immer alle herzlich Willkommen, und das wisst ihr auch ganz genau. Das Problem, was ich habe, besteht aus dem neuen Team, das uns Mr. Franklin zusammengestellt hat.“

David, der schnell aufbegehrte, hob schon zu einer Antwort an, die sein Vater aber mit einer Handbewegung stoppte: „Warte David, lass mich aussprechen und es euch erklären.“ Geoff suchte seine Gedanken zu sortieren, bevor er ruhig weitersprach. „Das ganze Team, genauer gesagt die Ärzte, sind alle aus einer Familie. Was ist, wenn einem von uns etwas passiert?“

„Dann helfen die Anderen.“ David platzte dazwischen.

„Meinst du wirklich, dass du das so einfach kannst?“ Kevin sah seinen Neffen ernst an.

„Ja, sicher. Wie oft haben wir uns als Kinder gegenseitig verarztet, wenn keiner da war.“

Kevin grinste, wurde dann aber schnell wieder ernst: „Gut, und nun stell dir vor, Simon hätte sich den Arm abgetrennt…“

„Das haben wir oft genug während der Studienzeit durchgemacht. Man hatten wir einen Spaß, weißt du noch Simon.“

Sein Zwillingsbruder nickte, war aber sehr viel ernster als David. „Das waren doch alles nur Spielereien David. Kevin meint das wirkliche Leben… Ich hatte Zeit mir über die paar Andeutungen von heute Morgen Gedanken zu machen. Und ich glaube, ich weiß was ihr meint: Ihr fragt euch, ob wir unsere Emotionen, unsere Gefühle in so einer Situation unter Kontrolle halten können… Ich bin mir sicher es zu schaffen, aber wenn es euch lieber ist, dann werde ich versuchen mit einem Kollegen von einer anderen Basis zu tauschen, dann ist wenigstens eine neutrale Person im Team.“

„Danke Simon, das würde es um vieles erleichtern. Aber Mr. Franklin ist überhaupt nicht meiner Meinung und ich kann ihn auch nicht umstimmen. Wir werden mit dieser Besetzung klar kommen müssen.“

„Na, dann ist doch alles bestens. Warum sitzen wir dann noch alle hier so steif herum. Lasst uns fröhlich sein!“

„David. Ich habe das Gefühl, du willst es nicht verstehen…“ Bis auf David waren immer noch alle sehr ernst und Kevin versuchte erneut es ihm zu erklären: „Hättest du ein Problem damit meinen Arm wieder anzunähen?“

„Nein!“ Die Antwort kam schnell.

Felicitas, die die ganze Zeit mit großen Augen versucht hatte dem Gespräch zu folgen, sah ihren Dad entsetzt an. Er blutete doch gar nicht.

Kate, die auf Felicitas anderen Seite saß, strich ihr beruhigend über das Haar: „Keine Sorge, das ist nur ein Beispiel, um das Problem zu erklären.“

„Siehst du, was alleine der Gedanke in Felicitas ausgelöst hat?“

„Sie ist noch klein.“

„Okay… wie sieht es mit Kate aus, deiner Mum?“

Hier hatte Kevin wohl den richtigen Punkt erwischt. Jetzt begann David angestrengt nachzudenken. „Okay, ich habe euch verstanden. Wir haben dem Grundsatz nur nie so viel Bedeutung geschenkt. Aber wenn ihr meint, dass es wichtig ist, von mir aus.“

„Dann ist gut.“ Geoff wechselte einen erleichterten Blick mit Kevin. „Dann werde ich euch jetzt die Regel, die Kevin und ich uns für die nächste Zeit überlegt haben, mitteilen. Hört alle bitte gut zu, es ist auch für das Pflegepersonal wichtig.“ Geoff schaute Franziska und Julian über den Tisch hinweg an. Sie waren sehr verantwortungsbewusst und sie hatten Geoffs vollstes Vertrauen. „Für den Fall der Fälle, müsst ihr euch gegebenenfalls über den Arzt hinwegsetzen und auf die Regel bestehen.“ Ein allgemeines Nicken bescheinigte Geoff die Aufmerksamkeit am Tisch. „Also, klar ist, wenn niemand anderes da ist, muss ich helfen und meine Gefühle unterdrücken. Ansonsten werden wir es so halten, dass Kevin die schwerste Bürde tragen wird und für uns alle verantwortlich ist. Und ich für ihn. Dies ist auch eine neue Situation für uns. Jim war uns sonst immer zugeteilt. Doch ich denke wir haben die letzten Wochen auch so ganz gut überstanden, dass wir es auch in dieser Form weiterführen können. Ich hoffe, ihr seid nicht sauer, dass wir euch momentan noch außen vorlassen…“

„Geoff, “ Kevin mischte sich ein, „sie werden es verstehen, lass sie erst einmal in den Alltag finden. Wir waren doch nicht anders, als wir begonnen haben. Man ist sich ganz sicher stets cool und zuverlässig arbeiten zu können.“

David war von diesen Worten seines Onkels auch jetzt noch überzeugt. Er würde stets zuverlässig seine Arbeit ausführen, egal wer da vor ihm stand… oder lag.
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