Kann ich an das Glück glauben? (Das Geheimnis des Glücks)
von Donna-Hayley
Kurzbeschreibung
Im Leben des 20 Jährigen Atemu läuft alles aus dem Ruder. Dabei hatte er so viele Ziele, die er in seinem Leben erreichen wollte. Unerwartet verliert er seinen Job, was ihn zur Verzweiflung bringt. Als er dann auf seine Ehemaligen Klassenkameraden trifft, scheint ein Unglück das nächste zu jagen. SetoxAtemu
GeschichteAllgemein / P18 / MaleSlash
Atemu
Seto Kaiba
Yami Bakura
Yugi Mutou
15.02.2016
18.03.2023
202
776.021
25
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18.03.2023
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Wütend trat Atemu eine Dose fort, während er ziellos durch die Straßen Tokios lief. Seinen kleinen Anubis trug er im Arm, der entspannt die Umgebung beobachtete.
Warum stand er schon wieder als Sündenbock da? Er legte lediglich die Tatsachen auf den Tisch. Für das Ergebnis konnte er doch nichts!
Was fiel Seth eigentlich ein? Er war es doch, der seinen Vater für sich beanspruchte. Wie sollte er ihn da besser kennenlernen? Als sie zusammenkamen verbrachte Yasuo kaum noch Zeit mit ihm. Ja, er benahm sich wie ein eifersüchtiges Kind, welches seinen Vater nicht teilen wollte. Im Grunde war er nicht so, aber seine Gedanken wollten einfach nicht aufhören ihn ständig daran zu erinnern.
„Wen haben wir denn da?“, rief Marik über die Straße.
„Schlechter Zeitpunkt!“, brummte Atemu und ging mit großen Schritten weiter.
„Jetzt warte doch mal!“ Marik rannte über die Straße und holte Atemu ein. „Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen.“
„Ist auch besser so. Ich bringe dich nur wieder in Schwierigkeiten.“
„Meinst du meine Verletzung? Ich bin wieder ganz gesund. Es ist nur eine Narbe zurückgeblieben.“, lächelte Marik schief. „Wie ist es dir ergangen? Wenn ich mir deinen Arm ansehe, scheinst du viel um die Ohren gehabt zu haben. Sogar dein Kater trägt einen Gips. Macht ihr etwa Partnerlook?“
Innerlich verdrehte Atemu die Augen. So redselig war er doch nie. „Es ist ein auf und ab, wobei es zur Zeit eher steil Bergab geht.“ Seufzend ließ Atemu die Schultern hängen. „Es ist eine lange Geschichte und ich möchte nicht darüber sprechen.“
„Jetzt bleib doch mal stehen und erzähl mir was passiert ist. Du bist offensichtlich frustriert. Mir kannst du’s erzählen, oder ist es ein Yakusa-Ding von dem keiner etwas wissen soll?“
Tatsächlich blieb Atemu stehen. „Du sollst meinetwegen keine Probleme bekommen. Du hast doch damals gesehen was passieren kann, wenn du in meiner Nähe bist.“
„Mach mal halblang! Ich war mehr oder weniger nicht unschuldig daran.“
„Mag sein, aber halte dich trotzdem fern.“ Insgeheim war Atemu froh Marik gesund und munter zu sehen und er war anders als früher. Seine feindselige Ausstrahlung ihm gegenüber war verschwunden. Das damalige Ereignis hatte ihn verändert und anscheinend auch seine Meinung über ihn. Selbst jemand wie Marik konnte sich ändern.
„Sei doch nicht so. Lass uns in das Café da drüben gehen.“ Marik zeigte auf ein kleines Familiencafé, welches Atemus Interesse weckte. „Aber nur kurz.“
Nachdem sich Atemu das fünfte Stück Kuchen in den Mund schaufelte, endete auch seine Erzählung. „Siehst du? Ich hab keine Schuld und trotzdem fühle ich mich als wäre ich der Sündenbock.“
Marik war viel zu fasziniert davon, wie jemand in so kurzer Zeit so viel Kuchen und Kekse essen konnte. Nebenbei schlürfte er den dritten Becher Schokoladenmilch, obwohl sie viel zu heiß sein müsste. Deshalb brauchte Marik zu lange für eine Antwort. Atemu hingegen wurde ungeduldig, weil er hören wollte, dass er im Recht war. „Warum zögerst du? Stimmst du mir nicht zu?“
„N-nein, ich finde nicht.“
„Sag ich doch!“ Atemu beschloss sich noch einen Eisbecher mit heißen Kirschen zu bestellen.
„Bekommst du keine Magenschmerzen?“
„Was hast du gesagt?“ Atemu war gerade dabei die Karte zu studieren und nebenbei mit der Kellnerin zu sprechen.
„Ach…nichts.“ Ob Frustessen die richtige Lösung war? „Du solltest das Gespräch suchen und nicht alles in dich hineinfressen.“
„Meinst du? Aber zuerst soll sich Seth entschuldigen!“ Obwohl er gerade erst seine Bestellung aufgab, hielt Atemu bereits Ausschau nach seinem Eis mit den heißen Kirschen.
Anubis räkelte sich genüsslich auf seinem Stuhl und genoss die gelegentlichen Streicheleinheiten des Servicepersonals. Zwischendurch schielte er zu seinem Herrchen, vielleicht fiel ein Leckerbissen runter.
Marik kam sich vor, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. „Du solltest nachgeben, damit ihr nicht den Moment verpasst euch zu versöhnen. Hey, hörst du mir zu?“
„Ich verpasse schon nichts!“ Atemus Gesicht erhellte sich, als seine Süßspeise den Weg zu ihm fand.
Marik verlor keine Zeit und schob den Eisbecher zu sich, damit Atemu auch wirklich zuhörte. „In der Schule und auch danach habe ich nach einem Ventil für meine Wut auf meine Eltern gesucht und es in dir gefunden. Anstatt ihnen meine Probleme mitzuteilen, habe ich alles an dir ausgelassen. Ich hielt dich für schwach, stattdessen bin ich derjenige gewesen, der keinen Charakter hatte.“
Atemu holte sich seinen Eisbecher zurück, denn die Kirschen schmeckten am besten, wenn sie noch heiß waren. „Ich war auch nicht immer ein Unschuldsengel. Einmal habe ich das Computerprogramm der Schule lahmgelegt und ein anderes Mal habe ich den Feueralarm betätigt, um andere Prüfungsarbeiten ins Lehrerzimmer zu schmuggeln. An den Schlüssel zu kommen war der schwierigste Teil.“
Marik verschluckte sich an seinem Eiskaffee. „Wie bitte? Du meinst die Prüfungen, bei denen fast alle durchgefallen sind?“
Atemu nickte, während er sich eine Kirsche in den Mund schob. „Ich habe die Fragen besonders schwer gemacht, aber Seto hat trotzdem bestanden. Für die, die nichts mit meinen Problemen zu tun hatten tat es mir zwar leid, aber ich wollte mich unbedingt rächen.“
Marik begann zu grübeln. „Bist du auch für das geplatzte Sportfest verantwortlich?“
Atemu nickte begeistert. „Da musste ich mir richtig den Kopf zerbrechen. Ihr hättet euch nur über mich lustig gemacht und mich in keinem Team akzeptiert. Deshalb habe ich einen Ausweg gesucht. Dass es so eskaliert, war allerdings nicht geplant.“
Marik erinnerte sich mit Schrecken an diesen Tag zurück. Das gesamte Sportfest endete in einem einzigen Chaos. Es gab sogar Prügeleien und selbst ihre Familien, die an solchen Tagen anwesend waren, bekamen sich in die Haare. Das alles war Atemus Werk gewesen? Wie hatte er das angestellt? Die Spiele waren manipuliert, dessen war er sich damals schon sicher und dadurch kam es zu Streitereien. „Jeder an deiner Stelle wäre an diesem Tag zuhause geblieben, aber du scheinst das extreme zu suchen.“ Marik schob seinen Muffin zur Seite. Irgendwie war ihm der Appetit vergangen.
„Wenn ich einfach zuhause geblieben wäre, hättet ihr einen neuen Grund gefunden euch lustig zu machen. Leider habt ihr immer wieder angefangen und mir den Antrieb gegeben mir etwas anderes einfallen zu lassen, ohne erwischt zu werden.“
Marik senkte schuldbewusst den Kopf. „Das…tut mir ehrlich leid. Wir haben dich dazu gedrängt.“
„Ich bin drüber hinweg!“, mampfte Atemu. Dieses Café kam auf seine Liste. Mit Kisaragi musste er unbedingt herkommen und natürlich auch mit seinem Vater. Unglaublich wie gut die Süßspeisen hier schmeckten.
„Einfach so? Hegst du keinen Groll gegen mich?“
Atemu schüttelte den Kopf. „Nicht mehr. Warum sollte ich auch? Das ist längst vorbei und ich führe ein ganz anderes Leben. Meine größte Sorge besteht darin, wie ich einen Clan aufbaue, um unseren Feind zu töten.“
„Oh…ach so!“ Es verschlug Marik die Sprache wie gleichgültig er darüber sprechen konnte. Erst jetzt erkannte er, dass Atemu sich nicht geändert hatte, sondern schon immer so war. Damals konnte er seine wahre Natur nur besser verschließen und heute bestand keine Notwendigkeit mehr darin. „Dann wirst du eines Tages zu den drei großen Clans dieser Stadt gehören?“
„Vermutlich, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bisher habe ich noch nichts zustande gebracht.“ Drei große Clans? Der Katsuro und Narusawa-Clan waren bekannt, aber welcher war der Dritte? Diese Wissenslücken machte ihm zu schaffen. Warum musste er seinem Vater alles aus der Nase ziehen?
„Was du mir erzählt hast, nennst du nichts?“, runzelte Marik verständnislos die Stirn. „Dich möchte ich nicht zum Feind haben und ich bin froh, dass wir unseren Streit beilegen konnten.“
*
Einige Stunden nach dem Gespräch mit Atemu, stand Yasuo vor dem Haus, welches er einst über alles liebte. Er hatte fast nur gute Erinnerungen an diesen Ort. Hier wuchs Atemu auf und er hatte bis zu jenem verhängnisvollen Tag eine glückliche Kindheit.
Auf dem Weg hierher hatte sich Yasuo einen stabilen Baseballschläger gekauft, welcher auf seiner Schulter ruhte. „Du hast mich hintergangen, du feiges Arschloch. Du hast den freundlichen alten Mann gespielt, damit man mir mein Kind wegnehmen kann.“ Yasuo fing an zu lachen, obwohl ihm nicht danach zumute war. „Ich Idiot hab dir alles abgekauft und selbst als ich mich plötzlich müde und ausgelaugt gefühlt habe, schöpfte ich keinen Verdacht. Ich führte es auf den Stress zurück, auf den Druck der auf mir lastete.“ Yasuo schloss die Eingangstür auf und betrat das Einfamilienhaus. Gezielt ging er ins Wohnzimmer, in dem sie damals zu dritt viele Stunden verbrachten. Hier war stets sein Rückzugsort gewesen und hier konnte er Kraft tanken. Atemu malte seine Bilder mit seinen Wachsmalstiften, oder spielte mit seiner Puppe. Súma las ein Buch und er konnte Atemu stundenlang beim Spielen beobachten. An diese Zeit dachte Yasuo besonders oft zurück, aber jetzt brachte diese Erinnerung einen faden Beigeschmack mit sich, begleitet vom unerträglichen Schmerz.
Er legte den Schläger zur Seite und schnappte sich einen Karton. Darin legte er Atemus selbstgemalte Bilder und Spielsachen rein die verstreut im Wohnzimmer lagen. Die ganzen Jahre weigerte er sich irgendwas zu verändern, damit er seine wunderschönen Erinnerungen aufleben lassen konnte. „Irgendwann habe ich angefangen meine Leute falsch anzuleiten und einer nach dem anderen ist durch mich in den Tod gegangen. Du hast dir meine Vorwürfe angehört, mir Mut zugesprochen, dabei hast du gewusst, warum ich falsche Entscheidungen getroffen hab.“ Yasuo klebte den Karton zu und stellte ihn an die Tür.
Dann nahm er seinen Schläger in beide Hände und fixierte die Vitrine an, die viele Erinnerungsstücke von Súma beinhaltete. Er holte aus und zerschmetterte das dünne Glas, den hölzernen Rahmen mit all seinen Erinnerungen. „Du hast ein falsches Spiel mit mir getrieben. Hast dich an meinem Leid ergötzt und mir scheinheilig ins Gesicht gelacht.“, brüllte Yasuo seinen Schmerz heraus und zertrümmerte ein Regal mit Fotos, auf denen Súma abgebildet war. „Als Atemu weg war, hast du dein Handeln bereut, hab ich Recht?“ Wieder musste ein Möbelstück dran glauben. Diesmal der dunkle Tisch aus Walnussholz, an dem Atemu früher seine Bilder gemalt hatte. „Du hast für ihn Geld zusammengespart und ihm sogar dieses Haus vermacht, weil du mit der Schuld nicht leben konntest.“ Yasuo schlug nicht mehr gezielt zu, sondern fing an alles wahllos zu zerschmettern. „Du wolltest dich freikaufen, sollte die Wahrheit ans Licht kommen! Aber ich werde dir niemals vergeben. Ich hätte damals gewonnen und würde heute den Clan anführen, wenn du nicht gewesen wärst. Dann wäre Atemu bei mir geblieben und Taira und Natsuo würden noch leben!“ Yasuo begann die Kontrolle über sich zu verlieren und zerschlug Möbelstück um Möbelstück. „Meine Freunde, die Leute, die mir gefolgt sind, weil sie von mir überzeugt waren, sind durch dich gestorben! Rishid und Shogo müssten nicht um ihr Leben kämpfen. Das alles ist deine Schuld!“ Aus dem gemütlichen Wohnzimmer blieb ein einziges Schlachtfeld übrig. In seiner Rage beschloss Yasuo in der Küche weiterzumachen.
Er zertrümmerte das geblümte Geschirr, seine geliebten Teetassen und auch den Stuhl, in dem Atemu früher saß. Nichts sollte an diesem Ort noch an Súma erinnern. „Du mieses Schwein. In der Hölle sollst du schmoren. Du hast dich von den Yakuza abgewandt, nur deshalb hatte ich dich um Hilfe gebeten. Du hast uns verraten und verkauft. Niemals werden wir dir das verzeihen.“ Yasuo warf den Schläger weg und ging ein Stockwerk höher. Gezielt steuerte er Atemus altes Kinderzimmer an und räumte das ganze Spielzeug zusammen, welches er für Atemu gekauft hatte. Dieses packte er sorgsam ins Auto. Jene Spielsachen, die Súma damals mitbrachte ließ er liegen. Dann nahm er einen vollen Benzinkanister und ging zurück ins Haus. Den Inhalt verteilte er im unteren Stockwerk und durchtränkte den Teppich, das zerborstene Holz und all die Erinnerungsstücke, die Yasuo vor wenigen Stunden noch als seine Heiligtümer betrachtete.
Eine warme Hand auf seiner Schulter ließ Yasuo hinter sich blicken.
„Ich hab dich überall gesucht.“ Seth drückte Yasuo an sich. „Das solltest du nicht tun. Beruhige dich und überstürze es nicht.“
„Seth!“, fing Yasuo an zu weinen. Seine Wut verwandelte sich in Verzweiflung und hinterließ eine tiefe Narbe in seiner Seele. „Ich werde Atemu mit all dem Mist alleine lassen und ich kann nichts dagegen tun. Seth, ich will nicht sterben! Ich will euch nicht alleine lassen.“
Zum ersten Mal hörte Seth diese Worte aus dem Mund seines Partners. Sie waren durchtränkt von Schmerz und Verzweiflung. „Du wirst noch nicht sterben, das werde ich verhindern. Ich habe noch lange nicht alles ausgeschöpft. Irgendwie werde ich eine bessere Behandlungsmöglichkeit finden.“
Yasuo klammerte sich an Seth und suchte auf diese Weise Halt. „Er hat mich hintergangen, deshalb musste mein Kind ohne mich aufwachsen. Nur deshalb hat Atemu so viel erduldet.“ Yasuo konnte sich nicht mehr beruhigen. Dass er einmal so viele Tränen vergießen würde, hätte er nie gedacht. „Hast du den Ausdruck in Atemus Gesicht gesehen? Er musste alles alleine aushalten und er gibt sich die Schuld für den Tod von Natsuo und Taira. In Wirklichkeit bin ich es doch, ich habe Yutaka und Keigo vertraut. Ich habe ihnen ihre Geschichte abgekauft und zu keiner Zeit Verdacht geschöpft.“
„Es war nicht alleine deine Schuld. Ich bin genauso dafür verantwortlich.“ Seth war bisher immer aufmerksam und schaute sich jedes Mitglied genau an. Leider nicht gründlich genug, wie er schmerzlich feststellen musste. Dadurch litt Yasuo mehr als alle anderen und er durfte es nicht einmal zeigen. „Sie haben ihre Rollen perfekt gespielt. Keiner von uns hat etwas geahnt.“
Yasuo löste sich etwas von Seth. „Nein, es ist meine Schuld. Ich hätte wachsamer sein müssen. Ich darf nicht leichtfertig vertrauen, egal wie Plausible ihre Gründe sind. Ich dachte, Yutaka und Keigo wollen vor Isamu fliehen um ihre Familien zu schützen. Wie konnte ich mich so sehr irren? Das darf einfach nicht passieren.“
„Ich weiß, Yasuo.“ Seth wusste selbst nicht weiter. Sie steckten fest und erlitten einen herben Rückschlag. Einfach weiterzumachen erschien beinahe unmöglich. Zuerst mussten sie sich erholen und besonders Yasuo brauchte eine Pause. Leider durften sie sich diese Pause nicht gönnen, denn ihre Feinde lauerten in der Dunkelheit.
*
Beim Mittagessen erzählte Zigfried von seinem Aufenthalt im Krankenhaus und echauffierte sich über die zwei Schränke, die seine Leibwächter spielten. „Man konnte keine anständige Konversation mit ihnen führen. Eine Tapete ist interessanter als diese Miesepeter.“
Aufmerksam hörten Akihiko und Yuto zu. Zwar hatten sie keinen Hunger, aber sie mochten Zigfrieds Art über seine Aufpasser zu schimpfen. „Dann hast du dich die ganze Zeit gelangweilt?“, wollte Akihiko wissen.
„Nicht nur dass, es gab nicht einmal etwas Anständiges zu lesen. Zwar brachte Shiro mir viele Zeitschriften mit, aber nicht einmal die Boulevardpresse konnte mich überzeugen. Dabei gibt es ständig Klatsch und Tratsch.“ Zigfried machte eine ausschweifende Handbewegung. „Kaum braucht man sie am meisten, lässt sie einen im Stich.“
Akihiko kicherte mit vorgehaltener Hand. „Sind diese Zeitschriften so interessant?“
„Aber natürlich. Nach dem Essen zeige ich euch einen interessanten Artikel über die englische Gräfin. Sie hat sich am Hof einen unglaublichen Fauxpas erlaubt. Beinahe hätte sie das gesamte Königshaus blamiert.“
Shirotani konnte schon nicht mehr zählen, so oft musste er sich bereits die Geschichte dieser dämlichen Gräfin anhören. Jetzt hatte Zigfried zwei neue Opfer gefunden, mit denen er über alle möglichen Adligen lästern konnte.
Durch die vielen Geschichten kannte er jeden Namen des englischen Königshauses und ihren Werdegang auswendig. So unauffällig wie es ihm möglich war stand Shirotani vom Tisch auf und schlich sich aus der Küche. Leise öffnete er die Tür und…
„Wohin gehst du, Shiro?“, wollte Zigfried verwundert wissen.
„Oh…ich muss mal aufs Klo.“
„Aha, aber benutze danach das Raumspray. Ich habe es extra für dich gekauft. Es steht auf dem kleinen Schrank.“
„Doch nicht vor den Jungs!“, wurde Shirotani rot.
„Die Jungs wohnen ein paar Tage bei uns und sollten über deine schlechten Manieren Bescheid wissen. Ich kann sie nicht in deine Wolke laufen lassen.“
„So schlecht sind meine Manieren nicht.“ Mann, er wollte sich doch nur rausschleichen, um seine Quizsendung zu schauen und zwar alleine. Leider wusste Zigfried immer alle Antworten und er hatte nur selten einen Glückstreffer. Heute konnte er endlich in aller Ruhe alleine mitraten.
„Etwas besser sind sie geworden, Shiro. Reiß dich dennoch zusammen und mach einen guten Eindruck.“ Zigfried widmete sich wieder den Jungs und erzählte seine Geschichte weiter.
„Na toll, jetzt muss ich wirklich aufs Klo!“, brummte Shirotani und stampfte ins Bad.
„Wollt ihr noch Nachtisch? Ich habe einen wunderbaren Marmorkuchen im Backofen.“ Zigfried wartete keine Antwort ab und schaute nach seinem Backwerk.
„Ich helfe dir.“, bot Yuto seine Hilfe an.
„Sehr gerne. Du kannst die kleinen Teller aus dem unteren Schrank auf den Tisch stellen. Ich bereite den Tee zu.“
Akihiko fing an sich wohler zu fühlen. Zwar kamen die Erlebnisse wieder hoch, sobald die Gespräche eingestellt wurden, aber durch die warme Atmosphäre bei diesen beiden Menschen konnte er durchatmen. Auch Yuto verhielt sich gelöster als sonst und suchte Zigfrieds Nähe. „Wie hast du Shirotani eigentlich kennengelernt? Ihr seid sehr gegensätzlich.“
Zigfried begann zu strahlen. „Mein Shiro ist in seinem Herzen sehr sensible.“ Er legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen. „Ihr dürft es ihm natürlich nicht auf die Nase binden. Er würde es vehement abstreiten und ist dann den restlichen Tag eingeschnappt.“
„Wir sagen nichts.“, kicherte Akihiko. „Und wie habt ihr euch nun kennengelernt?“
„Das ist eine unvorstellbar romantische Geschichte.“, schwärmte Zigfried und fing an zu erzählen.
*
Mit entsetzlichen Bauchschmerzen schlurfte Atemu in Richtung eines großen Einkaufzentrums. Von Marik hatte er sich vor einer Weile verabschiedet und eigentlich wollte er nach Hause. Leider rächte sich sein Magen an seiner Fressorgie und trieb ihn zur nächstgelegenen Toilette. „Sonst kann ich so viel essen wie ich will. Ausgerechnet heute macht mein Bauch nicht mit.“ Vor sich hin schimpfend beeilte Atemu sich ins Innere des Gebäudes zu kommen und suchte schnell die Toiletten auf.
*
Seto war dabei seinen Koffer zu packen und legte seine Kleidung sorgsam zusammen.
Joey beobachtete Seto argwöhnisch. „Du überstürzt deinen Auszug. Du solltest Atemu nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Er hat auch ein Wörtchen mitzureden.“
Seto hielt inne. „Es hat sich vieles geändert und ich kann ihn nicht alleine lassen.“ Außerdem wollte er Joey nicht durch seine Anwesenheit zur Zielscheibe machen. Je früher er ging, umso besser. Lange hatte es gedauert bis er verstand, in welcher ausweglosen Lage er sich befand. Sein altes Leben musste er hinter sich lassen, damit er niemanden hineinziehen konnte.
„Wie du meinst. Du kannst jederzeit zurückkommen. Nicht das du noch auf der Straße schlafen musst.“, zwinkerte Joey.
„Werde ich schon nicht. Wir sehen uns bestimmt wieder.“
„Du tust so als wäre das ein Abschied für immer. Wir können etwas unternehmen und ein Date zu viert machen. Ich habe jemanden kennengelernt und könnte Unterstützung gebrauchen.“
„Dem sollte nichts im Wege stehen.“ Setos Herz wog schwer. Solange Isamu oder Airi nicht auf Joey aufmerksam wurden, konnte er sein unbeschwertes leben weiterführen. Dennoch wollte er Yasuo von seinen Bedenken erzählen, sonst würde er nicht zur Ruhe kommen.
*
Besorgt schaute Atemu aufs Toilettenpapier, welches sich bedenklich dem Ende zuneigte. „Warum konnte das nicht zuhause passieren? Ausgerechnet auf einer öffentlichen Toilette...“ Alles lief schief und selbst sein Körper ließ ihn im Stich. „Ich brauche jemanden, der mich nach Hause fährt.“ Wen konnte er Fragen? Eigentlich gab es nur einen den er in dieser Situation kontaktieren konnte und der ihn niemals auslachen würde.
Resigniert tippte er eine Nachricht in sein Handy und versuchte nicht zu ausführlich zu sein. Es war ihm peinlich genug und ganz besonders, weil er seinen Zustand selbst herbeigeführt hatte.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er die Stimme seines Vaters hörte.
Yasuo lehnte sich mit dem Rücken gegen die Toilettentür und versuchte nicht zu verheult zu klingen. „Steckst du wieder in Schwierigkeiten?“
„Du darfst keinem davon erzählen.“, drang die beleidigte Stimme seines Sohnes durch die Tür.
Yasuo konnte sogar Lächeln, denn sein Sohn klang ziemlich bockig. „Werde ich nicht. Hältst du es bis nach Hause aus?“
„Ich denke schon, aber zuerst brauche ich eine Rolle Toilettenpapier.“
Yasuo fing an sich zu fragen, wie ein kluger Kopf wie Atemu sich in eine solche Situation bringen konnte. Er war ein kleiner Unglücksrabe, obwohl er sich mehr bemühte als andere. „Ich werfe dir eine rüber und dann warte ich draußen. Ich pass auf das keiner reinkommt.“
Es war die richtige Entscheidung seinen Vater Bescheid zu sagen. Er lachte nicht und stellte selbst jetzt keine Fragen. Obwohl es ihm selbst gerade nicht gut ging, dies hörte Atemu an seiner Stimme, war er für ihn da.
*
Seth wartete geduldig im Auto und telefonierte in dieser Zeit mit Kisaragi. Durch ihn erfuhr er etwas, was ihn in zusätzliche Alarmbereitschaft versetzte. „Bleib bitte bei Rishid und Shogo. Sollte er auftauchen, melde dich. Shirotani wird dich morgen früh ablösen.“ Seth legte sein Smartphone zur Seite und legte seinen Kopf aufs Lenkrad. Kusaka war entkommen, obwohl sie ihn bereits hatten. Wie konnte das passieren? Dieser Psycho war doch hinter Akihiko her und er arbeitete mit Dartz zusammen, der ebenfalls irgendwo sein Unwesen trieb. „Alles läuft schief. Heute kann ich Yasuo nicht mehr belasten.“
„Da sind wir!“, klopfte Yasuo gegen die Autoscheibe. Nachdem Atemu hinten eingestiegen war, setzte sich Yasuo auf den Beifahrersitz und schloss die Augen. „Ich kann es kaum erwarten ins Bett zu kommen.“
„Mir geht es nicht anders.“ Seth drehte sich zu Atemu um, weil er unbedingt etwas klären musste. „Wegen heute Morgen..., ich entschuldige mich bei dir.“
Atemu gab zu überrascht zu sein. Ohne selbst davon anzufangen, glätteten sich die Wogen beinahe von alleine. Wenn Seth auf ihn zu kam, sollte auch er einlenken. Marik hatte Recht, er sollte den Moment der Versöhnung nicht verpassen und ihn durch falschen Stolz verspielen. „Es ist für alle nicht leicht. Ich bin genauso geschockt gewesen wie du. Als ich euch davon erzählt habe, hatte ich genug Zeit alles zu verarbeiten. Deshalb kam ich vielleicht gleichgültig rüber und habe dich dadurch verärgert.“
„Nein, ich habe überreagiert. Wenn es um Yasuo geht, brennen bei mir die Sicherungen durch.“
Atemu ließ es so stehen, denn wieder kam das Gefühl der Eifersucht in ihm durch. Er gönnte seinem Vater diese Beziehung, warum nur lief bei ihm alles schief? Einen Partner an seiner Seite war offensichtlich zu viel verlangt.
Als eine drückende Stille über Seth herüberschwappte, startete er den Motor und fuhr los. Sie hatten sich zwar ausgesöhnt, dennoch lag ein schwerer Nebel über ihnen und dies lag an vielerlei Gründen. Seth war der falsche Ansprechpartner dafür und wollte dies Yasuo überlassen, deshalb schwieg er.
Während der Fahrt, meinte Atemus Magen Tango zu tanzen und krampfte sich hin und wieder zusammen. Irgendwann musste es doch ein Ende nehmen.
„Ist es so schlimm?“, fragte Yasuo besorgt nach.
„Nein, mein Magen ist leer.“
„Wir sind gleich da. Ich mach dir einen Tee, der den Magen beruhigt. Der wirkt Wunder.“
„Danke Papa.“ Obwohl er nichts sagte, merkte sein Vater wie dreckig es ihm ging. Wie machte er das nur?
Auf dem Parkplatz ihres Wohnhauses stiegen Atemu und Yasuo aus. Seth blieb im Auto, denn er wollte noch mit Kisaragi sprechen und außerdem wollte er Atemu die Möglichkeit geben mit seinem Vater allein zu sein. Sie hatten viel zu bereden und er würde dabei stören. „Ich bin gegen Abend zuhause.“
„Lass dir nicht zu viel Zeit, Seth.“ Yasuo mochte sich nicht trennen, verstand aber den Grund dafür. „Komm mein Junge, lass uns schnell reingehen.“
Kaum fiel die Haustür hinter Atemu ins Schloss konnte er sich nicht mehr beherrschen. Die ganze Anspannung fiel von ihm ab und er ließ sich von seinem Vater in die Arme nehmen, der ihn fest an sich drückte. Obwohl er es nicht wollte, fing er an zu weinen. Der einzige Mensch, bei dem er sich diesen Ausbruch noch erlaubte, war Yasuo. Deshalb war er Seth dankbar diese Zeit alleine mit ihm zu haben.
Seit der Entführung bis jetzt lag ein enormer Druck auf Atemu. Endlich konnte er alles rauslassen und brauchte sich nicht mehr zusammenzureißen. Allein die Umarmung fühlte sich Wohltuend und befreiend an.
Warum stand er schon wieder als Sündenbock da? Er legte lediglich die Tatsachen auf den Tisch. Für das Ergebnis konnte er doch nichts!
Was fiel Seth eigentlich ein? Er war es doch, der seinen Vater für sich beanspruchte. Wie sollte er ihn da besser kennenlernen? Als sie zusammenkamen verbrachte Yasuo kaum noch Zeit mit ihm. Ja, er benahm sich wie ein eifersüchtiges Kind, welches seinen Vater nicht teilen wollte. Im Grunde war er nicht so, aber seine Gedanken wollten einfach nicht aufhören ihn ständig daran zu erinnern.
„Wen haben wir denn da?“, rief Marik über die Straße.
„Schlechter Zeitpunkt!“, brummte Atemu und ging mit großen Schritten weiter.
„Jetzt warte doch mal!“ Marik rannte über die Straße und holte Atemu ein. „Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen.“
„Ist auch besser so. Ich bringe dich nur wieder in Schwierigkeiten.“
„Meinst du meine Verletzung? Ich bin wieder ganz gesund. Es ist nur eine Narbe zurückgeblieben.“, lächelte Marik schief. „Wie ist es dir ergangen? Wenn ich mir deinen Arm ansehe, scheinst du viel um die Ohren gehabt zu haben. Sogar dein Kater trägt einen Gips. Macht ihr etwa Partnerlook?“
Innerlich verdrehte Atemu die Augen. So redselig war er doch nie. „Es ist ein auf und ab, wobei es zur Zeit eher steil Bergab geht.“ Seufzend ließ Atemu die Schultern hängen. „Es ist eine lange Geschichte und ich möchte nicht darüber sprechen.“
„Jetzt bleib doch mal stehen und erzähl mir was passiert ist. Du bist offensichtlich frustriert. Mir kannst du’s erzählen, oder ist es ein Yakusa-Ding von dem keiner etwas wissen soll?“
Tatsächlich blieb Atemu stehen. „Du sollst meinetwegen keine Probleme bekommen. Du hast doch damals gesehen was passieren kann, wenn du in meiner Nähe bist.“
„Mach mal halblang! Ich war mehr oder weniger nicht unschuldig daran.“
„Mag sein, aber halte dich trotzdem fern.“ Insgeheim war Atemu froh Marik gesund und munter zu sehen und er war anders als früher. Seine feindselige Ausstrahlung ihm gegenüber war verschwunden. Das damalige Ereignis hatte ihn verändert und anscheinend auch seine Meinung über ihn. Selbst jemand wie Marik konnte sich ändern.
„Sei doch nicht so. Lass uns in das Café da drüben gehen.“ Marik zeigte auf ein kleines Familiencafé, welches Atemus Interesse weckte. „Aber nur kurz.“
Nachdem sich Atemu das fünfte Stück Kuchen in den Mund schaufelte, endete auch seine Erzählung. „Siehst du? Ich hab keine Schuld und trotzdem fühle ich mich als wäre ich der Sündenbock.“
Marik war viel zu fasziniert davon, wie jemand in so kurzer Zeit so viel Kuchen und Kekse essen konnte. Nebenbei schlürfte er den dritten Becher Schokoladenmilch, obwohl sie viel zu heiß sein müsste. Deshalb brauchte Marik zu lange für eine Antwort. Atemu hingegen wurde ungeduldig, weil er hören wollte, dass er im Recht war. „Warum zögerst du? Stimmst du mir nicht zu?“
„N-nein, ich finde nicht.“
„Sag ich doch!“ Atemu beschloss sich noch einen Eisbecher mit heißen Kirschen zu bestellen.
„Bekommst du keine Magenschmerzen?“
„Was hast du gesagt?“ Atemu war gerade dabei die Karte zu studieren und nebenbei mit der Kellnerin zu sprechen.
„Ach…nichts.“ Ob Frustessen die richtige Lösung war? „Du solltest das Gespräch suchen und nicht alles in dich hineinfressen.“
„Meinst du? Aber zuerst soll sich Seth entschuldigen!“ Obwohl er gerade erst seine Bestellung aufgab, hielt Atemu bereits Ausschau nach seinem Eis mit den heißen Kirschen.
Anubis räkelte sich genüsslich auf seinem Stuhl und genoss die gelegentlichen Streicheleinheiten des Servicepersonals. Zwischendurch schielte er zu seinem Herrchen, vielleicht fiel ein Leckerbissen runter.
Marik kam sich vor, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. „Du solltest nachgeben, damit ihr nicht den Moment verpasst euch zu versöhnen. Hey, hörst du mir zu?“
„Ich verpasse schon nichts!“ Atemus Gesicht erhellte sich, als seine Süßspeise den Weg zu ihm fand.
Marik verlor keine Zeit und schob den Eisbecher zu sich, damit Atemu auch wirklich zuhörte. „In der Schule und auch danach habe ich nach einem Ventil für meine Wut auf meine Eltern gesucht und es in dir gefunden. Anstatt ihnen meine Probleme mitzuteilen, habe ich alles an dir ausgelassen. Ich hielt dich für schwach, stattdessen bin ich derjenige gewesen, der keinen Charakter hatte.“
Atemu holte sich seinen Eisbecher zurück, denn die Kirschen schmeckten am besten, wenn sie noch heiß waren. „Ich war auch nicht immer ein Unschuldsengel. Einmal habe ich das Computerprogramm der Schule lahmgelegt und ein anderes Mal habe ich den Feueralarm betätigt, um andere Prüfungsarbeiten ins Lehrerzimmer zu schmuggeln. An den Schlüssel zu kommen war der schwierigste Teil.“
Marik verschluckte sich an seinem Eiskaffee. „Wie bitte? Du meinst die Prüfungen, bei denen fast alle durchgefallen sind?“
Atemu nickte, während er sich eine Kirsche in den Mund schob. „Ich habe die Fragen besonders schwer gemacht, aber Seto hat trotzdem bestanden. Für die, die nichts mit meinen Problemen zu tun hatten tat es mir zwar leid, aber ich wollte mich unbedingt rächen.“
Marik begann zu grübeln. „Bist du auch für das geplatzte Sportfest verantwortlich?“
Atemu nickte begeistert. „Da musste ich mir richtig den Kopf zerbrechen. Ihr hättet euch nur über mich lustig gemacht und mich in keinem Team akzeptiert. Deshalb habe ich einen Ausweg gesucht. Dass es so eskaliert, war allerdings nicht geplant.“
Marik erinnerte sich mit Schrecken an diesen Tag zurück. Das gesamte Sportfest endete in einem einzigen Chaos. Es gab sogar Prügeleien und selbst ihre Familien, die an solchen Tagen anwesend waren, bekamen sich in die Haare. Das alles war Atemus Werk gewesen? Wie hatte er das angestellt? Die Spiele waren manipuliert, dessen war er sich damals schon sicher und dadurch kam es zu Streitereien. „Jeder an deiner Stelle wäre an diesem Tag zuhause geblieben, aber du scheinst das extreme zu suchen.“ Marik schob seinen Muffin zur Seite. Irgendwie war ihm der Appetit vergangen.
„Wenn ich einfach zuhause geblieben wäre, hättet ihr einen neuen Grund gefunden euch lustig zu machen. Leider habt ihr immer wieder angefangen und mir den Antrieb gegeben mir etwas anderes einfallen zu lassen, ohne erwischt zu werden.“
Marik senkte schuldbewusst den Kopf. „Das…tut mir ehrlich leid. Wir haben dich dazu gedrängt.“
„Ich bin drüber hinweg!“, mampfte Atemu. Dieses Café kam auf seine Liste. Mit Kisaragi musste er unbedingt herkommen und natürlich auch mit seinem Vater. Unglaublich wie gut die Süßspeisen hier schmeckten.
„Einfach so? Hegst du keinen Groll gegen mich?“
Atemu schüttelte den Kopf. „Nicht mehr. Warum sollte ich auch? Das ist längst vorbei und ich führe ein ganz anderes Leben. Meine größte Sorge besteht darin, wie ich einen Clan aufbaue, um unseren Feind zu töten.“
„Oh…ach so!“ Es verschlug Marik die Sprache wie gleichgültig er darüber sprechen konnte. Erst jetzt erkannte er, dass Atemu sich nicht geändert hatte, sondern schon immer so war. Damals konnte er seine wahre Natur nur besser verschließen und heute bestand keine Notwendigkeit mehr darin. „Dann wirst du eines Tages zu den drei großen Clans dieser Stadt gehören?“
„Vermutlich, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bisher habe ich noch nichts zustande gebracht.“ Drei große Clans? Der Katsuro und Narusawa-Clan waren bekannt, aber welcher war der Dritte? Diese Wissenslücken machte ihm zu schaffen. Warum musste er seinem Vater alles aus der Nase ziehen?
„Was du mir erzählt hast, nennst du nichts?“, runzelte Marik verständnislos die Stirn. „Dich möchte ich nicht zum Feind haben und ich bin froh, dass wir unseren Streit beilegen konnten.“
*
Einige Stunden nach dem Gespräch mit Atemu, stand Yasuo vor dem Haus, welches er einst über alles liebte. Er hatte fast nur gute Erinnerungen an diesen Ort. Hier wuchs Atemu auf und er hatte bis zu jenem verhängnisvollen Tag eine glückliche Kindheit.
Auf dem Weg hierher hatte sich Yasuo einen stabilen Baseballschläger gekauft, welcher auf seiner Schulter ruhte. „Du hast mich hintergangen, du feiges Arschloch. Du hast den freundlichen alten Mann gespielt, damit man mir mein Kind wegnehmen kann.“ Yasuo fing an zu lachen, obwohl ihm nicht danach zumute war. „Ich Idiot hab dir alles abgekauft und selbst als ich mich plötzlich müde und ausgelaugt gefühlt habe, schöpfte ich keinen Verdacht. Ich führte es auf den Stress zurück, auf den Druck der auf mir lastete.“ Yasuo schloss die Eingangstür auf und betrat das Einfamilienhaus. Gezielt ging er ins Wohnzimmer, in dem sie damals zu dritt viele Stunden verbrachten. Hier war stets sein Rückzugsort gewesen und hier konnte er Kraft tanken. Atemu malte seine Bilder mit seinen Wachsmalstiften, oder spielte mit seiner Puppe. Súma las ein Buch und er konnte Atemu stundenlang beim Spielen beobachten. An diese Zeit dachte Yasuo besonders oft zurück, aber jetzt brachte diese Erinnerung einen faden Beigeschmack mit sich, begleitet vom unerträglichen Schmerz.
Er legte den Schläger zur Seite und schnappte sich einen Karton. Darin legte er Atemus selbstgemalte Bilder und Spielsachen rein die verstreut im Wohnzimmer lagen. Die ganzen Jahre weigerte er sich irgendwas zu verändern, damit er seine wunderschönen Erinnerungen aufleben lassen konnte. „Irgendwann habe ich angefangen meine Leute falsch anzuleiten und einer nach dem anderen ist durch mich in den Tod gegangen. Du hast dir meine Vorwürfe angehört, mir Mut zugesprochen, dabei hast du gewusst, warum ich falsche Entscheidungen getroffen hab.“ Yasuo klebte den Karton zu und stellte ihn an die Tür.
Dann nahm er seinen Schläger in beide Hände und fixierte die Vitrine an, die viele Erinnerungsstücke von Súma beinhaltete. Er holte aus und zerschmetterte das dünne Glas, den hölzernen Rahmen mit all seinen Erinnerungen. „Du hast ein falsches Spiel mit mir getrieben. Hast dich an meinem Leid ergötzt und mir scheinheilig ins Gesicht gelacht.“, brüllte Yasuo seinen Schmerz heraus und zertrümmerte ein Regal mit Fotos, auf denen Súma abgebildet war. „Als Atemu weg war, hast du dein Handeln bereut, hab ich Recht?“ Wieder musste ein Möbelstück dran glauben. Diesmal der dunkle Tisch aus Walnussholz, an dem Atemu früher seine Bilder gemalt hatte. „Du hast für ihn Geld zusammengespart und ihm sogar dieses Haus vermacht, weil du mit der Schuld nicht leben konntest.“ Yasuo schlug nicht mehr gezielt zu, sondern fing an alles wahllos zu zerschmettern. „Du wolltest dich freikaufen, sollte die Wahrheit ans Licht kommen! Aber ich werde dir niemals vergeben. Ich hätte damals gewonnen und würde heute den Clan anführen, wenn du nicht gewesen wärst. Dann wäre Atemu bei mir geblieben und Taira und Natsuo würden noch leben!“ Yasuo begann die Kontrolle über sich zu verlieren und zerschlug Möbelstück um Möbelstück. „Meine Freunde, die Leute, die mir gefolgt sind, weil sie von mir überzeugt waren, sind durch dich gestorben! Rishid und Shogo müssten nicht um ihr Leben kämpfen. Das alles ist deine Schuld!“ Aus dem gemütlichen Wohnzimmer blieb ein einziges Schlachtfeld übrig. In seiner Rage beschloss Yasuo in der Küche weiterzumachen.
Er zertrümmerte das geblümte Geschirr, seine geliebten Teetassen und auch den Stuhl, in dem Atemu früher saß. Nichts sollte an diesem Ort noch an Súma erinnern. „Du mieses Schwein. In der Hölle sollst du schmoren. Du hast dich von den Yakuza abgewandt, nur deshalb hatte ich dich um Hilfe gebeten. Du hast uns verraten und verkauft. Niemals werden wir dir das verzeihen.“ Yasuo warf den Schläger weg und ging ein Stockwerk höher. Gezielt steuerte er Atemus altes Kinderzimmer an und räumte das ganze Spielzeug zusammen, welches er für Atemu gekauft hatte. Dieses packte er sorgsam ins Auto. Jene Spielsachen, die Súma damals mitbrachte ließ er liegen. Dann nahm er einen vollen Benzinkanister und ging zurück ins Haus. Den Inhalt verteilte er im unteren Stockwerk und durchtränkte den Teppich, das zerborstene Holz und all die Erinnerungsstücke, die Yasuo vor wenigen Stunden noch als seine Heiligtümer betrachtete.
Eine warme Hand auf seiner Schulter ließ Yasuo hinter sich blicken.
„Ich hab dich überall gesucht.“ Seth drückte Yasuo an sich. „Das solltest du nicht tun. Beruhige dich und überstürze es nicht.“
„Seth!“, fing Yasuo an zu weinen. Seine Wut verwandelte sich in Verzweiflung und hinterließ eine tiefe Narbe in seiner Seele. „Ich werde Atemu mit all dem Mist alleine lassen und ich kann nichts dagegen tun. Seth, ich will nicht sterben! Ich will euch nicht alleine lassen.“
Zum ersten Mal hörte Seth diese Worte aus dem Mund seines Partners. Sie waren durchtränkt von Schmerz und Verzweiflung. „Du wirst noch nicht sterben, das werde ich verhindern. Ich habe noch lange nicht alles ausgeschöpft. Irgendwie werde ich eine bessere Behandlungsmöglichkeit finden.“
Yasuo klammerte sich an Seth und suchte auf diese Weise Halt. „Er hat mich hintergangen, deshalb musste mein Kind ohne mich aufwachsen. Nur deshalb hat Atemu so viel erduldet.“ Yasuo konnte sich nicht mehr beruhigen. Dass er einmal so viele Tränen vergießen würde, hätte er nie gedacht. „Hast du den Ausdruck in Atemus Gesicht gesehen? Er musste alles alleine aushalten und er gibt sich die Schuld für den Tod von Natsuo und Taira. In Wirklichkeit bin ich es doch, ich habe Yutaka und Keigo vertraut. Ich habe ihnen ihre Geschichte abgekauft und zu keiner Zeit Verdacht geschöpft.“
„Es war nicht alleine deine Schuld. Ich bin genauso dafür verantwortlich.“ Seth war bisher immer aufmerksam und schaute sich jedes Mitglied genau an. Leider nicht gründlich genug, wie er schmerzlich feststellen musste. Dadurch litt Yasuo mehr als alle anderen und er durfte es nicht einmal zeigen. „Sie haben ihre Rollen perfekt gespielt. Keiner von uns hat etwas geahnt.“
Yasuo löste sich etwas von Seth. „Nein, es ist meine Schuld. Ich hätte wachsamer sein müssen. Ich darf nicht leichtfertig vertrauen, egal wie Plausible ihre Gründe sind. Ich dachte, Yutaka und Keigo wollen vor Isamu fliehen um ihre Familien zu schützen. Wie konnte ich mich so sehr irren? Das darf einfach nicht passieren.“
„Ich weiß, Yasuo.“ Seth wusste selbst nicht weiter. Sie steckten fest und erlitten einen herben Rückschlag. Einfach weiterzumachen erschien beinahe unmöglich. Zuerst mussten sie sich erholen und besonders Yasuo brauchte eine Pause. Leider durften sie sich diese Pause nicht gönnen, denn ihre Feinde lauerten in der Dunkelheit.
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Beim Mittagessen erzählte Zigfried von seinem Aufenthalt im Krankenhaus und echauffierte sich über die zwei Schränke, die seine Leibwächter spielten. „Man konnte keine anständige Konversation mit ihnen führen. Eine Tapete ist interessanter als diese Miesepeter.“
Aufmerksam hörten Akihiko und Yuto zu. Zwar hatten sie keinen Hunger, aber sie mochten Zigfrieds Art über seine Aufpasser zu schimpfen. „Dann hast du dich die ganze Zeit gelangweilt?“, wollte Akihiko wissen.
„Nicht nur dass, es gab nicht einmal etwas Anständiges zu lesen. Zwar brachte Shiro mir viele Zeitschriften mit, aber nicht einmal die Boulevardpresse konnte mich überzeugen. Dabei gibt es ständig Klatsch und Tratsch.“ Zigfried machte eine ausschweifende Handbewegung. „Kaum braucht man sie am meisten, lässt sie einen im Stich.“
Akihiko kicherte mit vorgehaltener Hand. „Sind diese Zeitschriften so interessant?“
„Aber natürlich. Nach dem Essen zeige ich euch einen interessanten Artikel über die englische Gräfin. Sie hat sich am Hof einen unglaublichen Fauxpas erlaubt. Beinahe hätte sie das gesamte Königshaus blamiert.“
Shirotani konnte schon nicht mehr zählen, so oft musste er sich bereits die Geschichte dieser dämlichen Gräfin anhören. Jetzt hatte Zigfried zwei neue Opfer gefunden, mit denen er über alle möglichen Adligen lästern konnte.
Durch die vielen Geschichten kannte er jeden Namen des englischen Königshauses und ihren Werdegang auswendig. So unauffällig wie es ihm möglich war stand Shirotani vom Tisch auf und schlich sich aus der Küche. Leise öffnete er die Tür und…
„Wohin gehst du, Shiro?“, wollte Zigfried verwundert wissen.
„Oh…ich muss mal aufs Klo.“
„Aha, aber benutze danach das Raumspray. Ich habe es extra für dich gekauft. Es steht auf dem kleinen Schrank.“
„Doch nicht vor den Jungs!“, wurde Shirotani rot.
„Die Jungs wohnen ein paar Tage bei uns und sollten über deine schlechten Manieren Bescheid wissen. Ich kann sie nicht in deine Wolke laufen lassen.“
„So schlecht sind meine Manieren nicht.“ Mann, er wollte sich doch nur rausschleichen, um seine Quizsendung zu schauen und zwar alleine. Leider wusste Zigfried immer alle Antworten und er hatte nur selten einen Glückstreffer. Heute konnte er endlich in aller Ruhe alleine mitraten.
„Etwas besser sind sie geworden, Shiro. Reiß dich dennoch zusammen und mach einen guten Eindruck.“ Zigfried widmete sich wieder den Jungs und erzählte seine Geschichte weiter.
„Na toll, jetzt muss ich wirklich aufs Klo!“, brummte Shirotani und stampfte ins Bad.
„Wollt ihr noch Nachtisch? Ich habe einen wunderbaren Marmorkuchen im Backofen.“ Zigfried wartete keine Antwort ab und schaute nach seinem Backwerk.
„Ich helfe dir.“, bot Yuto seine Hilfe an.
„Sehr gerne. Du kannst die kleinen Teller aus dem unteren Schrank auf den Tisch stellen. Ich bereite den Tee zu.“
Akihiko fing an sich wohler zu fühlen. Zwar kamen die Erlebnisse wieder hoch, sobald die Gespräche eingestellt wurden, aber durch die warme Atmosphäre bei diesen beiden Menschen konnte er durchatmen. Auch Yuto verhielt sich gelöster als sonst und suchte Zigfrieds Nähe. „Wie hast du Shirotani eigentlich kennengelernt? Ihr seid sehr gegensätzlich.“
Zigfried begann zu strahlen. „Mein Shiro ist in seinem Herzen sehr sensible.“ Er legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen. „Ihr dürft es ihm natürlich nicht auf die Nase binden. Er würde es vehement abstreiten und ist dann den restlichen Tag eingeschnappt.“
„Wir sagen nichts.“, kicherte Akihiko. „Und wie habt ihr euch nun kennengelernt?“
„Das ist eine unvorstellbar romantische Geschichte.“, schwärmte Zigfried und fing an zu erzählen.
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Mit entsetzlichen Bauchschmerzen schlurfte Atemu in Richtung eines großen Einkaufzentrums. Von Marik hatte er sich vor einer Weile verabschiedet und eigentlich wollte er nach Hause. Leider rächte sich sein Magen an seiner Fressorgie und trieb ihn zur nächstgelegenen Toilette. „Sonst kann ich so viel essen wie ich will. Ausgerechnet heute macht mein Bauch nicht mit.“ Vor sich hin schimpfend beeilte Atemu sich ins Innere des Gebäudes zu kommen und suchte schnell die Toiletten auf.
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Seto war dabei seinen Koffer zu packen und legte seine Kleidung sorgsam zusammen.
Joey beobachtete Seto argwöhnisch. „Du überstürzt deinen Auszug. Du solltest Atemu nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Er hat auch ein Wörtchen mitzureden.“
Seto hielt inne. „Es hat sich vieles geändert und ich kann ihn nicht alleine lassen.“ Außerdem wollte er Joey nicht durch seine Anwesenheit zur Zielscheibe machen. Je früher er ging, umso besser. Lange hatte es gedauert bis er verstand, in welcher ausweglosen Lage er sich befand. Sein altes Leben musste er hinter sich lassen, damit er niemanden hineinziehen konnte.
„Wie du meinst. Du kannst jederzeit zurückkommen. Nicht das du noch auf der Straße schlafen musst.“, zwinkerte Joey.
„Werde ich schon nicht. Wir sehen uns bestimmt wieder.“
„Du tust so als wäre das ein Abschied für immer. Wir können etwas unternehmen und ein Date zu viert machen. Ich habe jemanden kennengelernt und könnte Unterstützung gebrauchen.“
„Dem sollte nichts im Wege stehen.“ Setos Herz wog schwer. Solange Isamu oder Airi nicht auf Joey aufmerksam wurden, konnte er sein unbeschwertes leben weiterführen. Dennoch wollte er Yasuo von seinen Bedenken erzählen, sonst würde er nicht zur Ruhe kommen.
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Besorgt schaute Atemu aufs Toilettenpapier, welches sich bedenklich dem Ende zuneigte. „Warum konnte das nicht zuhause passieren? Ausgerechnet auf einer öffentlichen Toilette...“ Alles lief schief und selbst sein Körper ließ ihn im Stich. „Ich brauche jemanden, der mich nach Hause fährt.“ Wen konnte er Fragen? Eigentlich gab es nur einen den er in dieser Situation kontaktieren konnte und der ihn niemals auslachen würde.
Resigniert tippte er eine Nachricht in sein Handy und versuchte nicht zu ausführlich zu sein. Es war ihm peinlich genug und ganz besonders, weil er seinen Zustand selbst herbeigeführt hatte.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er die Stimme seines Vaters hörte.
Yasuo lehnte sich mit dem Rücken gegen die Toilettentür und versuchte nicht zu verheult zu klingen. „Steckst du wieder in Schwierigkeiten?“
„Du darfst keinem davon erzählen.“, drang die beleidigte Stimme seines Sohnes durch die Tür.
Yasuo konnte sogar Lächeln, denn sein Sohn klang ziemlich bockig. „Werde ich nicht. Hältst du es bis nach Hause aus?“
„Ich denke schon, aber zuerst brauche ich eine Rolle Toilettenpapier.“
Yasuo fing an sich zu fragen, wie ein kluger Kopf wie Atemu sich in eine solche Situation bringen konnte. Er war ein kleiner Unglücksrabe, obwohl er sich mehr bemühte als andere. „Ich werfe dir eine rüber und dann warte ich draußen. Ich pass auf das keiner reinkommt.“
Es war die richtige Entscheidung seinen Vater Bescheid zu sagen. Er lachte nicht und stellte selbst jetzt keine Fragen. Obwohl es ihm selbst gerade nicht gut ging, dies hörte Atemu an seiner Stimme, war er für ihn da.
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Seth wartete geduldig im Auto und telefonierte in dieser Zeit mit Kisaragi. Durch ihn erfuhr er etwas, was ihn in zusätzliche Alarmbereitschaft versetzte. „Bleib bitte bei Rishid und Shogo. Sollte er auftauchen, melde dich. Shirotani wird dich morgen früh ablösen.“ Seth legte sein Smartphone zur Seite und legte seinen Kopf aufs Lenkrad. Kusaka war entkommen, obwohl sie ihn bereits hatten. Wie konnte das passieren? Dieser Psycho war doch hinter Akihiko her und er arbeitete mit Dartz zusammen, der ebenfalls irgendwo sein Unwesen trieb. „Alles läuft schief. Heute kann ich Yasuo nicht mehr belasten.“
„Da sind wir!“, klopfte Yasuo gegen die Autoscheibe. Nachdem Atemu hinten eingestiegen war, setzte sich Yasuo auf den Beifahrersitz und schloss die Augen. „Ich kann es kaum erwarten ins Bett zu kommen.“
„Mir geht es nicht anders.“ Seth drehte sich zu Atemu um, weil er unbedingt etwas klären musste. „Wegen heute Morgen..., ich entschuldige mich bei dir.“
Atemu gab zu überrascht zu sein. Ohne selbst davon anzufangen, glätteten sich die Wogen beinahe von alleine. Wenn Seth auf ihn zu kam, sollte auch er einlenken. Marik hatte Recht, er sollte den Moment der Versöhnung nicht verpassen und ihn durch falschen Stolz verspielen. „Es ist für alle nicht leicht. Ich bin genauso geschockt gewesen wie du. Als ich euch davon erzählt habe, hatte ich genug Zeit alles zu verarbeiten. Deshalb kam ich vielleicht gleichgültig rüber und habe dich dadurch verärgert.“
„Nein, ich habe überreagiert. Wenn es um Yasuo geht, brennen bei mir die Sicherungen durch.“
Atemu ließ es so stehen, denn wieder kam das Gefühl der Eifersucht in ihm durch. Er gönnte seinem Vater diese Beziehung, warum nur lief bei ihm alles schief? Einen Partner an seiner Seite war offensichtlich zu viel verlangt.
Als eine drückende Stille über Seth herüberschwappte, startete er den Motor und fuhr los. Sie hatten sich zwar ausgesöhnt, dennoch lag ein schwerer Nebel über ihnen und dies lag an vielerlei Gründen. Seth war der falsche Ansprechpartner dafür und wollte dies Yasuo überlassen, deshalb schwieg er.
Während der Fahrt, meinte Atemus Magen Tango zu tanzen und krampfte sich hin und wieder zusammen. Irgendwann musste es doch ein Ende nehmen.
„Ist es so schlimm?“, fragte Yasuo besorgt nach.
„Nein, mein Magen ist leer.“
„Wir sind gleich da. Ich mach dir einen Tee, der den Magen beruhigt. Der wirkt Wunder.“
„Danke Papa.“ Obwohl er nichts sagte, merkte sein Vater wie dreckig es ihm ging. Wie machte er das nur?
Auf dem Parkplatz ihres Wohnhauses stiegen Atemu und Yasuo aus. Seth blieb im Auto, denn er wollte noch mit Kisaragi sprechen und außerdem wollte er Atemu die Möglichkeit geben mit seinem Vater allein zu sein. Sie hatten viel zu bereden und er würde dabei stören. „Ich bin gegen Abend zuhause.“
„Lass dir nicht zu viel Zeit, Seth.“ Yasuo mochte sich nicht trennen, verstand aber den Grund dafür. „Komm mein Junge, lass uns schnell reingehen.“
Kaum fiel die Haustür hinter Atemu ins Schloss konnte er sich nicht mehr beherrschen. Die ganze Anspannung fiel von ihm ab und er ließ sich von seinem Vater in die Arme nehmen, der ihn fest an sich drückte. Obwohl er es nicht wollte, fing er an zu weinen. Der einzige Mensch, bei dem er sich diesen Ausbruch noch erlaubte, war Yasuo. Deshalb war er Seth dankbar diese Zeit alleine mit ihm zu haben.
Seit der Entführung bis jetzt lag ein enormer Druck auf Atemu. Endlich konnte er alles rauslassen und brauchte sich nicht mehr zusammenzureißen. Allein die Umarmung fühlte sich Wohltuend und befreiend an.