Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

War of Olympus

Kurzbeschreibung
CrossoverAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Hekate Leo Valdez Nico di Angelo OC (Own Character) Thanatos
30.01.2016
29.05.2023
89
237.748
10
Alle Kapitel
34 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
03.12.2019 3.690
 
Kapitel LXXIV - Frankensteins Krabbelmonster


Morton betrat den Kerker, noch immer schwer verwundert darüber, wie dessen Architekt es geschafft hatte, ihn so zu konstruieren, dass sie selbst jetzt noch weitere Zellen hier unten fanden. In nicht wenigen der besser Versteckten vegetierten langjährige Gefangene unbemerkt vor sich hin, so wie auch in jener, zu der unterwegs war. Der Insasse hatte Sifs Aufmerksamkeit derart stark geweckt, dass sie darauf bestanden hatte, Morton die Person vorzustellen.
    Eine große Spinne huschte im Halbdunkel direkt vor ihm über die Wand, und eine Idee nahm in seinem Geist Gestalt an, eine Idee, nach der er bereits seit geraumer Zeit suchte...
    „Hier!“, hörte er eine gedämpfte Stimme von der Seite.
    Er blieb stehen, und die Wand öffnete sich, genau wie vor der Zelle, in der die drei Halbgötter gefangen waren.
    Sif kam aus dem neuen Eingang und grinste ihn an.
    „Tolle Ssssteintüren“, sagte sie. „Wir werden besssstimmt noch eine ganzzzze Weile brauchen, um ssssie alle zzzzu finden.“
    „Das... ist durchaus denkbar, wenn sie alle als Wände getarnt sind. Du wolltest mir jemanden zeigen?“
    „Wollte ich. Komm mit!“
    Morton folgte der Dracaena in den neuen Korridor, vorbei an mehreren, offenbar gewaltsam geöffneten Zellen. Zunächst dachte Morton, dass hier einfach jemand die Schlüssel verlegt hatte, ehe ihm auffiel, dass zumindest viele der Gitter gar kein Schloss hatten. Man schien die Gefangenen hier einfach eingebaut zu haben...
    „Wir ssssind noch dabei, die Tür zzzzu öffnen. Die Römer sssschienen viel Wert darauf gelegt zzzzu haben, dasssss ssssie auf keinen Fall entkommt.“
    „Sie?“
    „Eine Halbgöttin. Dassss habe ich an ihrem Geruch erkannt. Aber ssssonderlich gessssprächig isssst ssssie nicht. Sssschien irgendwie Angsssst vor unssss zzzzu haben. Ich dachte mir, vielleicht traut ssssie dir eher.“
    Morton nickte. Vermutlich war Sifs Gedankengang etwas in der Richtung gewesen, dass eine Halbgöttin, die den Römern gefährlich genug war, dass sie sie unter derartigen Sicherheitsvorkehrungen hier einsperrten, ihnen im Umkehrschluss ebenso nützlich sein könnte.      Dafür würde er sie, sofern die Dracaena ihr Verhalten richtig gedeutet hatte, nur davon überzeugen müssen, dass die ganzen Ghule und Monster hier auf ihrer Seite standen, was ab einem gewissen Maß an Vorurteilsbelastung schwierig werden könnte.

Sie bogen ein weiteres Mal ab und standen vor Alexei, der damit beschäftigt war, die Wand neben einem massivem Gitter mit einer gigantischen, kurbelgetriebenen Säge zu entfernen.
    Der Telchine unterschied sich stark von seinen meist schwarzhaarigen, hundeköpfigen Artgenossen. Anstatt des üblichen, dünnen Seehundfells war sein gesamter Körper von einem hellgrauen Pelz überzogen, während sein Kopf stark dem eines Wolfes glich. Während der Schlacht gegen die Amazonen hatte er im Kampf eine Hellebarde mit einer Scherenklinge verwendet und damit großen Schaden angerichtet.
    „Gut, dass ihr kommt!“, keuchte er. „Ich könnte hier ein wenig Hilfe gebrauchen.“
    Sie traten näher. „Wäre es nicht einfacher gewesen, einfach die Stäbe zu entfernen?“, fragte Morton. „Oder sind die aus einem Material, dessen Zerlegung dein Werkzeug nicht hergibt?“
    „Gut erkannt! Es ist irgendein seltsamer Mischmasch aus kaiserlichem Gold, himmlischer Bronze, Platin und noch irgendetwas anderem. Ich weiß nicht, wer diese Metallkomposition zusammengesetzt hat, aber sie ist über alle Maßen stabil, und die Stäbe stecken so tief im Stein, dass ohne eine genauere Untersuchung nicht absehbar ist, wie lange ihre Entfernung dauern würde.“
    Er unterbrach seine Arbeit. „Und da die Ärmste hier schon sehr schwach ist, wollte ich lieber sichergehen, dass sie überlebt, und momentan ist es der schnellste Weg, ein Stück aus der Wand zu sägen.“
    Morton trat vor das Gitter, um sich die Gefangene anzusehen. Aus dem, was er im Schein der im Gang stehenden Laterne erkannte, schloss er, das Alexei Recht hatte, und seine Entscheidung eine sehr vernünftige war.
    Die junge Halbgöttin hatte sich in der hintersten Ecke der Zelle zusammengekauert, beide Arme um ihre herangezogenen Knie geschlungen. Sie war merklich abgemagert, verdreckte, dunkelblonde Haare fielen ihr ins Gesicht. Selbst im Dunkeln erkannte Morton ihr Zittern, wenn er auch nicht sagen konnte, ob es von der niedrigen Temperatur und ihrer zerrissenen Kleidung oder der Angst vor ihm und seinen Begleitern kam.
    Alexei legte die Säger zur Seite und packte das Gestein dann mit den Händen. „Helft mir mal hiermit!“
    Morton und Sif traten zu ihm und griffen ebenfalls nach den handlichsten Stellen, die sie im Gestein finden konnten.
    „Und jetzt zieht!“
    Gemeinsam zerrten sie die losegesägte Steinkante neben dem äußersten Gitterstab aus der Wand, wobei der muskulöse Telchine mit Sicherheit die größte Arbeit leistete. Es zog sich eine Weile hin, der schwere Brocken ließ sich nur Stück für Stück bewegen und verkeilte sich zudem regelmäßig in seiner ehemaligen Umgebung.
    Schließlich gelang es ihnen, das Objekt vollständig aus der Wand zu lösen und somit einen schmalen Durchgang in die Zelle zu schaffen. Sie legten es vorsichtig auf den Boden.
    „Wartet kurz hier, ja?“, wies Morton Sif und Alexei an. „Ich glaube, es ist besser, wenn ihr nur ein unheimlicher Fremdling zur Zeit Angst einjagt.“

Das Mädchen hob leicht den Kopf an, zeigte ansonsten aber keine Reaktion, als Morton sich durch den engen, frisch geschaffenen Zugang zu ihr in die Zelle zwängte. Erst jetzt sah er die kümmerlichen Brotreste und den etwa zu einem Viertel mit Wasser gefüllten Becher neben ihr auf dem Boden. Sie musste ihre letzte Mahlzeit kurz vor dem Fall des Camps erhalten und sich bis jetzt aufgespart haben. Anders hätte sie hier kaum so lange überleben können. Als sie seinen Blick bemerkte, hielt sie schützend die Hand über ihre Kostbarkeiten und zog sie hastig näher zu sich heran.
    Etwa zwei Meter vor ihr blieb Morton stehen und setzte sich auf den Boden. Wenn er mit ihr auf Augenhöhe war, würde das vielleicht ihre Angst mindern. Die konnte er gewiss nicht gebrauchen, wenn er sie als Verbündete gewinnen wollte.
    „Ich bin Morton“, stellte er sich schlicht vor, wobei er sich bemühte, seine Stimme nicht ganz so unterkühlt klingen zu lassen, wie er es sonst zumeist tat. „Und ich... wir sind nicht hier, um dir wehzutun.“
    Sie legte kaum merklich den Kopf schief. „Ni... nicht?“, flüsterte sie dann.
    Morton war froh, dass sie noch ansprechbar war, das würde es einfacher machen, ihr Vertrauen zu gewinnen.
    „Genau. Nicht. Und ich würde vorschlagen, alles andere besprechen wir, sobald wir dich hier herausgeholt haben. Du machst den Eindruck, als würdes du dringend etwas zu essen gebrauchen können.“
    „Aber die Monster...“
    „Keine Sorge, das sind Sif und Alexei. Sie werden dir nichts tun. Und auch sonst niemand, der oben ist.“
    „Die Römer...“
    „... sind nicht mehr hier“, beendete er ihren Satz. „Jedenfalls keine Lebendigen mehr.“
    „Sind... sind sie tot?“
    Morton nickte und erhob sich wieder. „Ja. Und ich vermute, du wirst nicht um sie trauern. Wie heißt du?“
    „Julie“, antwortete sie leise. „Julie Keene.“
    „Verstehe.“ Langsam trat er noch einen Schritt näher heran und reichte ihr seine Hand. „Kannst du aufstehen, Julie?“
    „Ich... glaube, ja...“
    Zögernd ergriff Julie seine Hand, und er zog sie auf die Füße. Als sie direkt vor ihm stand, erkannte Morton zum ersten Mal ihr Gesicht. Die Lippen waren rissig, Augen und Wangen leicht eingefallen, und Schrammen, teils blutverkrustet, überzogen die Haut fast mustergleich. Sie würde eine Weile brauchen, um sich vollständig von den Strapazen dieses Kerkers zu erholen. Desweiteren war sie recht hochgewachsen, nur etwa einen halben Kopf kleiner als er, womit sie ungefähr Leanders Größe haben dürfte.

Obwohl sie gemäß ihres Zustandes nur langsam gehen konnte, schaffte Julie den Weg bis zum Kerkerausgang und sogar den Treppenaufstieg aus eigener Kraft. Als Alexei die Tür öffnete, und das Sonnenlicht hereinströmte, streckte Julie vorsichtig die Hand aus, bis der erste Strahl sie berührte. Ihre Augen begannen zu glänzen.
    „Es... ist warm“, flüsterte sie und trat nach kurzem Zögern vollends ins Licht.
    Nachdem Morton ihr gefolgt war, sah er sie gerade noch, scheinbar überwältigt, gen Himmel starren, ehe sie auf die Knie fiel und zu weinen begann.
    „Die Sonne... ich hatte gedacht, ich würde sie nie wieder sehen...“
    Morton tauschte einen unsicheren Blick mit Sif, die ähnlich überfordert mit der Situation schien wie er. Doch bevor einer von ihnen einen schlechten und vermutlich nicht funktionierenden Tröstungsversuch starten konnte, hatte Julie sich bereits wieder gefangen.
    Sie stand auf und tat dann etwas sehr Unerwartetes.
    Ohne Vorwarnung umarmte sie Morton. „Danke, dass du mich da rausgeholt hast!“
    Sif, der seine Überraschung nicht entging, warf ihm einen amüsierten Blick zu, den er im Anschluss an den unmittelbaren Schockmoment mit einem Augenrollen beantwortete.
    „Kein... Problem. Ich denke, wir sollten uns jetzt erstmal darum kümmern, dass du wieder zu Kräften kommst, meinst du nicht auch?“

Morton führte Julie zu Schonungszwecken zunächst in seine eigene Behausung nahe des Senatsgebäudes, vorbei an für Julie sehr beängstigenden Zyklopen, Dracaenae und anderen Monstern, deren plötzliche Anwesenheit in ihrem langjährigen Zuhause sie immer noch nicht ganz begriffen zu haben schien.
    Er stieß die Tür auf und führte die ehemalige Gefangene ins Wohnzimmer, wo er ihr ein Sofa anbot. Die zwei Nächte, die sie bislang im Camp verbracht hatte, war Raven auch hiergewesen, da sie aber noch nicht wieder zurückgekehrt war, dürfte sein Heim fürs Erste einen geeigneten Rückzugs- und Erholungsort für Julie darstellen.
    Sif klopfte an die noch offene Tür. „Hier isssst deine Medizzzzin...“
    „Danke.“ Morton nahm den Nektar sowie das Ambrosia entgegen, bevor er die Tür wieder schloss und ins Wohnzimmer zurückkehrte.
    „Nektar und Ambrosia“, sagte er zu Julie. „Das Zeug wirkt wahre Wunder. Wenn die Menge stimmt, kann es deinen Körper fast sofort auf den Zustand vor deiner Einkerkerung zurücksetzen.“
    „Fast sofort?“, fragte sie nach. „Ich werde keine Monate brauchen, bis ich mich wieder so bewegen kann wie früher?“
    „Wir reden hier von Stunden, nicht von Monaten. Eine gewisse Restschwäche wird wohl noch bleiben, der wirst du auf natürliche Weise entgegenwirken müssen, aber heute Abend dürftest du einen Großteil deiner alten Kraft zurückhaben.“
    Einen Moment schwieg sie nur und versuchte, das Gehörte zu verdauen.
    „Das kommt mir alles so unwirklich vor. Welches Jahr haben wir überhaupt?“
    „2011.“
    Ihre Gesichtszüge entgleisten, und beinahe schien es, als würde sie gleich wieder zu weinen anfangen.
    „Zwei Jahre“, sagte sie nur. „Ich war geschlagene zwei Jahre in dieser Zelle da unten.“
    Und ohne eine ganze Menge Zufälle hätten es durchaus noch ein paar mehr sein können, fügte Morton in Gedanken hinzu.
    „Iss ersteinmal“, sagte er nur, bevor er sich auf einem einfachen Stuhl niederließ und ihr Nektar und Ambrosia reichte. „Diese Menge an Götterspeise ist nicht gerade gering und wird dich gleich ziemlich müde machen.“
    Zögernd nahm sie es entgegen.
    „Was ist hier eigentlich los?“, fragte sie unsicher. „Warum sind hier überall Monster?“
    „Das erkläre ich dir alles, nachdem du geschlafen hast. Ich vermute, dann wirst du auch wesentlich aufnahmefähiger und vor allem... gesünder sein als jetzt.“
    „Ich... na gut.“
    Vorsichtig nahm sie den ersten Bissen Ambrosia, und ihr Gesichtsausdruck wandelte sich zu purer Verzückung. Innerhalb kürzester Zeit war nichts mehr übrig.
    Ein ausgiebiges Gähnen verriet Morton, dass die einschläfernde Wirkung bereits einsetzte. Julie legte sich aufs Sofa, warf einen letzten, unsicheren Blick auf Morton, ehe sie die Augen schloss und in nichteinmal zehn Sekunden eingeschlafen war.
    Morton erhob sich und ging zurück zur Tür. Bis sie wieder aufwachte, würde es einige Stunden dauern. Diese Zeit würde er für etwas Anderes nutzen...

...

Die Anzahl der Leichen in Mortons provisorischem Labor auf dem ehemaligen Tempelgebiet hatte sich nach der Schlacht gegen die Amazonen deutlich erhöht, ansonsten fand er es jedoch in genau dem Zustand vor, in dem er es nach Ivans Fertigstellung verlassen hatte. Lange hatte er nach der passenden Eingebung gesucht, wozu er die Teile als nächstes verwenden könnte, und im Keller hatte er heute etwas gesehen, das ihm endlich den nötigen Impuls geliefert hatte.
    Zunächst verfuhr er mit den frischen Leichen so, wie er die Alten bereits präpariert hatte, er entfernte Kleidung und Gliedmaßen von den Torsos und sortierte alles nach Art des Körperteils auf voneinander getrennten Haufen.
    Dann begann er damit, alles zu der Gestalt zusammenzusetzen, die in seinem Verstand herumkrabbelte. Er benötigte deutlich mehr Teile als noch bei Ivan, allein zwölf Torsos, größtenteils von den Amazonen, kostete ihn der gewaltige, aus zwei Teilen bestehende Hauptkörper. Darüber hinaus stellte er die Gliedmaßen aus ganzen vierundzwanzig Armen zusammen, von denen jeweils drei ein Bein und die letzten beiden die Greifarme bildeten. Im Mund des diesmal weiblichen Kopfes befestigte er zwei Knochenklingen als Reißzähne, ehe er einige weitere Knochen als Rüstung überall um den massiven Körper herum anbrachte.
    Zufrieden trat er zurück und betrachtete sein Werk.
    „Was ist DAS denn?“, erklang Alexeis überraschte Stimme hinter ihm.
    „Veronika“, antwortete Morton, ohne sich umzudrehen.
    Er wusste nicht, wie er auf den Namen gekommen war, es schien, als sei er, wie auch der von Ivan, aus dem Nichts in seinem Kopf aufgetaucht. Er musste unbedingt herausfinden, was es mit diesen Gedächtnisanomalien auf sich hatte. Aber zunächst...
    Mit ausgestreckter Hand konzentrierte Morton sich auf den nun zusammenhängenden Organismus vor sich und hauchte ihm neues Leben ein. Es dauerte einen Moment, bis sich die acht Beine ausreichend koordiniert hatten, dann erhob sich Veronika zu ihrer vollen Größe.
    „Veronika... du hast hier gerade allen Ernstes aus Leichenteilen eine Riesenspinne zusammengebaut... die auch noch funktioniert. Meinen Respekt, Morton, du bist fast so kreativ wie ein Telchinenschmied, nur eben auf einem anderen Gebiet!“
    „Danke. Dem Vergleich entnehme ich, dass ihr so etwas noch nie gesehen habt?“
    „Was hat mich nur entlarvt...“
    Morton deutete auf die für seine Arbeit völlig unbrauchbaren Kleinteile. „Das da kannst du gern mitnehmen. Beim letzten Mal haben alle hier herumgelungert, weil sie etwas Halbgott zum Essen wollten. Die Teile der menschlichen Amazonen werdet ihr aber selbst herausfiltern müssen, ich habe leider keinen so guten Geruchssinn wie ihr.“
    „Oh... danke! Die Unterscheidung der einzelnen Teile sollte kein Problem sein. Meine Mitarbeiter werden sich freuen!“

...

Bis Julie wieder erwachte, vergingen tatsächlich noch mehrere Stunden, die Morton weitgehend damit zubrachte, die Arbeit der Telchinen zu beobachten. Sie hatten einen Teil des Camps für sich allein, der als eine große, gemeinsame Werkstatt fungierte. Laut Alexei arbeiteten sie im Untergrund an einem größeren Projekt, das sie jedoch noch niemandem zeigen wollten.
    Die Vielfältigkeit der Waffen, die hier hergestellt worden, war kaum zu fassen, Morton konnte nichteinmal bei allen die Funktion erkennen. Zudem fragte er sich nicht zum ersten Mal, woher die Seedämonen überhaupt genug Metall für all ihre Arbeiten hernahmen.

Nachdem er sich halbwegs sattgesehen hatte, kehrte Morton in seine Wohnung zurück, wo Julie ihren Nachmittagsschlag noch immer nicht ganz beendet hatte. Jedoch sah er ihrem Körper deutlich an, dass Nektar und Ambrosia bereits wirkten. War sie zuvor noch völlig abgemagert gewesen, bedeckte nun wieder ein gesundes Maß an Fleisch ihre noch vor wenigen Stunden wie Felsen aus dem Meer herausragenden Knochen. Wenn ihr Genesungsvorgang weiterhin derart schnell voranschritt, würde sie sich am bevorstehenden Kampf gegen den Olymp sogar wieder beteiligen können.
    Sie gähnte ausgiebig, ehe sie langsam die Augen öffnete und sich, scheinbar noch nicht vollends erwacht, aufsetzte.
    „Gut geschlafen?“, fragte Morton.
    Erschrocken riss sie die Augen auf und schien sich erst jetzt wieder daran zu erinnern, wo sie sich befand, und was geschehen war.
    „Wie fühlst du dich?“
    Julie sah an sich hinab, und eine Woge des Erstaunens überrollte ihr Gesicht. „Füllig... aber im positiven Sinne.“
    Ganz langsam begann sie, ihren Körper abzutasten, und die Überraschung wich einem wohligen Lächeln.
    „So weich...“, murmelte sie.
    Als sie ihren Bauch befühlte, hielt sie kurz inne und runzelte die Stirn. „Moment mal, hatte ich hier wirklich so viel...? Egal, Hauptsache, an mir fühlt sich nicht mehr alles an wie ein toter Baum!“
    „Du siehst wieder um einiges gesünder aus als vorhin“, bestätigte Morton. „Ich glaube, das ist das Wichtigste.“
    Sie nickte. „Du hast gesagt, wenn ich wieder wach bin, erklärst du mir alles. Ich bin wieder wach, also...“
    „...also bin ich jetzt dran. Lehn dich zurück, das könnte eine etwas längere Geschichte werden...“

Er erzählte ihr zunächst, was hier im Camp geschehen war. Als er Kratos‘ Namen zum ersten Mal erwähnte, warf Julie ein, ihn irgendwo in den Aufzeichnungen gefunden zu haben.
    Morton behielt die Äußerung im Hinterkopf, ignorierte sie zunächst jedoch und fuhr mit dem Flugzeugabsturz, der Infiltrierung Camp Half-Bloods und der antiolympischen Allianz im jetzigen Camp Ghul fort. Mit der gescheiterten Jagd nach der Büchse sowie einem groben, bewusst einige Details auslassenden Umriss seines Kriegsplans beendete er den Bericht.
    „Glaubt ihr... glaubt ihr, dass ihr das schaffen könnt?“, fragte Julie zaghaft, nachdem sie die Informationswelle einigermaßen verdaut hatte. „Ich meine, ihr habt zwei Götter gefangengenommen... was ich für fast umginlöch gehalten hätte. Aber den Olymp zu vernichten... das haben doch... schon ein paar mehr wichtige Leute versucht und nicht geschafft, oder?“
    „Von denen keiner wusste, wie man einen Gott endgültig töten kann. Wir werden dieses Problem nicht haben. Also ja, ich glaube, wir haben eine Aussicht auf Erfolg. Und die Meisten hier, denen du diese Frage stellst, werden dir eine ähnliche Antwort geben. Ich würde dir ja anbieten, dich uns anzuschließen, aber vorher wüsste ich gern noch, warum du überhaupt eingesperrt wurdest.“
    „Nun, ich... bin eine Tochter der Justitia“, antwortete sie, noch immer zögernd. „Der altrömischen Göttin der Gerechtigkeit.“
    Plötzlich ballte sie zornig die Faust. „Und ich war es leid, mitanzusehen, wie die Götter die Menschen zu ihrem persönlichen Wohl quälten und ermordeten und dafür auch noch bejubelt wurden!“
    Sie hielt inne, und ihr Atem beruhigte sich wieder. „Das ist nicht fair. Diese Selbstgefälligkeit ist eine Plage für jeden von uns. Ich habe versucht, den Anderen hier meine Ansichten zu erklären, aber die wollten nichts davon wissen. Ketzerin haben sie mich genannt...“
    Wieder änderte sich ihr Gesichtsausdruck, die Trauer über das Unverständnis ihrer ehemaligen Kameraden schien Überhand zu nehmen.
    „Also habe ich auf eigene Faust gehandelt. Der Bunker war nur wenigen Personen zugänglich, also habe ich mir mit Gewalt einen Schlüssel besorgt und bin eingebrochen. Ich wollte den Olymp der Gerechtigkeit zuführen, unbedingt wollte ich das, aber ich wusste nicht, wie. Aber ich war mir sicher, dass mir die Informationen dort drinnen dabei helfen würden.“
    „Informationen wie die, dass sich unter dem Othrys ein Monster versteckt, das die Götter vernichten könnte?“
    „Ja, genau so... WAS?“
    Morton hatte dieses Detail absichtlich zurückgehalten, bis er sichergehen konnte, dass Julie auch wirklich auf ihrer Seite stand. „In den Aufzeichnungen habe ich eindeutige Hinweise darauf gefunden, dass Typhons Schwester Delphyne unter dem Othrys schläft, und wir haben vor, sie abzuholen, bevor wir in den Osten aufbrechen. Zusammen mit Atlas, versteht sich, seinen Platz wird Apollo einnehmen.“
    Julie kicherte leise.
    „Das ist Wahnsinn!“, flüsterte sie. „Aber es gefällt mir!“
    Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich wurde erwischt, zusammengeschlagen und da unten eingesperrt. Und das alles nur wegen der Götter. Morton, ich nehme dein Angebot mit Vergnügen an. Auf mein Schwert kannst du zählen!“
    Morton erwiderte ihr Lächeln und schüttelte ihre Hand als Bündnisbesiegelung. „Das freut mich zu hören. Willkommen in der antiolympischen Allianz für Monster, Ghule und fremdbestimmungsüberdrüssige Halbgötter!“
    „Darauf müssen wir einen heben!“
    Morton runzelte verwirrt die Stirn, ehe ihm aufging, was sie damit meinte.
    „Ich weiß ja nicht, ob das jetzt so eine gute Idee ist...“
    „Ach, kommt, wird schon nicht so schlimm sein!“
    Julie stand auf, ging um den Tisch herum und dann zielstrebig auf eine Ecke zu. Morton folgte ihr mit den Augen und entdeckte erst jetzt die unauffällige Flasche, die dort anscheinend schon seit längerem auf der Kommode stand.
    Verdammt noch eins! Warum hatte er sich nicht genauer umgesehen und das Zeug schon vorher entdeckt und weggeräumt?!
    „Hier! Ist nicht mal sonderlich hochprozentig!“
    „Für mich ist alles hochprozentig, was über die Null hinausgeht...“, murmelte Morton.
    „Wie war das?“
    „Vergiss es.“
   
Er stand auf und ging in die Küche, um zwei Gläser zu holen, machte dabei jedoch einen Umweg am Kühlschrank vorbei. Sollte Julie ruhig ihren Spaß haben, worin auch immer diese eigenartige Definition von Spaß bestehen sollte, er selbst verzichtete liebend gern.
    „Ist das Milch?“, fragte Julie ungläubig, als er wieder zurückkam. „Na sieh mal an, für so jemanden hätte ich dich gar nicht gehalten...“
    Morton zuckte mit den Schultern und deutete auf seinen Kopf. „Ich bleib lieber klar hier oben. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Zeug für irgendjemanden gut ist. Als ich fünf Jahre alt war, hat mir mal ein ziemliches Arschloch Alkohol ins Getränk gekippt. Die Kopfschmerzen am nächsten Morgen waren ungefähr damit vergleichbar, von einem Zyklopen eins übergezogen zu bekommen. Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich da aus Erfahrung spreche!“
    Damit war das letzte Wort gesprochen, was Julie ebenfalls sofort erkannte. Morton sah ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie noch nie zuvor jemanden mit Milch hatte anstoßen sehen.
    „Auf das Ende des Olymps!“, sagte er.
    „Auf das Ende des Olymps!“

Kurz darauf, Julie hatte es glücklicherweise bei einem Glas belassen, hörten sie im Schrittrhythmus ein lauter werdendes, dumpfes Grollen, gefolgt von aufgeregten Rufen rund ums Haus herum.
    „Sehr schön!“, sagte Morton erfreut. „Das muss meine Schwester mit unserem neuen Roboter sein!“
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast