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War of Olympus

Kurzbeschreibung
CrossoverAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Hekate Leo Valdez Nico di Angelo OC (Own Character) Thanatos
30.01.2016
05.06.2023
90
254.834
12
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16.09.2016 8.727
 
Kapitel L - Die Amazonenkönigin


Es erwies sich als recht einfach, den überlebenden Amazonen aus der Luft zu folgen. Durch sein Hilfsmittel, die wunderwirkenden Nachtsichttropfen, konnte Morton sie problemlos erkennen, während sie ihn höchstwahrscheinlich entweder überhaupt nicht sahen oder für einen Vogel hielten. Und selbst falls sie merken sollten, dass dem nicht so war, hatten sie ihn bislang noch nicht mit Flügeln gesehen. Einen Zusammenhang würden sie also erst herstellen können, sobald sie ihn auch wirklich wiedererkannten.
    Nachdem sie das Tal verlassen hatten, bewegten sie sich nach Westen hin auf San Francisco zu. Sif hatte gesagt, dass sie sich über einen Großteil der Welt verteilt hatten, vermutlich hatten sie einen ihrer Stützpunkte in der Stadt. Und sie würden Morton unwissentlich direkt dorthin führen.



Morton hatte mit seiner Vermutung Recht behalten. Er verfolgte die kleine Amazonengruppe bis in die Innenstadt von San Francisco hinein, wo sie schließlich in einem unscheinbaren Gebäude verschwanden, nachdem sie den Gabelstapler in einer danebenliegenden Garage geparkt hatten.
    Sonderlich überrascht war er nicht. Es war mit Sicherheit am klügsten, sein Hauptquartier durch einen eher unspektakulären Punkt mit der Oberwelt zu verbinden, um möglichst wenig Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. Unter der Erde würde er vermutlich eine regelrechte Festung vorfinden.
    Morton wartete noch ein wenig und beobachtete dabei die Gegend, konnte aber keinerlei Wachposten erkennen. Er merkte sich das Gebäude, landete jedoch hinter einem anderen, sodass man ihn von dort aus nicht sehen konnte. Seine Fähigkeiten wollte er erst so spät wie möglich offenbaren, um noch ein Ass im Ärmel zu haben, sollte es dort drinnen brenzlig werden.
    Er war wachsam, während er geradewegs auf das Gebäude zumarschierte, in dem die Amazonen verschwunden waren. Noch wusste er nicht, was sie für Fallen oder Sicherheitsmechanismen dort drinnen vorbereitet hatten. Natürlich hätte er vorher einfach ein paar Leute töten und in Ghule verwandeln können, aber das hätte ihm jetzt zu lange gedauert. Er wollte nur so lange hier bleiben, wie er musste, um herauszufinden, wie viele Amazonen es hier oder in unmittelbarer Nähe noch gab. Auch wenn er Sif vertraute, wollte er Camp Ghul nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen.
    Morton betrat den Platz, auf dem sich der Eingang zu seinem Zielgebäude befand. Noch immer konnte er keine Amazonen sehen, die auf ihn warteten. Vielleicht waren ja wirklich nicht viel mehr hier, als die Armee beinhaltet hatte. In diesem Fall würde es ihm ein Leichtes sein, sie zu vernichten.

Morton öffnete die Tür und betrat das Gebäude. Der Eingangsbereich sah aus wie der Vorraum eines Lagerhauses. Auf der anderen Seite befand sich eine Tür, hinter der er eine Treppe oder einen Fahrstuhl erwartete, die ihn in den eigentlichen Stützpunkt führen würden.
    Eine Amazone befand sich noch im Raum. Sie schien für die Sicherheit hier im Gebäude zuständig zu sein. Jedenfalls ließ ihr Funkgerät, in das sie hastig eine Mitteilung sprach, sobald sie Morton sah, dergleichen vermuten. Vermutlich erweckte ein fast zwei Meter großer, ganz in schwarz gekleideter Mann mit aufgesetzter Kapuze keinen besonders vertrauenswürdigen Eindruck. Aber es interessierte diesen nicht, dass der Rest der Amazonen nun vermutlich Bescheid wusste. Es gehörte ohnehin zu seinem Plan, sich gefangennehmen zu lassen, und da würden sie es ihm nur einfacher machen, wenn sie bereits einen Hinterhalt vorbereitet hatten.
    Morton sah die Anspannung im Körper der jungen Frau, als er auf sie zuging. Sie war eindeutig eine Kämpferin, die sich auf eine Auseinandersetzung vorbereitete.
    Vermutlich wollte sie ihn überraschen, als sie ein Messer hinter ihrem Rücken hervorzog und und damit nach ihm stach.
    Dieser hatte allerdings mit genau so einer Art von Angriff gerechnet. Er packte ihr Handgelenk mit seiner linken Hand und rammte ihr ein Knie in den Bauch.
    Während sie nach Luft schnappte, verdrehte er ihr Handgelenk, sodass sie das Messer fallen ließ, und fing es mit seiner Rechten wieder auf. Dann ließ er ihren Arm los, packte ihr Gesicht und drehte sie so, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand, bevor er ihr mit ihrem eigenen Messer die Kehle aufschlitzte.
    Der Schnitt war so tief, dass er ihr fast den Kopf abgetrennt hatte, und tötete sie in wenigen Sekunden. Eine Blutfontäne spritzte aus ihrem offenen Hals und besudelte den Boden vor ihr, auf den Morton sie nun fallen ließ.
   
Die Tür war wie erwartet abgeschlossen, aber offensichtlich nicht auf magische Weise verstärkt. Morton rammte sein soeben erbeutetes Messer in das Schlüsselloch und öffnete es mit Gewalt. Diese Klinge war gut, vielleicht sollte er sie noch eine Weile behalten.
    Hinter der Tür befand sich ein Gang, der bereits nach einem Meter eine Biegung nach links machte, wo sich eine rechteckige Wendeltreppe befand. Und neben seinen eigenen konnte Morton noch andere Schritte hören. Anscheinend hatten die Amazonen schon Verstärkung nach oben geschickt.
    Die erste von ihnen hatte das Pech, genau an einer Wendung der Treppe auf Morton zu stoßen, sodass ihr keine Zeit zur Gegenwehr blieb, als er ihr das Messer ins Herz stieß und ihren Leichnam wieder nach unten zur nächsten Ecke beförderte.
    Ein erschrockener Ausruf warnte ihn vor ihrer Kameradin, die sich offenbar nur wenige Meter weiter vorn befand.
    Morton wartete daher hinter der Ecke und lauschte. Anscheinend waren dort nicht eine, sondern gleich zwei von ihnen, die sich momentan abzusprechen schienen. Ihre Worte konnte Morton nicht verstehen, aber er hörte die Schritte, als die beiden sich näherten.
    Als er sie unmittelbar hinter der Ecke vermutete, setzte Morton seine Nekromantie ein, um sie von ihrer mittlerweile hinter ihnen liegenden, gefallenen Kameradin angreifen zu lassen.
    Ein erschrockenes „Wow!“ verriet Morton, dass sie dies bemerkt hatten.
    In genau diesem Moment trat er hinter sie und rammte einer von ihnen sein Messer ins Rückenmark. Die Zweite hatte ebenfalls keine Möglichkeit, sich zu wehren, als das Messer sich durch die Rippen in ihr Herz bohrte.
    Morton entließ sein erstes Opfer wieder aus der Nekromantie und ging weiter. Die übrigen Amazonen mussten nicht unbedingt davon wissen. Zumindest nicht vor ihrem Tod.
    Es dauerte noch eine Weile, bis Morton das Ende der Treppe erreicht hatte und durch eine Tür trat. Der darauf folgende Hinterhalt war derart offensichtlich platziert, dass Morton ihm problemlos hätte entgehen können, wenn er gewollt hätte. Hinter der Tür befand sich eine sehr, sehr große Lagerhalle, in der es allerdings erstaunlich ruhig war. Direkt nach seinem Eintritt in den gewaltigen, höhlenartigen Raum tauchten überall Amazonen auf, umringten ihn und richteten ihre Speere auf seinen Hals.
    „Hände hoch und Messer fallen lassen!“, befahl eine von ihnen. „Dann verschonen wir dich vielleicht!“
    Morton zeigte keine Reaktion, außer dass er ihrer als solche gedachten Forderung nachkam. Innerlich lachte er darüber, wie einfach es gewesen war, sich ihnen gegenüber als unvorsichtiger Eindringling zu präsentieren.

Die Kriegerinnen brachten Morton direkt zu ihrer Königin, die er anhand ihrer Rüstung sofort wiedererkannte. Sie befand sich in einer Art Kontrollraum, wo sie über einen großen Bildschirm mit einer anderen Amazone sprach. Anscheinend hatte Sif recht, und das hier war nicht ihr einziger Stützpunkt.
    „Königin Hylla, wir haben den Eindringling gefasst“, sagte eine von Mortons Möchtergernwächterinnen.
    Diesen Status hatten sie eigentlich nicht verdient. Sie hatten ihn weder gefesselt, noch nach möglichen, weiteren Waffen durchsucht. Hylla drehte sich um und musterte ihn abschätzend.
    „Typisch Mann!“, meinte sie. „Dachtest du ernsthaft, du könntest hier einfach hereinmarschieren, ohne dass es jemand bemerkt?“
    „Eigentlich hätte es mich sogar überaus enttäuscht, wenn dem nicht so gewesen wäre“, antwortete er kalt.
    Angesichts seines Tonfalls ließ der aggressive Glanz in den Augen der Königin kurz nach und ließ eine gewisse Unsicherheit darin erkennen. Allerdings fasste sie sich schnell wieder.
    „Dann bist du noch törichter, als ich angenommen hatte. Wofür hältst du uns eigentlich?“
    „Für schwach. Unsere kleine Auseinandersetzung in Camp Ghul hat das bewiesen.“
    Mortons Hand bewegte sich langsam zu seinem Kopf. Als er seine Kapuze abnahm, wichen alle Amazonen erschrocken zurück. Offenkundig erkannten sie ihn tatsächlich erst jetzt.
    „Du!“, presste Hylla hervor. „Ergreift ihn!“
    Morton ließ sich von ihnen packen und in die Knie zwingen.
    „Du wirst jede meiner Fragen beantworten!“, fauchte sie. „Oder du bist tot!“
    Na endlich wurde es interessant. Vielleicht würde sie nicht aufpassen, und Morton konnte aus ihren Worten einige brauchbare Informationen heraushören. Er hob den Kopf und sah ihr, immer noch mit unveränderter Miene, direkt ins Gesicht.
    „Worauf wartest du noch?“, frage er.
    Die Königin warf ihm einen weiteren Blick zu, der ihn mit Sicherheit getötet hätte, wenn es nach ihr gegangen wäre.
    „Wer bist du?“, lautete die erste Frage.
    „Mein Name ist Morton Deader.“
    „Und wer ist dein göttliches Elternteil?“
    Diese Frage war zu erwarten gewesen. Natürlich konnte er ihr nicht sofort die Wahrheit sagen, das würde sie lediglich zu vorsichtig werden lassen.
    „Niemand“, sagte er. „Ich bin ein Sterblicher.“
    Die Königin zog ein Messer hervor und richtete es auf sein Gesicht. Allerdings schien sie sich nicht zu trauen, mit einer Waffe näher als einen halben Meter an ihn heranzukommen.
    „Wenn du mich nochmal anlügst, schlitze ich dir den Bauch auf und füttere dich mit deinen Innereien“, drohte sie.
    Bedauerlich. Eigentlich hätte Morton gern noch mehr von ihr gewusst. Aber falls sie ihm beim zweiten Mal nicht glaubte, würde er sie wohl töten müssen.
    „Das war keine Lüge“, erwiderte er.
    Sie funkelte ihn wütend an, ging jedoch nicht weiter darauf ein.
    „Dein Glück“, knurrte sie und steckte das Messer wieder weg.
    „Was ist mit Camp Jupiter passiert?“
    „Camp was?“
    Wenn er tatsächlich so gut lügen konnte wie er selbst dachte, würde sie ihm hoffentlich abnehmen, dass er den Namen tatsächlich nicht kenne.
    „Deine Festung.“
    „Woher soll ich das wissen? Als meine Freunde und ich sie gefunden haben, war sie leer. Wir haben eine Mauer gebaut, damit Leute wie ihr uns nicht auf die Nerven gehen.“
    „Für das, was ihr getan habt, werden noch sehr viel mehr Leute wie wir bei euch auftauchen“, entgegnete Hylla wütend. „Ihr werdet für alle toten Amazonen bezahlen. Du als allererstes.“
    „Worauf wartest du dann noch?“
    „Ich weiß noch nicht alles, was ich wissen will“, entgegnete sie hart. „Wir sprechen uns morgen, und sobald ich alles habe, was ich wissen will, wirst du sterben. Es ist nur noch eine Frage des Schmerzes. Schafft ihn weg! Und lasst ihn ja nicht aus den Augen!“

Die Amazonen sperrten Morton in einen Metallkäfig, der am Boden der Lagerhalle stand. Er war mit nichts weiter als einem einfachen Schloss gesichert. Der Boden war aus Stein. Er spürte deutlich die Knochen längst verendeter Wesen, die sich darunter befanden. Sein Fluchtweg war gesichert.



Morton verbrachte seine Zeit im Schneidersitz auf dem Boden des Käfigs und genoss dabei die Ruhe. Die beiden Amazonen, die ihn bewachten, ließen ihn ganz nach Forderung ihrer Königin nicht aus den Augen. Eine von ihnen trug das Messer bei sich, das er der Amazone im Empfangsbereich abgenommen hatte.
    Als nach vierundzwanzig Stunden noch immer nichts passiert war, entschied er, dass er ausbrechen und sich die Informationen, die er haben wollte, mit Gewalt holen würde. Offenbar wollte diese Königin Hylla ihn müde machen, um ihn anschließend leichter beeinflussen zu können. Die Möglichkeit, dass er daran gewohnt war, lange aufzubleiben, wie es der Fall war, schien sie nicht miteinkalkuliert zu haben.
    Zunächst musste er die Wächterinnen ausschalten. Das kostete ihn keine große Mühe, da sie einfach nur vor dem Käfig herumstanden und ihn anstarrten. Da er sich kaum bewegte, ahnten sie auch nicht, dass er gerade dabei war, sie umzubringen. Mit seinen Gedanken erfasste er die Knochen unter der Erde.
    Urplötzlich schossen sie als Speere aus der Erde und pfählten die beiden Amazonen binnen Sekunden, sodass sie keine Möglichkeit hatten, um Hilfe zu schreien. Die Knochen zogen sich wieder in den Boden zurück und ließen zwei langsam ausblutende Leichen zurück.
    Morton setzte seine Nekromantie ein und ließ eine von ihnen die Zelle aufschließen. Langsam stand er auf und trat aus der Zelle. Wirklich erschöpft war er nicht. Er warf einen Blick auf den Kontrollraum und stellte fest, dass seine Sehkraft sich mittlerweile wieder normalisiert hatte. Die Nachtsichttropfen setzte er jedoch nicht wieder ein. So dunkel, dass er nicht genug sehen konnte, um das zu erledigen, wozu er hier war, war es nicht. Wenn er wollte, könnte Morton sofort zum Kontrollraum fliegen, aber er zog es vor, zu Fuß zu gehen, damit er den Weg säubern und so verhindern konnte, während seiner Audienz bei der Königin von einer ihrer Kriegerinnen überrascht zu werden.
    Die künstlichen Anlagen, die größtenteils aus Metallstegen und Betonplatten bestanden, sahen auf den ersten Blick ungemein komplex aus, aber Morton hatte sich germerkt, wo der Kontrollraum war, und glaubte nicht, dass ihm das Gelände große Schwierigkeiten bereiten würde. Das Messer, das er im Eingangsraum des Gebäudes erbeutet hatte, nahm er der toten Wächterin wieder ab. Wahrscheinlich würde er es auch noch brauchen, bevor er den Komplex wieder verließ.

Morton bewegte sich schnell aber leise, als er versuchte, den Weg zum Kontrollraum aus seinen Erinnerungen zu rekonstruieren, und hielt außerdem die Ohren offen. Er war zwar nicht auf Heimlichtuerei angewiesen, allerdings würde es einfacher werden, wenn er keinen zweiten Alarm auslöste und damit das gesamte Quartier auf sich aufmerksam machte. Die Lüge, dass er kein Halbgott sei, würde nach seiner Flucht aus dem Käfig kein zweites Mal funktionieren.
    Daher war er vorsichtig, aber nicht nervös. In seinem Leben hatte er schon mehr als genug Situationen überstanden, die deutlich schwieriger zu meistern gewesen waren als diese hier. Vor allem nach der Schlacht im Camp Ghul war das hier wenig mehr als ein umfangreicher Witz. Er musste einfach nur zum Kontrollraum gehen, die Königin verhören und töten, dabei wahrscheinlich noch ein paar ihrer Wächterinnen ausschalten und dann wieder verschwinden. Und die Umsetzung dieses Vorhabens war, zumindest für ihn, fast genauso einfach wie die Struktur.
    Möglicherweise waren von den erfahreneren Amazonen, die sich durch ihre Kampfkraft von den Anderen abhoben, noch welche übrig, allerdings war Morton sich sicher, dass keine von ihnen ein so hartes und von Kämpfen geprägtes Leben wie er geführt oder einen vergleichbaren Trainer gehabt hatte. Sie mochten zwar stark sein, vielleicht sogar eine Herausforderung, aber aufhalten würden sie ihn sicher nicht.

Über sich hörte er lauter werdende Gespräche, die in der großen Höhle widerhallten. Dieser Effekt warnte ihn zwar ziemlich früh, brachte aber auch den Nachteil mit sich, dass er ihren Ursprungsort nicht genau ausmachen konnte.
    Das Geräusch von auf Metall auftretenden Kampfstiefeln lenkte Mortons Aufmerksamkeit auf seine unmittelbare Umgebung. Ruckartig blieb er stehen und entdeckte eine kräftige Amazone in der Richtung, aus der er die Geräusche vernahm. Sie marschierte geradewegs auf eine Zusammenführung mit dem Metallsteg zu, auf dem er selbst sich momentan befand.
    Morton ging hinter dem Geländer in Deckung und zog sich die Kapuze wieder über das Gesicht. Es war ein dürftiges Versteck, und wenn die Amazone wüsste, wo er war, würde sie ihn auch entdecken, aber sie schien, wie ihre Kumpaninnen auch, von der Sicherheit ihres Käfigs und der Kompetenz ihrer Wächterinnen überzeugt, weshalb sie nicht wirklich auf ihre Umgebung achtete. Ein Vorteil, den er auszunutzen gedachte.
    Er ließ das Messer aus dem Ärmel in seine Hand gleiten, schob sich leise noch ein Stück näher an die Kreuzung und wartete darauf, dass die Amazone diese erreichte. Glücklicherweise drehte sie ihm den Rücken anstatt des Gesichts zu und marschierte in die entgegengesetzte Richtung.
    Mit zwei langen, schnellen Schritten war er bei ihr und legte ihr einen Arm um den Hals. Leider erwies sie sich als kräftiger, als er angenommen hatte.
    Bevor Morton der Amazone das Messer in den Rücken rammen konnte, hatte sie seinen Arm gepackt und ihn über die Schulter geworfen. Überrascht landete er mit einem dumpfen, metallischen Geräusch auf dem Boden.
    Er rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, um seinen Kopf vor dem aufstampfenden Fuß seiner Gegnerin in Sicherheit zu bringen. Dabei prallte er gegen das Geländer und überlegte, ob es vielleicht besser gewesen wäre, erst zuzustechen und ihr danach die Luft zum Schreien abzudrücken. Nächstes Mal würde er einfach die Reihenfolge der Aktionen vertauschen.
    Schnell kam Morton wieder auf die Beine, aber seine Gegnerin ließ ihm keine Zeit zum Ausruhen und griff sofort wieder an. Er wehrte einen Faustschlag mit dem Unterarm ab und wurde ein paar Schritte zurückgestoßen. Die Amazone war zwar etwas kleiner, aber anscheinend auch kräftiger als er, weshalb es besser für ihn sein würde, ein zu direktes Kräftemessen wie einen Ringkampf zu vermeiden. Und anders als bei vielen anderen Gegnern, die Morton bereits bekämpft hatte, schien das ihrer Geschwindigkeit und Geschicklichkeit nicht im Weg zu stehen.
    Ihr zweiter Schlag stand dem ersten in nichts nach, kam von unten, und das so schnell, dass Morton keine Zeit hatte, um seinen Stand zu festigen, sodass seine Arme nach oben gerissen wurden.
    Die Amazone packte seinen rechten Arm, mit dem er das Messer führte, und versetzte ihm zwei harte, schmerzhafte Schläge in den Bauch. Als sie zum dritten Mal ausholte, packte er ihr Handgelenk und rammte ihr seine Stirn ins Gesicht, was sie dazu brachte, ihn loszulassen.
    Morton schnappte nach Luft, krümmte sich und wäre beinahe auf ein Knie gefallen. Beinahe musste er lachen. Das hier war mit Abstand der härteste Kampf, den er bislang in Amerika ausgetragen hatte. So hart, dass in ihm die Frage aufkeimte, warum diese Amazone nicht an der Schlacht teilgenommen hatte. Desweiteren fiel ihm noch ein, dass sie auch nicht dabei gewesen war, als ihre Kameradinnen sie gefangengenommen hatten. Hatte die Königin sie vielleicht als Unterstützung gerufen?
    Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, da sie sich mit erhobenen Fäusten und blutiger Nase schon wieder auf ihn stürzte. Aber dieses Mal war er vorbereitet.
    Zuerst wich er zurück und wehrte einige Hieb ab, damit der Schmerz in seinem Bauch soweit nachließ, dass er ihn nicht mehr beim Kampf störte. Sie hatte einen verdammt harten Schlag, das musste man ihr lassen.
    Morton wartete geduldig ab, wartete, bis ihre Hände beide weit genug von ihrem Gesicht entfernt waren, und griff an. Sein erster Schlag traf sie direkt ins Gesicht, und der nächste Hieb mit dem Messer wäre beinahe ihr Ende gewesen, aber sie reagierte schnell genug, um den Angriff mit ihrem Unterarm abzufangen.
    Bei ihrem nächsten, überraschend frühen Faustschlag packte Morton ihr Handgelenk, drehte ihren Arm weg und versetzte ihr mit dem Messer knapp über der Hüfte einen tiefen Schnitt in die Taille.
    Sie zischte vor Schmerz, stieß ihn von sich weg und presste eine Hand auf die Verletzung. Morton, der auch im Halbdunkel den Glanz ihres Blutes erkannte, ließ ihr nun seinerseits keine Zeit zur Erholung, griff abwechselnd mit Faust und Messer an und drängte sie so auf einen Felsvorsprung zu.
    Als ihr klar wurde, was er vorhatte, versuchte sie umso grimmiger, wieder in eine bessere Position zu kommen, aber er durchschaute jede Finte und trieb sie bis fast unmittelbar an den Rand des Abgrunds zurück.
    In ihrer wilden Verzweifelung oder ihrem wilden Zorn, Morton konnte es nicht genau sagen, schaffte sie es, seine rechte Hand zu packen und ihr das Messer zu entwenden, indem sie sie auf das Geländer schlug. Anschließend packte sie ihn mit beiden Händen unter den Armen, wirbelte ihn herum und schob ihn langsam auf die Klippe zu.
    Morton war beeindruckt, wie schnell sie es geschafft hatte, das Blatt wieder zu wenden, aber für Bewunderung blieb ihm nicht mehr viel Zeit, da es nun zu genau dem gekommen war, was er hatte vermeiden wollen: einem Ringkampf. Da seine Gegnerin stärker war als er, konnte er wenig machen.
    Als er schließlich den leisen Aufschlag des Messers hörte, warf er einen schnellen Blick über die Schulter. Es würde ein ziemlich tiefer Sturz werden. Also genau das, was er brauchte.
    Während die Amazone ihre gesamte Kraft einsetzte, um ihn auf den Abgrund zuzuschieben, umschlang er sie mit beiden Armen, beendete seinen Widerstand und ließ sich in die Tiefe stürzen. Dabei riss er seine Gegnerin, die wohl nicht mit einer derartigen Aktion gerechnet hatte, einfach mit sich.
    Der Kampfgeist der Amazone war beeindruckend, da sie selbst im freien Fall in Richtung harten Gesteins nicht aufgab. Die eine Hand hatte sie immer noch schmerzhaft fest in seine Taille gekrallt, während sie mit der anderen nach seinem Gesicht schlug, dabei aber nur seine Wange streifte.
    Er musste sie unbedingt von sich lösen, bevor sie den Boden erreichten, andernfalls wäre der Aufprall auch seine Freikarte in den Hades.
    Der Sturzwind zerrte an seiner Kleidung und machte es beiden Kontrahenten schwer, einander zu treffen. Aber das versuchte Morton auch nicht. Zuerst packte er mit der linken Hand die Schulter seiner Gegnerin, um besser zielen zu können.
    Er wich einem weiteren, schlecht gezielten Hieb aus, indem er den Kopf zur Seite neigte, und stieß seine freie Hand dann gezielt in ihre Wunde.
    Als er seine Finger bis zum letzten Gelenk in ihrem Körper versenkt hatte, spürte er einen weichen, aber festen Widerstand.
    Er hörte ein entsetztes Keuchen, als er die Schicht mit einem kräftigen Stoß durchdrang, aber der Griff um Mortons Taille blieb immer noch fest.
    Seine Hand wühlte in ihrem Unterleib herum und fand etwas Glitschiges. Er packte es und zerrte mit aller Kraft daran. Als er die Hand, deren Finger sich um den Darm seiner Gegnerin geschlossen hatten, wieder aus der Wunde zog, wurde ihr Griff endlich schwächer.
    Morton witterte seine Gelegenheit, ließ sie los und stieß sich von ihr ab. Einen Moment lang befand er sich allein im freien Fall, bevor er die Flügel ausbreitete und seinen Sturz abbremste.
    Unter sich sah er die taffe Kämpferin, die ihm zumindest verhältnismäßig so viele Schwierigkeiten bereitet hatte, wie ein rohes Ei auf dem harten Gestein zerschellen.
    Nachdem sich sein Verstand und sein Körper wieder beruhigt hatten, überlegte er, wie er nun weiter vorgehen sollte. Er hielt es für sehr wahrscheinlich, dass die anderen Amazonen den Kampf bemerkt hatten und nun auf der Suche nach ihm waren. Wenn eine weitere Kämpferin vom Kaliber der Leiche unter ihm dabei war, könnte sich seine Rückkehr nach Camp Ghul noch ein wenig ziehen.
    Trotzdem war es wohl das Beste, einfach so wie bisher vorzugehen. Dort unten jetzt noch nach dem Messer zu suchen, würde sich nicht lohnen. Morton warf einen letzten Blick auf den zermalmten Leichnam der Amazone, der nicht mehr für einen Ghul zu gebrauchen war, und flog dann zurück nach oben.
   
Als er wieder auf dem Vorsprung landete, von dem aus er und die Amazone heruntergefallen waren, bemerkte er sofort, dass sich etwas verändert hatte. Das Gespräch, das er vor dem Kampf gehört hatte, war verstummt, stattdessen hörte er Schritte über sich, bei denen er sich trotz des Widerhallungseffektes sicher war, dass sie von mehreren Personen stammten. Angesichts der Geschwindigkeit ging er davon aus, dass sie den Kampf gehört hatten und nach ihm suchten. Wie gut, dass er ohnehin gefunden werden wollte. Mit etwas Glück brachte ihm eine von ihnen sogar ein neues Messer mit. Ansonsten würde es ein Kampf wie viele andere werden, bei dem es nicht nötig war, einen Hinterhalt vorzubereiten, da seine Gegner ihm klar unterlegen sein sollten und ohnehin mit ihm rechneten.
    Morton konzentrierte sich auf den Ring an seinem Finger, und dieser formte sich zur Sense um. Er konnte mit den meisten Waffen umgehen, aber diese lag ihm immer noch von allen am besten in der Hand. Die Amazonen schienen noch immer irgendwo über ihm zu sein, und er wollte den Kampf möglichst schnell hinter sich bringen, daher stieß er sich von der Kante des Geländers ab, breitete seine Flügel aus und jagte dem Geräusch der Schritte entgegen.
    Die Amazonen entdeckten ihn, kurz bevor er sie erreichte. Er konnte ihre Gesichter nicht sehen, ging aber davon aus, dass sie einen gewaltigen Schrecken bekamen.
    Diesen Überraschungseffekt nutzte Morton aus, um auf einer von ihnen zu landen, sie dabei zu Boden zu treten und ihr die Klinge seiner Sense in den Hals zu rammen.
    Er ließ sein am eigenen Blut erstickendes Opfer liegen und trat den übrigen vier Kriegerinnen entgegen, die nach typischem Amazonenstil mit Speer und Schild bewaffnet waren. Es waren noch nicht alle, aber es würde ihre Anzahl verhältnismäßig stark dezimieren, diese hier zu töten.
    Die Kriegerinnen bildeten einen Schildwall und rückten langsam auf ihn zu.
    Morton erkannte sofort, dass ein Frontalangriff sinnlos war, weshalb er einfach über sie hinwegflog und auf der anderen Seite wieder landete. Wie erwartet hatten sie sich mitgedreht und ihre gefallene, mittlerweile tote Kameradin aus dem Blickfeld verloren. Eine unauffällige Handbewegung seinerseits genügte...
    Drei der Amazonen sprangen erschrocken auseinander, als sich der vierten in ihrer Mitte von hinten ein Speer durch den Brustkorb bohrte. Morton, der geplant hatte, sie so auseinanderzubringen, konzentrierte sich auf die eine, die nun, wie von ihm beabsichtigt, mit dem Rücken zum Abgrund stand.
    „Der Nekromant...“, flüsterte sie fassungslos, den Blick auf ihre untote Gefährtin gerichtet, unmittelbar bevor Morton nach vorn schoss, ihr seine Sense in den Bauch rammte und sie von den Füßen fegte.
    Der Stoß schleuderte sie vom Geländer in den gähnenden Abgrund und entlockte ihr einen langgezogenen Schrei, den ein klatschendes Knacken unterbrach, als ihr Körper von den Felsen zerschmettert wurde.
    Zufrieden drehte Morton sich zu seinen letzten beiden Gegnerinnen um, wendete seine Nekromantie auf die hinterrücks Erstochene an und ließ beide Ghule zurücktreten. Die zwei Amazonen sahen sich unsicher an und gingen schließlich, wachsam und mit erhobenen Schilden gemeinsam auf ihn zu. Vermutlich waren sie sich darüber im Klaren, dass ihr Tod besiegelt war, wollten aber dennoch bis zum bitteren Ende kämpfen. Eine beeindruckende Entschlossenheit, die ihnen aber nicht helfen würde.
    Wie auf ein unsichtbares Zeichen griffen beide gleichzeitig an.
    Morton sprang auf eine von ihnen zu, parierte mit der Sense erst den einen, dann den anderen Speer. Er schlug seine Waffe mit dem Griff voran nach hinten, traf den erhobenen Schild und stieß die Amazone zurück.
    Dann konzentrierte er sich auf die Kriegerin vor ihm, stieß den nach ihm gestoßenen Speer mit der Hand beiseite und trat ihren Schild aus dem Weg.
    Innerhalb eines Augenblicks holte er weit mit der Sense aus und schlitzte sie von der Schulter bis zur Hüfte auf. Ein Schwall aus Blut und Innereien floss aus ihrem offenen Oberkörper, als sie im Schock noch realisierte, was gerade passiert war, und dann einfach umfiel.
    Im Augenwinkel registrierte Morton, wie die letzte Amazone mit dem Speer ausholte, und wählte den Moment zum Ausweichen, in dem die Waffe ihre Hand verließ. Dank seines flexiblen Körpers gelang es ihm problemlos, sich weit genug nach hinten lehnen, um dem Geschoss zu entgehen.
    Er verwandelte die Sense wieder in den Ring und ging langsam auf sie zu, als sie plötzlich ihren Schild nach ihm warf. Der Angriff kam zwar unerwartet, allerdings konnte Morton ihm gerade noch ausweichen, indem er sich unter dem Geschoss hinwegduckte.
    Dann musste er feststellen, dass seine Gegnerin in derselben Bewegung ein Messer gezogen hatte, mit dem sie nun nach ihm stach. Das war kein schlechter Zug, aber Morton war dennoch schneller.
    Er packte ihre Waffenhand, drehte sie über seinen Kopf und warf die Amazone über die Schulter. Mit besonders viel Wucht kniete er sich auf ihren Bauch, um ihr die Luft abzudrücken, wand ihr das Messer aus der Hand und rammte es ihr durch die Rippen hindurch ins Herz.
    Verzweifelt starrte sie ihm ins Gesicht, als ihre Durchblutung sich einstellte, ihr Blick schließlich glasig wurde und die Atmung aussetzte. Ungerührt stand Morton wieder auf, ließ das Messer in seinem Ärmel verschwinden und wandte seine Nekromantie auf die beiden Toten an. Mit den vier Ghulen im Gefolge setzte er seinen Weg zur Königin fort.

Den nächsten beiden Amazonen, von denen die eine mit Speer und Schild, die andere mit einem Messer bewaffnet war, trat Morton wieder allein entgegen, da auf dem schmalen Metallsteg, der nur wirklich Platz für eine Person bot, zu wenig Freiraum war, um die Ghule sinnvoll einzusetzen.
    Als die Messerkämpferin sich langsam auf ihn zubewegte, und ihre Kameradin mit dem Speer hinter ihr wartete, ahnte Morton bereits, was sie vorhatten. Sobald er eine von ihnen besiegt hatte, würde die zweite ihn mit dem Speer  aus sicherer Entfernung aufspießen können. Vorausgesetzt, er ließ ihr genug Zeit dafür, was nicht in seiner Absicht lag.
    Als sich der Abstand zwischen Morton und der ersten Amazone auf fünf Meter reduziert hatte, und die Speerwerferin jetzt nahe genug war, um ihm im Falle von Unvorsichtigkeit gefährlich zu werden, drosselte er sein Tempo und beobachtete vorsichtig jede Bewegung seiner Gegnerin, für den Fall, dass sie vorhatte, sich zu ducken, um ihrer Kollegin eine freie Wurfbahn zu verschaffen. Außerdem musste man hier aufpassen, nicht herunterzufallen, da das Geländer Morton hier kaum bis zum Knie ging.
    Morton wich dem ersten Messerstoß mit einem Sprung nach hinten aus. Hier gab es nur zwei mögliche Bewegungsrichtungen, nämlich vor und zurück. Zur Seite ausweichen konnte er nicht, daher musste er gut auf den Abstand zwischen sich und der Amazone achten, solange er ihr das Messer noch nicht abgenommen hatte.
    Seine Gegnerin schien ihr Handwerk ebenfalls zu verstehen, da sie ihn geschickt mit ihrer Waffe auf Abstand hielt, durch den sie einen klaren Reichweitenvorteil hatte. Er musste auf einen günstigen Moment, einen unvorsichtigen Ausfall warten, um nahe genug an sie heranzukommen. Ihren Angriffen auszuweichen war einfach, und nach einer Weile schien sie ungeduldig zu werden.
    Bei ihrem nächsten Stoß bewegte sie sich ein Stück zu weit nach vorn und konnte sich nicht schnell genug zurückziehen, als Morton vorsprang, ihr rechtes Handgelenk packte und es schmerzhaft verdrehte. Er konnte die Qualen aus ihrem Gesicht ablesen, aber trotzdem hielt sie ihre Waffe fest, was ihr beinahe die Hand gebrochen hätte.
    Einen Moment später ließ sie das Messer fallen, fing es mit der linken Hand wieder auf und stach nach Mortons Oberkörper.
    Er griff mit seiner freien Hand nach ihrem Waffenarm und bremste die Spitze der Waffe unmittelbar vor seinem Bauch. Mit einem kräftigen Ruck brach er ihr Handgelenk, fing das Messer mit seiner linken Hand auf, ließ es in die Rechte gleiten und stieß seine Gegnerin seitwärts vom Metallsteg.
    Ihre Schreie wurden wie gewohnt von einem Klatschen abgeschnitten, während ihre Kameradin mit dem Speer zum Wurf ausholte, dabei aber den Fehler beging, ihre Deckung zu vernachlässigen. Morton war mit dem Werfen schneller, und das Messer bohrte sich in die ungeschützte Brust der Amazone.
    Einen Moment starrte sie ihn entsetzt an, dann verdrehten sich ihre Augen, und sie stürzte ebenfalls vom Steg dem Abgrund entgegen. Morton ging sofort weiter und befahl den Ghulen mental, ihm zu folgen. Wenn er sich recht erinnerte, war der Weg zum Kontrollraum nicht mehr weit.

Vor dem Kontrollraum befand sich eine relativ große Metallplattform. Sechs weitere Amazonen hatten sich in einer Reihe vor dem Eingang aufgestellt. Ihre Speere richteten sich nach vorn, als Morton aus dem Schatten trat und mit der Sense in der Hand langsam auf sie zuging. Er hatte die Umgebung bereits mit den Augen abgesucht und war zu dem Schluss gekommen, dass sich alle noch lebenden Amazonen hier vor ihm befanden. Mit Ausnahme der Königin würde sich das jedoch in den nächsten Minuten bei jeder von ihnen ändern.
    „Überlasst ihn mir!“
    Die Kriegerinnen wurden unsanft zur Seite geschoben, als sich eine weitere, verdammt große Amazone aus dem Eingang zwängte und Morton mit zwei erhobenen Streitäxten entgegentrat. Er blieb stehen und beobachtete seine Gegnerin, um sich geistig auf den Kampf mit ihr vorzubereiten.
    Sie war noch muskulöser, als die Kriegerin, mit der er in den Abgrund gestürzt war, und außerdem größer als er. Die erste Annahme bei einem solchen Gegner war häufig, dass er langsam war, aber Morton wollte nicht den Fehler begehen, sie zu unterschätzen, weshalb er sie sicherheitshalber als ebenso beweglich wie kräftig einstufte und zu dem Schluss kam, dass ihm ein harter Kampf bevorstand.
    Vorher jedoch ließ er die Ghule auf dem Platz treten, um einzugreifen, falls eine der Amazonen sich vorzeitig einmischte. Normalerweise würde er sich bei sieben von ihnen keine Sorgen machen, aber falls ihm ein weiterer Kampf von der Intensität seines Ersten in dieser Halle bevorstand, wollte er nicht von hinten überrascht werden. Beim Anblick der Untoten verfinsterte sich die ohnehin schon grimmige Miene seiner Gegnerin noch mehr.
    „Nur wir beide, Nekromant!“, knurrte sie und griff an.
    Wie er es in den meisten Fällen zu Beginn eines Kampfes tat, wartete Morton in aller Ruhe den ersten Hieb ab und parierte ihn. Dabei stellte er sich bewusst nicht mit seiner ganzen Kraft gegen den Angriff, was ihm das Leben rettete.
    Obwohl er den Schlag gut ablenken konnte, traf ihn noch so viel von dessen Wucht, dass es ihm beinahe nicht mehr gelungen wäre, den direkt danach folgenden, zweiten Angriff mit der anderen Axt abzuwehren.
    Nach den ersten beiden Schlägen gelang es ihm jedoch ziemlich schnell, sich auf die Stärke seiner Gegnerin einzustellen. Er wusste, dass er Kraft hier nicht mit Kraft bekämpfen konnte.
    Bereits den dritten Schlag bekam er deutlich leichter pariert und griff dann seinerseits an. Ganz wie erwartet fegte sie die Sensenklinge mit einer ihrer Äxte beiseite. Fast zeitgleich schlug sie mit der zweiten Axt nach seinem Kopf.
    Morton lehnte sich so weit er konnte nach hinten, und die Klinge zischte haarscharf an seinem Gesicht vorbei. Als er sich wieder aufrichtete, drückte sie ihren Unterarm von vorne gegen seinen Hals und stieß ihn zurück.
    Ihr darauffolgender Tritt gegen seinen Brustkorb warf ihn zwar zu Boden, allerdings gelang es ihm, den Sturz in eine Rückwärtsrolle zu verwandeln und sofort wieder auf die Beine zu kommen.
    Diese Aktion rettete ihm abermals das Leben, da die Amazone ihm sofort nachgesprungen war, um ihn zu töten, während er am Boden lag. Da er das zu ihrer offenkundigen Überraschung nicht mehr tat, prallte ihr Axthieb wirkungslos am Boden ab.
    Morton holte weit aus und schlug zu. Trotz ihrer Stärke musste die Kriegerin vor seinem Ansturm zurückweichen.
    Nach dem ersten Aufeinanderpallen der Waffen wirbelte Morton seine Sense so schnell er konnte im Kreis herum, was seine Gegnerin zu verunsichern schien.
    Als sie sich zum nächsten Schlag anschickte, konnte er durch den Schwung, den seine Waffe durch die Rotierung gewonnen hatte, zuerst angreifen und sie mit einer Reihe harter und blitzschneller Schläge einige Schritte zurückdrängen.
    Eigentlich wäre das ein guter Zeitpunkt gewesen, um den Kampf zu beenden, aber die Amazone stieß beide Äxte nach vorn und stoppte seine Sense schlagartig. Er konnte die Waffen nicht wieder voneinander lösen, da der Druck, den sie auf ihn verübte, zu stark war.
    Durch ihre Kraft gelang es ihr, ihn Schritt für Schritt zurückzuschieben. Ohne den Druck zu vernachlässigen, löste sie ihre rechte Axt aus der Verkeilung und holte zum finalen Hieb gegen seinen Kopf aus, während seine Sense noch von ihrer zweiten Waffe blockiert wurde. Aber Morton hatte noch ein Ass im Ärmel, das es nun auszuspielen galt.
    Er breitete seine Flügel aus, schwang sich in die Luft und konnte sich so aus der Verkeilung lösen. Die völlig überrumpelte Amazone fiel auf den Rücken, als Mortons Sense ihr die rechte Hand abtrennte. Mit einem lauten Klirren fiel die Axt auf den Boden.
    Morton ließ sich wieder fallen, um sie zu durchbohren, aber sie rollte sich rechtzeitig zur Seite. Seine Arme erzitterten von der durch den harten Zusammenstoß seiner Sense mit dem Boden ausgelösten Vibration.
    Einen Moment später schlug ihm die Amazone, die schon wieder aufgestanden war, mit dem Stumpf ihres rechten Armes ins Gesicht.
    Er stolperte einen Schritt zurück und hob seine Sense gerade noch rechtzeitig, um den nächsten Axthieb zu parieren. Erst konnte er seine Gegnerin sogar einen Schritt zurückschieben, da sie nur eine Hand hatte, aber als sie mit ihrem rechten Unterarm zusätzlich gegen den Axtgriff drückte, drehte sich das Kräfteverhältnis wieder um.
    Morton fiel die zweite Axt wieder ein, die seine Gegnerin hatte fallen lassen. Sie hatte mehr Gewicht als seine Sense, und mit beiden Händen sollte er auch mehr Kraft aufbringen können, als die hünenhafte Amazone mit Einer.
    Er ließ seine Waffe los, warf sich in derselben Bewegung zur Seite, während sie aufgrund des fehlenden Gegendrucks nach vorn taumelte.
    Morton schnappte sich die Axt und wehrte den hektischen, unpräzisen Schlag seiner Gegnerin ab, indem er mit aller Kraft dagegen schlug, was ihre Waffe weit genug entfernte, um ihm nicht mehr in die Quere zu kommen.
    Er drehte sich einmal um sich selbst, um ausreichend Schwung zu holen, und trieb der Amazone die Klinge tief in den Bauch.
    Eine tödliche Stille erfüllte die ganze Halle, als die tödlich verwundete Kriegerin auf die Knie sank und die Waffe aus ihrer linken Hand fiel. Das Klirren war so überdeutlich zu hören, dass man denken könnte, die ganze Welt würde nur deshalb schweigen.
    Ein Schwall aus Blut und Gedärmen brach aus ihrer aufklaffenden Bauchwunde hervor, als Morton die Axt wieder herauszog und zu einem weiteren Schlag ausholte. Aber anders, als die übrigen Kriegerinnen dachten, war dieser nicht für die sterbende Hünin bestimmt.
    Kurz vor dem Wurf drehte er sich zur Seite und warf die Axt auf die Reihe von Amazonen, die sich vor dem Eingang des Kontrollraumes aufgestellt hatte. Sie spaltete einer von ihnen glatt den Kopf.
    Aber anstatt auseinanderzulaufen wie die andere Gruppe, gegen die er gekämpft hatte, hoben die verbliebenen fünf Kriegerinnen ihre Schilde, schlossen die Lücke und rückten mit nach vorne gerichteten Speeren vor.
    Morton befahl den Ghulen nicht, dasselbe zu tun. Zuerst streckte er seinen Arm nach der Sense aus. Da in ihren Griff Knochen eingearbeitet waren, gehorchte die Waffe seinem Befehl und flog in seine wartende Hand. Die neben ihm kniende Amazone, die noch versucht hatte, ihre Eingeweide wieder in ihren Bauch zurückzuschieben, fiel zur Seite, vermutlich soweit ausgeblutet, dass nicht mehr viel ihr Gehirn erreichte.
    Er zog sich zurück und ließ die übrigen Kriegerinnen noch ein Stück weiter vorrücken. Dann wandte er seine Kräfte auf die Tote an.
    Die Ex-Leiche packte die Axt, die sie vorher hatte fallen lassen, stand wieder auf und schlug auf einen der Schilde ein.
    Morton erhob sich in die Luft und ließ die Ghule nach vorn stürmen. Zwar gelang es den Amazonen, den Ansturm abwehren, allerdings konnten sie weder ihre Position noch ihre Formation halten.
    Die Mittlere von ihnen ging nach einigen weiteren Schlägen mit der Axt ihrer untoten Ex-Kameradin zu Boden, die ihr den Schild entriss und den Brustkorb mit einem weiteren Hieb spaltete.
    Morton stürzte sich selbst auf eine der übrigen Kriegerinnen und täuschte einen Angriff mit der Sense vor. Wie von ihm beabsichtigt hob sie ihren Schild, um den Stich abzuwehren.
    Im letzten Moment zog er seine Waffe zurück, landete mit beiden Füßen auf dem Schild und trat sie so zu Boden.
    Sofort schlug er nach einer weiteren Amazone, die fast direkt neben ihm stand. Sie drehte sich zu ihm um, um den Angriff abzuwehren, drehte dabei aber den Ghulen den Rücken zu und wurde hinterrücks von zwei Speeren durchbohrt.
    Morton riss nun seinem unter ihm liegenden Opfer den Schild aus der Hand und tötete es durch einen Stich zwischen die Rippen.
    Eine weitere Amazone war von der einhändigen Axtkämpferin niedergeschlagen worden.
    Die Letzte von ihnen wich nun unsicher an den Rand des Abgrunds zurück. Ihren Schild hatte sie im Kampf fallen gelassen, sodass sie nun mit einer Hand ihren Speer umklammerte und in der anderen ein Messer hielt, mit dem sie auf Morton zielte.
    In dem Moment, in dem sie warf, trat die einhändige Untote dazwischen, schwankte und fiel nach hinten. Das Messer hatte sich ihr in den Kopf gebohrt und ihr Gehirn zerstört.
    Noch bevor der tote Körper am Boden aufschlug, befand Morton sich schon in der Luft. Die letzte Kriegerin hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, noch den Speer zu heben, als Morton ihr im Sturzflug seine Sense in den Brustkorb rammte. Er schenkte ihr keine große Beachtung, als er sie wiederbelebte und zusammen mit den anderen Ghulen einen Halbkreis um den Eingang bilden ließ. Es wurde Zeit für eine Audienz bei der Königin.

Hylla erwartete ihn bereits mit gezogenen Waffen. In der rechten Hand hielt sie einen kurzen, gefährlich aussehenden Krummsäbel, in der linken einen kleinen, mit einer Klinge versehenen Schild.
    „Du bist Zeugin unseres Kampfes!“, rief sie der Amazone zu, die den Raum immer noch über den Bildschirm beobachtete. „Sollte ich fallen, übernimmst du meine Position! Verstanden?“
    „Ja, meine Königin“, antwortete die sichtlich überraschte Amazone.
    Zufrieden nickte die Königin und wandte sich dann wieder Morton zu.
    „Und nun zu dir!“, knurrte sie. „Ich weiß nicht, wer oder was du bist, aber DAMIT wirst du nicht durchkommen! Es gibt noch mehr von uns. Viel mehr. Wenn ich heute sterbe, werden die übrigen Amazonen dich und deinen Zombiehaufen vernichten. Das, was du von uns gesehen hast, war nichts im Vergleich zu dem, was noch auf dich wartet, solltest du diesen Raum wieder lebend verlassen. Aber ich denke, es ist besser, wenn ich dich an Ort und Stelle töte und deinem Treiben ein Ende setze.“
    Ihre Stimme war grimmig, aber beherrscht. Morton erkannte sofort, dass er es hier mit einer Gegnerin zu tun hatte, die zwar alles tun würde, um ihn zu vernichten, dabei aber nicht die Vorsicht außen vor lassen würde. Dennoch war nichts von dem, was sie sagte, eine große Überraschung für ihn, da Sif ihn bereits vor der Anzahl der Amazonen gewarnt hatte.
    „Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn die berühmten Amazonen nicht mehr zu bieten hätten als das. Für den Fall, dass noch mehr von euch bei mir auftauchen, bin ich bestens vorbereitet, keine Sorge.“
    In der Regel ließ Morton seine Gegner den ersten Schlag machen, aber er wusste nicht, wie lange sie noch zu sprechen vorhatte, und ging nicht davon aus, dass ihre künftigen Drohungen weitere, relevante Informationen beinhalten würden.
    Daher griff er selbst in dem Moment an, in dem sie wieder den Mund aufmachte. Was immer sie sagen wollte, blieb ihr im Hals stecken, als sie seinen diagonal von oben geführten Hieb mit Schwert und Schild parierte.
    Morton schlug sofort ein weiteres Mal zu, um ihr keine Gelegenheit zum Gegenangriff zu geben. Überrumpelt von seiner Schnelligkeit blieb der Amazonenkönigin keine andere Wahl, als sich immer weiter in die Ecke des Raumes zurückzuziehen.
    Als sie bemerkte, dass nicht mehr viel Platz nach hinten war, machte sie einen Satz zurück und konnte sich so genug Raum verschaffen, um zurückzuschlagen. Im nächsten Moment musste Morton sich einer Reihe schneller, harter, wilder, aber dennoch beherrschten Angriffe, sowohl mit Schwert als auch Schild geführt, erwehren.
    Er parierte sämtliche Angriffe mit dem langen Griff seiner Sense und versuchte, dabei möglichst wenig Boden zu verlieren, trat aber schließlich doch einen Schritt zurück.
    Ihren nächsten Schwerthieb fing er mit der Sense ab und schlug ihr mit einer geschickten Drehung die Waffe aus der Hand.
    Hylla schlug mit dem Messer, das an ihrem Schild befestigt war, nach seinem Kopf, aber Morton lehnte sich nach hinten, ließ die Klinge an seinem Gesicht vorbeizischen und ergriff dann ihren Unterarm.
    Er verwandelte die Sense wieder in den Ring, packte ihren Arm mit beiden Händen und warf sie über die Schulter.
    Noch bevor sie auf dem Boden aufschlug, hatte er ihr den Schild aus der Hand gewunden und einem der Ghule zugeworfen, der ihn unbeholfen auffing.
    Er drehte ihr den Rücken zu, ging zu dem Schwert, dass sie fallen lassen hatte und hob es auf.
    Selbstverständlich griff sie noch ein weiteres Mal an, wie ihm das Geräusch hinter sich verriet.
    Morton drehte sich blitzschnell wieder um und hielt ihr die Schneide der eigenen Waffe an den Hals. Schlagartig blieb sie stehen.
    „Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten“, sagte er.

Er ging um sie herum, bis er wieder zwischen ihr und dem Eingang stand, und warf das Schwert dann einem der Ghule zu. Nun hatte er keinen Grund mehr dazu, die Amazonen noch länger anzulügen.
    „Ich war nicht ganz ehrlich zu dir, was meine göttliche Abstammung angeht“, begann er.
    „Ich hätte dich so lange zerstückeln sollen, bis du mit der Wahrheit herausgerückt wärst“, murmelte Hylla.
    „Ja. Hättest du wirklich. Vielleicht sollte ich mich dir nocheinmal vorstellen, damit du dieses Mal weißt, wem du gegenüberstehst. Ich bin Morton Deader, der Sohn des Thanatos!“
    Als Beweis breitete er seine schwarzen Flügel aus. Erschrocken wich die Königin einen Schritt vor ihm zurück.
    „Du hast zwei Möglichkeiten!“, sagte er so kalt wie er konnte und trat dabei noch einen Schritt auf sie zu. „Entweder du sorgst dafür, dass die Amazonen sich aus diesem Krieg heraushalten, oder du stirbst hier und jetzt!“
    „Was für ein Krieg?“
    Morton entschied, noch weiter zu improvisieren. Wenn Hylla Camp Ghul einnehmen wollte, konnte es durchaus sein, dass sich dort früher einmal etwas oder jemand befunden hatte, der ihr etwas bedeutete. Vielleicht konnte er das als Druckmittel verwenden.
    „Es gibt noch andere Dinge, über die ich dich belogen habe. Ich war dabei, als Camp Jupiter zerstört wurde. Der Mann, der dafür verantwortlich ist, hat einen Großteil der Bewohner im Alleingang getötet.“
    „Was ist mit der Prätorin von Camp Jupiter? Ist sie noch am Leben?“
Vermutlich meinte sie Reyna. Morton hatte von Leander erfahren, dass sie vor Kratos' Angriff in Camp Jupiter das Sagen gehabt hatte. Raven hatte sie bereits getötet, aber das brauchte Hylla ja nicht zu wissen. Wenn sie um Reynas Leben fürchtet, war sie ihm im Tod sogar noch zu etwas nütze.
    „Reyna lebt noch“, antwortete er. „Wir haben sie gefangengenommen, als das Camp zerstört wurde. Solltest du meinen Forderungen nicht nachkommen, werde ich erst dich töten, dann nach Camp Jupiter zurückkehren und sie ebenfalls töten. Und zwar sehr, sehr schmerzhaft.“
    Hylla sah ihn lange mit einem undefinierbaren Blick an und nickte schließlich schwach. Sie wandte sich wieder dem Bildschirm zu, auf dem immer noch das schockierte Gesicht der anderen Amazone zu sehen war, die alles mitangesehen hatte.
    „Die Amazonen werden nicht in diesen Krieg eingreifen! Gib den Befehl an alle Stützpunkte weiter!“
    „Zu Befehl, meine Königin“, antwortete ihr Gegenüber, wenn auch nur mit sichtlichem Widerwillen.
Hylla beendete die Übertragung und drehte sich wieder zu Morton um.
    „Was passiert jetzt?“, fragte sie.
    „Du bist meine Gefangene“, erklärte er.



Die Rückkehr nach Camp Ghul erfolgte relativ ereignislos. Es gelang Morton, sowohl die Königin als auch die Ghule mit dem letzten Gabelstapler zu transportieren. Im Camp kümmerte er sich als erstes persönlich darum, dass Hylla in einem der Kerker unter der Stadt eingesperrt und streng bewacht wurde. Anschließend begab er sich zum Senatsgebäude, um sich dort mit Sif auszutauschen.
    Die Dracaena erwartete ihn bereits und schien beunruhigt zu sein.
    „Verdammt, wo warsssst du sssso lange!?“, zischte sie zur Begrüßung.
    Morton war wenig überrascht über diese Reaktion. Er selbst hatte ebenfalls keine so lange Zeitspanne für die Aktion eingeplant. Die Idee, einen zweiten Verhör durch die Königin abzuwarten, um ihr Informationen abzuringen, während sie sich in Sicherheit wog, war ihm auch erst spontan gekommen. Letztendlich hatte es sich als Zeitverschwendung herausgestellt, aber einen Versuch war es immerhin wert gewesen. Solange er Hylla in dem Glauben ließ, dass Reyna noch am Leben war, würde er vielleicht doch noch etwas von ihr erfahren.
    „Bei den Amazonen“, antwortete er ruhig, wobei er sich Mühe gab, die gewohnte Kälte in seiner Stimme ein wenig zu unterdrücken, um die Dracaena wieder zu beruhigen. „Ich habe mich gefangennehmen lassen und ungefähr einen Tag gewartet, damit die Königin versucht, mich zu verhören. Im Glauben, sicher zu sein, wäre sie bestimmt leichtfertiger mit Informationen umgegangen.“
    Sif entspannte sich wieder. Morton war froh, dass seine Methode, ruhig auf jemanden einzureden, auch bei ihr funktionierte. Er kannte die Dracaena noch nicht allzu lange, aber Raven hatte er dadurch fast immer beruhigen können, falls sie sich einmal aufgeregt hatte. Das war in letzter Zeit nicht allzu häufig vorgekommen, allerdings war seine Schwester schon immer etwas temperamentvoller als er gewesen, was sich immer noch nicht geändert hatte.
    „Hat essss funktioniert?“
    „Leider nicht. Die Königin habe ich gefangengenommen, den Rest von ihnen umgebracht. Sie scheint Reyna irgendwoher zu kennen, daher habe ich ihr erzählt, sie wäre noch am Leben und unsere Gefangene. Das hat als Druckmittel gereicht, um sie dazu zu bringen, die Amazonen aus unserem Krieg herauszuhalten.“
    „Glaubsssst du, wir erfahren noch etwassss von ihr?“
    Morton überlegte kurz. Es würde sich sicher lohnen, sie noch einmal zu befragen, allerdings hatte Hylla nicht den Eindruck gemacht, als ob sie viel wüsste, was für ihn von Bedeutung war.
    „Ich werde nochmal mit ihr reden. Ich bin mir aber nicht wirklich sicher, ob sie überhaupt noch irgendwas weiß, das für uns von Belang wäre. Sie muss aber am Leben bleiben. Wenn die Amazonen, woher auch immer, von ihrem Tod erfahren, ist ihr Wort als Königin nicht mehr gültig. Bevor ich ihr von Reyna erzählt habe, hat sie ihre Nachfolgerin ernannt. Und sollte die zur Königin aufsteigen, haben wir bald die nächste Armee draußen stehen.“
    „Ssssoll das heißßßßen, du vertrausssst darauf, dassssssss sie nicht angreifen?“
    „Natürlich nicht. Wir müssen genauso vorsichtig wie immer sein, möglicherweise sind die Amazonen nicht mal unsere einzigen Feinde. Aber solange wir ihnen nicht den Leichnam ihrer Königin vor die Nase halten, besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie ihr gehorchen und uns in Ruhe lassen. Dann können wir uns besser auf unser eigentliches Ziel, nämlich den Olymp, konzentrieren. Ist eigentlich Kratos mittlerweile wieder da?“
    „Nein.“
    Morton runzelte die Stirn. Zum Othrys hatte er vielleicht einen Tag gebraucht. Aber das war nun schon mehrere Tage her. Irgendetwas hatte ihn definitiv aufgehalten. Und es musste etwas Gefährliches sein, wenn es auch nur das geringste Hindernis für jemanden wie ihn darstellte.
    „Meinsssst du, wir ssssollten ihn ssssuchen?“
    Morton schüttelte den Kopf.
    „Wenn da draußen irgendetwas ist, was ihm gefährlich wird, können wir auch nicht viel dagegen tun.“
    „Vielleicht ssssind ihm ja noch mehr von den Amazzzzonen über den Weg gelaufen“, vermutete Sif.
    „Vielleicht. Die Königin prahlte auch schon damit, dass das, was wir von ihnen gesehen haben, nur ein Bruchteil eines größeren Ganzen ist.“
    „Wir haben die Leichenteile in dein Labor gebracht“, wechselte Sif plötzlich das Thema. „Den Resssst haben wir gegessssssssen.“
    „Alles klar. Da draußen noch alles beim Alten ist, nehme ich an, dass du deine Sache gut gemacht hast.“
    „Danke. Gesssstern ssssind noch ein paar neue Monsssster dazzzzugekommen. Ich habe den meissssten von ihnen eine Aufgabe gegeben.“
    Morton nickte.
    „Ich bin froh, dass ich hier jemanden habe, auf den ich mich im Notfall verlassen kann.“
    Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Senatsgebäude, um sich die neuen Leichenteile im Labor anzusehen.
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