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War of Olympus

Kurzbeschreibung
CrossoverAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Hekate Leo Valdez Nico di Angelo OC (Own Character) Thanatos
30.01.2016
05.06.2023
90
254.901
11
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Dieses Kapitel
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07.02.2016 2.258
 
Kapitel IV - Die Hoffnung stirbt zuletzt


Warum lebte er überhaupt noch? Diese Frage stellte sich Leander immer, wenn er aufstand, bevor er etwas anderes tat. Er wachte jeden Morgen in dem Wissen auf, dass dieser Tag der letzte seines Lebens sein könnte. Nicht, weil ihm Gefahr von irgendwelchen Monstern oder anderen unfreundlichen Wesen drohte, sondern weil er täglich darüber nachdachte, es selbst zu beenden.
    Er wusste nicht, warum und wofür er eigentlich weiterlebte. Seine gesamte Familie, die einzigen Menschen, die er jemals hatte, wurde vor sechs Jahren von einem gigantischen Monster getötet, das das gesamte Haus zertrampelt hatte. Leander wusste nicht, um was für ein Wesen es sich dabei handelte, er erinnerte sich nur noch daran, dass es unglaublich groß gewesen war.
    Seitdem hatte er nichts und niemanden mehr, wofür es sich noch zu leben lohnte. Es gab nichts Schönes mehr in seinem Leben. Warum er es nicht schon längst selbst beendet hatte, wusste er auch nicht genau. Er hatte keine Angst vor dem Tod, da er wusste, dass er danach nicht einfach aufhören würde, zu existieren.
    Er hatte es schon ein paar Male tun wollen, aber jedesmal kam es ihm vor, als ob eine innere Stimme ihn zurückhielt. Ihn daran erinnerte, dass es in diesem Leben doch noch etwas zu tun gab. Tief in seinem Unterbewusstsein gab es wohl noch einen Rest gesunden menschlichen Verstandes, der den Sinn des Lebens erfüllen und weiterleben wollte. Es gehörte nicht zur Natur eines Menschen, Selbstmord zu begehen, und Leander war nicht stark genug gewesen, um seine Natur zu besiegen.
    Das einzige, das ihn auf dieser Welt noch halbwegs interessierte und ihn davon abhielt, den ganzen Tag in seiner Hütte vor sich hin zu vegetieren, war der Schwertkampf. Immer wenn er ein Schwert führte, lenkte ihn dies von seinen dunklen Gedanken ab und gab ihm die Gelegenheit, im Hier und Jetzt, im gerade stattfindenden Kampf zu leben. Aber sobald er das Schwert aus der Hand legte und die Arena verließ, kehrten seine Gedanken jedes Mal unweigerlich zum Tod zurück. Im Gegensatz zu den anderen Kindern der Athene konnte er sich auch nicht für kreatives Denken begeistern. Das Kreativste, an das er dachte, war die Art seines künftigen Selbstmordes.
    So war es auch an diesem Morgen. Bevor er aufstand, blieb Leander noch eine Weile mit geschlossenen Augen in seinem Bett liegen und dachte darüber nach, ob er heute vielleicht die Kraft finden würde, die menschliche Natur zu überwinden. Als ihm auffiel, dass nun auch seine Halbgeschwister langsam wach wurden, und Leben in die Hütte kam, begann er selbst ebenfalls damit, sich anzuziehen.
    Als Leander aus der Hütte trat, nahm er ohne nachzudenken Kurs auf die Arena. Es war schon fast ein Ritual für ihn. Um sieben Uhr war er aufgestanden. Das Frühstück würde erst in einer Stunde stattfinden. Falls er sich dazu entschied, es noch mitzuerleben. Aber während des Trainings hatte er wahrscheinlich keine Zeit dazu, sich umzubringen.
    Einmal hatte er es versucht. In der Absicht, dadurch einen tödlichen Treffer einzustecken, hatte er seine Deckung bewusst vernachlässigt, um von seiner Gegnerin erschlagen zu werden. Die Wunde war allerdings nicht so schlimm gewesen, wie er gehofft hatte, sodass er es überlebt hatte und noch rechtzeitig auf die Krankenstation gebracht werden konnte.
    Dass es gegen seinen Willen geschah, wusste niemand, und vermutlich hätte es sie auch nicht interessiert, da sie Leanders Sehnsucht nach dem Tod nicht nachvollziehen konnten. Eine wulstige Narbe, die seinen Bauch zierte wie der blanke Hohn des Schicksals, war daher alles, was ihm sein bisher einziger wirklich durchgeführter, wenn auch gescheiterter Suizidversuch eingebracht hatte. Seitdem hatte er es nicht wieder ernsthaft probiert.

Leander betrat die Arena. Nachdem er sich ein Schwert von den Übungswaffen genommen hatte, sah er sich nach einem Trainingspartner um.
    „Suchst du einen Gegner?“, fragte eine von links kommende Stimme.
    Leander sah zu Seite. Drei Meter neben ihm stand Knox Rambo. Da er immer mit einer Axt kämpfte, was weder für Griechen noch für Römer typisch war, trug er auch den Spitznamen „Holzfäller“. Leander kannte ihn nicht wirklich gut. Er hatte nur häufig mitbekommen, wie er mit jedem noch so kleinem Sieg herumprotzte. Aber er konnte wirklich gut kämpfen und war daher mit Sicherheit ein guter Gegner.
    Leander nickte und fragte: „Hier?“
    „Hier“, bestätigte sein Gegenüber.
    Und sie nahmen ihre jeweilige Kampfhaltung ein.
    Knox begann den Kampf, indem er zu einem gewaltigen Schlag mit seiner Axt ausholte. Für einen Moment überlegte Leander, ob er sich nicht einfach treffen lassen und sein elendes Leben beenden sollte. Er entschied sich jedoch dagegen, da er wusste, dass seine Erfolgschancen ziemlich gering waren.
    Daher wich er dem kräftigen, aber langsamen Angriff mühelos zur Seite aus und griff Knox, der an ihm vorbeigestürmt war, von hinten an.
    Dieser jedoch hatte die Wucht des Angriffes anscheinend nur vorgetäuscht, so schnell wie er sich umdrehte und den Schlag mit dem Griff seiner Waffe parierte.
    Leander schlug ein weiteres Mal zu und wurde wieder pariert. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass er diesen Gegner nicht mit bloßer, körperlicher Stärke bezwingen konnte. Die Tatsache, dass Knox zusätzlich zu seiner enormen Körperkraft auch noch ziemlich gute Reflexe zu haben schien, machte es auch nicht gerade einfacher.
    Dieser ging nun in die Offensive und drängte Leander mit harten, schnellen Schlägen zurück. Es gelang ihm, jeden Angriff abzuwehren, jedoch begannen seine Arme unter deren Wucht zu schmerzen.
    Im Augenwinkel sah er Jason Grace mit Nico di Angelo kämpfen. Dem Sohn von Hades, dem Totengott... Eine Idee begann, in seinem Verstand Gestalt anzunehmen. Eine Idee, wie er vielleicht endlich das tun konnte, was er schon seit Jahren wollte, aber nie gekonnt hatte. Wenn er die Kraft dafür nicht in sich selbst fand, konnte sie ihm vielleicht jemand anderes geben...
    In seinen Gedanken hatte er seinen eigenen Kampf beinahe vergessen. Es gelang ihm zwar noch, das Schwert hochzureißen und Knox' nächsten Schlag abzublocken, jedoch wurde ihm hierbei das Schwert aus der Hand geschlagen. Leander war von sich selbst überrascht. Normalerweise ließ er sich im Kampf nicht so leicht ablenken. Auch nicht von sich selbst.
    Bevor er auf irgendeine Weise reagieren konnte, befand sich die Klinge von Knox' Axt an seinem Hals.
    „Gibst du auf?“, fragte dieser lächelnd.
Leander nickte, soweit es ihm unter der Einschränkung durch die Waffe möglich war, bevor er diese mit zwei Fingern zur Seite schob.
    Knox entfernte sich nun jubelnd von ihm und suchte sich einen weiteren Gegner. Leander hob nun sein Schwert wieder auf und brachte es zurück zu den anderen Trainingswaffen. Dann verließ er gegen seine Gewohnheit die Arena, um Nico zu suchen, der ebenfalls nicht mehr hier war.

...

Leander setzte sich ans Ende des Athene-Tisches im Speisepavillon. Die halbe Stunde, die er zwischen dem Kampf mit Knox und dem Frühstück noch gehabt hatte, hatte nicht ausgereicht, um Nico zu finden. Da dieser nun, wie alle anderen Halbblute, anwesend war, beschloss Leander, ihm nach dem Frühstück zu folgen und ihn anzusprechen, wenn sie ungestört waren.
    Die eine Hälfte des Hermestisches schien noch voller zu sein als sonst, da niemand in der Nähe von Morton Deader sitzen wollte, der am Ende der nicht so vollen Hälfte saß. Leander schloss daraus, dass er selbst vermutlich auch nicht in der Nähe von anderen Leuten sitzen wollte. Er konnte es durchaus nachvollziehen, da er selbst auch keine Gesellschaft schätzte.

„Nein!“, sagte Nico fest. „Das kann ich nicht tun.“
Leander war Nico nach dem Frühstück gefolgt, wie er es zuvor beschlossen hatte. Als er dann sicher war, dass niemand sie hören konnte, hatte er Nico angesprochen und ihm von der Tragödie mit seiner Familie erzählt. Dieser war zwar verständnisvoll, hatte jedoch Leanders Bitte abgelehnt, deren Geister heraufzubeschwören. Er hatte gehofft, dass ein Gespräch mit ihnen ihn dazu motivieren würde, zu ihnen zu kommen.
    „Willst du nicht oder kannst du nicht?“, fragte Leander schließlich.
    „Ich... könnte es theoretisch tun“, antwortete Nico ihm schließlich, „aber es ist definitiv keine gute Idee. Zwischen Leben und Tod sollte eine gewisse Grenze bestehen bleiben. Außerdem ist es extrem anstrengend für mich.“
    Leander seufzte und nickte schließlich.
    „Dann versprich mir wenigstens, dass du niemandem davon erzählst!“, bat er. „Ich möchte nicht, dass es nachher jeder weiß.“
    Nico nickte.  „Ich verspreche es.“
    „Schwörst du beim Styx?“, hakte Leander noch einmal nach.
    „Ich schwöre beim Styx, dass kein Wort über diese Unterhaltung meine Lippen verlassen wird“, bestätigte Nico.
    Leander erkannte zwar die Freiheit, die Nico sich mit diesem Schwur herausnahm, jedoch interessierte es ihn nicht mehr sonderlich. Der Grund dafür, dass er ihn überhaupt schwören ließ, war, dass er nicht wollte, dass Nico glaubte, es interessiere ihn nicht und versuchen würde, den Grund dafür herauszufinden.
    „Gut“, sagte Leander, bevor er ging und Nico mit einem vermutlich schlechten Gewissen allein ließ.

...

Leander hatte sein Ziel endlich erreicht. Er stand mitten im Wald vor jenem Baum, vor dem er schon so oft gestanden hatte. Er starrte durch die Schlinge, durch die er schon so oft geschaut hatte. Und er dachte daran, wie oft er schon auf diesen Baumstumpf gestiegen war. Dieses Mal würde das letzte Mal sein. Er würde es nun tun. Von seinem Baumstumpf aus lehnte er sich nach vorn und griff er nach dem alten Seil.
    „Es gibt wesentlich einfachere und weniger schmerzhafte Wege, sich umzubringen“, ertönte plötzlich eine kalte Stimme hinter ihm.
    Vor Schreck ließ Leander das Seil los und fuhr herum.
    „Du könntest dir beispielsweise einfach ein Schwert ins Herz rammen“, fuhr Morton Deader fort, „oder dich mit dem Kopf voran in die Lavawand stürzen. Beides geht wesentlich schneller. Es sei denn, der Knoten ist so gut platziert, dass er dir direkt das Genick bricht. Du siehst allerdings nicht wie ein ausgebildeter Henker aus, also gehe ich eher davon aus, dass du langsam über mehrere Minuten hinweg ersticken würdest.“
    „Wie hast du mich gefunden?“, fragte Leander nervös. „Und wenn du mir gefolgt bist, warum habe ich dann nichts gemerkt?“
    „Eines nach dem anderen“, fuhr Morton fort. „Es ist gar nicht nötig, dich nicht selbst umbringen, um wieder mit deiner Familie vereint sein zu können.“
    Leander trat erschrocken einen Schritt zurück, wobei er vergaß, dass er ja auf einem Baumstumpf stand. Unsanft landete er auf dem Rücken. Er war froh über das Gras, ohne das es vermutlich noch mehr wehgetan hätte. Schnell stand er wieder auf.
    „WOHER ZUR HÖLLE WEIßT DU DAVON?“, fragte er ungewollt laut, schrie Morton beinahe an. „Hat Nico dir etwas erzählt?“
    „Du meinst Hades' Sohn? Nein, mit dem habe ich nicht gesprochen. Aber wenn du im Geheimen mit jemandem sprichst, solltest du wirklich ganz sicher gehen, dass dich niemand, absolut NIEMAND hört!“
    „Du hast uns also belauscht“, stellte Leander leise fest.
    „Das habe ich“, bestätigte Morton. „Und ich habe einen Vorschlag für dich.“
    „Du hast nichts, was ich brauchen könnte“, meinte Leander traurig.
    „Wenn du mir dabei hilfst, meinen Plan auszuführen, kann ich dir deine Familie wiedergeben. In dieser Welt.“
    Die Überraschung über diese Antwort war noch um einiges größer als der Schock über die Erkenntnis, dass er belauscht worden war. Aber aus irgendeinem Grund glaubte Leander ihm. Er wusste nicht wieso, aber Morton klang wie jemand, der die Wahrheit sprach.
    „Wa... Was?“, stammelte er.
    „Du hast richtig gehört“, bekräftigte Morton seine Aussage. „Der Tod ist nicht so endgültig, wie die Götter uns glauben machen wollen. Eine Reinkarnation ist schwierig, aber nicht vollends unmöglich.“
    Leander spürte etwas, dass er seit sechs Jahren nicht mehr gespürt hatte. Ein positives Gefühl. Möglicherweise Hoffnung?
    „Wie lautet dein Plan?“, fragte er mit einem Eifer, der ihn selbst überraschte.
    „Das erkläre ich dir später“, antwortete Morton. „Erst müssen wir aus diesem Camp verschwinden.“
    „Okay. Worauf warten wir noch?“, fragte Leander ungeduldig.
    „Darauf, dass es ruhig wird“, antwortete Morton. „Wir können nicht einfach mitten am Tag herausspazieren. Das wäre zu auffällig. Wir treffen uns heute um Mitternacht an dem Baum mit dem goldenen Vlies.“
    Morton wollte gerade gehen, als Leander ihm eine weitere Frage stellte: „Kommt sonst noch jemand mit?“
    „Ja“, sagte Morton und drehte sich nocheinmal um.
    „Wer?“, fragte Leander.
    Morton schien kurz zu überlegen.
    „Kurze, blonde Haare, schwarze Lederjacke, kämpft gern mit einem Speer. Kennst du sie?“
    „Nova Paine“, sagte Leander.
    Morton nickte.
    „Und dein Name war?“, fragte er. „Bevor ich es vergesse.“
    „Leander Belmont.“
    Sein Gegenüber nickte ein weiteres Mal.
    „Morton Deader“, sagte er noch, bevor er sich umdrehte und ging.
    Leander schaute ihm noch eine Weile hinterher. Jetzt war er sich sicher; diesen Ort sah er nun wirklich zum letzten Mal. Denn er würde nicht mehr hierher zurückkehren. Er würde auch nicht in nächster Zeit sterben. Zumindest nicht absichtlich.
    Noch konnte er nicht anfangen, seine Sachen zusammenzupacken. Das wäre zu auffällig. Er würde bis heute Nacht warten müssen. Schließlich nahm er einfach Kurs auf die Arena, um sich die Zeit bis heute Abend zu vertreiben. Dann würde er ein letztes Mal „Eroberung der Flagge“ spielen.
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