Alles bleibt, wie es nimmer war!
von Phaemonae
Kurzbeschreibung
weitere Hauptakteure: Morwenna und Obilee; bitte vorher 'Erwachen' lesen; Nach dem ungewöhnlichen Gewitter war alles ruhig geblieben, doch unerkannt hatte etwas begonnen, sich wieder zusammenzubrauen. Die Ruhe würde nicht mehr lange vorhalten. Und neue Spieler betreten das Spielfeld um die Machtverhältnisse Albenmarks.
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu
Yulivee
23.01.2016
15.03.2016
23
53.881
2
30.01.2016
2.860
Da ich bald wieder weniger Zeit habe, gibt es ab jetzt nur noch wöchentliche neue Kapitel, möglichst jeden Samstag! Ich hoffe damit könnt ihr leben.
Tiranu wartete unruhig vor den Gemächern seiner Schwester. Die letzten Wochen hatte sie nicht hier geweilt und war erst am Morgen angekommen, wie man ihn unterrichtet hatte. Das Nachtgestirn stand bereits am Himmel und sie wurden zur Eröffnungszeremonie erwartet. Das gesamte Fest sollte eine ganze Woche lang dauern, doch heute war der wichtigste Tag. Alle wichtigen elfischen Würdenträger Langollions warteten im großen Ballsaal auf das Geschwisterpaar.
Endlich ging die Tür auf und heraus trat Morwenna in einer schwarzen Robe, mit roten Einlagen. Der Brokat aus Arkadien zeigte Rosen. Ihr Haar war zu einem Turm hochgesteckt und zierte eine Tiara aus Rubinen und Granaten, die zu Rosen geschnitzt worden waren. Um ihren Hals hing ein aufwändiges Collier aus roten Edelsteinen. Sie trat zur Seite und enthüllte eine weitere Person.
Es war nicht oft, dass der Elf um Worte ringen musste, diesmal war es jedoch der Fall. Dort stand Yulivee und lächelte ihn spöttisch an. Morwenna musste ihr etwas von ihrem Schmuck gegeben haben, denn ihr Collier zierte schwarzgraue und rote Edelsteine. Ihr Haar war mit Kämmen, die mit Edelsteinrosen besetzt waren, hochgesteckt und sie trug ein rotes Kleid, dessen Farbe dem seines Gehrocks entsprach.
Fragend hob er eine Augenbraue in Richtung seiner Schwester, was ihr ein dünnes Lächeln und ein Nicken entlockte. Er verbeugte sich vor seinen Begleiterinnen und bot ihnen seine Arme an.
Vor dem Ballsaal angekommen, öffneten livrierte Diener ihnen die Türen und sie stiegen die Treppe mit dem Rosengeländer aus geschwärztem Metall hinab. Der gesamte Ballsaal war mit dem Banner Langollions und Rosen geschmückt. Der Duft war überwältigend. Die zahlreichen Säulen schmückten Ranken der Wappenblume des Fürstentums, die von der Basis an emporwuchsen. Alle Augen wandten sich der Gruppe zu. Tiranu bemerkte erfreut, dass Nachtatem sich tatsächlich von der Feier fern hielt. Das hätte ihm wirklich noch gefehlt, aber der Drache wollte glücklicherweise vorerst so wenige Albenkinder wie möglich treffen.
Die Gäste bildeten eine Gasse zur Mitte des Ballsaals, dessen heller Boden mit schwarzen und silbernen Einlagen im Licht wie das Nachtgestirn selbst funkelte.
Auch die Edelsteine auf den Häuptern seiner Begleiterinnen funkelten mit den Sternen um die Wette. Ebenso wie auch seine Tiara es zweifelsohne tun würde. Sie saß auf seinem glatt herabrfallendem Haar und stellte kunstvoll ineinander verschlungene Rosenranken aus rauchschwarzem Metall dar. Auf der Mitte seiner Stirn, wo die Stränge sich trafen saßen zwei, ebenfalls zur Königin der Blumen geschliffene rote Edelsteine und darunter vereinigten sich die Rankenstränge knapp über seiner Nasenwurzel.
Während sie vorüber gingen verbeugten sich die Gäste ehrerbietig. In der Mitte des Ballsaals angekommen, löste Morwenna sich von seinem Arm und erwählte einen der Umstehenden als ihren Tanzpartner, während Tiranu seine Gefährtin zum Tanz führte. Er war von ihrem Anblick noch immer verzaubert.
„Überrascht?“, brach Yulivees herausfordernde und neckende Frage das Schweigen.
„Durchaus“, erwiderte Tiranu, als die Musik ansetzte und er mit den ersten Schritten begann. „Aber in einer erfreulichen Art.“
„Wo ist euer Gast?“, fragte die Elfe.
„Irgendwo im Rosenturm“, antwortete der Elfenfürst mit schwerlich verhohlenem Zorn. „Nur nicht hier. Und ich rate ihm auch dort zu bleiben. Da ich jedoch plane diesen Abend zu genießen, würde ich dich bitten andere Themen anzuschneiden.“ Yulivee hob fragend eine Augenbraue und der Elf schüttelte kaum merklich den Kopf. Er wollte wirklich nicht darüber sprechen, da dies sofort im negativen Sinne auf seine Laune schlug. Tiranu bemerkte, wie die Magierin doch mit dem Gedanken spielte weiter auf dieses Thema einzugehen, es aber glücklicherweise wieder verwarf.
„Deine Schwester hat mir noch nicht viel über dieses Fest erzählt“, wechselte sie das Thema. „Was genau passiert hier heute? Und wie lange gibt es dieses Fest schon?“
„Dieses Fest wurde vom vorletzten Fürsten Langollions eingeführt“, begann Tiranu mit der Erklärung, „meinem Großvater. Er wollte damit die Loyalität seiner Untertanen stärken und ihnen zeigen, dass er sich für ihr Wohlergehen und das des Landes aufopfern würde. Nachdem die Rosendrachen vernichtet oder vertrieben wurden, nahmen die Elfen und andere Völker diese Insel langsam immer mehr ein und erkundeten sie weitgehender als zuvor. Viele trafen auf unerwartete Gefahren und überlebten sie nicht. Dies führte zu einer gewissen Unsicherheit. Um die Bewohner jedoch zum Verweilen zu überreden und um den Anspruch auf dieses Land zu festigen, führte mein Großvater dieses Fest ein, indem die unmittelbaren Mitglieder der Fürstenfamilie dem Land ihr Blut geben und es so an sich binden. Das Volk begann das Vertrauen in seine Herrschaft zu verlieren, etwas, dem er Einhalt gebieten musste.“
„Ihr Blut geben?“, fragte Yulivee skeptisch. „Ich nehme an das ist symbolisch gemeint und ihr werdet nicht irgendwo geopfert.“
„Nein, niemand verliert hier sein Leben“, entgegnete der Fürst ernst. „Auch nicht zu Zeiten meiner Mutter. Sonst könnten wir es schwerlich alle dreizehn Jahre feiern und unsere Linie weiterhin erhalten.“
Viel zu schnell war der Eröffnungstanz zu Ende und Tiranu führte seine Begleiterin von der Tanzfläche, um sich mit seinen Gästen zu unterhalten. Yulivee stellte er dabei frei an seiner Seite zu bleiben oder sich abzusetzen. Er warnte sie, dass es sicherlich langweilig werden würde.
Mehrfach hatte Yulivee bereits bereut, das Angebot den Ballsaal alleine zu erkunden, nicht angenommen zu haben. Diese Gespräche waren teilweise wirklich außerordentlich ermüdend. Und jetzt hatte sie sich in den Kopf gesetzt das alles bis zum bitteren Ende zu ertragen. Die Magierin betrachtete interessiert, wie ihr Begleiter zwei so verschiedene Gesichter zeigen konnte. Einmal das des kühlen, unnahbaren Elfenfürsten und dann das Bild, das sie privat von ihm kannte. Manchmal verwischten die Linien zwischen beiden ein wenig, aber sie wusste, wie viel Gefühl wirklich unter der Oberfläche schlummerte. Er wollte möglichst wenig Schwäche zeigen, um nicht so angreifbar zu wirken. Denn hier, in den Palästen, wurde dies allzu oft sofort ausgebeutet. Vor allem, wenn man so eine dunkle Vergangenheit besaß wie ihr Fürst.
Wenn ihr das Gespräch allzu ermüdend wurde, konzentrierte sie sich darauf ihren Liebsten unauffällig zu betrachten.
Die Tiara würde viele womöglich lächerlich wirken lassen, jedoch nicht Tiranu. Die Ranken waren äußerst realistisch gearbeitet und besaßen sogar kleine Stacheln. Yulivee liebte Morwenna dafür, dass sie ihre Kleidung farblich aufeinander abgestimmt hatte. Tiranu trug einen karmesinroten, langen Mantel, mit an der Schulter geschlitzten Ärmeln, aus schwerem Samt. Die silbernen Haken waren Rosenblüten nachgeahmt. Am Kragen und an den Ärmeln war eine Zierstickerei in der Form von Ranken angebracht worden. Seine Hose aus einfarbigem Musselin war, ebenso wie die Lederstiefel, in schwarz gehalten. Das Seidenhemd war blutrot.
Ihr eigenes Kleid war aus karmesinrotem Brokat, dessen Muster, wie bei Morwenna, Rosen zeigten. Es hatte einen hohen Stehkragen, der von schwarzer Spitze eingefasst wurde, ebenso wie ihre Ärmel. Anfangs hatte sie erwartet, sich mit den ganzen Unterröcken gar nicht bewegen zu können, ohne zu fallen, was jedoch glücklicherweise nicht der Fall gewesen war.
Der Abend schlich weiter voran, bis der Mond endlich groß und hoch am Himmel stand. Tiranu führte sie und Morwenna über eine der vielen hohen Glastüren in den wunderschönen Garten bis zu einer Laube, die von Rosen überwuchert worden war. Die Gäste folgten ihnen und positionierten sich in einem Halbkreis um die Laube. Es war wohl Zeit für das Ritual der Fürstenfamilie Langollions. Tiranu hauchte ihr noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich mit seiner Schwester von der Gesellschaft löste. Sie gingen zum Eingang der Laube und wandten sich dort um. Tiranu legte seinen Mantel ab und schob das Hemd an seiner linken Hand bis über den Ellenbogen hoch. Morwenna verfuhr mit dem rechten Ärmel ihres Kleides ebenso. Sie legten die bloße Haut auf die Rosenranken und wisperten ein Wort der Macht. Sofort wanden sich die stachelbesetzten Ranken um die entblößten Arme. Den Zauber weiterhin aufrecht erhaltend, begannen die Geschwister synchron zu sprechen: „Wir geben unser Blut für das Land und all seine Bewohner. Kein Schaden soll ihnen durch dieses Land wiederfahren. Unsere Kraft soll dieses Land nähren und gedeihen lassen, solange wir oder jemand von unserem Blute noch lebt und dieses Land ehrt.“
Während der Worte begannen die Ranken sich fest zu ziehen und durchbrachen die zarte, blasse Elfenhaut. Yulivee musste einen entsetzten Schrei unterdrücken. Dieses Ritual war barbarisch! In zarten Rinnsalen floss der rote Lebenssaft den Arm bis zum Ellenbogen hinab und tropfe dann auf die Erde hinab. Nach einiger Zeit lösten die Ranken sich wieder und gaben die Elfenarme frei. Vorsichtig darauf bedacht die Kleidung nicht voll zu bluten, kehrten die beiden Geschwister wieder zur Festgesellschaft zurück und beendeten den Festtag für heute.
„Macht ihr das jetzt jeden Tag?“, fuhr Yulivee Tiranu an.
„Nur heute“, entgegnete der Elfenfürst. „Die restlichen Tage wird unsere Vermählung mit dem Land gefeiert, wenn man das so nennen möchte.“
„Das ist barbarisch!“, keuchte die Magierin. „Und Blutmagie!“
„Ich versichere dir, dass dies keine Blutmagie ist“, entgegneten Tiranu und Morwenna fast gleichzeitig.
„Bei der Blutmagie benutzt man normalerweise ein Opfer, das den Preis zahlt, den der Zauberweber selbst nicht gewillt ist zu zahlen“, erklärte der Elfenfürst weiter. „Dies ist ein Ritual, dessen Folgen mit einem einfachen Heilzauber als unerheblich anzusehen sind. Wir zeigen damit dem Volk, dass wir gewillt sind alles für sie zu opfern.“ Die Zauberweberin schnaubte abwertend und griff nach den Armen der Geschwister, um die Wunden zu heilen. Doch in diesem Augenblick begann auch das Fürstenpaar einen Heilzauber zu weben. Dies war das erste Mal, dass sie solch einen Zauber bei Tiranu gesehen hatte. Und er war auch weitaus langsamer und angestrengter als seine Schwester.
Freundlich verabschiedete sie sich von Morwenna und hakte sich dann bei Tiranu ein. Voller Pflichterfüllung kam er ihrem stummen Wunsch nach und führte sie zurück in den Wohnbereich des Rosenturms. Dort überließ er es ihr, wo sie die Nacht verbringen wollte und kurz überlegte Yulivee, ob sie sich tatsächlich eigene Gemächer geben lassen sollte. Schlussendlich entschied sie sich jedoch dagegen und folgte Tiranu in sein privates Reich.
Als die Zauberweberin erwachte, war ihr Gefährte bereits aufgestanden und zur Waffenübung seiner Leibwache gegangen. Zumindest ließ der Stand der Sonne dies vermuten. Sie räkelte sich noch etwas im Bett und erinnerte sich zufrieden daran, wie sehr sie es vermisst hatte im Arm ihres einen Elfen einzuschlafen. Während Yulivee gerade aufstand, kam Tiranu herein. Er grüßte sie knapp und verschwand dann im Bad. Sehr viel länger als sie zum Anziehen benötigte, brauchte auch er nicht und nun erhielt sie ihre richtige Begrüßung.
Tief sog sie seinen Geruch, vermischt mit dem von Waffenfett und Rosenöl ein. Sein Haar kitzelte ein wenig an ihrer Haut, als er sich zu einem innigen Kuss vorbeugte.
Viel zu schnell löste er sich wieder und fragte: „Wo hat meine Schwester deine Kleider gelagert? Wir empfangen bald die ersten Gäste zum Bankett.“
„Kleider?“, rief Yulivee entsetzt. „Ich habe doch ein Kleid!“ Daraufhin lachte der Fürst leise.
„Du erwartest doch nicht, dass du jeden Tag die gleichen Sachen anziehen kannst“, entgegnete er erheitert. Ihr Schweigen sprach offensichtlich Bände, als Tiranu sie an die Hand nahm und mit ihr im Schlepptau zu Morwennas Gemächern wanderte.
Nach dem ersten Klopfen öffnete die Fürstin, die bereits ein weiteres, festliches Kleid in Weinrot aus feinster Feenseide trug. Ihr Haar war erneut kunstvoll hochgesteckt und zierte die Rosentiara. Schmuck trug sie noch keinen.
„Ich wollte schon nachsehen kommen, wo du bleibst!“, begrüßte sie Yulivee und zog sie zu sich ins Zimmer, bevor sie die Tür hinter ihr ins Schloss fallen ließ. Tiranu blieb im Gang zurück.
Noch bevor die Zauberweberin protestieren konnte, hatte Morwenna sie durch ihr halbes Zimmer gezerrt, wo ein Kleid aus ebenfalls weinroter Moiréseide auf sie wartete. Das Kleid war sehr schlicht gehalten und besaß eine schöne Borte aus schwarz-silbernen Rosen am Halsausschnitt. Die Ärmel gingen bis über den Handrücken und das Kleid besaß einen Silbergürtel, dessen einzelne Glieder wundervoll gefertigte Blüten der Wappenblume der Geschwister waren. All dies musste ein Vermögen kosten!
„Wie viele Kleider hast du noch für mich in Auftrag gegeben?“, wollte sie entsetzt wissen.
„Nur für jeden Tag eines“, lächelte Morwenna. Sprachlos und wie ein Fisch nach Luft schnappend, rang die Windsängerin nach Worten. Erst jetzt wurde ihr so wirklich bewusst, was es bedeutete an der Seite eines Fürsten zu sein.
„Aber keine Sorge“, fügte die Heilerin an, „wir benutzen die Kleidung länger als nur ein Fest. So sehr schweifen wir doch nicht aus.“
Langollion war ein großes Fürstentum und durch die Rosen besaß es auch einen gewissen Reichtum. In vielen Adelshäusern waren die Öle und Seifen aus der Königin der Blumen sehr beliebt. Dennoch war es der Magierin vollkommen unangenehm mit solch opulenten Gewändern eingedeckt zu werden. Sie war ohnehin keine Freundin von großer Förmlichkeit. Doch wenn Morwenna sich bereits all die Mühe gemacht hatte und sie ihr Wort gegeben hatte, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, so musste sie dies wohl nun ertragen.
Also ließ sie sich von den Dienern der Fürstin einkleiden und ihr Haar frisieren, das teilweise wieder mit den Rosenkämmen hochgesteckt wurde. Morwenna legte selbst sehr schlichten Schmuck an und lieh ihr dann auch etwas einfachere Stücke aus ihrer Sammlung. An der Tür erwartete sie erneut Tiranu.
Sein Obergewand war bordeauxrot, ebenfalls sehr einfach gehalten und es ging bis hinab zu den Schäften seiner Stiefel. Die Haken waren kunstvoll verschlungene Rosenranken und der Brokatstoff zierte Blüten und Knospen der Blume, der Langollion seinen Reichtum verdankte. Das Haar trug er diesmal im Nacken zusammengebunden und auf seiner Stirn saß die Tiara vom Vortag. Das Leder seiner Stiefel war ein schönes, volles Rotbraun. Die Hose war erneut schwarz, nur diesmal aus einem dünnen Seidenstoff, vermutlich Feenseide. Seine Finger zierten drei Ringe, von denen einer der Siegelring Langollions war und die anderen Beiden aus einem dünnen Metallband bestanden. Der erste Ring zierte Rosenknospen, der zweite Ranken derselben Blume.
So führte er sie in den Bankettsaal.
Niemals hätte Yulivee sich träumen lassen, wie anstrengend ein Fest sein konnte. Die letzten sechs Tage waren ermüdend gewesen und am Abend war sie stets erschöpft in die Laken gefallen und rasch eingeschlafen. Die Zauberweberin war froh, dass dies heute der letzte Tag des Fests der Rosen war. Stets hatte sie die Fürstenhäuser für ihre ausschweifenden Bälle und Bankette verachtet, aber langsam regte sich in ihr doch ein Fünkchen Mitleid. Es war alles doch nicht so einfach, wie es an Emerelles Hof oft schien.
Heute präsentierte ihr Morwenna ein blutrotes Samtkleid mit langen Ärmeln aus schwarzem Chiffon, die bis auf den Boden fielen, und einer Schleppe. Am Hals waren Rosenknospen eingestickt worden und am Übergang zwischen Samt und Seide saß eine Borte mit einem komplizierten Rankenmuster. Ihr Gürtel war einer Ranke der Königin der Blumen nachempfunden, die sich um ihren Körper schmiegte und vorne hinabwuchs.
Morwennas Kleid war aus Crêpe de Chine in Obsidian und Karmesin. Die Einlagen waren obsidianschwarz mit silbernen Rosenstickereien. Auch ihr Kleid besaß eine Schleppe. Die Ärmel und der leichte Stehkragen waren mit schwarzer Spitze eingefasst. Ihre Häupter krönte der obligatorische Haarschmuck der vergangenen Tage.
Tiranu trug einen langen Gehrock aus blutrotem Atlas mit Rosenknospenhaken aus geschwärztem Metall und einer schwarzen Zierstickerei an Kragen und Ärmeln. Seine Hose war ebenfalls aus Atlas, nur karmesinrot. Ausschließlich die Stiefel waren aus schwarzem Wildleder. Das Haar fiel wieder offen auf die Schultern herab.
Zuerst gaben sie ein Abschlussbankett für die wichtigsten Würdenträger Langollions und ließen den Abend dann im prächtigen Ballsaal ausklingen. Im Laufe der Tage hatte die Zauberweberin die wunderschönen Malereien auf den Kuppeln des Ballsaals ausgiebig studiert. Ebenso wie die Stuckverzierungen. Viele der Motive zeigten Rosen. Andere zeigten farbenprächtige Motive der Landschaft Langollions. All dies musste einst ein Vermögen gekostet haben!
Sie hatte inzwischen auch alle wichtigen Würdenträger kennen gelernt und bei manchen von ihnen würde sie das Treffen gerne wieder vergessen.
Ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als sie bemerkte, wie Tiranu sich auf eine der großen Glastüren zum Garten hin zubewegte. Es wirkte so, als könnte er sich kaum beherrschen irgendjemanden umzubringen. Mit etwas Konzentration erkannte sie auch den Grund dafür. Dort stand eine Elf, der ein wenig mit den Schatten zu verschmelzen schien und winkte den Elfen zu sich. Yulivee machte sich auf den Weg zu den zwei Elfen, um Tiranu etwas zu beruhigen. Bevor sie jedoch die Beiden erreicht hatte, ging der seltsame Elf, der hier Gast war. Stumm trat sie an die Seite ihres Fürsten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zog sie an sich und wisperte ihr leise ins Ohr: „Wenn das hier vorbei ist, bitte ich dich wieder zu gehen. Ich möchte dich nicht in seiner Nähe wissen!“
„Weshalb?“, fragte Yulivee nach.
„Er ist gefährlich“, entgegnete der Elf.
„Warum lässt du ihn hier wohnen?“, wollte die Zauberweberin wissen.
„Er bedroht euch“, gestand Tiranu, „dich und meine Schwester. Und wenn er euch tot sehen will, habt ihr keine Möglichkeit euch zu wehren. Und ich keine es zu verhindern.“
Fest drückte er sie an sich und Yulivee schmiegte sich an ihn. Jetzt erklärte sich ein wenig sein Verhalten. Nach einigen Momenten, löste die Elfe sich aus der Umarmung und führte Tiranu zur Gesellschaft zurück. Sie mussten schließlich noch ein Fest beenden.
Den Rest des Abends ließ der unheimliche Elf sich glücklicherweise nicht mehr blicken. Schweren Herzens entschied die Zauberweberin sich, wieder abzureisen. Dort konnte sie sich vielleicht mit ihren Freunden beraten, um den Elfen loszuwerden, der ihren Geliebten erpresste. Weshalb auch immer.
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Tiranu wartete unruhig vor den Gemächern seiner Schwester. Die letzten Wochen hatte sie nicht hier geweilt und war erst am Morgen angekommen, wie man ihn unterrichtet hatte. Das Nachtgestirn stand bereits am Himmel und sie wurden zur Eröffnungszeremonie erwartet. Das gesamte Fest sollte eine ganze Woche lang dauern, doch heute war der wichtigste Tag. Alle wichtigen elfischen Würdenträger Langollions warteten im großen Ballsaal auf das Geschwisterpaar.
Endlich ging die Tür auf und heraus trat Morwenna in einer schwarzen Robe, mit roten Einlagen. Der Brokat aus Arkadien zeigte Rosen. Ihr Haar war zu einem Turm hochgesteckt und zierte eine Tiara aus Rubinen und Granaten, die zu Rosen geschnitzt worden waren. Um ihren Hals hing ein aufwändiges Collier aus roten Edelsteinen. Sie trat zur Seite und enthüllte eine weitere Person.
Es war nicht oft, dass der Elf um Worte ringen musste, diesmal war es jedoch der Fall. Dort stand Yulivee und lächelte ihn spöttisch an. Morwenna musste ihr etwas von ihrem Schmuck gegeben haben, denn ihr Collier zierte schwarzgraue und rote Edelsteine. Ihr Haar war mit Kämmen, die mit Edelsteinrosen besetzt waren, hochgesteckt und sie trug ein rotes Kleid, dessen Farbe dem seines Gehrocks entsprach.
Fragend hob er eine Augenbraue in Richtung seiner Schwester, was ihr ein dünnes Lächeln und ein Nicken entlockte. Er verbeugte sich vor seinen Begleiterinnen und bot ihnen seine Arme an.
Vor dem Ballsaal angekommen, öffneten livrierte Diener ihnen die Türen und sie stiegen die Treppe mit dem Rosengeländer aus geschwärztem Metall hinab. Der gesamte Ballsaal war mit dem Banner Langollions und Rosen geschmückt. Der Duft war überwältigend. Die zahlreichen Säulen schmückten Ranken der Wappenblume des Fürstentums, die von der Basis an emporwuchsen. Alle Augen wandten sich der Gruppe zu. Tiranu bemerkte erfreut, dass Nachtatem sich tatsächlich von der Feier fern hielt. Das hätte ihm wirklich noch gefehlt, aber der Drache wollte glücklicherweise vorerst so wenige Albenkinder wie möglich treffen.
Die Gäste bildeten eine Gasse zur Mitte des Ballsaals, dessen heller Boden mit schwarzen und silbernen Einlagen im Licht wie das Nachtgestirn selbst funkelte.
Auch die Edelsteine auf den Häuptern seiner Begleiterinnen funkelten mit den Sternen um die Wette. Ebenso wie auch seine Tiara es zweifelsohne tun würde. Sie saß auf seinem glatt herabrfallendem Haar und stellte kunstvoll ineinander verschlungene Rosenranken aus rauchschwarzem Metall dar. Auf der Mitte seiner Stirn, wo die Stränge sich trafen saßen zwei, ebenfalls zur Königin der Blumen geschliffene rote Edelsteine und darunter vereinigten sich die Rankenstränge knapp über seiner Nasenwurzel.
Während sie vorüber gingen verbeugten sich die Gäste ehrerbietig. In der Mitte des Ballsaals angekommen, löste Morwenna sich von seinem Arm und erwählte einen der Umstehenden als ihren Tanzpartner, während Tiranu seine Gefährtin zum Tanz führte. Er war von ihrem Anblick noch immer verzaubert.
„Überrascht?“, brach Yulivees herausfordernde und neckende Frage das Schweigen.
„Durchaus“, erwiderte Tiranu, als die Musik ansetzte und er mit den ersten Schritten begann. „Aber in einer erfreulichen Art.“
„Wo ist euer Gast?“, fragte die Elfe.
„Irgendwo im Rosenturm“, antwortete der Elfenfürst mit schwerlich verhohlenem Zorn. „Nur nicht hier. Und ich rate ihm auch dort zu bleiben. Da ich jedoch plane diesen Abend zu genießen, würde ich dich bitten andere Themen anzuschneiden.“ Yulivee hob fragend eine Augenbraue und der Elf schüttelte kaum merklich den Kopf. Er wollte wirklich nicht darüber sprechen, da dies sofort im negativen Sinne auf seine Laune schlug. Tiranu bemerkte, wie die Magierin doch mit dem Gedanken spielte weiter auf dieses Thema einzugehen, es aber glücklicherweise wieder verwarf.
„Deine Schwester hat mir noch nicht viel über dieses Fest erzählt“, wechselte sie das Thema. „Was genau passiert hier heute? Und wie lange gibt es dieses Fest schon?“
„Dieses Fest wurde vom vorletzten Fürsten Langollions eingeführt“, begann Tiranu mit der Erklärung, „meinem Großvater. Er wollte damit die Loyalität seiner Untertanen stärken und ihnen zeigen, dass er sich für ihr Wohlergehen und das des Landes aufopfern würde. Nachdem die Rosendrachen vernichtet oder vertrieben wurden, nahmen die Elfen und andere Völker diese Insel langsam immer mehr ein und erkundeten sie weitgehender als zuvor. Viele trafen auf unerwartete Gefahren und überlebten sie nicht. Dies führte zu einer gewissen Unsicherheit. Um die Bewohner jedoch zum Verweilen zu überreden und um den Anspruch auf dieses Land zu festigen, führte mein Großvater dieses Fest ein, indem die unmittelbaren Mitglieder der Fürstenfamilie dem Land ihr Blut geben und es so an sich binden. Das Volk begann das Vertrauen in seine Herrschaft zu verlieren, etwas, dem er Einhalt gebieten musste.“
„Ihr Blut geben?“, fragte Yulivee skeptisch. „Ich nehme an das ist symbolisch gemeint und ihr werdet nicht irgendwo geopfert.“
„Nein, niemand verliert hier sein Leben“, entgegnete der Fürst ernst. „Auch nicht zu Zeiten meiner Mutter. Sonst könnten wir es schwerlich alle dreizehn Jahre feiern und unsere Linie weiterhin erhalten.“
Viel zu schnell war der Eröffnungstanz zu Ende und Tiranu führte seine Begleiterin von der Tanzfläche, um sich mit seinen Gästen zu unterhalten. Yulivee stellte er dabei frei an seiner Seite zu bleiben oder sich abzusetzen. Er warnte sie, dass es sicherlich langweilig werden würde.
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Mehrfach hatte Yulivee bereits bereut, das Angebot den Ballsaal alleine zu erkunden, nicht angenommen zu haben. Diese Gespräche waren teilweise wirklich außerordentlich ermüdend. Und jetzt hatte sie sich in den Kopf gesetzt das alles bis zum bitteren Ende zu ertragen. Die Magierin betrachtete interessiert, wie ihr Begleiter zwei so verschiedene Gesichter zeigen konnte. Einmal das des kühlen, unnahbaren Elfenfürsten und dann das Bild, das sie privat von ihm kannte. Manchmal verwischten die Linien zwischen beiden ein wenig, aber sie wusste, wie viel Gefühl wirklich unter der Oberfläche schlummerte. Er wollte möglichst wenig Schwäche zeigen, um nicht so angreifbar zu wirken. Denn hier, in den Palästen, wurde dies allzu oft sofort ausgebeutet. Vor allem, wenn man so eine dunkle Vergangenheit besaß wie ihr Fürst.
Wenn ihr das Gespräch allzu ermüdend wurde, konzentrierte sie sich darauf ihren Liebsten unauffällig zu betrachten.
Die Tiara würde viele womöglich lächerlich wirken lassen, jedoch nicht Tiranu. Die Ranken waren äußerst realistisch gearbeitet und besaßen sogar kleine Stacheln. Yulivee liebte Morwenna dafür, dass sie ihre Kleidung farblich aufeinander abgestimmt hatte. Tiranu trug einen karmesinroten, langen Mantel, mit an der Schulter geschlitzten Ärmeln, aus schwerem Samt. Die silbernen Haken waren Rosenblüten nachgeahmt. Am Kragen und an den Ärmeln war eine Zierstickerei in der Form von Ranken angebracht worden. Seine Hose aus einfarbigem Musselin war, ebenso wie die Lederstiefel, in schwarz gehalten. Das Seidenhemd war blutrot.
Ihr eigenes Kleid war aus karmesinrotem Brokat, dessen Muster, wie bei Morwenna, Rosen zeigten. Es hatte einen hohen Stehkragen, der von schwarzer Spitze eingefasst wurde, ebenso wie ihre Ärmel. Anfangs hatte sie erwartet, sich mit den ganzen Unterröcken gar nicht bewegen zu können, ohne zu fallen, was jedoch glücklicherweise nicht der Fall gewesen war.
Der Abend schlich weiter voran, bis der Mond endlich groß und hoch am Himmel stand. Tiranu führte sie und Morwenna über eine der vielen hohen Glastüren in den wunderschönen Garten bis zu einer Laube, die von Rosen überwuchert worden war. Die Gäste folgten ihnen und positionierten sich in einem Halbkreis um die Laube. Es war wohl Zeit für das Ritual der Fürstenfamilie Langollions. Tiranu hauchte ihr noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich mit seiner Schwester von der Gesellschaft löste. Sie gingen zum Eingang der Laube und wandten sich dort um. Tiranu legte seinen Mantel ab und schob das Hemd an seiner linken Hand bis über den Ellenbogen hoch. Morwenna verfuhr mit dem rechten Ärmel ihres Kleides ebenso. Sie legten die bloße Haut auf die Rosenranken und wisperten ein Wort der Macht. Sofort wanden sich die stachelbesetzten Ranken um die entblößten Arme. Den Zauber weiterhin aufrecht erhaltend, begannen die Geschwister synchron zu sprechen: „Wir geben unser Blut für das Land und all seine Bewohner. Kein Schaden soll ihnen durch dieses Land wiederfahren. Unsere Kraft soll dieses Land nähren und gedeihen lassen, solange wir oder jemand von unserem Blute noch lebt und dieses Land ehrt.“
Während der Worte begannen die Ranken sich fest zu ziehen und durchbrachen die zarte, blasse Elfenhaut. Yulivee musste einen entsetzten Schrei unterdrücken. Dieses Ritual war barbarisch! In zarten Rinnsalen floss der rote Lebenssaft den Arm bis zum Ellenbogen hinab und tropfe dann auf die Erde hinab. Nach einiger Zeit lösten die Ranken sich wieder und gaben die Elfenarme frei. Vorsichtig darauf bedacht die Kleidung nicht voll zu bluten, kehrten die beiden Geschwister wieder zur Festgesellschaft zurück und beendeten den Festtag für heute.
„Macht ihr das jetzt jeden Tag?“, fuhr Yulivee Tiranu an.
„Nur heute“, entgegnete der Elfenfürst. „Die restlichen Tage wird unsere Vermählung mit dem Land gefeiert, wenn man das so nennen möchte.“
„Das ist barbarisch!“, keuchte die Magierin. „Und Blutmagie!“
„Ich versichere dir, dass dies keine Blutmagie ist“, entgegneten Tiranu und Morwenna fast gleichzeitig.
„Bei der Blutmagie benutzt man normalerweise ein Opfer, das den Preis zahlt, den der Zauberweber selbst nicht gewillt ist zu zahlen“, erklärte der Elfenfürst weiter. „Dies ist ein Ritual, dessen Folgen mit einem einfachen Heilzauber als unerheblich anzusehen sind. Wir zeigen damit dem Volk, dass wir gewillt sind alles für sie zu opfern.“ Die Zauberweberin schnaubte abwertend und griff nach den Armen der Geschwister, um die Wunden zu heilen. Doch in diesem Augenblick begann auch das Fürstenpaar einen Heilzauber zu weben. Dies war das erste Mal, dass sie solch einen Zauber bei Tiranu gesehen hatte. Und er war auch weitaus langsamer und angestrengter als seine Schwester.
Freundlich verabschiedete sie sich von Morwenna und hakte sich dann bei Tiranu ein. Voller Pflichterfüllung kam er ihrem stummen Wunsch nach und führte sie zurück in den Wohnbereich des Rosenturms. Dort überließ er es ihr, wo sie die Nacht verbringen wollte und kurz überlegte Yulivee, ob sie sich tatsächlich eigene Gemächer geben lassen sollte. Schlussendlich entschied sie sich jedoch dagegen und folgte Tiranu in sein privates Reich.
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Als die Zauberweberin erwachte, war ihr Gefährte bereits aufgestanden und zur Waffenübung seiner Leibwache gegangen. Zumindest ließ der Stand der Sonne dies vermuten. Sie räkelte sich noch etwas im Bett und erinnerte sich zufrieden daran, wie sehr sie es vermisst hatte im Arm ihres einen Elfen einzuschlafen. Während Yulivee gerade aufstand, kam Tiranu herein. Er grüßte sie knapp und verschwand dann im Bad. Sehr viel länger als sie zum Anziehen benötigte, brauchte auch er nicht und nun erhielt sie ihre richtige Begrüßung.
Tief sog sie seinen Geruch, vermischt mit dem von Waffenfett und Rosenöl ein. Sein Haar kitzelte ein wenig an ihrer Haut, als er sich zu einem innigen Kuss vorbeugte.
Viel zu schnell löste er sich wieder und fragte: „Wo hat meine Schwester deine Kleider gelagert? Wir empfangen bald die ersten Gäste zum Bankett.“
„Kleider?“, rief Yulivee entsetzt. „Ich habe doch ein Kleid!“ Daraufhin lachte der Fürst leise.
„Du erwartest doch nicht, dass du jeden Tag die gleichen Sachen anziehen kannst“, entgegnete er erheitert. Ihr Schweigen sprach offensichtlich Bände, als Tiranu sie an die Hand nahm und mit ihr im Schlepptau zu Morwennas Gemächern wanderte.
Nach dem ersten Klopfen öffnete die Fürstin, die bereits ein weiteres, festliches Kleid in Weinrot aus feinster Feenseide trug. Ihr Haar war erneut kunstvoll hochgesteckt und zierte die Rosentiara. Schmuck trug sie noch keinen.
„Ich wollte schon nachsehen kommen, wo du bleibst!“, begrüßte sie Yulivee und zog sie zu sich ins Zimmer, bevor sie die Tür hinter ihr ins Schloss fallen ließ. Tiranu blieb im Gang zurück.
Noch bevor die Zauberweberin protestieren konnte, hatte Morwenna sie durch ihr halbes Zimmer gezerrt, wo ein Kleid aus ebenfalls weinroter Moiréseide auf sie wartete. Das Kleid war sehr schlicht gehalten und besaß eine schöne Borte aus schwarz-silbernen Rosen am Halsausschnitt. Die Ärmel gingen bis über den Handrücken und das Kleid besaß einen Silbergürtel, dessen einzelne Glieder wundervoll gefertigte Blüten der Wappenblume der Geschwister waren. All dies musste ein Vermögen kosten!
„Wie viele Kleider hast du noch für mich in Auftrag gegeben?“, wollte sie entsetzt wissen.
„Nur für jeden Tag eines“, lächelte Morwenna. Sprachlos und wie ein Fisch nach Luft schnappend, rang die Windsängerin nach Worten. Erst jetzt wurde ihr so wirklich bewusst, was es bedeutete an der Seite eines Fürsten zu sein.
„Aber keine Sorge“, fügte die Heilerin an, „wir benutzen die Kleidung länger als nur ein Fest. So sehr schweifen wir doch nicht aus.“
Langollion war ein großes Fürstentum und durch die Rosen besaß es auch einen gewissen Reichtum. In vielen Adelshäusern waren die Öle und Seifen aus der Königin der Blumen sehr beliebt. Dennoch war es der Magierin vollkommen unangenehm mit solch opulenten Gewändern eingedeckt zu werden. Sie war ohnehin keine Freundin von großer Förmlichkeit. Doch wenn Morwenna sich bereits all die Mühe gemacht hatte und sie ihr Wort gegeben hatte, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, so musste sie dies wohl nun ertragen.
Also ließ sie sich von den Dienern der Fürstin einkleiden und ihr Haar frisieren, das teilweise wieder mit den Rosenkämmen hochgesteckt wurde. Morwenna legte selbst sehr schlichten Schmuck an und lieh ihr dann auch etwas einfachere Stücke aus ihrer Sammlung. An der Tür erwartete sie erneut Tiranu.
Sein Obergewand war bordeauxrot, ebenfalls sehr einfach gehalten und es ging bis hinab zu den Schäften seiner Stiefel. Die Haken waren kunstvoll verschlungene Rosenranken und der Brokatstoff zierte Blüten und Knospen der Blume, der Langollion seinen Reichtum verdankte. Das Haar trug er diesmal im Nacken zusammengebunden und auf seiner Stirn saß die Tiara vom Vortag. Das Leder seiner Stiefel war ein schönes, volles Rotbraun. Die Hose war erneut schwarz, nur diesmal aus einem dünnen Seidenstoff, vermutlich Feenseide. Seine Finger zierten drei Ringe, von denen einer der Siegelring Langollions war und die anderen Beiden aus einem dünnen Metallband bestanden. Der erste Ring zierte Rosenknospen, der zweite Ranken derselben Blume.
So führte er sie in den Bankettsaal.
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Niemals hätte Yulivee sich träumen lassen, wie anstrengend ein Fest sein konnte. Die letzten sechs Tage waren ermüdend gewesen und am Abend war sie stets erschöpft in die Laken gefallen und rasch eingeschlafen. Die Zauberweberin war froh, dass dies heute der letzte Tag des Fests der Rosen war. Stets hatte sie die Fürstenhäuser für ihre ausschweifenden Bälle und Bankette verachtet, aber langsam regte sich in ihr doch ein Fünkchen Mitleid. Es war alles doch nicht so einfach, wie es an Emerelles Hof oft schien.
Heute präsentierte ihr Morwenna ein blutrotes Samtkleid mit langen Ärmeln aus schwarzem Chiffon, die bis auf den Boden fielen, und einer Schleppe. Am Hals waren Rosenknospen eingestickt worden und am Übergang zwischen Samt und Seide saß eine Borte mit einem komplizierten Rankenmuster. Ihr Gürtel war einer Ranke der Königin der Blumen nachempfunden, die sich um ihren Körper schmiegte und vorne hinabwuchs.
Morwennas Kleid war aus Crêpe de Chine in Obsidian und Karmesin. Die Einlagen waren obsidianschwarz mit silbernen Rosenstickereien. Auch ihr Kleid besaß eine Schleppe. Die Ärmel und der leichte Stehkragen waren mit schwarzer Spitze eingefasst. Ihre Häupter krönte der obligatorische Haarschmuck der vergangenen Tage.
Tiranu trug einen langen Gehrock aus blutrotem Atlas mit Rosenknospenhaken aus geschwärztem Metall und einer schwarzen Zierstickerei an Kragen und Ärmeln. Seine Hose war ebenfalls aus Atlas, nur karmesinrot. Ausschließlich die Stiefel waren aus schwarzem Wildleder. Das Haar fiel wieder offen auf die Schultern herab.
Zuerst gaben sie ein Abschlussbankett für die wichtigsten Würdenträger Langollions und ließen den Abend dann im prächtigen Ballsaal ausklingen. Im Laufe der Tage hatte die Zauberweberin die wunderschönen Malereien auf den Kuppeln des Ballsaals ausgiebig studiert. Ebenso wie die Stuckverzierungen. Viele der Motive zeigten Rosen. Andere zeigten farbenprächtige Motive der Landschaft Langollions. All dies musste einst ein Vermögen gekostet haben!
Sie hatte inzwischen auch alle wichtigen Würdenträger kennen gelernt und bei manchen von ihnen würde sie das Treffen gerne wieder vergessen.
Ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als sie bemerkte, wie Tiranu sich auf eine der großen Glastüren zum Garten hin zubewegte. Es wirkte so, als könnte er sich kaum beherrschen irgendjemanden umzubringen. Mit etwas Konzentration erkannte sie auch den Grund dafür. Dort stand eine Elf, der ein wenig mit den Schatten zu verschmelzen schien und winkte den Elfen zu sich. Yulivee machte sich auf den Weg zu den zwei Elfen, um Tiranu etwas zu beruhigen. Bevor sie jedoch die Beiden erreicht hatte, ging der seltsame Elf, der hier Gast war. Stumm trat sie an die Seite ihres Fürsten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zog sie an sich und wisperte ihr leise ins Ohr: „Wenn das hier vorbei ist, bitte ich dich wieder zu gehen. Ich möchte dich nicht in seiner Nähe wissen!“
„Weshalb?“, fragte Yulivee nach.
„Er ist gefährlich“, entgegnete der Elf.
„Warum lässt du ihn hier wohnen?“, wollte die Zauberweberin wissen.
„Er bedroht euch“, gestand Tiranu, „dich und meine Schwester. Und wenn er euch tot sehen will, habt ihr keine Möglichkeit euch zu wehren. Und ich keine es zu verhindern.“
Fest drückte er sie an sich und Yulivee schmiegte sich an ihn. Jetzt erklärte sich ein wenig sein Verhalten. Nach einigen Momenten, löste die Elfe sich aus der Umarmung und führte Tiranu zur Gesellschaft zurück. Sie mussten schließlich noch ein Fest beenden.
Den Rest des Abends ließ der unheimliche Elf sich glücklicherweise nicht mehr blicken. Schweren Herzens entschied die Zauberweberin sich, wieder abzureisen. Dort konnte sie sich vielleicht mit ihren Freunden beraten, um den Elfen loszuwerden, der ihren Geliebten erpresste. Weshalb auch immer.