Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Repeating History

Kurzbeschreibung
GeschichteThriller, Liebesgeschichte / P16 / Gen
Lijanas Mordan
20.01.2016
17.10.2016
6
11.159
3
Alle Kapitel
6 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
20.01.2016 1.548
 
Kapitel 1


Lijanas seufzte und warf ihren Mundschutz in einen der Mülleimer. Der Duschraum im Keller des Krankenhauses war erfüllt von heißem Dampf und dem scharfen Geruch von Antiseptika. Shana summte in der Kabine neben ihr irgendeinen cheesigen Pop-Song während sie den unsichtbaren Schmutz zusammen mit all den aufgebauten Verspannungen wegwusch.

„Tritst du jetzt zur Nachtschicht an?“, fragte sie und Lijanas schüttelte den Kopf, bevor ihr klar wurde das die andere das durch die Vorhänge natürlich nicht sehen konnte.

„Ich komme gerade aus dem OP.“, sagte sie während sie einen verspannten Muskel in ihrem Nacken massierte.

„Kippt Kaden immer noch jedes mal um?“, fragte Shana. „Wie will er jemals selbst operieren? Er sollte sich was anderes suchen.“

„Sein Vater will, dass er Arzt wird.“, sagte Lijanas und tastete nach dem Dessinfektionsshampoo.

„Er sollte sich nichts von seinen Eltern vorschrieben lassen. Wenn wir uns immer nur etwas von unseren Eltern sagen lassen, steht die Welt still. Ma wollte ja auch, dass ich gut heirate, und jetzt sie mich an. Appropos heiraten, wie steht es mit deinem guten Herren?“

Lijanas seufzte. „Er weigert sich immer noch, zu unterschreiben. Schreit die ganze Zeit rum, ich sei eine Hure und Frävlerin gegen die Göttin. Ich will nicht, dass er die Kleinen da mit reinzieht.“ Sie trat unter der Dusche hervor, drehte das Wasser ab und langte nach dem Handtuch. „Jetzt will er auch noch das Haus. Behauptet, als Mann stünde ihm das zu.“

„Aber das Haus gehörte doch deiner Mutter! Steht da nicht was im Heiratsvertrag? – Erzähl  mir bloß nicht, es gibt keinen! So Schwachsinnig kann man ja gar nicht sein! – Lass dieses chauvinistische Schwein bloß nicht damit durchkommen! Ich kann dir die Nummer von einem Onkel von meinem Pa geben, der ist Anwalt, spezialisiert auf Scheidungen und so. Der kann dir helfen.“

„Shana, wovon soll ich das den bezahlen?“, fragte Lijanas zweifelnd.

„Ich rede mit ihm, dann geht er bestimmt mit dem Honorar runter. Wenn das vor Gericht geht brauchst du einen guten Anwalt, Mädchen, mit den ganzen Ärschen da. Die Richter sind ja keine Deut besser als die anderen Mistkerle da draußen.“

„Es können doch nicht alle Männer Schweine sein.“, sagte Lijanas und holte sich ihre Straßenkleider aus ihrem Spint.

„Ach Lija, du gutgläubiges, optimistische kleines Ding, man sollte meinen du wüsstest es inzwischen besser.“

Lijanas lachte nur und schüttelte den Kopf.

***

Zu sagen das Lijanas wütend war als sie den Wagen ihres Mannes in ihrer Einfahrt vor ihrem Haus sah, wäre eine Untertreibung gewesen.

Mit mehr Kraft als nötig gewesen wäre riss sie die Haustür auf und fand sich Auge in Auge mit Ahmeer, die Zwillinge im Arm. Nona stand Händeringend hinter ihm.

„Was genau hast du vor?“, fragte sie so kontrolliert sie konnte.

„Ich nehme Cemi zu mir.“, sagte er, als wäre es das natürlichste der Welt. „Das war längst überfällig.“

„Ahmeer.“, sagte sie kalt. „Wir haben darüber gesprochen. Sie bleiben bei mir. Beide.“

„Haben wir in der Tat, und ich habe dir gesagt was ich von deinem Vorschlag halte. Ich habe versucht, einen Kompromiss auszuhandeln, aber du bist so festgefahren!“

„Einen Kompromiss? Das du mir meinen Sohn wegnimmst, weil er einen Vater braucht um wie ein richtiger Mann aufzuwachsen? Reixa kann bei dir bleiben. Ein junges Mädchen braucht eine Mutter. Cemi hingegen braucht einen Vater der ihn anleitet.  Deine Worte! Das soll ein Kompromiss sein? Hörst du dir manchmal selbst zu?“, fragte Lijanas scharf und nahm ihm die greinenden Kinder aus dem Arm. „Außerdem verstehe ich nicht, warum du Rexia dann auch mitnehmen wolltest?“

„So wie du die Kinder vernachlässigst?“

„Wann habe ich die Kinder bitte jemals vernachlässigt? Du bist doch der, den es keinen Deut schert was passiert!“

„Wenigstens lasse ich sie nicht alleine Zuhause!“

„Sie waren doch gar nicht alleine!“, rief Nona dazwischen.

„Als ob so eine Halbstarke wie du wüsste wie man mit Kleinkindern umgeht.“, sagte Ahmeer verächtlich. „Ich würde mein Kind niemals alleine mit so unverantwortlichen Personen lassen.“

„Du kennst Nona doch gar nicht!“

„Gib doch einfach zu, dass du überfordert bist! Eine Mutter sollte sich um ihre Kinder kümmern anstatt den ganzen Tag im Krankenhaus zu arbeiten. Wie unverantwortlich du bist: Du könntest alles möglichen Krankheiten mit nach Hause schleppen!“

„Ich müsste nicht so viel Arbeiten wenn du endlich den Unterhalt bezahlen würdest!“, schlug Lijanas zurück.

„Als ob ich einer Schlampe wie dir Geld geben würde!“

Lijanas versuchte sich zu beruhigen. Sie konnte nicht jedes mal den Kopf verlieren, wenn Ahmeer sie schikanierte. Wenn sie eine Chance haben wollte, ihre Kinder zu behalten, musste sie so erscheinen, wie es in Wirklichkeit war; Nicht überfordert und unverantwortlich, sondern besonnen und unerschütterlich. Sie atmete ein paar mal tief durch.

„Verschwinde, Ahmeer.“, sagte sie kalt. „Bevor ich die Polizei rufe.“

Sie drehte sich um, die Kinder im Arm und ging in die Küche. Ahmeer machte immer noch keine Anstalten, zu gehen, stattdessen versuchte er, ihr zu folgen.

„Verschwinde endlich! Raus aus meinem Haus!“, fuhr sie ihn an. Cemi fing wieder an zu weinen. Aber wenigstens war er endlich fort.

***

Am nächsten Tag wartete Lijanas gerade, Lochkarte in der Hand, in der Schlange um sich einzuchecken, als sie jemand ansprach. Bei dem jemanden handelte es sich um einen der medizinischen Techniker, einem schlaksigen jungen Mann mit wässrigen Augen und zu vielen Sommersprossen als das sie noch als niedlich gelten könnten. Was sie viel mehr verwunderte, war, dass sie ihn noch nie hier gesehen hatte.

„Du bist Lijanas, oder?“

Sie nickte irritiert.

„So'n Typ hat nach dir gefragt. Ich dachte erst, er wäre dein Freund, aber er meinte, er müsste was Geschäftliches mit dir besprechen.“

„Etwas Geschäftliches?“, wiederholte Lijanas verwirrt. Sie hatte mit der Ausbildung und den Extraschichten kaum genug Geld um über die Runden zu kommen. Wer wollte den Geschäfte mit einer blanken Medizinstudentin machen.

„Was war das denn für ein Typ?“

„So'n großer. Blond, glaube ich.“, er kramte in seiner Kitteltasche und holte einen Umschlag ans Tageslicht. „Ich sollte dir das geben. Er meinte, du müsstest nur Anrufen wenn du interessiert wärst.“

Schnell drückte er ihr den Umschlag in die Hände und verschwand. Verdutzt starrte sie das rechteckige Papierstück an. Doch bevor sie sich weiter wundern konnte, wurde sie grob angestoßen. „Wird das heute noch etwas? Über deine Liebesbriefchen kannst du dich später freuen!“, maulte die Oberschwester sie an.

Schnell nickte sie und stopfte den Umschlag in ihre Tasche.

***

Nachdenklich starrte Lijanas auf den Briefumschlag auf dem Küchentisch während sie sich einen Kaffee kochte. Aus den Augenwinkeln heraus konnte sie Reixa und Cemi beobachten, wie sie auf ihrer Spieldecke vor sich hin kicherten.

Sollte sie den Brief öffnen? Geschäftliches … Sie hatte kein Geld übrig, um mit irgendwem Geschäfte zu machen.Was wenn es nur eine von diesen Betrüger-Verträgen die einem Gewinn durch Investoren versprachen? Sie hatte doch keine Ahnung von solchen Sachen. Andererseits würde so etwas doch eher mit der Post kommen … die Herangehensweise dieser Leute, wer auch immer es denn war, war schon seltsam. Einfach so jemand Fremden anzusprechen, damit er einen Brief an eine andere Fremde überbrachte.

… du müsstest nur anrufen, wenn du interessiert wärst …

Interessiert in was? War das so eine Art Bewerbung? Warum gaben sie dann nicht einfach eine  Anzeige auf?

Unentschlossen biss sie sich auf die Lippe. Soll ich oder soll ich nicht?

„Warum mache ich mir eigentlich so einen Kopf darum?“, fragte sie ihren Kaffee. Wahrscheinlich war es nur ein Scherz von ein paar Kollegen …

Sie nahm ein Küchenmesser zur Hand, öffnete damit geschickt den Umschlag und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Ihre Augen wurden groß, als sie das Schreiben auseinanderfaltete und ihr mehrere Geldscheine entgegen fielen. Dreihundert Dollar, amerikanische Dollar. Sie atmete tief durch und überschlug die Kurse im Kopf … heilige Göttin ...davon kann ich mehrere Monate leben ...

Das beiliegende Schreiben war ebenso seltsam wie der Rest der Sache. Sie überflog den Text erstaunt;

           … Aufgrund ihrer herausragenden Qualitäten …

           … betrachten sie das beiliegende Geld als Anzahlung …

           … Beschäftigung als flexible Einsatzperson ...


Unterschrieben war nur mit einer Telefonnummer. Was sollte das den heißen?

… du müsstest nur Anrufen …

Und dann? Sie konnte sich doch nicht von wildfremden Menschen bezahlen lassen, wenn sie noch gar nicht wusste worum es ging!

Andererseits … Dreihundert Dollar. Wer einfach so Geld verschicken konnte, ohne Garantie dass er etwas dafür bekommen würde, und ohne irgendeine Gegenleistung (Bis jetzt! Sagte eine misstrauische Stimme in ihrem Hinterkopf) zu erwarten, der hatte auch noch mehr. Und woher kommt das Geld? – nun, das war tatsächlich eine interessante Frage. Anderseits konnte sie es sich nicht wirklich erlauben, wählerisch zu sein. Sobald die Ersparnisse ihre Mutter aufgebraucht waren … selbst wenn Ahmeer sich endlich durchringen würde den Unterhalt zu überweisen, wusste sie nicht, ob sie das Haus halten könnte. Und ohne Haus würden sie ihr die Kinder nie lassen.

Nachdenklich betrachtete Lijanas die beiden Kleinen, ausgestreckt zwischen Gummikauspielzeugen und Babyrasseln, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken, sie nicht mehr sehen zu dürfen.

Bisher hatte sie immer gehofft, auf Zahlungen und Ersparnisse und Geliehenes, darauf das sie ihr Studium beenden und einen guten Job finden konnte, bevor sie komplett pleite ging, aber ihr war schon lange klar, dass das nur Wunschdenken war. Sie brauchte mehr Zeit.

Sie brauchte Geld.

Und was konnte es schon schaden, anzurufen? Zur Not konnte sie einfach auflegen.

Hatte sie denn eine andere Chance?

Entschlossen griff sie zum Telephon.

***
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast