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Der Wunsch, das richtige zu tun

von Av4l4rion
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Aramis Athos D'Artagnan OC (Own Character) Porthos
18.01.2016
30.04.2021
21
35.755
7
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31.01.2016 1.874
 
Paris. Fünf Jahre waren vergangen, seit sie diese imposanten Mauern das letzte Mal gesehen hatte. Fünf Jahre der Freiheit, der Ungebundenheit von dem höfischen Zwang, den Regeln unter denen das gesamte höfische Leben ablief, weit Entfernt von Soirées, Bällen, bauschenden Kleidern, langweiligen Schulstunden und geisteslosen Gesprächen. Fünf Jahre, die Aimée außerhalb des goldenen Käfigs auf dem Landsitz ihres Vaters verbracht hatte, dem letzten Haus, das ihrem Vater geblieben war, seit er in der Gunst des Königs gesunken war und gemeinsam mit seinen Kindern den Hof verlassen musste.
Inzwischen war Aimée 20 und zu einer intelligenten, jungen Frau herangewachsen, die auch optisch nicht zu verachten war.
Ihre langen braunen Locken, die ihr Gesicht und ihren schlanken Körper umschmeichelten, standen im krassen Gegensatz zu ihren blauen Augen, die meist ein wenig kalt und unnahbar wirkten, jedoch keinen Aufschluss über ihren wahren Charakter geben konnten. Sie hatte eine kleine, wohl geformte Stubsnase, die ihr ein wenig ein kindliches Aussehen verlieh und einen schon geschwungenen Mund von einer natürlichen roten Farbe, die der von Kirschen sehr ähnlich war. Nach den Standards ihres Lebens hätte sie längst verheiratet sein und mit ihrem Mann in einem großen Herrenhaus leben müssen. Wäre da nicht dieses kleine, nicht zu verachtende Detail, weswegen sie nun überhaupt nach Paris zurückkehrte. Die Tatsache, dass ihr Vater ein Spieler war und den Großteil seines Reichtums verschleudert hatte, bis er seinen Söhnen keine Erbe mehr hinterlassen und seinen Töchtern keine angemessene Mitgift mehr mitgeben konnte.
Als älteste Tochter ihres Vater hing es nun allein von ihr ab, dass ihre Geschwister nicht im Armenhaus landeten und vor sich hin vegetierten, bis sie, entweder an Hunger oder an Krankheiten, die Aimée sich nichtmal im Traum vorstellen wollte, qualvoll verendete.
Ihre Pflicht war klar. Ihr Vater hatte das letzte, was er hatte, zusammengekratzt, um sie zurück an den Hof schicken zu können, damit sie sich dort, mit nichts als ihre Liebreiz als Hilfe, mit einem Mann vermählte, der gleichermaßen reich an Einfluss und an Ländereien und Geld war. Gleichzeitig hatte er sie angewiesen, ein Auge auf ihren Bruder Francois zu haben, der nur wenige Wochen vor ihr gereist war und, als vierter Sohn eines Adeligen, mit wenig Aussicht auf ein Erbe, den Dienst bei der königlichen Garde, den Musketieren angetreten hatte. Francois hatte bisher wenig Ambitionen gezeigt, tatsächlich als Soldat zu enden. Zwar war er inzwischen zu einem großen, gutaussehenden und kräftigen jungen Mann herangewachsen, dem die Lilie sicher gut stehen würde, doch hatte er ihr bereits vor einem Jahr anvertraut, dass er vielmehr mit dem Gedanken spielte, Geistlicher zu werden, womit ihr Vater nicht einverstanden war.
Aimée seufzte tief, als sie das Tor der französischen Hauptstadt passierte und ein wenig den Vorhang zur Seite zog, um hinaus schauen zu können. Augenblicklich schob Mademoiselle Bruel ihre Hand weg und den Vorhang zurück. Die Mademoiselle, die den Namen optisch kaum noch verdiente, war inzwischen von ihrer Gouvernante zur Gesellschafterin avanciert. Aimées Vater hatte es für eine gute Idee gehalten, sie in seinem Haushalt zu behalten, auch wenn seine Kinder inzwischen aus dem Alter, in dem sie eine Gouvernante benötigten, herausgewachsen waren, war sie Aimée doch inzwischen so nahe wie eine Mutter. Darüber hinaus konnte er sich so darauf verlassen, dass Aimée jeden Tag aufs Neue und in jeder fragwürdigen Situation an ihre Pflicht erinnert wurde und bezog gleichzeitig regelmäßig die neusten Nachrichten darüber, wie es bei der Suche nach einem Ehemann voran ging.
Aimée schürzte die Lippen und bedachte die Mademoiselle mit einem bösen Blick. Sie hatte die Frau als Gouvernante nicht gemocht und mochte sie nun noch weniger.
Insbesondere nach jenem Tag vor fünf Jahren, als sie und Francois in der Stadt davon gelaufen waren und beinah von Straßenkindern ausgeraubt und entehrt worden wären, hatte Mademoiselle Bruel ihr nur zu sehr spüren lassen, wie sehr diese Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte.

Sie erreichten die goldenen Tore des Louvre. Das Gebäude hatte sich in den letzten fünf Jahren sehr verändert. Aimée staunte nicht schlecht, als sie in den Hof einfuhren, anhielten und die Tür der Kutsche geöffnet wurde, damit sie aussteigen konnte. Sie hatte eine dunkle, hohe, kalt wirkende Burg in Erinnerung, die innen zwar ihren Reiz hatte, aber dennoch das Gefühl vermittelte, gefangen zu sein. Inzwischen hatte der König wohl umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt und die unfreundliche Festung in ein einladendes Schloss verwandelt, das deutlich zeigte, dass hier nirgends gespart wurde.
Augenblicklich wurde der jungen Frau noch ein wenig mulmiger. Wie sollte sie hier je Fuß fassen? Ihr Vater war bekannt als Spieler, der die Gunst des Königs verloren hatte, ihre, Aimées finanzielle Situation ebenfalls hinreichend bekannt und ihre Kleider gänzlich aus der Mode. Wie nur fragte sie sich, als sie dem Kämmerer, der sie bereits erwartet hatte, freundlich zunickte, sollte sie hier einen Ehemann finden?
Der Kämmerer verbeugte sich tief vor ihr und musterte sie.
„Duchesse de Rohan-Monzbazon?“
Aimée nickte stumm.
„Willkommen, Mademoiselle le Duchesse. Mein Name ist Jaques de Brimeu, meines Zeichens Kämmerer seiner Majestät. Seine Majestät, Louis der XIII. heißt Euch herzlich willkommen. Folgt mir bitte, ich zeige Euch Eure Gemächer.“
Aimée nickte wieder, wandte sich kurz um, um zu kontrollieren, dass die Lakaien ihr Gepäck abgeladen hatten und bereit waren, dieses nach innen zu bringen und folgte Monsieur de Brimeu dann in das imposante Gebäude.
Die junge Frau kam nicht umhin, sich genauestens zusehen, wobei sie jedoch zumindest daran dachte, nicht den Mund offen stehen zu lassen. Wie das Schloss bereits von außen erahnen ließ, war es innen über und über mit Gold und Malereien geschmückt. Hohe Räume mit Stuck an den Decken und den Wänden, in denen sich kostbare Teppiche und Möbelstücke befanden, erinnerten so gar nicht an die dunklen Holzvertäfelungen, die Aimée in Erinnerung hatte. Das Schloss war kostbarer und weniger angsteinflößend, als sie es aus ihrer Kindheit kannte, doch wirkte es gleichzeitig kalt. Beinah hatte man Angst, sich in einen der einladenden Sessel sinken zu lassen, da alles wirkte, wie in einer Ausstellung, wo man nichts berühren durfte.
„Seine Majestät hat das Schloss gerade erst gänzlich umbauen und verschönern lassen.“, erklärte Monsieur le Brimeu auf ihre Frage hin. „Wie Ihr Euch sicher erinnern könnt, machte es in der Vergangenheit weniger den Eindruck eines Königssitzes, als den eines Gefängnisses mit Folterkammer.“
Stumm nickte Aimée. Sie erinnerte sich sehr lebhaft daran, dass der Louvre früher tatsächlich beides besessen hatte. Weit ab von den Wohntrakten zwar, aber dennoch hatte sie die Verliese und Folterkammern, die an die dunklen Zeiten des Mittelalters erinnerten, mit eigenen Augen gesehen. Inzwischen waren die Verliese ausgelagert in die Bastille, eine furchteinflößende Festung im Osten der Stadt. Gut möglich also, dass im Zuge des Umbaus auch die Verliese des Louvre umgebaut worden waren.
Inzwischen hatten sie den Wohntrakt des Gebäudes erreicht. Aimée erkannte die Räume, trotz des Umbaus wieder und wusste deswegen auch sofort, dass sie wieder in ‚ihren‘ alten Gemächern untergebracht wurde, als der Kämmerer vor einer der Türen stehen blieb.
Mit einer Verbeugung wies er auf die Tür, öffnete diese und sagte: „Mademoiselle le Duchesse, hierbei handelt es sich um Eure Gemächer. Der König hat bestimmt, dass Euch, neben einem Schlafgemach, einem Ankleidezimmer und den Räumlichkeiten für die Dienerschaft, auch ein Empfangszimmer zugestanden wird. Er ist sehr bestürzt über das Unglück Eurer Familie und hofft, dass Ihr durch diesen Komfort Euren Aufenthalt hier besonders genießen könnt.“
Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu, den Aimée ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte. Selbst der König schien sich – trotz geheuchelter Anteilnahme – über sie lustig zu machen.
„Richtet seiner Majestät meinen ergebensten Dank, auch im Namen meiner Familie aus.“, antwortete sie, als sie zusah, wie die Lakaien ihre Koffer ins Zimmer bugsierten. Während Mademoiselle Bruel bereits damit begann, diese auszupacken, verabschiedete Monsieur de le Brimeu mit einer letzten Verbeugung und verließ die Gemächer. Ein wenig verloren stand Aimée da und starrte auf die Tür, die für sie den Eindruck einer jener schweren Holztüren machte, mit denen die Zellen im Verließ verschlossen gewesen waren und so gar nichts mit einem königlichen Schloss gemein hatten. Denn das waren diese Gemächer für sie: Zellen. Zellen, die nur ein Vorgeschmack darauf waren, was sie noch erwartete, wenn sie erst verheiratet war.
Sie seufzte schwer, wurde aber jäh in ihren Gedanken unterbrochen, als Mademoiselle Bruel an sie herantrat, über dem Arm ein paar Kleider, die sie im Begriff war, in den Schrank zu hängen.
„Mademoiselle, verzeiht die Störung, doch Ihr habt nicht die Zeit, hier herumzustehen und Löcher in die Luft zu starren.“, tadelte sie mit ihrer üblichen nasalen Stimme. Aimée sah sich um und nickte dann.
„Richtig, Mademoiselle. Während Ihr hier die Dienerschaft beaufsichtigt, werde ich einen Spaziergang machen und mich ein wenig umsehen.“, erklärte sie und verließ mit forschen Schritten, ehe Mademoiselle Bruel etwas dagegen sagen konnte, das Gemach. Inzwischen hatte sie gelernt, wie sie mit ihrer penetranten Gesellschafterin umgehen musste. Die Frau zu überrumpeln und keine Widerrede zuzulassen, war dabei die beste aller Strategien. Hätte sie nun lange genug gewartet, hätte die Mademoiselle ihr gesagt, dass es nicht schicklich war, allein einen Spaziergang zu machen - insbesondere wenn sie gewusst hätte, welches Ziel Aimée anstrebte. Diese verließ nämlich auf direktem Weg das Hauptgebäude des Louvre wieder und strebte, im Hof angekommen, dem Tor zu.
Die Musketiere dort schauten ziemlich überrascht, als sie, gerade erst angekommen, nun zu Fuß den Louvre wieder verlassen wollte und noch überraschter, als sie aufs Geradwohl den ersten fragte, wo sich die Garnison befand und ob sie einen jungen Anwärter namens Francois de Rohan-Montbazon kannten. Auf ihre Frage hin trat einer der Musketiere näher. Überrascht kniff sie die Augen zusammen, als sie ihn sah. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. War er nicht… war er nicht derjenige gewesen, der sie damals, als sie gegen einen seiner Kameraden gelaufen war, aufgehoben hatte?
Er vollführte eine vollendete Verbeugung und sagte: „Mademoiselle, Darf ich mich vorstellen, mein Name ist…“
„…Aramis!“, fiel Aimée ihm ins Wort und lächelte, als er verwirrt schaute und sie musterte, wohl weil er sich fragte, woher sie ihn kannte.
Aimée knickste kurz und fügte hinzu: „Verzeiht. Wir haben uns bereits einmal getroffen.“
Aramis nickte nachdenklich.
„Das bezweifle ich nicht. Doch verzeiht mir, wenn ich Euch bitten muss, dass Ihr meinem Gedächtnis auf die Sprünge helft.“
„Oh, es war nur ein flüchtiges Treffen, vor einigen Jahren. Ihr erinnert Euch sicher nicht.“
Der Musketier nahm ihre Hand und hauchte sacht einen Kuss darauf. „Keine Sorge, Mademoiselle. Ich vergesse nie ein hübsches Gesicht!“
Aimée lachte. „In dem Fall: Vor fünf Jahren rettetet Ihr und Eure Freunde ein junges Mädchen und deren Bruder vor einer Horde Straßenkinder.“
Sein Gesicht erhellte sich und er musterte sie noch einmal, ehe er sagte: „Dann seid Ihr Duchesse de Rohan-Montbazon? Ihr habt Euch sehr verändert. Es ist mir eine Ehre!“
Aimée nickte. „Genau. Und mein Bruder Francois ist seit einigen Wochen Anwärter bei den Musketieren.“, antwortete sie.
Aramis nickte und stellte sich wieder aufrecht hin, sodass Er sie um anderthalb Köpfe überragte und nickte. Dabei verdunkelte sich sein Gesicht ein wenig.
„Ich weiß.“
„Könnt Ihr mich zu ihm bringen?“, fragte Aimée weiter und erntete ein Nicken.
„Er befindet sich wohl gerade im Corps der Musketiere. Ehe die Anwärter kein halbes Jahr bei den Musketieren trainiert haben, werden sie nicht zum Dienst eingeteilt.“, erklärte er und bot ihr seinen Arm, den Aimée dankbar annahm.
„Geh wir also.“
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