Die Reise der Victory
von FullmoonShadow
Kurzbeschreibung
Gestrandet in den Weiten des Alls - die Victory sollte als Rettungsschiff fungieren und wird nun womöglich zur Todesfalle. Dr. William Winton wird zu früh aus seinem kryogenen Schlaf geholt, nur um festzustellen, dass die Victory vom Kurs abgekommen ist und nun ohne Antrieb im großen weiten Nichts treibt. Nun ist es an ihm, zu entscheiden, wer von den Tausenden anderen Passagieren aus den Kryo-Kammern geholt wird, um das eigentliche Ziel der Victory zu erreichen: die Rettung auf einen bewohnbaren Planeten. Denn Lebensmittel und Wasser reichen nicht ewig und einmal aus dem Schlaf erwacht, kann man nicht einfach wieder in die Kapsel steigen und die nächsten Hundert Jahre abwarten. [Aktuell in Überarbeitung, wird danach fortgesetzt. 16/08/2023]
MitmachgeschichteAbenteuer, Sci-Fi / P16 / Gen
08.01.2016
16.07.2020
21
54.449
8
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
5 Reviews
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11.02.2018
3.528
Kapitel: 11 / ???
Wörter: 2.908
Beta: - keiner - / Wer also Fehler findet, darf mich gerne darauf aufmerksam machen.
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Vorworte:
Vier Wochen habe ich euch warten lassen! Es tut mir echt leid. Aber was soll ich sagen, RealLife und ein bisschen Demotivation hatten mich voll im Griff. Das Kapitel ist nicht ganz so lang geworden, wie die letzten - dafür dürften sich aber endlich endlich endlich ein paar Fragen klären. :) Ich kann jetzt schon sagen, dass die nächsten Kapitel eher im Zwei-Wochen-Rhythmus kommen werden, weil ich nächste Woche wieder in Schleswig-Holstein sein werde.
Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle übrigens BlackPanter, die mit viel Kreativität und wunderbaren Ideen zu dem zentralen Punkt in diesem Kapitel beigetragen hat. (Ich will noch nicht spoilern, daher die umständliche Ausdrucksweise.)
Da Lorekeeper Zinnia das in seinem letzten Kommentar angedeutet hat, an dieser Stelle der Hinweis für alle: Gastkapitel sind natürlich immer möglich und gerne gesehen. Wenn ihr dazu eine Idee habt schreibt mir einfach und wir schauen mal, wann das zeitlich in die Story passt (oder auch nicht, ein Gastkapitel kann sich auch im Rahmen meines Weihnachtskapitels völlig off topic von dem eigentlichen Verlauf abspielen) beziehungsweise wann es für euch zeitlich machbar ist.
Nun aber genug der langen Vorrede; viel Spaß mit dem elften Kapitel!
Jensson ging auf die andere Seite der aufgestapelten Kisten und sah Macek an, während er mit den Fingern von drei herunterzählte. Nachdem er den letzten Finger heruntergenommen hatte, machten er und die junge Soldatin einen Satz um die Kisten herum und zielten mit den Waffen auf was auch immer sich dahinter befinden mochte.
»Was um alles in der Welt ist das?«, fragte Macek ungläubig. Die junge Soldatin war sonst eher gefasst und brachte ihre Mitmenschen mit einer rabiaten Frechheit aus der Ruhe. Sie war sicherlich nicht auf den Mund gefallen, hatte immer einen spitzzüngigen Kommentar auf den Lippen und ein Funkeln in den Augen. Jensson konnte sie gut leiden. Nun allerdings sah er sein jüngstes Teammitglied zum ersten Mal um Worte ringen. Er konnte es ihr nachempfinden und der irrationale Teil seiner Urinstinkte brüllte mit jeder Faser seines Körpers, die Beine in die Hand zu nehmen und schleunigst von dort zu verschwinden.
Ruhig ließ er seine Waffe sinken, während er Maceks Blick auffing. »Sie und Lowe bewachen das Wesen. Ich nehme Kontakt mit der Brücke auf.« Der junge Sergeant nickte und entspannte sich etwas, als Lowe an ihre Seite trat und seinerseits die Maschinenpistole auf das am Boden liegende Wesen richtete. Lee ließ sich unterdessen nichts anmerken und stand halb abgewandt mit dem Rücken zu ihren beiden Kollegen, um den Raum mit auf den Boden gerichteter Waffe im Auge zu behalten.
Jensson griff an sein Headset. »Captain, das sollten Sie sich ansehen. Wir haben vermutlich den Hacker gefunden.«
»Wer ist es?«, wollte Romanov sofort wissen.
»Nicht wer, sondern was, Sir.«
Romanovs Schweigen war erdrückend. Nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete er. »Bringen Sie es auf die Krankenstation. Dort wird alles vorbereitet sein, sobald Sie dort ankommen.«
Jensson bestätigte dies knapp und gab dann Lowe ein Zeichen. Der Lieutenant und er hievten das Geschöpf auf jeweils eine Schulter. »Lee, Sie bilden die Vorhut. Macek, Sie sichern hinten. Auf geht’s.«
Unangenehmes Schweigen hatte sich zwischen den Doktoren Winton und Jones ausgebreitet. Einige Augenblicke zuvor hatte Óscars oberflächliches Schnattern sie davor gerettet, Smalltalk zu führen. Nun saßen sie sich still gegenüber; Jones rührte in ihrem Kaffee und Winton zupfte an der Plastikverpackung seines Sandwiches herum.
»Wie geht es dir?«, fragte er sperrig und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Um keine weitere dumme Frage zu stellen biss er in Sein Sandwich.
»Gut«, kam die nichtssagende Antwort von der Eskorten-Kugel und Jones verzog die Lippen.
Einen Augenblick lang breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, dann lenkte eine Durchsage über das Intercom-System sie ab.
»Dr. Skjelbred, Dr. Jones, Sternberg und Caron bitte umgehend auf die Krankenstation.«
Die junge Ärztin schaute erstaunt in Wintons Gesicht, welcher ebenso überrascht zurückschaute. Ohne ein weiteres Wort zu sagen hob er die Schultern und zog die Augenbrauen hoch.
»Entschuldige mich bitte.« Dr. Jones stand auf und verabschiedete sich steif, ehe sie mit den beiden Mitgliedern ihres Teams aus der Messe rauschte.
Einen Herzschlag lang herrschte Stille, in welcher sich die verbliebenen Besatzungsmitglieder verwirrte Blicke zu warfen.
»Es wurde ein Eindringling auf der untersten Ebene in den Lagerräumen gefunden«, ließ Romanov dann per Lautsprecher vernehmen. »Ich bitte sämtliches Personal in der Messe zu verbleiben, bis wir genaueres wissen.«
Ianson aktivierte beunruhigt sein Headset, um Romanov auf der Brücke direkt anzufunken. Skjelbred befand sich nicht mehr in der Messe.
»Ianson an Brücke.«
»Was gibt es, Ianson?« Romanovs Ton war ruhig, dennoch konnte der Maori unterschwellig hören, wie Romanov in Habachtstellung gegangen war.
»Dr. Skjelbred hat sich vor knapp zehn Minuten mit Kaffee und Frühstück auf den Weg in den Versorgungstrakt gemacht, um Wolkow und Langdon etwas zu essen zu bringen.«
»Verdammt«, fluchte der Captain am anderen Ende der Leitung. Er bedankte sich und brach dann den Funkkontakt zu Ianson ab.
Seitdem Lucy vor einer knappen Dreiviertelstunde den Versorgungstrakt betreten hatte, saß sie an dem Hauptrechner in der Mitte des achteckigen Raumes und schien für alles taub und blind zu sein, was sich nicht auf dem Bildschirm vor ihr abspielte. Selbst als die fremde Biologin Dr. Skjelbred mit Kaffee und Frühstück hereingekommen war, hatte Lucy nicht ein Mal den Blick gehoben.
»Ach, dann habt ihr auf der Erde schon enger miteinander zusammengearbeitet?«, stellte Skjelbred erstaunt fest. Die Stimmung war etwas gedrückt, sie tat ihr Bestes, um die beiden Männer ein wenig aufzuheitern. Boris schien das zu begrüßen. »Ja, allerdings«, lachte er und lehnte sich dabei in seinem Stuhl zurück. »Der gute Eric hier war immer sehr ernst bei der Sache und hat anfangs nich‘ ein bisschen Spaß verstanden. Hab‘ ewig gebraucht, um ihn auch nur mal zum Schmunzeln zu bewegen.« Die junge Frau sah den anderen Ingenieur einen Moment nachdenklich an.
Eric unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen. Natürlich hatte er seine Aufgaben ernst genommen. Immerhin sollte diese Mission die erste ihrer Art werden und gleich Tausend Menschen an den Rand des bekannten Universums und darüber hinaus transportieren. Als Ingenieur durfte man sich gerade bei der Konstruktion solch eines Raumschiffs keine Fehler erlauben.
»Das is‘ aber noch nich‘ alles«, lenkte Boris Skjelbreds Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Er is‘ zwar immer ernst gewesen, aber das scheint die Wasserköpfe oben beeindruckt zu haben. Ein paar Monate vor dem Start war Eric ‘ne Weile nich‘ aufzufinden und wir bekam‘ heraus, dass man ihm den Posten des leitenden Ingenieurs angeboten hatte.«
Skjelbred zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Aber Dr. Winton ist doch der Vorgesetzte für sämtliches wissenschaftliches und technisches Personal.«
Boris nickte, grinste jedoch. »Stimmt auch, aber da wir als Ingenieure einen großen Teil der Besatzung ausgemacht haben-«
»Genug jetzt, Boris«, unterbrach Eric seinen Kollegen und knallte den Metallbecher, aus dem er zuvor schweigend seinen Kaffee geschlürft hatte auf den Tisch. »Das waren nur Gerüchte, die ihr euch ausgedacht habt. So einen Posten hat es nie gegeben, das wäre auch völliger Unfug. Winton leitet unser Ressort und jeder von uns ist ihm gegenüber verpflichtet. Ja, viele Ingenieure haben an der Victory gebaut, ist ja auch ein immens großes Schiff. Aber nur ein Bruchteil von denen hat es hier an Board geschafft. Der Rest wurde geschasst.«
Boris und Skjelbred sahen ihn verdutzt an. Ersterer setzte stirnrunzelnd an, etwas zu sagen, allerdings fuhr ihm Eric mit einer wegwerfenden Handbewegung über den Mund. »Das war der Grund, weshalb mich die Chefetage damals hinauf zitiert hat. Man wollte meine Meinung haben, wer geeignet wäre und wer auf der Erde bleiben sollte.«
Der stämmige Russe sah Eric verdattert an. »Du, du… aber«
Dieser stand auf, griff an seinem Kaffeebecher vorbei nach einem übrig gebliebenen Apfel und verzog sich in eine andere Ecke des Raumes. Bevor Boris oder Skjelbred darauf reagieren konnten, vernahmen sie plötzlich Romanovs Stimme über das Intercom-System.
»Versorgungstrakt, hier Brücke.«
Seufzend aktivierte Eric sein Headset. »Versorgungstrak hört«, brummte er missmutig.
»Dr. Skjelbred, bitte finden Sie sich umgehend in der Krankenstation ein. Es wurde ein Eindringling in den Lagerräumen gefunden. Wir benötigen Ihre Expertise.«
Wuselnd raffte die Biologin ihre Siebensachen zusammen und verabschiedete sich knapp und verwirrt. Als sie samt ihres Gehstocks an Lucy vorbei humpelte, schaute diese ihr verwundert nach.
»Ein Eindringling, was soll damit gemeint sein?«, wunderte sich Boris laut und sprach niemanden bestimmten dabei an. Eric schnaubte lediglich bitter.
»Bitte bleiben Sie drei im Versorgungstrakt und schließen Sie unverzüglich die Feuerschutztür zum Korridor. Brücke out.« Damit herrschte wieder Stille unter Eric, Boris und Lucy. Die beiden Ingenieure wechselten einen Blick und Boris machte sich dann daran, die Feuerschutztür zu verriegeln. Als Lucy sich wieder ihrem Bildschirm widmete, warf Eric einen langen Blick zu der Wandklappe, hinter der sich die Waffe befand.
Die Krankenstation befand sich, ebenso wie die Messe und die Labore der Wissenschaftler, auf der zweiten Ebene der Victory. Wo sonst an der Ausstattung des Raumschiffs gespart worden war, so hatte man in die Krankenstation die nötigen finanziellen Mittel gesteckt. Zwar war sie längst nicht wohnlich oder gar gemütlich, aber die Ärzte der Victory und ihre Teams fanden hier alles, was sie benötigten. Scanner, welche die steinzeitlichen Röntgengeräte aus dem 21. Jahrhundert schon lange abgelöst hatten, hochauflösende Mikroskope, Zentrifugen und allerlei mehr. In allem steckte die neuste Technik des Gesundheitsministeriums der Vereinten Welt, vieles davon war erst für die Victory fertiggestellt worden und zuvor noch gar nicht auf dem öffentlichen Markt zugänglich gewesen.
Die Station selbst war in mehrere Segmente untergliedert; als Skjelbred sich hier oben eingefunden hatte betrat sie zunächst den Bereich, in dem die Ergebnisse etwaiger Scans und Laboruntersuchungen ausgewertet wurden. Ein paar Schreibtische standen an den Wänden, einer davon musste Dr. Jones gehören, denn an der Wand darüber hingen Klebezettel mit Notizen und auf dem Schreibtisch selbst waren ein paar Akten aufeinandergestapelt abgelegt worden. Eine kleine Lampe erhellte die Tastatur des Computers. Einige Schreibtische, Metallregale und einen offenen Türdurchgang später fand sich Skjelbred in dem Bereich wieder, der eine Krankenstation ausmachte. An beiden Seiten des länglichen Raums standen Krankenbetten, welche bei Bedarf mit einem Vorhang voneinander getrennt werden konnten. Auf der linken Seite nahe dem Eingang befand sich der große Ganzkörperscanner mitsamt der Trage.
»Wir konnten kaum Vitalzeichen feststellen. Puls und Atmung sind nur minimal vorhanden und setzen alle paar Minuten vollkommen aus. Die Hirnwellen lassen darauf schließen, dass sich das Wesen in einer Art Winterschlaf oder Schockstarre befinden muss«, erklärte Jones‘ Kugel gerade an Romanov gewandt. Skjelbred trat weiter auf die bereits Anwesenden zu und räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. »Sie wollten mich sehen, Captain?«
Romanov drehte sich zu ihr um und winkte sie heran. »Ja, wir brauchen hier ihre Hilfe. Haben Sie eine Ahnung, was das hier ist?« Sie trat neben ihn und schaute auf die Trage hinab.
Vor ihr lag ein Wesen, was sie auf den ersten Blick als eine Mischung aus Mensch und Echse beschrieben hätte. Sie schätzte es auf circa 1,60 Meter Größe ein, dafür schien es aber unnatürlich schwer zu sein. Der gesamte Körper war von Schuppen überzogen, ähnlich wie bei Schlangen und Echsen, die sie von der Erde kannte. Der Kopf wirkte durch die hornartigen Auswüchse oben und an den Seiten massiger, als er tatsächlich war. Nase und Mund waren in eine, ebenfalls schuppige, Schnauze nach vorne gezogen, wobei das Wesen keine typische Nase, sonderlich lediglich zwei Nasenlöcher hatte. Die Arme waren vergleichsweise recht schlank und endeten in Händen mit fünf fingerartigen Gliedern mit kurzen Krallen an den Spitzen, die etwas länger als ein menschlicher Fingernagel und von dunkler Farbe waren. Skjelbred fiel auf, dass die Krallen an den Füßen um einiges länger waren und diesen Ausdruck auch wahrhaft verdienten. Sie wirkten, als könnten sie die Haut von Menschen in Nullkommanichts aufreißen. Die Beine des Wesens waren angewinkelt, vermutlich konnte es dadurch schnell und sehr hoch springen.
»Auf den ersten Blick würde ich darauf tippen, dass es eine humanoide Echsenform ist«, beantwortete Skjelbred endlich Romanovs Frage. »Es scheint den Echsen auf unserer Erde nicht unähnlich zu sein, besonders wenn ich mir die hornartigen Schuppen ansehe, welche scheinbar besonders in der Brustgegend ausgeprägter und härter zu sein scheinen.« Sie machte ein paar Schritte auf die Trage zu und beugte sich hinunter. Keinen Herzschlag später hatten Lowe und Jensson vorsorglich ihre Maschinenpistolen hochgerissen und zielten auf das Wesen.
»Ist das der Eindringling, den Sie in den Lagerräumen gefunden haben?«, wollte Skjelbred an Jensson gewandt wissen. Dieser nickte. »Ja, Ma’am. Wir fanden ihn und die Verpackungen verschiedener Energieregel und Einmannpackungen.«
»Erstaunlich«, hauchte Skjelbred und wandte sich fasziniert wieder dem Geschöpf zu. »Sein Metabolismus scheint keine Probleme mit unserer Nahrung zu haben.«
»Viel wichtiger ist die Frage, ob Sie so etwas schon einmal gesehen haben, Dr.?« Romanov trat an ihre Seite und suchte ihren Blick. Skjelbred richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid. So ein Wesen ist mir auf der Erde noch nicht untergekommen. Ich fürchte, es muss extraterrestrisch sein. Von der Erde kommt es mit Sicherheit nicht.«
Romanov straffte die Schultern und wechselte einen Blick mit Jensson.
»Gut. Jensson, Sie, Lowe und Lee durchsuchen noch einmal die unterste Ebene. Stellen Sie alles auf den Kopf und gehen Sie absolut sicher, dass dieser hier«, er wies mit der Hand auf das Wesen »der einzige Eindringling ist.« Die vier Soldaten nickten und bis auf Macek verließen sie die Krankenstation. »Macek, Sie bleiben hier und passen auf Jones, Skjelbred und die beiden anderen auf.« Die junge Soldatin nickte.
»Ich würde gerne genauere Untersuchungen anstellen, um mehr über dieses Wesen herauszufinden.« Skjelbred sah Dr. Jones an. »Dem schließe ich mich an. Wir haben das erste Mal Gelegenheit, außerirdisches Leben zu untersuchen.«
Romanov wiegte bedächtig den Kopf. »Ich kann ihr wissenschaftliches Interesse sehr gut nachvollziehen. Aber sorgen Sie in erster Linie dafür, dass das Wesen aufwacht, damit wir es befragen können. Sagen Sie Bescheid, sobald Sie etwas herausfinden.« Damit wandte er sich ab und marschierte von dannen.
»War die Brücke etwa die ganze Zeit unbesetzt?«
Kaum hatten sich die Türen zur Brücke mit einem hydraulischen Zischen geöffnet, wurde Romanov schon von einem kleinen Mann mit unverkennbarem tschechischen Akzent angefahren. Láska, wer sonst. Am liebsten hätte Romanov erwidert, dass die Brücke ja ganz offensichtlich nicht unbemannt gewesen war, aber er verkniff sich diesen Kommentar.
»Was machen Sie beide eigentlich hier?«, wollte er stattdessen von Láska und Ianson wissen, welcher sich bedächtig im Hintergrund gehalten hatte.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen und der Sicherheitschef hat mich auf meine Bitte hin begleitet.«
Romanov seufzte und ging auf die vordere Fensterfront zu. Drückende Schwärze schaute ihm jenseits der Victory entgegen. »Worüber wollten Sie mit mir sprechen, Láska?«, fragte er schließlich nach einem Moment der Stille.
»Das ist vollkommen irrelevant, Romanov. Sie wissen ganz genau, dass die Brücke unter keinen Umständen unbesetzt bleiben darf. Ganz besonders, wenn hier ein Saboteur seine Finger im Spiel hat.«
Romanov atmete einmal tief durch ehe er sich umdrehte und das einzig verbliebene Mitglied der einstigen Missionskontrolle anfunkelte. »Ich sag Ihnen mal was irrelevant ist: diese Sicherheitsprotokolle, die sich irgendwelche Manager und Bonzen in ihren piekfeinen und völlig überteuerten Anzügen ausgedacht haben. Das hat doch rein gar nichts mit der Realität zu tun. Diejenigen, die sich das ausgedacht haben, sind seit Jahren tot. Niemanden interessiert es.« Es kam nicht oft vor, dass der Captain laut wurde oder die Fassung verlor, dennoch konnte er sich nicht länger zusammenreißen.
Doch statt den taktischen Rückzug anzutreten, zog Láska lediglich die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme. »Mich interessiert es, Captain. Das ist meine Aufgabe an Board. Jeder wusste um das mögliche Scheitern der Mission. Jeder wusste, dass die Victory eventuell nicht rechtzeitig einen bewohnbaren Planeten findet, um weitere Teile der Weltbevölkerung von der sterbenden Erde zu evakuieren. Jeder wusste das«, wiederholte er nachdrücklich und starrte Romanov wütend an. »Ich bin als Mitglied von Mission Control hier, meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Protokolle und Vorkehrungen und all die Maßnahmen, die ihr Astronauten für hinfällig und überholt erachtet durchgeführt werden. Gerade dann, wenn die restliche Bevölkerung der Erde schon seit Jahren tot ist. Ich kann nicht zulassen, dass Sie hier schalten und walten, wie es Ihnen passt.«
Er hatte Recht und Romanov wusste dies. Wahrhaben wollte er es dennoch nicht.
»Es reicht«, donnerte er. »Ich bin der Captain, wir haben einen Eindringling an Board, vielleicht sogar mehrere. In wenigen Stunden geht uns der Sauerstoff aus. Kommen Sie mir jetzt nicht mit irgendwelchen Prinzipien, Láska. Wenn wir das hier überleben, können Sie mir immer noch den Arsch aufreißen!«
Láska sah ihn einen Moment an und lachte dann grimmig.
»Nein, nein, nein«, meckerte Romanov über Funk und Láska hielt in seiner Bewegung inne. »Was ist denn nun schon wieder?«, stöhnte er entnervt auf.
»Erst die Trägheitsdämpfer, dann die Triebwerkzündungen. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?«
Láska fluchte und schnallte seinen Gurt los. Wütend stand er auf und stapfte durch das Shuttle zur Hecktür. Er knallte seine Hand auf die Türsteuerung und lief die Gittertreppe hinab in die große Trainingshalle des Gebäudekomplexes, was zu Zeiten der NASA noch für die Ausbildung amerikanischer Astronauten genutzt wurde. Er ließ das Simulations-Shuttle hinter sich und ging auf Romanov zu, welcher mit einigen Kollegen an einer Schaltzentrale vor dem Shuttle sämtliche Ereignisse darin beobachtet und kontrolliert hat.
»Ich bin weder Astronaut noch Kosmonaut, ich werde niemals ein Raumschiff steuern. Wieso um alles in der Welt muss ich diese Übung bestehen?«
Romanov verschränkte unerbittlich die Arme vor der Brust. »Um für den Notfall vorbereitet zu sein. Wir haben keine Ahnung, was uns da oben erwarten wird und wir sollten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es war doch die Idee von Mission Control, dass sich alle Kandidaten für die Besatzung dieser Übung unterziehen.«
Láska schnaubte. »Ja, alle Besatzungsmitglieder, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie mal hinter dem Schaltknüppel eines Raumschiffs sitzen werden.«
»Sie gehören doch zu Mission Control. Wie wollen Sie eine Ahnung von der korrekten Durchführung der Mission haben, wenn Sie es nicht mal schaffen, ein Shuttle zu starten, ohne es in die Luft fliegen zu lassen?« Romanov ließ sich nicht erweichen und auch Láska würde nicht von seinem Standpunkt abweichen. Sie starrten einander wütend funkelnd an, bis Láska schließlich die Hände in die Luft warf.
»Wissen Sie was? Wenn mir das dort oben«, er deutete mit dem Zeigefinger sinnbildlich auf die Deckenhalle »passieren sollte, dann können Sie mir immer noch den Arsch aufreißen.« Damit wandte er sich ab und stapfte davon.
»Wo wollen Sie jetzt hin?«, rief ihm Romanov hinterher als er nicht wie gedacht den Weg zum Simulationsgerät einschlug.
»Ich geh mir erst einmal einen Kaffee holen, weil ich Sie sonst mit meinen eigenen Händen erwürgen werde«, rief er theatralisch aus und marschierte, unverständlich auf Tschechisch vor sich hin murmelnd, in Richtung der Cafeteria davon.
Nachworte:
Hach, ich mag es ja, wenn die Leute sich streiten. Das macht unglaublich Spaß zu schreiben!
Also, ein Außerirdischer ist der Hacker. Hand hoch, wer hätte es gedacht? Nun ist die Katze aus dem Sack. Aber Romanov erinnert uns noch einmal daran, dass noch ein Problem aussteht: der Kohlenstofffilter funktioniert immer noch nicht. Schöne Scheiße, was bringt es denn wenn sie den Hacker gefunden haben, aber trotzdem alle drauf gehen werden...
Nun gut, das soll heute aber gar nicht unser Anliegen in den Nachworten sein. Viel eher möchte ich zu den Leserfragen kommen (also, meine Fragen an euch, nicht etwaige Fragen von Lesern an mich):
• Alle (also sowohl Leser ohne als auch mit einer eigenen Figur in der Geschichte): Wie werden sich Romanov, Jensson und Dr. Jones gegenüber dem Außerirdischen verhalten? Eher aufgeschlossen-neugierig oder wird sich abwehrend verhalten? Man möchte ja herausfinden, wieso es da ist, etc. Wie verhalten sich diese Figuren, sobald das Wesen aufwacht und befragt wird? Und wie verhalten sie sich hinterher, was soll mit ihm geschehen? Es dürfen gerne radikale Vorschläge geäußert werden.
•Lorekeeper Zinnia: Gleiche Frage wir dort oben für alle, nur in diesem Fall bezogen auf Skjelbred.
•OrangeGnome: Wie ging Eric mit der Frage um, welche Ingenieure auf die Victory kommen und welche auf der Erde bleiben sollten? Hat tatsächlich er die Entscheidung mitgetroffen oder hat er sich geweifert und damit das Risiko in Kauf genommen, dass er selbst von dem Programm ausgeschlossen werden würde? Was hätte er in diesem Falle dann getan? Und falls er maßgeblich an der Auswahl beteiligt war: wie ging es ihm dann damit und wonach hat er ausgesucht und wieso hat er sich bspw. für Boris entschieden? Hat er vielleicht sogar Rücksprache mit Winton gehalten? Oder Romanov?
• Ihr dürft alle generell auch gerne bei der Beantwortung solcher Fragen andere Figuren einbringen, die bspw. auf der Erde mit dem eigenen Charakter zusammengearbeitet haben oder die man jetzt innerhalb der Kapitel schon kennengelernt hat.
Prinzipiell muss ich aber auch euch allen nochmal ein Lob aussprechen, dass Kommentare und Reviews hinterlassen werden, auch wenn die eigene Figur keine so große Rolle in dem jeweils aktuellen Kapitel gespielt hat. Das finde ich wirklich absolut großartig und dafür dürft ihr euch selbst gerne mal auf die Schulter klopfen!
Ansonsten bleibt mir nur zu sagen
Wörter: 2.908
Beta: - keiner - / Wer also Fehler findet, darf mich gerne darauf aufmerksam machen.
Anmeldung: g e s c h l o s s e n !
Vorworte:
Vier Wochen habe ich euch warten lassen! Es tut mir echt leid. Aber was soll ich sagen, RealLife und ein bisschen Demotivation hatten mich voll im Griff. Das Kapitel ist nicht ganz so lang geworden, wie die letzten - dafür dürften sich aber endlich endlich endlich ein paar Fragen klären. :) Ich kann jetzt schon sagen, dass die nächsten Kapitel eher im Zwei-Wochen-Rhythmus kommen werden, weil ich nächste Woche wieder in Schleswig-Holstein sein werde.
Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle übrigens BlackPanter, die mit viel Kreativität und wunderbaren Ideen zu dem zentralen Punkt in diesem Kapitel beigetragen hat. (Ich will noch nicht spoilern, daher die umständliche Ausdrucksweise.)
Da Lorekeeper Zinnia das in seinem letzten Kommentar angedeutet hat, an dieser Stelle der Hinweis für alle: Gastkapitel sind natürlich immer möglich und gerne gesehen. Wenn ihr dazu eine Idee habt schreibt mir einfach und wir schauen mal, wann das zeitlich in die Story passt (oder auch nicht, ein Gastkapitel kann sich auch im Rahmen meines Weihnachtskapitels völlig off topic von dem eigentlichen Verlauf abspielen) beziehungsweise wann es für euch zeitlich machbar ist.
Nun aber genug der langen Vorrede; viel Spaß mit dem elften Kapitel!
Kapitel 11: Abkühlung
Jensson ging auf die andere Seite der aufgestapelten Kisten und sah Macek an, während er mit den Fingern von drei herunterzählte. Nachdem er den letzten Finger heruntergenommen hatte, machten er und die junge Soldatin einen Satz um die Kisten herum und zielten mit den Waffen auf was auch immer sich dahinter befinden mochte.
»Was um alles in der Welt ist das?«, fragte Macek ungläubig. Die junge Soldatin war sonst eher gefasst und brachte ihre Mitmenschen mit einer rabiaten Frechheit aus der Ruhe. Sie war sicherlich nicht auf den Mund gefallen, hatte immer einen spitzzüngigen Kommentar auf den Lippen und ein Funkeln in den Augen. Jensson konnte sie gut leiden. Nun allerdings sah er sein jüngstes Teammitglied zum ersten Mal um Worte ringen. Er konnte es ihr nachempfinden und der irrationale Teil seiner Urinstinkte brüllte mit jeder Faser seines Körpers, die Beine in die Hand zu nehmen und schleunigst von dort zu verschwinden.
Ruhig ließ er seine Waffe sinken, während er Maceks Blick auffing. »Sie und Lowe bewachen das Wesen. Ich nehme Kontakt mit der Brücke auf.« Der junge Sergeant nickte und entspannte sich etwas, als Lowe an ihre Seite trat und seinerseits die Maschinenpistole auf das am Boden liegende Wesen richtete. Lee ließ sich unterdessen nichts anmerken und stand halb abgewandt mit dem Rücken zu ihren beiden Kollegen, um den Raum mit auf den Boden gerichteter Waffe im Auge zu behalten.
Jensson griff an sein Headset. »Captain, das sollten Sie sich ansehen. Wir haben vermutlich den Hacker gefunden.«
»Wer ist es?«, wollte Romanov sofort wissen.
»Nicht wer, sondern was, Sir.«
Romanovs Schweigen war erdrückend. Nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete er. »Bringen Sie es auf die Krankenstation. Dort wird alles vorbereitet sein, sobald Sie dort ankommen.«
Jensson bestätigte dies knapp und gab dann Lowe ein Zeichen. Der Lieutenant und er hievten das Geschöpf auf jeweils eine Schulter. »Lee, Sie bilden die Vorhut. Macek, Sie sichern hinten. Auf geht’s.«
♦
Unangenehmes Schweigen hatte sich zwischen den Doktoren Winton und Jones ausgebreitet. Einige Augenblicke zuvor hatte Óscars oberflächliches Schnattern sie davor gerettet, Smalltalk zu führen. Nun saßen sie sich still gegenüber; Jones rührte in ihrem Kaffee und Winton zupfte an der Plastikverpackung seines Sandwiches herum.
»Wie geht es dir?«, fragte er sperrig und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Um keine weitere dumme Frage zu stellen biss er in Sein Sandwich.
»Gut«, kam die nichtssagende Antwort von der Eskorten-Kugel und Jones verzog die Lippen.
Einen Augenblick lang breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, dann lenkte eine Durchsage über das Intercom-System sie ab.
»Dr. Skjelbred, Dr. Jones, Sternberg und Caron bitte umgehend auf die Krankenstation.«
Die junge Ärztin schaute erstaunt in Wintons Gesicht, welcher ebenso überrascht zurückschaute. Ohne ein weiteres Wort zu sagen hob er die Schultern und zog die Augenbrauen hoch.
»Entschuldige mich bitte.« Dr. Jones stand auf und verabschiedete sich steif, ehe sie mit den beiden Mitgliedern ihres Teams aus der Messe rauschte.
Einen Herzschlag lang herrschte Stille, in welcher sich die verbliebenen Besatzungsmitglieder verwirrte Blicke zu warfen.
»Es wurde ein Eindringling auf der untersten Ebene in den Lagerräumen gefunden«, ließ Romanov dann per Lautsprecher vernehmen. »Ich bitte sämtliches Personal in der Messe zu verbleiben, bis wir genaueres wissen.«
Ianson aktivierte beunruhigt sein Headset, um Romanov auf der Brücke direkt anzufunken. Skjelbred befand sich nicht mehr in der Messe.
»Ianson an Brücke.«
»Was gibt es, Ianson?« Romanovs Ton war ruhig, dennoch konnte der Maori unterschwellig hören, wie Romanov in Habachtstellung gegangen war.
»Dr. Skjelbred hat sich vor knapp zehn Minuten mit Kaffee und Frühstück auf den Weg in den Versorgungstrakt gemacht, um Wolkow und Langdon etwas zu essen zu bringen.«
»Verdammt«, fluchte der Captain am anderen Ende der Leitung. Er bedankte sich und brach dann den Funkkontakt zu Ianson ab.
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Seitdem Lucy vor einer knappen Dreiviertelstunde den Versorgungstrakt betreten hatte, saß sie an dem Hauptrechner in der Mitte des achteckigen Raumes und schien für alles taub und blind zu sein, was sich nicht auf dem Bildschirm vor ihr abspielte. Selbst als die fremde Biologin Dr. Skjelbred mit Kaffee und Frühstück hereingekommen war, hatte Lucy nicht ein Mal den Blick gehoben.
»Ach, dann habt ihr auf der Erde schon enger miteinander zusammengearbeitet?«, stellte Skjelbred erstaunt fest. Die Stimmung war etwas gedrückt, sie tat ihr Bestes, um die beiden Männer ein wenig aufzuheitern. Boris schien das zu begrüßen. »Ja, allerdings«, lachte er und lehnte sich dabei in seinem Stuhl zurück. »Der gute Eric hier war immer sehr ernst bei der Sache und hat anfangs nich‘ ein bisschen Spaß verstanden. Hab‘ ewig gebraucht, um ihn auch nur mal zum Schmunzeln zu bewegen.« Die junge Frau sah den anderen Ingenieur einen Moment nachdenklich an.
Eric unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen. Natürlich hatte er seine Aufgaben ernst genommen. Immerhin sollte diese Mission die erste ihrer Art werden und gleich Tausend Menschen an den Rand des bekannten Universums und darüber hinaus transportieren. Als Ingenieur durfte man sich gerade bei der Konstruktion solch eines Raumschiffs keine Fehler erlauben.
»Das is‘ aber noch nich‘ alles«, lenkte Boris Skjelbreds Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Er is‘ zwar immer ernst gewesen, aber das scheint die Wasserköpfe oben beeindruckt zu haben. Ein paar Monate vor dem Start war Eric ‘ne Weile nich‘ aufzufinden und wir bekam‘ heraus, dass man ihm den Posten des leitenden Ingenieurs angeboten hatte.«
Skjelbred zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Aber Dr. Winton ist doch der Vorgesetzte für sämtliches wissenschaftliches und technisches Personal.«
Boris nickte, grinste jedoch. »Stimmt auch, aber da wir als Ingenieure einen großen Teil der Besatzung ausgemacht haben-«
»Genug jetzt, Boris«, unterbrach Eric seinen Kollegen und knallte den Metallbecher, aus dem er zuvor schweigend seinen Kaffee geschlürft hatte auf den Tisch. »Das waren nur Gerüchte, die ihr euch ausgedacht habt. So einen Posten hat es nie gegeben, das wäre auch völliger Unfug. Winton leitet unser Ressort und jeder von uns ist ihm gegenüber verpflichtet. Ja, viele Ingenieure haben an der Victory gebaut, ist ja auch ein immens großes Schiff. Aber nur ein Bruchteil von denen hat es hier an Board geschafft. Der Rest wurde geschasst.«
Boris und Skjelbred sahen ihn verdutzt an. Ersterer setzte stirnrunzelnd an, etwas zu sagen, allerdings fuhr ihm Eric mit einer wegwerfenden Handbewegung über den Mund. »Das war der Grund, weshalb mich die Chefetage damals hinauf zitiert hat. Man wollte meine Meinung haben, wer geeignet wäre und wer auf der Erde bleiben sollte.«
Der stämmige Russe sah Eric verdattert an. »Du, du… aber«
Dieser stand auf, griff an seinem Kaffeebecher vorbei nach einem übrig gebliebenen Apfel und verzog sich in eine andere Ecke des Raumes. Bevor Boris oder Skjelbred darauf reagieren konnten, vernahmen sie plötzlich Romanovs Stimme über das Intercom-System.
»Versorgungstrakt, hier Brücke.«
Seufzend aktivierte Eric sein Headset. »Versorgungstrak hört«, brummte er missmutig.
»Dr. Skjelbred, bitte finden Sie sich umgehend in der Krankenstation ein. Es wurde ein Eindringling in den Lagerräumen gefunden. Wir benötigen Ihre Expertise.«
Wuselnd raffte die Biologin ihre Siebensachen zusammen und verabschiedete sich knapp und verwirrt. Als sie samt ihres Gehstocks an Lucy vorbei humpelte, schaute diese ihr verwundert nach.
»Ein Eindringling, was soll damit gemeint sein?«, wunderte sich Boris laut und sprach niemanden bestimmten dabei an. Eric schnaubte lediglich bitter.
»Bitte bleiben Sie drei im Versorgungstrakt und schließen Sie unverzüglich die Feuerschutztür zum Korridor. Brücke out.« Damit herrschte wieder Stille unter Eric, Boris und Lucy. Die beiden Ingenieure wechselten einen Blick und Boris machte sich dann daran, die Feuerschutztür zu verriegeln. Als Lucy sich wieder ihrem Bildschirm widmete, warf Eric einen langen Blick zu der Wandklappe, hinter der sich die Waffe befand.
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Die Krankenstation befand sich, ebenso wie die Messe und die Labore der Wissenschaftler, auf der zweiten Ebene der Victory. Wo sonst an der Ausstattung des Raumschiffs gespart worden war, so hatte man in die Krankenstation die nötigen finanziellen Mittel gesteckt. Zwar war sie längst nicht wohnlich oder gar gemütlich, aber die Ärzte der Victory und ihre Teams fanden hier alles, was sie benötigten. Scanner, welche die steinzeitlichen Röntgengeräte aus dem 21. Jahrhundert schon lange abgelöst hatten, hochauflösende Mikroskope, Zentrifugen und allerlei mehr. In allem steckte die neuste Technik des Gesundheitsministeriums der Vereinten Welt, vieles davon war erst für die Victory fertiggestellt worden und zuvor noch gar nicht auf dem öffentlichen Markt zugänglich gewesen.
Die Station selbst war in mehrere Segmente untergliedert; als Skjelbred sich hier oben eingefunden hatte betrat sie zunächst den Bereich, in dem die Ergebnisse etwaiger Scans und Laboruntersuchungen ausgewertet wurden. Ein paar Schreibtische standen an den Wänden, einer davon musste Dr. Jones gehören, denn an der Wand darüber hingen Klebezettel mit Notizen und auf dem Schreibtisch selbst waren ein paar Akten aufeinandergestapelt abgelegt worden. Eine kleine Lampe erhellte die Tastatur des Computers. Einige Schreibtische, Metallregale und einen offenen Türdurchgang später fand sich Skjelbred in dem Bereich wieder, der eine Krankenstation ausmachte. An beiden Seiten des länglichen Raums standen Krankenbetten, welche bei Bedarf mit einem Vorhang voneinander getrennt werden konnten. Auf der linken Seite nahe dem Eingang befand sich der große Ganzkörperscanner mitsamt der Trage.
»Wir konnten kaum Vitalzeichen feststellen. Puls und Atmung sind nur minimal vorhanden und setzen alle paar Minuten vollkommen aus. Die Hirnwellen lassen darauf schließen, dass sich das Wesen in einer Art Winterschlaf oder Schockstarre befinden muss«, erklärte Jones‘ Kugel gerade an Romanov gewandt. Skjelbred trat weiter auf die bereits Anwesenden zu und räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen. »Sie wollten mich sehen, Captain?«
Romanov drehte sich zu ihr um und winkte sie heran. »Ja, wir brauchen hier ihre Hilfe. Haben Sie eine Ahnung, was das hier ist?« Sie trat neben ihn und schaute auf die Trage hinab.
Vor ihr lag ein Wesen, was sie auf den ersten Blick als eine Mischung aus Mensch und Echse beschrieben hätte. Sie schätzte es auf circa 1,60 Meter Größe ein, dafür schien es aber unnatürlich schwer zu sein. Der gesamte Körper war von Schuppen überzogen, ähnlich wie bei Schlangen und Echsen, die sie von der Erde kannte. Der Kopf wirkte durch die hornartigen Auswüchse oben und an den Seiten massiger, als er tatsächlich war. Nase und Mund waren in eine, ebenfalls schuppige, Schnauze nach vorne gezogen, wobei das Wesen keine typische Nase, sonderlich lediglich zwei Nasenlöcher hatte. Die Arme waren vergleichsweise recht schlank und endeten in Händen mit fünf fingerartigen Gliedern mit kurzen Krallen an den Spitzen, die etwas länger als ein menschlicher Fingernagel und von dunkler Farbe waren. Skjelbred fiel auf, dass die Krallen an den Füßen um einiges länger waren und diesen Ausdruck auch wahrhaft verdienten. Sie wirkten, als könnten sie die Haut von Menschen in Nullkommanichts aufreißen. Die Beine des Wesens waren angewinkelt, vermutlich konnte es dadurch schnell und sehr hoch springen.
»Auf den ersten Blick würde ich darauf tippen, dass es eine humanoide Echsenform ist«, beantwortete Skjelbred endlich Romanovs Frage. »Es scheint den Echsen auf unserer Erde nicht unähnlich zu sein, besonders wenn ich mir die hornartigen Schuppen ansehe, welche scheinbar besonders in der Brustgegend ausgeprägter und härter zu sein scheinen.« Sie machte ein paar Schritte auf die Trage zu und beugte sich hinunter. Keinen Herzschlag später hatten Lowe und Jensson vorsorglich ihre Maschinenpistolen hochgerissen und zielten auf das Wesen.
»Ist das der Eindringling, den Sie in den Lagerräumen gefunden haben?«, wollte Skjelbred an Jensson gewandt wissen. Dieser nickte. »Ja, Ma’am. Wir fanden ihn und die Verpackungen verschiedener Energieregel und Einmannpackungen.«
»Erstaunlich«, hauchte Skjelbred und wandte sich fasziniert wieder dem Geschöpf zu. »Sein Metabolismus scheint keine Probleme mit unserer Nahrung zu haben.«
»Viel wichtiger ist die Frage, ob Sie so etwas schon einmal gesehen haben, Dr.?« Romanov trat an ihre Seite und suchte ihren Blick. Skjelbred richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid. So ein Wesen ist mir auf der Erde noch nicht untergekommen. Ich fürchte, es muss extraterrestrisch sein. Von der Erde kommt es mit Sicherheit nicht.«
Romanov straffte die Schultern und wechselte einen Blick mit Jensson.
»Gut. Jensson, Sie, Lowe und Lee durchsuchen noch einmal die unterste Ebene. Stellen Sie alles auf den Kopf und gehen Sie absolut sicher, dass dieser hier«, er wies mit der Hand auf das Wesen »der einzige Eindringling ist.« Die vier Soldaten nickten und bis auf Macek verließen sie die Krankenstation. »Macek, Sie bleiben hier und passen auf Jones, Skjelbred und die beiden anderen auf.« Die junge Soldatin nickte.
»Ich würde gerne genauere Untersuchungen anstellen, um mehr über dieses Wesen herauszufinden.« Skjelbred sah Dr. Jones an. »Dem schließe ich mich an. Wir haben das erste Mal Gelegenheit, außerirdisches Leben zu untersuchen.«
Romanov wiegte bedächtig den Kopf. »Ich kann ihr wissenschaftliches Interesse sehr gut nachvollziehen. Aber sorgen Sie in erster Linie dafür, dass das Wesen aufwacht, damit wir es befragen können. Sagen Sie Bescheid, sobald Sie etwas herausfinden.« Damit wandte er sich ab und marschierte von dannen.
»War die Brücke etwa die ganze Zeit unbesetzt?«
Kaum hatten sich die Türen zur Brücke mit einem hydraulischen Zischen geöffnet, wurde Romanov schon von einem kleinen Mann mit unverkennbarem tschechischen Akzent angefahren. Láska, wer sonst. Am liebsten hätte Romanov erwidert, dass die Brücke ja ganz offensichtlich nicht unbemannt gewesen war, aber er verkniff sich diesen Kommentar.
»Was machen Sie beide eigentlich hier?«, wollte er stattdessen von Láska und Ianson wissen, welcher sich bedächtig im Hintergrund gehalten hatte.
»Ich wollte mit Ihnen sprechen und der Sicherheitschef hat mich auf meine Bitte hin begleitet.«
Romanov seufzte und ging auf die vordere Fensterfront zu. Drückende Schwärze schaute ihm jenseits der Victory entgegen. »Worüber wollten Sie mit mir sprechen, Láska?«, fragte er schließlich nach einem Moment der Stille.
»Das ist vollkommen irrelevant, Romanov. Sie wissen ganz genau, dass die Brücke unter keinen Umständen unbesetzt bleiben darf. Ganz besonders, wenn hier ein Saboteur seine Finger im Spiel hat.«
Romanov atmete einmal tief durch ehe er sich umdrehte und das einzig verbliebene Mitglied der einstigen Missionskontrolle anfunkelte. »Ich sag Ihnen mal was irrelevant ist: diese Sicherheitsprotokolle, die sich irgendwelche Manager und Bonzen in ihren piekfeinen und völlig überteuerten Anzügen ausgedacht haben. Das hat doch rein gar nichts mit der Realität zu tun. Diejenigen, die sich das ausgedacht haben, sind seit Jahren tot. Niemanden interessiert es.« Es kam nicht oft vor, dass der Captain laut wurde oder die Fassung verlor, dennoch konnte er sich nicht länger zusammenreißen.
Doch statt den taktischen Rückzug anzutreten, zog Láska lediglich die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme. »Mich interessiert es, Captain. Das ist meine Aufgabe an Board. Jeder wusste um das mögliche Scheitern der Mission. Jeder wusste, dass die Victory eventuell nicht rechtzeitig einen bewohnbaren Planeten findet, um weitere Teile der Weltbevölkerung von der sterbenden Erde zu evakuieren. Jeder wusste das«, wiederholte er nachdrücklich und starrte Romanov wütend an. »Ich bin als Mitglied von Mission Control hier, meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Protokolle und Vorkehrungen und all die Maßnahmen, die ihr Astronauten für hinfällig und überholt erachtet durchgeführt werden. Gerade dann, wenn die restliche Bevölkerung der Erde schon seit Jahren tot ist. Ich kann nicht zulassen, dass Sie hier schalten und walten, wie es Ihnen passt.«
Er hatte Recht und Romanov wusste dies. Wahrhaben wollte er es dennoch nicht.
»Es reicht«, donnerte er. »Ich bin der Captain, wir haben einen Eindringling an Board, vielleicht sogar mehrere. In wenigen Stunden geht uns der Sauerstoff aus. Kommen Sie mir jetzt nicht mit irgendwelchen Prinzipien, Láska. Wenn wir das hier überleben, können Sie mir immer noch den Arsch aufreißen!«
Láska sah ihn einen Moment an und lachte dann grimmig.
»Nein, nein, nein«, meckerte Romanov über Funk und Láska hielt in seiner Bewegung inne. »Was ist denn nun schon wieder?«, stöhnte er entnervt auf.
»Erst die Trägheitsdämpfer, dann die Triebwerkzündungen. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?«
Láska fluchte und schnallte seinen Gurt los. Wütend stand er auf und stapfte durch das Shuttle zur Hecktür. Er knallte seine Hand auf die Türsteuerung und lief die Gittertreppe hinab in die große Trainingshalle des Gebäudekomplexes, was zu Zeiten der NASA noch für die Ausbildung amerikanischer Astronauten genutzt wurde. Er ließ das Simulations-Shuttle hinter sich und ging auf Romanov zu, welcher mit einigen Kollegen an einer Schaltzentrale vor dem Shuttle sämtliche Ereignisse darin beobachtet und kontrolliert hat.
»Ich bin weder Astronaut noch Kosmonaut, ich werde niemals ein Raumschiff steuern. Wieso um alles in der Welt muss ich diese Übung bestehen?«
Romanov verschränkte unerbittlich die Arme vor der Brust. »Um für den Notfall vorbereitet zu sein. Wir haben keine Ahnung, was uns da oben erwarten wird und wir sollten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es war doch die Idee von Mission Control, dass sich alle Kandidaten für die Besatzung dieser Übung unterziehen.«
Láska schnaubte. »Ja, alle Besatzungsmitglieder, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie mal hinter dem Schaltknüppel eines Raumschiffs sitzen werden.«
»Sie gehören doch zu Mission Control. Wie wollen Sie eine Ahnung von der korrekten Durchführung der Mission haben, wenn Sie es nicht mal schaffen, ein Shuttle zu starten, ohne es in die Luft fliegen zu lassen?« Romanov ließ sich nicht erweichen und auch Láska würde nicht von seinem Standpunkt abweichen. Sie starrten einander wütend funkelnd an, bis Láska schließlich die Hände in die Luft warf.
»Wissen Sie was? Wenn mir das dort oben«, er deutete mit dem Zeigefinger sinnbildlich auf die Deckenhalle »passieren sollte, dann können Sie mir immer noch den Arsch aufreißen.« Damit wandte er sich ab und stapfte davon.
»Wo wollen Sie jetzt hin?«, rief ihm Romanov hinterher als er nicht wie gedacht den Weg zum Simulationsgerät einschlug.
»Ich geh mir erst einmal einen Kaffee holen, weil ich Sie sonst mit meinen eigenen Händen erwürgen werde«, rief er theatralisch aus und marschierte, unverständlich auf Tschechisch vor sich hin murmelnd, in Richtung der Cafeteria davon.
Nachworte:
Hach, ich mag es ja, wenn die Leute sich streiten. Das macht unglaublich Spaß zu schreiben!
Also, ein Außerirdischer ist der Hacker. Hand hoch, wer hätte es gedacht? Nun ist die Katze aus dem Sack. Aber Romanov erinnert uns noch einmal daran, dass noch ein Problem aussteht: der Kohlenstofffilter funktioniert immer noch nicht. Schöne Scheiße, was bringt es denn wenn sie den Hacker gefunden haben, aber trotzdem alle drauf gehen werden...
Nun gut, das soll heute aber gar nicht unser Anliegen in den Nachworten sein. Viel eher möchte ich zu den Leserfragen kommen (also, meine Fragen an euch, nicht etwaige Fragen von Lesern an mich):
• Alle (also sowohl Leser ohne als auch mit einer eigenen Figur in der Geschichte): Wie werden sich Romanov, Jensson und Dr. Jones gegenüber dem Außerirdischen verhalten? Eher aufgeschlossen-neugierig oder wird sich abwehrend verhalten? Man möchte ja herausfinden, wieso es da ist, etc. Wie verhalten sich diese Figuren, sobald das Wesen aufwacht und befragt wird? Und wie verhalten sie sich hinterher, was soll mit ihm geschehen? Es dürfen gerne radikale Vorschläge geäußert werden.
•Lorekeeper Zinnia: Gleiche Frage wir dort oben für alle, nur in diesem Fall bezogen auf Skjelbred.
•OrangeGnome: Wie ging Eric mit der Frage um, welche Ingenieure auf die Victory kommen und welche auf der Erde bleiben sollten? Hat tatsächlich er die Entscheidung mitgetroffen oder hat er sich geweifert und damit das Risiko in Kauf genommen, dass er selbst von dem Programm ausgeschlossen werden würde? Was hätte er in diesem Falle dann getan? Und falls er maßgeblich an der Auswahl beteiligt war: wie ging es ihm dann damit und wonach hat er ausgesucht und wieso hat er sich bspw. für Boris entschieden? Hat er vielleicht sogar Rücksprache mit Winton gehalten? Oder Romanov?
• Ihr dürft alle generell auch gerne bei der Beantwortung solcher Fragen andere Figuren einbringen, die bspw. auf der Erde mit dem eigenen Charakter zusammengearbeitet haben oder die man jetzt innerhalb der Kapitel schon kennengelernt hat.
Prinzipiell muss ich aber auch euch allen nochmal ein Lob aussprechen, dass Kommentare und Reviews hinterlassen werden, auch wenn die eigene Figur keine so große Rolle in dem jeweils aktuellen Kapitel gespielt hat. Das finde ich wirklich absolut großartig und dafür dürft ihr euch selbst gerne mal auf die Schulter klopfen!
Ansonsten bleibt mir nur zu sagen
Bis zum nächsten Kapitel
Moony
Moony