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Erwachen

von Phaemonae
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu Yulivee
03.01.2016
02.04.2016
16
32.274
2
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02.04.2016 1.668
 
Wenn die frontale Konfrontation erfolglos war, musste sie es eben im Geheimen versuchen. Vor allem, da sie sich nicht wohl fühlte in der Gesellschaft beider Geschwister zu sein. Selbst gemeinsam mit Obilee. Die Missbilligung der Beiden war förmlich in der Luft zu spüren, selbst wenn ihre Gesichter nichts verrieten. Sie strahlten dennoch eine feindliche Atmosphäre aus. Und in dieser Gesellschaft konnte sie keine dunklen Geheimnisse aufspüren, dafür waren die Herren des Rosenturms zu wachsam und hatten zu lange an den Spielchen der Mächtigen teilgehabt. Auch wenn sie ihnen eingestehen musste, dass es so wirkte, als wären sie gute Herrscher. Sie kümmerten sich um ihr Volk und versuchten ihnen ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Auch wenn es schwer schien. Zu wenige Ackerflächen standen zur Verfügung und zu wenige Arbeitskräfte für viele der anderen Arbeiten. Allein die Rosenöle retteten das Land. Sie konnte jedoch einen Fortschritt erkennen. Nach den Tjuredkriegen war es deutlich schlimmer geworden und seitdem waren viele neue Albenkinder geboren worden, die nach und nach in ein arbeitsfähiges Alter kamen.
Auch schwelgten die Geschwister nicht in Prunk, wie manche Adeligen Arkadiens. Zwar hatten sie ein deutlich besseres Leben als ihre Untergebenen, doch steckten auch sie zurück, wenn es dem Volk schlecht erging. Und gerade Morwenna und ihre Heiler taten viel für die Gesundheit der Bevölkerung mit ihren Häusern der Heilung, die überall verteilt waren. Unruhen gab es dank der hervorragend ausgebildeten Wachen nicht, aber ob dies ein gutes Zeichen war, bezweifelte die Zauberweberin. Es zeugte eher von einer Herrschaft des Schreckens und der Gewalt. Genau das, was sie von den Sprösslingen Alathaias erwartete.
Yulivee musste vorsichtig sein, dass sie kein Misstrauen erregte und auch Zauber sollte sie lieber auf ein Minimum beschränken. Tiranu hatte ihr bereits bewiesen, dass er sich darin durchaus besser auskannte, als er zugab. Vielleicht gab es auch irgendeinen Zauber, der die Fürsten alarmierte, wenn das magische Netz stärker beeinflusst wurde. Zuzutrauen wäre es den Geschwistern und ihrer Mutter.
Heute hatte die Magierin beschlossen zum ersten Mal die Unterweisung der Schnitter zu beobachten. Dafür war sie weit vor Sonnenaufgang aufgestanden, um sich einen passenden Aussichtspunkt zu suchen, an dem sie hoffentlich möglichst viel mitbekam. Die Elfe wagte es sogar ihre Umgebung mit ihrem verborgenen Auge zu betrachten und wurde enttäuscht, dass äußerst wenige Zauber das magische Netz erhellten. Letztlich hatte sie einen geeigneten Platz hinter einer rosenbedeckten Säule gefunden. Mit viel Glück konnte sie hier sogar die Gespräche überhören!
Kurz nach Sonnenaufgang fanden sind endlich die ersten Elfenkrieger ein. Manche stellten sich in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich gedämpft. Sie alle trugen einfache Kleidung, eine locker anliegende Hose und eine weite Tunika. Viele hatten sogar ihr Haar im Nacken zusammengebunden. Und jeder trug eher dunkle, gedeckte Farben.
Sobald Tiranu den Platz betrat verstummten alle Gespräche und die Krieger verneigten sich kurz ehrerbietig vor ihrem Fürsten und Lehrmeister. Der Elfenfürst nickte ihnen zu und begrüßte sie knapp. Auch er trug die einfache Kleidung seiner Soldaten und hatte sein Haar zurückgebunden. Dann begannen die Elfen mit einem Aufwärmlauf, der sie ins Umland führte. Leise fluchte die Elfe. Damit hatte sie nicht gerechnet und ihren Platz wollte sie auch nicht verlassen!
Es verstrich etwa die Hälfte einer Stunde, bevor die Truppe zurückkehrte und sich auf dem Platz verteilte. Dort begannen sie mit leichten Aufwärm- und Dehnübungen, bevor Tiranu sich vor sie stellte und zu einer kurzen Rede anhielt: „Was rettet euch das Leben auf dem Schlachtfeld? Können? Es ist hilfreich zu überleben, doch was, wenn ihr an einen fähigeren Gegner geratet? Nein, es ist Einheit. Ihr müsst wie eine Person denken und handeln lernen, als wärt ihr nur Körperteile eines größeren Geistes. Ihr müsst auf einander Acht geben, ohne euch selbst außer Acht zu lassen. Und genau daran werden wir heute arbeiten!“
Der Elf stellte eine gerade Anzahl kleiner Gruppen zusammen und rief drei weitere Elfen zu sich. Diese stellten sich neben ihren Fürsten und auf seinen Befehl hin begannen je zwei Gruppen gegeneinander anzutreten. Sehr schnell herrschte ein, für Yulivee, fast unübersichtliches Durcheinander auf dem Platz. Tiranu und die drei Elfen, die er zu sich gerufen hatte, liefen an den Kampfgruppen vorbei und gaben leise Instruktionen, die größtenteils im Kampflärm untergingen. Als die Zauberweberin glaubte bald einzuschlafen, zog ihre Zielperson in ihrer Nähe unvermittelt seine Waffen und sie glaubte entdeckt worden zu sein. Sofort war sie hellwach und bereit augenblicklich aus der Gefahrenzone zu springen und einen Zauber zu weben. Doch Tiranu griff nicht sie an, sondern, mit einer tödlichen Eleganz, einen der Kämpfer in der Gruppe, der allzu sehr auf seine Gefährten geachtet haben musste und sich einen unsanften Stoß mit der Übungswaffe einfing.  
„Achte auch auf dich. Tot nützt du deinen Gefährten nichts!“ Der Elf murmelte beschämt eine Entschuldigung und schloss sich dann erneut dem Kampf an. Tiranu steckte die Waffen wieder weg und ging die Kämpfenden weiter ab. Nun erinnerte sein Gang sie umso mehr an eine Raubkatze, die ihre Beute umschlich, nur in einem unbemerkten Moment zuzustoßen. Gut ein duzendmal zog der Elfenfürst seine Waffen und griff einen der Elfen aus der Gruppe an. Einigen gelang es die Angriffe zu parieren und den Fürsten abzuwehren. Mit einem knappen Lob beendete der Fürst von Langollion den Angriff, um die Gruppen wieder zu umrunden. Ganz sicher war Yulivee sich nicht, sie glaubte jedoch dass auch die Krieger, die er an seine Seite gerufen hatte, seinem Beispiel folgten.
Irgendwann ertönte ein Ruf über den Kampfplatz und die drei Elfen, zumindest glaubte Yulivee, dass sie es waren, und einige, den Fürst umgebende Kämpfer, wandten sich nun ihrem Lehrmeister zu und griffen diesen an. Anstatt jedoch wütend zu sein, lachte dieser wahnsinnige Elf auf, als er blank zog und die Angreifer abwehrte. Es bildete sich ein recht undurchschaubares Knäuel um den Elfenfürsten und zahlreiche Schmerzenslaute. Nach und nach lichtete es sich und Yulivee erkannte ihre Zielperson gemeinsam mit den drei Elfen kämpfen. Der Elf wirkte durchaus etwas erschöpft so viele Gegner abgewehrt zu haben, trotzdem focht er mit einer unglaublichen Härte und Verbissenheit weiter und entledigte sich eines, seiner Gegner, als eine Elfenkriegerin ihm ihr Übungsschwert gegen die Hand mit dem Parierdolch schlug, sodass er ihn reflektorisch los ließ. Daraufhin fing sie sein Rapier mit ihrem Parierdolch und legte die Spitze ihrer Übungswaffe an die Kehle des Fürsten. Auf ein knappes Nicken Tiranus hin, senkte sie die Waffen und der Elfenfürst klopfte ihr auf die Schulter, bevor er seinen Dolch wieder einsammelte und die Waffen wegsteckte. Wenig später beendete er die Übungsstunde und lobte die Kämpfer, auch für den Überraschungsangriff. Danach löste die Gruppe sich auf und sortierte sich in kleine Gruppen, die zurück zu ihren Unterkünften gingen. Mehrfach hörte sie etwas von Bädern. Offensichtlich wollten die Kämpfer noch baden. Vielleicht auch der Elfenfürst? Unwillkürlich errötete sie, als sie daran dachte, was das bedeutete: Zahlreiche unbekleidete Elfen. Hatten sie denn alle kein Schamgefühl? Nein, bei diesem Fürsten wohl kaum. Mit Schaudern dachte Yulivee an die letzten Tage im Jadegarten zurück. Die Bäder waren frei zugänglich, niemand konnte sie dort herausschicken. Aber dann vernahm sie auch keine möglichen geheimen Pläne. Und sie musste sich alleine unter die Schnitter wagen, die allesamt nichts auf ihrer Haut tragen würden! Aber auch dort gab es Kriegerinnen.
Die Erzmagierin gab sich einen Ruck und lief eilig in ihr Zimmer zurück, sobald alle Elfen aus der Sichtweite des Kampfplatzes waren. Sie musste sich beeilen, wenn sie als Erste in den Bädern sein wollte.

***

Nicht alle Kämpfer waren gekommen, jedoch die Mehrzahl. Nur Tiranu fehlte noch. Anfangs war sie von den Kriegern seltsam angeblickt worden, letztlich entschieden sie sich aber sie zu ignorieren und gesellten sich in kleine Gruppen. Manche erzählten von ihren Familien, andere redeten über verschiedene Kampftechniken und welche, wann am sinnvollsten wäre. Yulivee betrachtete alles vom Beckenrand aus und fühlte sich vollkommen fehl am Platze. Und deutlich außerhalb ihrer Komfortzone. Keinesfalls würde sie aus dem Becken steigen, bevor alle Elfen wieder verschwunden waren, egal wie lange es dauerte.
„Was hast du hier zu suchen?“, ertönte eine Stimme in ihrem Rücken und erschrocken wandte Yulivee sich um. Ihr Blick fiel auf den Fürsten, der wie eine unheilschwere Regenwolke über ihr aufragte. Bis auf ein Tuch, das um seine Hüften geschlungen war, trug er nichts am Leib und der Blick der Elfe wanderte kurz über den muskulösen Körper des Elfen, bevor sie sich ermahnte und in sein düsteres Gesicht blickte.
„Baden“, entgegnete die Elfe leicht unsicher, hoffte jedoch das Zittern in ihrer Stimme verbergen zu können. Wenn er jetzt seinen Kriegern befahl sie zu ergreifen, er könnte vielleicht sonst etwas mit ihr tun und ihre Zaubermacht war gegen solch eine Überzahl unterlegen. Besonders bei der dunklen Magie, die wenigstens der Fürst sicherlich beherrschte!
„Halte dich von mir fern!“, befahl der Elf frostig und leise, bevor er zur Treppe in das Becken ging und, nachdem er das Tuch abgelegt hatte, hineinstieg. Trotz regte sich in ihr. So einfach ließ sie sich nicht davon abhalten ihm nachzuspionieren! Wenn er sie loswerden wollte, musste sie eindeutig auf der richtigen Fährte sein! Finster fixierte die Erzmagierin ihn. Dabei konnte sie den Gedankenfunken nicht unterdrücken, dass das Muskelspiel des Elfenkörpers durchaus Eindruck auf sie machte und sie auf eine seltsame Art faszinierte. Nicht nur der Oberkörper Tiranus, der der meisten Krieger hier, aber irgendetwas war anders bei dem Fürsten, dessen Äußeres so gar nicht zu seinem üblen Charakter passen wollte.
Mit großer Verwunderung betrachtete sie, wie der Elf relativ ungezwungen mit seinen Kriegern umging, auch wenn er keine Respektlosigkeit von ihnen zu dulden schien. Dennoch verstand er sich mit ihnen recht gut und behandelte sie deutlich freundlicher als gewöhnliche Diener oder Krieger. Auf jeden Fall behandelte er sie besser als jedes andere Albenkind fern von Langollion. Nur ab und an warf er ihr einen kurzen finsteren Blick zu, der sie zum Gehen aufforderte. Diese ignorierte Yulivee geflissentlich. Er gehörte mindestens überwacht. Darin behielt Emerelle Recht. Wer wusste, was der Fürst alles plante. Versucht sie zu verwirren hatte er schließlich bereits in der Vergangenheit. Das konnte sie nicht dulden! Diesem Mistkerl würde sie nicht nachgeben! Niemals!
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