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Erwachen

von Phaemonae
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu Yulivee
03.01.2016
02.04.2016
16
32.274
2
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14.01.2016 2.078
 
In all den Monaten hatte sie keine komprimierenden Details über das Fürstenhaus herausfinden können, aber heute hatte Yulivee Stimmen in einem der Räume gehört. Verstohlen spitzelte sie um die Ecke und beobachtete dort Tiranu und Morwenna, die zusammen Wein tranken und redeten. Was genau sie sprachen, konnte sie leider nicht verstehen, dazu war sie zu weit weg. Endlich hatte sie den Ort gefunden, an dem die Geschwister sich stets zurückzogen, wenn sie sie alleine ließen! Die Elfe entfernte sich ein gutes Stück und hauchte ein Wort der Macht, das sie unsichtbar werden ließ. Hoffentlich bemerkten sie sie nicht, denn Yulivee bezweifelte, dass sie gnädig wären, wenn sie einen Spitzel entdeckten. Denn Gnade existierte eher nicht im Vokabular der Geschwister.
„Du brichst morgen auf, um bei der Geburt anwesend zu sein?“, fragte Tiranu.
„Ja“, erwiderte die Fürstin ruhig. „Ich hoffe sehr, dass du nicht zu sehr Schaden genommen hast, wenn ich zurückkehre.“
„Hoffentlich“, stöhnte der Elf. „Vielleicht sollte ich mitkommen oder wenigstens die Lehrstunden pausieren, sonst vergesse ich mich vielleicht doch noch irgendwann. Wie kann jemand, der so viel Macht hat, so unglaublich unreif sein? Normalerweise werden Elfen mit dem Alter reifer, aber egal wie alt sie ist, sie bleibt ein unreifes Kind.“ Der Fürst lehnte sich zurück und seufzte. Yulivee musste das Verlangen unterdrücken ihm an die Kehle zu springen. Was bildete dieser arrogante Schnösel sich ein? Er durfte sicherlich nicht über sie urteilen! Was hatte er schon im Vergleich zu ihr erreicht? Sie hatte ein Volk in ihre Heimat zurückgeführt, die Seelen der Bibliothekare Iskendrias ausfindig gemacht und damit begonnen die Bibliothek in Valemas neu zu errichten. Er war nur in seine Rolle hineingeboren und stets von hinten bis vorne bedient worden!
„Offensichtlich“, entgegnete Morwenna trocken. „Manchmal kann man aber auch fast den Eindruck bekommen, dass du es darauf anlegst sie zu reizen. Obwohl du weißt, wie mächtig sie ist. Ich habe dich bereits oft genug gewarnt, dass du dich irgendwann noch umbringst, wenn du stets die Gefahr suchst.“ Morwennas Warnung wurde von einem leichten Lächeln begleitet, das ihr Bruder schmallippig erwiderte.
„Aber gerade die Gefahr macht es doch erst interessant. Wenn man die Unendlichkeit vor sich hat, kann sie sehr langweilig werden, sollte man immer die Sicherheit suchen.“
„Du bist ein Idiot, Tiranu!“, rief Morwenna leicht erzürnt. „Du hast bereits einen Feind, der es auf dich abgesehen hat und du weißt auch nicht, wann er seinen nächsten Zug macht und wie er aussieht!“
„Es war bereits sein vielen Monden ruhig“, antwortete der Fürst belustigt. „Vielleicht hat er erkannt, dass ich doch kein lohnendes Ziel bin. Außerdem habe ich die Dienerschaft auswechseln lassen und die Sicherheit im Rosenturm verstärkt. Ich lasse mich sicherlich nicht noch einmal so leicht überrumpeln!“
„Trotzdem sorge ich mich um dich!“ Nach diesen Worten Morwennas stellte der Fürst sein Weinglas ab und ergriff die Hände seiner Schwester.
„Ich passe auf mich auf, das verspreche ich dir“, entgegnete Tiranu ungeahnt sanft und einfühlsam. „So schnell wirst du mich nicht loswerden, auch wenn du das vielleicht manchmal bereust.“ Yulivee hatte nicht gedacht, dass dieser kaltherzige Mörder auch eine andere Seite hatte. Offensichtlich gab es auch bei ihm Dinge, die sein hartes, eisiges Herz berührten, ebenso wie bei seiner Schwester. So unwahrscheinlich ihr dies aus vorkam. Es war interessant sie so privat zu beobachten. Vielleicht konnte sie so noch die Leichen im Keller des Paares aufdecken.
„Dann geh‘ keine unnötigen Risiken ein, während ich fort bin und bitte, reize Yulivee nicht mehr so sehr!“, flehte die Heilerin. „Irgendwann geschieht sonst noch ein Unglück, du weißt, dass sie weder deine Selbstbeherrschung besitzt, noch irgendwelche Sympathien für dich hegt.“
„Die Sache mit der Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit“, merkte Tiranu an und Morwenna blickte ihn streng an. „In Ordnung, ich werde versuchen sie nicht unnötig zu reizen.“ Der Widerwille zu diesem Zugeständnis war seiner Stimme deutlich anzuhören.
Wenig später verabschiedete Morwenna sich, da sie morgen früh aufbrechen wollte. Tiranu blieb allein zurück und trank noch sein Glas leer, bevor auch er ging. Währenddessen hatte er unablässig seinen Gedanken nachgehangen, was auch immer sie waren. Sicherlich irgendwelche Arten, wie er sie weiterhin zu Tode langweilen konnte. Oder irgendwelche Methoden armen Verbrecher für ihre Taten möglichst grausam büßen zu lassen!

***


Auch während der Abwesenheit Morwennas saß Tiranu noch abends in dem Zimmer und genoss ein Glas Wein, während er seinen Gedanken nachhing oder einige Dokumente durchlas. Es war interessant den Fürsten einmal so zu sehen, wie er sich unbeobachtet gab. Ganz ohne seine Arroganz und den Sarkasmus, der ihn stets umgab, wenn er in der Gesellschaft anderer Albenkinder war. Es war seltsam diese Person vor sich zu sehen. Es war fast wie ein gänzlich anderer Elf. Nur manchmal verzog er sein Gesicht, wenn er Dokumente las, die nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Yulivee hatte sich regelmäßig in die Nähe geschlichen und ihn beobachtet. Irgendwann musste sie doch etwas über die Pläne herausfinden, in die er verstrickt war. Es war sicherlich kein Wunder, dass der Drahtzieher niemals aufgetaucht war.
„Es ist unhöflich Andere zu bespitzeln“, vernahm sie plötzlich eine kühle Stimme, die sie aus den Gedanken riss. „Hat dir das niemand beigebracht?“ Der Elfenfürst blickte genau in die Richtung, in der sie stand. „Jeder Zauber beeinflusst das magische Netz und wenn man nicht vollkommen ignorant ist bemerkt man die Schwingungen eines Zaubers. Ich dachte eine Zauberweberin deiner Fähigkeiten sollte das wissen.“ Erneut spielte die übliche Arroganz und Überheblichkeit in seiner Stimme mit, die in ihr das Verlangen, ihm Schmerzen zuzufügen, weckte.
Verblüfft löste die Magierin den Zauber und blickte den Elfen prüfend an. Wie lange hatte er schon gewusst, dass sie hier war? War vielleicht alles ein Theaterspiel gewesen?
„Bist du enttäuscht, dass ich hier nicht im Geheimen Revolutionspläne schmiede und das tue, was man von Alathaias Sohn erwartet?“ Yulivee schüttelte den Kopf. Ganz Unrecht hatte Tiranu ja nicht, sie hatte gehofft irgendwelche dunklen Geheimnisse zu entdecken, aber diese Genugtuung würde sie ihm sicher nicht geben und seine Vermutung bestätigen.
„Setz‘ dich, wenn du unbedingt hierbleiben möchtest oder gehe!“, fuhr er fort. „Du wirst hier keine dunklen Taten sehen.“
„Wenn du weißt, dass ich hier bin mag das wohl stimmen, aber ich beobachte dich. Bei Alathaia als Mutter…“
„Kann man nur böse sein?“, fragte Tiranu frostig. „Interessant, wie sehr ihre Taten und ihre Neigungen bezüglich der Magie alle davon ausgehen lassen, dass sie böse war. Ich würde eher sagen, sie war ambitioniert, letztendlich aber Emerelle doch nicht gewachsen. Was sie jedoch wusste. Dennoch hat sie sich gegen ihre Herrschaft gewehrt. Ich würde das eher mutig nennen.“
„Wie kann man jemanden, der solche Untaten begangen hat nur mögen und verteidigen?“, fragte Yulivee aufgebracht. Kurz glaubte sie Zorn in den Augen Tiranus aufblitzen zu sehen, doch der Elf hatte sich wirklich gut im Griff, wenn er es wollte.
„Sie war meine Mutter“, entgegnete der Elf frostig. „Und ganz egal, was man sonst über sie sagen mag, sie war eine gute Mutter und sie hat ihre Kinder geliebt.“
„Das kann wohl nur jemand glauben, der selbst kein Herz besitzt!“, spie Yulivee ihm entgegen. Der Fürst betrachtete sie kühl und trank sein Glas aus, bevor er es abstellte und aufstand.
„Dann solltest du dir vielleicht besser gar nicht die Mühe machen dich mit so jemandem überhaupt abzugeben oder nach dessen dunklen Geheimnissen zu forschen, denn jemand, der kein Herz besitzt und sich nicht von Gefühlen leiten lässt macht wohl eher keine Fehler, schließlich kann der Verstand uneingeschränkt herrschen.“
Mit diesen Worten ging der Elf und ließ sie mit ihren Gedanken allein.
„Auch ein Verstand kann Fehler machen!“, rief die Zauberweberin ihm hinterher, er reagierte jedoch nicht. Hatte er Recht? Und war es nicht wirklich so, dass sie bereits gesehen hatte, wie er Gefühle zeigte, auch wenn er sich dessen möglicherweise nicht bewusst gewesen war. Sein Gespräch mit Morwenna kam ihr ins Gedächtnis. Ihm lag viel an seiner Schwester, das hatte sie verstanden. War es das, was wirklich hinter dem verhärteten Herz Tiranus lag? Konnte er tatsächlich tiefere Gefühle empfinden oder war er nur ein hervorragender Schauspieler?

***


Tiranu blickte noch nicht einmal auf, als sie den Raum betrat.
„Überrasche mich und zeige mir, dass ich Unrecht habe!“, forderte Yulivee ihren Gegenüber auf. „Erzähle mir von Alathaia als Mutter.“
„Bitte, setz‘ dich“, entgegnete der Elf äußerst ruhig. „Getränke stehen auf dem Tisch, nimm dir, was du möchtest.“ Er hatte offensichtlich damit gerechnet, dass sie wiederkommen würde. Dieser eingebildete, manipulative, selbstverliebte Idiot. Eigentlich sollte sie jetzt wieder gehen, aber ihre Neugier war doch zu groß. Was würde er über die dunkle Fürstin erzählen? Welche Märchen würde sie zu hören bekommen?
Er begann zu erzählen und sie war sehr schnell gefangen. Er hatte eine schöne Erzählstimme, das musste sie ihm wirklich lassen. So sehr sie ihn auch verachtete und es hasste etwas Gutes an ihm zu finden. Als er endete, war sie unsicher, was sie glauben sollte. Wer wusste schon, ob er ihr nicht irgendwelche Geschichten aufgetischt hatte, um sie zu verunsichern? Vollkommen verwirrt kehrte sie zu Obilee zurück und bereute, dass sie ihre Freundin nicht mitgenommen hatte. Sicher hatte er sie in irgendeinen dunklen Zauber eingewoben, den sie nicht bemerkt hatte, weil seine Stimme sie so abgelenkt hatte!

***


Morwenna hatte es genossen den Vorgängen im Rosenturm für einige Zeit lang entfliehen zu können. Sie war länger als notwendig geblieben, als die Geburt und die Höflichkeit geboten hätten. Aber die ständigen Streitereien zwischen ihrem Bruder und seinen Begleiterinnen, vor allem Yulivee, hatten auch an ihren Nerven gezerrt. Irgendwann brachte Tiranu sich  noch ins Grab mit seiner Waghalsigkeit. Von seinem Stolz und seiner Sturheit ganz zu schweigen.
Überraschenderweise war es seit ihrer Rückkehr eher ruhig gewesen und die lautstarken Diskussionen hatten sich reduziert. Ihr Bruder schien ihre Bitte ernst genommen zu haben und seine Besucherinnen nicht mehr zu sehr provozieren. Es war eine Erleichterung für die Heilerin, auch wenn sie dies niemals zugeben würde.
Noch während ihr Bruder seine Kämpfer unterwies, machte die Fürstin sich auf den Weg in den weitläufigen Garten des Rosenturms. Sie musste einem alten Freund ihre Aufwartung machen. Während dieser Geburt hatte sie die Reste der Medizin verbraucht, für die sie eine ganz besondere Zutat benötigte.
Nach einiger Weile bemerkte Morwenna, dass sie verfolgt wurde. Kurz überlegte die Heilerin, ob sie umdrehen sollte, aber dies ließ sie nur verdächtig erscheinen und an ihren Taten war nichts Verderbliches. So ging sie weiter, auch wenn sie keine Außenstehenden an dem Ort sehen wollte, den sie nun besuchte. Aber es musste sein, zum Wohle Langollions. Dass mindestens eine von Emerelles Wachhunden dahinter steckte, bezweifelte sie nicht.
Endlich kam sie an einem großen Rosenstock an, der alle anderen Pflanzen in den Schatten stellte. Vor ihm angekommen, verneigte die Elfe sich ehrerbietig.
„Dagar Doranon“, begann Morwenna respektvoll.
Morwenna, du hast mich lange nicht mehr besucht, erhielt sie die Antwort der beseelten Rose.
„Verzeihe mir, doch die Zeit hat es leider nicht erlaubt“, entschuldigte sich die Fürstin. „Und leider kann ich auch heute nur kurz verweilen und muss dich um etwas deiner Pollen bitten.“
Wer ist deine Begleiterin?, fragte Dagar leise und Morwenna wandte sich um und erblickte Obilee, die dort stand und den beseelten Rosenstrauch fassungslos anstarrte. Es war nicht weithin bekannt, dass er hier wohnte.
Eine Feindin? Soll ich sie für dich entfernen?
„Nein, nur jemand, der seine Nase in Dinge hineinsteckt, die ihn nichts angehen“, entgegnete Morwenna kühl, an Obilee gewandt. Dagar musste in ihre Abneigung in ihren Gedanken aufgefangen haben, um die Vertraute Emerelles als Feindin zu bezeichnen.
Dann lasse ich dich mit ihr reden, lenkte der Rosenstrauch ein. Aber besuche mich bald wieder. Ich neige dazu hier einsam zu werden.
Die Fürstin neigte zustimmend den Kopf, was Dagar zu genügen schien. Er forderte sie auf, ihre Hände aufzuhalten und zwei Rosenblüten fielen in die Hände der Heilerin. Ehrerbietig dankte sie Dagar Doranon, bevor sie Obilee einen Blick zuwarf, der der Elfe bedeutete, ihr zu folgen.
Außer Hörweite der beseelten Rose wandte sie sich schließlich kühl an die Zauberweberin: „Überrascht, dass auch Langollion einen beseelten Baum besitzt?“
„Durchaus“, entgegnete Obilee. „Aber schließlich kann ein beseelter Baum seinen Standort nicht frei wählen. Er oder sie ist zu bedauern.“
Herablassend betrachtete Morwenna die Elfe. Sie begann immer mehr Sympathien für die Abneigung ihres Bruders, gegenüber der Besucher, zu entwickeln. Ein Wunder, wie gut er mit all den Anfeindungen umging, wenn dies die Regel war. Zu beneiden war er definitiv nicht. Und Morwenna dankte den Alben, dass sie mit den Besuchern nur sehr wenig zu tun hatte, während sie in ihre Arzneikammer zurückkehrte. Diese Elfen waren eine Zumutung, das hatte Obilee bewiesen.
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