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Erwachen

von Phaemonae
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu Yulivee
03.01.2016
02.04.2016
16
32.274
2
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12.01.2016 2.088
 
Dieser Ort ähnelte dem aus seinem Traum, nur dass er viel verwilderter war als in der Vision. Emerelle hatte ihm Obilee und Yulivee als Begleitung mitgeschickt. Gerade diese sprunghafte und kindische Magierin! Hoffentlich belästigten sie ihn möglichst wenig, während er seine Nachforschungen anstellte. Anfangs war er noch ein wenig auf Burg Elfenlicht verweilt, bevor sie abgereist waren, angeblich nach Talsin. Doch in Wirklichkeit waren sie von dort aus über einen weiteren Albenstern weitergereist und hatten das verbrannte Land zu Fuß durchquert. Dadurch hofften sie ihre Spur endgültig verwischen zu können. Dabei hatte der magische Sandsturm eine interessante Herausforderung geboten. Die Elfen waren jedoch schnell genug, um rechtzeitig den Zugang zu erreichen. Genug Verpflegung hatten sie mitbekommen. Regelmäßig wurde er nun von den Träumen geplagt. Es war als wäre ein Stopfen von einem Flakon gezogen worden und nach und nach erfüllte der Duft alles. Er träumte täglich. Von den Erinnerungen als Mörder. Als Mörder einer der einstigen Herrscher Albenmarks, dem Anführer der großen Himmelsschlangen. Nicht, dass diese Vergangenheit ihn mit Gewissensbissen plagte. Er war damals ein hervorragender Schwertmeister gewesen, so wie in diesem Leben auch. Aber dass er einst der Diener eines Drachen gewesen war, beschäftigte ihn durchaus. Er wandelte nun an den Orten, an denen er einst als Nodon geschritten war. Er erinnerte sich, wie das Ödland einst ausgesehen hatte, was für eine wundervolle Steppe es einst gewesen war. Und an die Tiere, die diesen Ort bewohnt hatten, vor allem an die Pegasi und an sein eigenes Tier, Mondschatten. Ein Tier, das er bereits früh im Krieg um Nangog verloren hatte, als er den Zweiten der Silberlöwen vom Himmel geholt hatte.
Dieser Ort half ihm sich zu erinnern. Vielleicht würde er dann vollständig verstehen, wer er einst gewesen war. Und warum Emerelle von den Bildern seines Traumes so erschrocken gewesen war. Was hatte sie zu verbergen, dass seine Erinnerungen vielleicht aufdecken könnten? Jede Handhabe gegen die Elfenkönigin wäre ein Gewinn für ihn. Vor allem in seiner jetzigen Position. Bereits seit einiger Zeit hatte er die Führung übernommen. Er wollte wissen, was von der Veste der Drachenelfen übrig geblieben war. Und wie die alten Zeiten wirklich gewesen waren. Ohne die Färbung der Geschichten seiner Mutter.

***


Yulivee verstand nicht, wie Emerelle dem Fürsten soweit vertrauen konnte, dass sie sie alle hierhin geschickt hatte. An einen Ort, den er bestimmt hatte. Seitdem die Elfenkönigin in seinen Gedanken gelesen hatte, beobachtete sie ihn genauer und sah ihn auch in einem anderen Licht. Was hatte sie erfahren? Und was sollten sie an diesem Ort? Was beschäftigte Emerelle am Sohn Alathaias? Und warum hatte er anfangs so desorientiert gewirkt und übernahm nach und nach die Führung? Was für ein Spiel spielte er? Viele Fragen und keine Antworten. Was erwartete sie hier? Führte er sie in eine Falle? Ihre magischen Sinne blieben gespitzt und sie blieb in stetigem Kontakt mit dem magischen Netz. Sollte er etwas versuchen würde sie wenigstens ihn mit in den Tod reißen!

***


Die Veste stand noch. Die Drachenmagie hatte alles überdauert und die Gebäude überdauern lassen. Die Dunkelheit, die die Toten verbarg, stimmte ihn traurig. In seinem anderen Leben hatte er all die Kämpfer gekannt. Er hatte sie ausgebildet und an ihrer Seite gekämpft. Es waren seine Drachenelfen gewesen, ebenso wie Nachtatems. Sie hatten es nicht verdient so hier zu liegen. Ohne ein anständiges Begräbnis. Ihre Seelen waren sicherlich längst wiedergeboren oder vielleicht sogar ins Mondlicht gegangen, dennoch war es nicht Recht. Tiranu führte seine Begleiterinnen zu den Wohnräumen und ließ sie Zimmer auswählen, während er selbst sein Lager im Zimmer seiner früheren Inkarnation aufschlug. Dann ging er stumm hinab und begann die Toten nach all den Jahrtausenden zu bestatten. Obwohl es niemanden hier störte, konnte er sich dieser Sentimentalität nicht entwehren. Es waren große Krieger gewesen, jeder Einzelne von ihnen. Und somit verdienten sie auch jetzt noch bestattet zu werden. Bei den Angreifern zögerte er kurz, aber sie hatten Befehlen gehorcht. Wie fehlgeleitet sie auch immer waren, auch sie verdienten ein Begräbnis. Als er mit seinem Handwerk fertig war, kehrte er still zu seinem Lager zurück, tief in seinen Gedanken versunken.

***


Der Elfenfürst schritt tief in die Eingeweide der Veste hinab. Irgendwo hier war der Eingang zur Bibliothek gewesen. Ob davon noch irgendetwas übrig war außer Staub, konnte er nicht sagen. Er glaubte es eher nicht, aber die Drachenmagie hier hatte äußerst viel erhalten. Vielleicht auch die Bücher.
Wenigstens war er hier in dem Gebäude öfter seine zwei Verfolgerinnen los. Ihre dauerhafte Präsenz und der stete Argwohn zehrte sehr an seinen Nerven. Ein wenig Ruhe in einem Raum, den sie nicht finden könnten, wäre genau das, was er gebrauchen konnte. Endlich spürte Tiranu, wie ein Wandsegment unter seinen Fingern nachgab und nach innen schwenkte. Leise schlüpfte er hindurch und schloss den Eingang hinter sich. Er wusste, dass es von innen einen Auslöser gab. Sehr viel seiner frühen Zeit als Nodon war zurückgekehrt, gerade in der späteren Zeit gab es jedoch noch viele Lücken. Er hoffte hier vielleicht Antworten zu erhalten oder zumindest Erinnerungen wach zu rufen. Wer wusste, wie lange er noch hier verweilen konnte und wie einfach die Erinnerungen jenseits des Jadegartens zurückkommen würden!
Zu seiner Freude war die Bibliothek erhalten geblieben. Die Drachenmagie hatte auch einen großen Teil der Bücher erhalten. Der Raum war von zahlreichen Barinsteinen erhellt und im vorderen Teil standen mehrere Lesepulte. Vorsichtig schritt Tiranu an den jahrtausendalten Werken vorbei und las dabei die zahlreichen Beschriftungen. Endlich kam er zu dem Regal, in dem mehrere Drachenelfen des Jadegartens ihre Erinnerungen an den Krieg um Nangog festgehalten hatten. Fast schon zärtlich sammelte der Schwertmeister einige Werke in seinen Armen, bevor er sich an einem Lesepult einfand. Interessiert tauchte er in die Gedankenwelt eines lange verstorbenen Elfen ein. Der Name kam ihm bekannt vor. Es war einer der Toten im Erdgeschoss gewesen.
Nach und nach ging der Elfenfürst die Werke durch. Manche Werke zierten sogar detaillierte Zeichnungen. Diese stammten von einer Drachenelfe, die ihren Ausgleich in der Malerei gesucht hatte. Mit den Bildern auf dem Papier kehrten langsam auch einige an die Oberfläche seines Geistes. Dabei vergaß Tiranu ganz die Zeit, bis plötzlich eine ganz bestimmte Erinnerung zurückkehrte. Glühend heißer Schmerz durchfuhr seinen Körper und der Elf keuchte erschrocken auf, während er unbewusst seine linke Hand im Stoff über seinem Herz verkrallte. Die Atmung des Schwertmeisters ging keuchend und seine Pupillen waren riesig weit gestellt.
Erst nach einigen Minuten begann sein Verstand wieder normal zu arbeiten und nach und nach hatte er sich wieder vollständig im Griff. Das war nicht er gewesen, nicht er war gestorben. Nodon hatte seinen Meister gefunden. Trotzdem war es nicht weniger schmerzhaft und traumatisch gewesen, auch wenn der Fürst das niemanden, noch nicht einmal wirklich sich selbst, eingestehen würde.
Tiranu beschloss, dass er für heute genug Zeit in der Vergangenheit verbracht hatte und kehrte auf sein Zimmer zurück, wo er bereits von zwei Magierinnen erwartet wurde.
„Wo warst du?“, fragte Yulivee streng.
„Ich habe den Ort erkundet“, entgegnete der Elf ruhig. „Aber mir war nicht bewusst, dass ich über jegliche meiner Schritte Rechenschaft ablegen muss. Soweit ich informiert wurde, bin ich hier kein Gefangener.“ Verächtlich schnaubte die Erzmagierin und ihr Gesicht machte deutlich, wie viel sie davon hielt.
„Keine Alleingänge mehr“, entschied Obilee strenger, bevor ein Streit erwachsen konnte. „Zwar weiß wohl niemand, wo wir uns befinden, dennoch sollten wir Vorsicht walten lassen. Außer natürlich du steckst doch hinter all den Vorgängen. Dann wird jedoch auch die Falle erfolglos sein.“
„Selbstverständlich giere ich so nach Erniedrigung und Schmerz…“, begann Tiranu frostig.
„Vielleicht nicht, aber wenn es deinen Plänen dient ist dir nichts zu schade!“, warf Yulivee ihm hitzig vor. Dass die Magierin auf die Tjuredkriege anspielte war nicht schwer zu erraten.
„Wenn du das sagst“, bemerkte der Elfenfürst herablassend. „Ich würde nun jedoch gerne ein wenig ruhen. Wenn ihr euch also entfernen würdet.“ Yulivees Blicke in seine Richtung schienen seine Seele auf der Stelle vernichten zu wollen.
„Sicher nicht“, entschied die Erzmagierin. „Du schleichst dich nicht wieder fort. Ab jetzt bleibt mindestens einer von uns hier. Schließlich sollen wir ja auch Kindermädchen spielen, da du nicht selbst auf dich aufpassen kannst.“ Ein spöttisches Lächeln, das seinen Zorn ob der Aussage etwas verbergen sollte, schlich sich auf die Lippen des Elfenfürsten. Er würde noch sehen, ob die zwei Elfen nicht noch in die Flucht schlagen könnte. Denn niemand von ihnen war am Hofe seiner Mutter aufgewachsen. Betont langsam begann er seine Kleidung abzulegen und Obilee räusperte sich und wandte sich deutlich verlegen um. Yulivee jedoch betrachtete ihn herausfordernd, offensichtlich davon noch nicht genug beeindruckt. Also fuhr Tiranu fort. Kurz bevor er vollständig entkleidet war, wandte die Erzmagierin sich auch um, blieb jedoch wie ihre Freundin im Raum. Wenigstens einen kleinen Sieg hatte er erzielen können! Er zog sich eine andere Hose über, bevor er sich auf sein Lager legte.
„Eine erholsame Nachtruhe wünsche ich meinen Begleiterinnen“, feixte der Elf höhnisch und fing sich dafür zwei finstere Blicke ein. Zu seiner Zufriedenheit wandte Obilee sich rasch wieder verlegen ab und ging letztendlich doch, ihrer Freundin kurz etwas zu murmelnd. Diese schüttelte daraufhin den Kopf, ließ sich jedoch neben dem Eingang nieder, ihn mit ihren Blicken fast schon festnagelnd. An kleinen Gesten erkannte der Elfenfürst jedoch, dass auch ihr der Anblick etwas unangenehm war. Es war so interessant, wie berechenbar diese ganzen prüden Elfen manchmal doch waren.

***


Am nächsten Morgen erwartete ihn Obilee, die in irgendeine Stickarbeit vergraben war, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Entspannt und ausgeruht, trotz der Überwachung, erhob der Elfenfürst sich und zog sich um. Die ehemalige fahrende Ritterin gab zwar keinen Kommentar ab, ihr Gesicht verriet sie jedoch. Eine ungewöhnliche Röte war auf ihm zu erkennen.
Als er sich der Tür näherte, brach die Elfe ihre Arbeit ab und verstaute sie in ihrem Beutel, bevor sie ihm den Weg verstellte.
„Wo willst du hin?“, forderte sie zu wissen. Kurz spielte Tiranu mit dem Gedanken etwas Anzügliches fallen zu lassen, verwarf ihn aber. Bewahre, dass er irgendjemanden von ihnen glauben ließ, dass er es so nötig hätte, sich mit zwei von Emerelles Speichelleckern abzugeben.
„In den Garten“, entgegnete der Elf eisig und schob Obilee unsanft zur Seite. Unter einigem Protest öffnete er die Tür. Die Elfe war ihm einfach nicht gewachsen. Verächtlich kräuselte er die Lippen und ging los. Wenn sie ihn begleiten wollten, sollten sie das tun, er würde sicherlich weder auf sie warten, noch Rücksicht auf sie nehmen.
Noch bevor er die Veste verlassen hatte, überholten ihn die beiden Magierinnen und stellten sich ihm in den Weg.
„Hier geblieben!“, forderte Yulivee ihn auf. Tiranu bedachte sie nur mit einem herablassenden Blick und zwängte sich wortlos zwischen ihnen hindurch. Die Elfen ergriffen beide seine Arme und versuchten ihn am Weitergehen zu hindern. Da dieses Spiel einfach nur kindisch war, blieb der Elf stehen.
„Das hier ist kein Gefängnis“, entgegnete der Fürst frostig. „Also lasst mich also los. Wenn ihr das unbedingt für notwendig haltet, begleitet mich. Solltet ihr mich jedoch am Verlassen der Veste hindern, muss ich meinen Rechten mehr Nachdruck verleihen.“
„Emerelle wird davon erfahren!“, drohte Obilee und Tiranu lachte kalt.
„Und das soll mir Angst machen?“, fragte der Elfenfürst herablassend.
„Deine Handlung wird Konsequenzen nach sich ziehen“, entgegnete die Vertraute Emerelles, ließ aber los. Yulivee zögerte etwas länger, bevor auch sie seinen Arm wie eine heiße Kohle frei ließ.
Selbstgefällig machte der Elf sich wieder auf den Weg.
Einige Zeit streifte er durchaus durch den verwilderten Jadegarten, bis ihn seine Schritte vor den Eingang der Pyramide trugen. Kurz überlegte er, wegen seiner Bewacherinnen umzukehren, entschied dann aber, dass er weder sie noch Emerelle schützen musste. Denn die Mutter der Elfenkönigin war einst eine seiner Drachenelfen gewesen, das wusste er.
Den Protest Obilees in seinem Rücken ignorierend, betrat er das einstige Heim Nachtatems. Es war überraschend, dass die sprunghafte, kleine Magierin nicht auch noch etwas zu sagen hatte. Da er jedoch bald Laute des Staunens aus seinem Rücken vernahm, verstand er, weshalb sie geschwiegen war. Offensichtlich betrachtete sie dies nun als ein kleines Abenteuer. Verächtlich durchschritt er die verschiedenen Räume, bis er im ehemaligen Thronsaal ankam. Das Wasser war brackig und unansehnlich. Hier gab es wohl niemanden mehr. Dennoch trat er auf den Thron zu, durch das Wasser. Obilee blieb angewidert zurück, während Yulivee ihm folgte. Aber auch sie wirkte nicht sehr begeistert. Tiranu bereitete es auch keine Freude, aber noch einmal wollte er diesen Ort sehen. Die Kleidung würde er danach jedoch waschen, ebenso wie sich. Ein gehässiges Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er daran dachte, wie seine Begleiterinnen ihn dabei bewachen wollten.
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