Erwachen
von Phaemonae
Kurzbeschreibung
Ein mysteriöser Brief erscheint im Rosenturm und plötzlich gehört die Stille und Ruhe im Fürstentum der Vergangenheit an. Wer hat die Jagd auf den Fürsten eröffnet?
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu
Yulivee
03.01.2016
02.04.2016
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11.01.2016
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Yulivee hatte ihre Begleiter inzwischen um sich geschart. Sie hatte viele ehemalige Elfenritter unter ihr Banner gerufen. Sie brauchten Waffenkraft, um gegen den Fürsten und seine Schnitter vorgehen zu können. Denn mit diesem Gegner mussten sie rechnen. In den letzten Tagen hatten sie sich so gut wie möglich vorbereitet auf das, was sie möglicherweise erwarten würde. Sie waren auf das Schlimmste gefasst. Die Elfenkönigin zog es vor, wenn sie den Fürsten lebend vor sie brächten, jedoch verstand sie, dass es möglicherweise nicht möglich wäre ihn lebend zu fassen. Denn Emerelle wollte ihn vor Gericht stellen und ihn öffentlich richten. Das war auch das, was er verdient hatte!
Die Erzmagierin hielt ein Kleidungsstück Obilees in der Hand und begann den Suchzauber zu weben. Hoffentlich lebte sie noch! Wie sollte sie es nur ohne ihre Freundin an Emerelles Hof überleben, ohne in Langeweile zu vergehen?
Er lief durch einen ihm vollkommen unbekannten Garten. Aber er war in Albenmark, das erkannte er am Himmel. Daia wirkte anders. Noch nie zuvor hatte er diesen Ort gesehen. Alles wirkte so friedlich. Woher dieser Traum kam, wusste sie nicht. Er hatte irgendein Ziel, irgendeine wichtige Aufgabe, die er zu erledigen hatte, was es war, wusste er nicht. Ein ihm unbekanntes, schlankes Schwert baumelte an seiner Seite und er trug rote Kleidung. Die Kleidung war in einem Schnitt, der ihm gänzlich unbekannt war.
Als er um eine Kurve bog, stand er plötzlich Auge in Auge mit einem riesigen, pechschwarzen Ungeheuer. Er blickte in das Gesicht eines riesigen Drachen, der größer war als die, die seine Mutter einst beschworen hatte. Dieses Monster schien ihn erwartet zu haben. In der Spiegelung des Auges konnte er sich selbst erblicken. Hellblondes Haar umrahmte seine feinen Gesichtszüge und schwarze Löcher starrten ihm aus seinem Spiegelbild entgegen.
„Mein Gebieter“, verneigte er sich ehrerbietig vor dem Ungeheuer.
Schwer atmend erwachte Tiranu. Was hatte das zu bedeuten? Wann war er überhaupt eingeschlafen? Sein Versuch sich selbst zum Schweigen zu bringen, indem er die Nahrung verweigerte war fehlgeschlagen. Statt ihres Gebräus hatten sie ihm bei jedem ihrer Treffen weitere Flüssigkeiten eingeflößt. Oftmals war diese rohe Behandlung auch in seiner Luftröhre und in einem Hustenanfall geendet.
Mit einem beklemmenden Gefühl betastete er sein Gesicht vorsichtig. Es war noch immer das ihm vertraute. Auch wenn er lieber nicht in den Spiegel sehen wollte, so verunstaltet, wie es nach all den Tagen sicherlich war. Die Schwellungen konnte er spüren. Von seinen feinen Gesichtszügen war nur noch wenig zu erkennen. Vermutlich sah nun selbst ein Troll im Vergleich zu ihm wie eine Schönheit aus. Wenigstens hatten sie bisher davon abgesehen ihm irgendetwas zu brechen. Wie lange sie diese Zurückhaltung auch immer noch pflegen würden.
Der Blick des Fürsten streifte seine Mitgefangene. Obilee schlief. Sie war das eine Mal ebenso schwer zugerichtet worden wie er selbst. Wie lange würde es dauern, bis der Anführer erkannte, dass aus ihm nichts herauszubekommen war und er sich ihrer beiden entledigte? Lange konnte es nicht dauern.
Noch wichtiger plagte ihn jedoch die Frage, was der Traum zu bedeuten hatte. Er stand schwerfällig auf und betrachtete die Wand, während er sich die Bilder erneut in Erinnerung rief. Wer war der blonde Elf gewesen, dessen Leben er kurz verfolgt hatte? Nein, der er gewesen war! Und weshalb hatte er dem Drachen seine Aufwartung gemacht? Die Elfen fürchteten Drachen und bekämpften sie. Sie waren ein Werkzeug. War dies eines seiner alten Leben gewesen? Aber was war er gewesen? Und was hatte das zu bedeuten? Die wenigsten Elfen erinnerten sich an ihre vorangegangenen Leben und selbst dann nur mit viel Vorbereitung und durch lange Meditation. Hatten dies die Tränke bewirkt, die seine Zunge lösen sollten? Das konnte er nicht glauben. Es hatte normalerweise seine Gründe, warum die vorherigen Leben vor ihnen verschlossen blieben und weshalb sollte ihn diese Ehre nun ereilen?
Irgendwann war auch Obilee erwacht und betrachtete den Elfen. Sollte er wirklich nichts wissen, was er allen immer erzählte, war sein Schweigen verständlich. Verlangte sie wirklich von ihm sich etwas auszudenken, damit sie freikamen oder alles beendet wurde? Bestand für sie wirklich die Hoffnung zu überleben, sollte Yulivee sie finden? Aber wusste er wirklich nichts? Das konnte sie nicht glauben. Immer wieder fragte sie sich das. Eines jedoch musste sie dem Fürsten lassen. Sollte er wirklich die Fragen beantworten können, verstand sie nicht, weshalb er es nicht einfach schnell zu Ende brachte. Tat er es wirklich, weil sie noch eine Chance hatte? Das glaubte sie eigentlich nicht, dafür war er viel zu selbstsüchtig. Doch für einen arroganten Fürstenschnösel hatte er ein ziemliches Durchhaltevermögen, das musste sie ihm zugestehen. Irgendetwas schien ihn jedoch zu beschäftigen. Er wirkte so unglaublich abwesend und entrückt.
Der Zauber wirkte. Sie waren durch den Albenstern am Rosenturm geschritten und reisten durch das Goldene Netz. Die Zauberweberin machte sich Sorgen um ihre Freundin. Sollte sie Tiranu in ihre Finger bekommen, würde er etwas erleben, das schwor sie sich. Auch wenn sie geschworen hatte niemanden mit Magie Schaden zuzufügen, bei ihm konnte sie sich vorstellen dies kurzfristig zu vergessen und ihn leiden zu lassen.
Je näher sie kamen, desto mehr Sorgen machte Yulivee sich. Sie durfte gar nicht daran denken, was ihr alles passiert sein könnte! Obilee war am Leben und es ging ihr gut! Letzten Endes führte der Zauber sie vor eine alte, baufällige Hütte, in der sie niemanden entdecken konnte. Sie war nicht sehr weit von einem niederen Albenstern entfernt, was entweder wirklich dumm oder besonders schlau war.
Das Gebäude war augenscheinlich leer, so lange sie die Räume auch durchsuchten, aber irgendwo hier war Obilee. Der Zauber funktionierte korrekt!
Nachdem der Suchtrupp das Gebäude nochmals ganz genau auf den Kopf stellte, entdeckten sie einen verborgenen Zugang zu Kellerräumen. Dort trafen sie auch endlich auf Leben, auch wenn es nur zwei vermummte Gestalten waren, die vor der einzigen Tür am Ende des Ganges Wache hielten. Sobald sie die Eindringlinge jedoch bemerkten, kehrte Bewegung in die Gestalten ein, die trotz der Überzahl offenbar kämpfen wollten. Die Pfeile ihrer Maurawan beendeten den Widerstand jedoch rasch. Vom Fürsten war hier jedoch leider keine Spur. Besorgt eilte Yulivee mit zwei ihrer Kämpfer auf die Tür zu und riss sie auf. Ihr Blick fiel auf zwei übel zugerichtete Gestalten, in einer erkannte sie ihre alte Freundin, in der anderen… die Person, die sie für den Drahtzieher gehalten hatte. Was wurde hier gespielt?
„Yulivee!“, rief Obilee erfreut aus. „Endlich! Ich weiß nicht, wie lange ich es noch hier ausgehalten hätte!“ Der Elfenfürst verzog daraufhin nur spöttisch die Lippen, verzichtete aber auf einen Kommentar. Was vielleicht auch an den mehrfach aufgeplatzten Lippen liegen konnte. Auf ihren Befehl hin durchsuchte einer die Toten nach den Schlüsseln für die Fesseln, während Yulivee zu Obilee eilte. Da die Wachen sie jedoch nicht bei sich trugen, bedeutete die Elfe die Fesseln anderweitig zu öffnen.
Da Magie keine Wahl war, versuchten die Kämpfer es mit Waffengewalt. Sobald das nach einiger Zeit erledigt war, nahmen zwei der Krieger den Elfenfürsten in Gewahrsam, der die ganze Zeit erfreulich still gewesen war. Insgesamt war er in der kurzen Zeit eher sehr kooperativ gewesen. Und seltsamerweise mussten seine zwei Beschützer ihn fast schon stützen, so schwer schien ihm schon das aufrechte Gehen zu fallen. Insgesamt wirkte der Elf stärker zugerichtet als ihre Freundin und auch weitaus ausgemergelter und schwächer. Humpelnd umarmte Obilee sie und schritt dann an ihrer Seite aus dem Gefängnis.
Natürlich glaubten alle wieder nur das Schlimmste von ihm! Was erwartete er auch? Aus den geflüsterten Gesprächen ihrer Retter hatte er das heraushören können. Selbst jetzt glaubten sie nicht gänzlich an seine Unschuld und daran, dass er das Opfer war. Aber er hatte geschwiegen. All die Arbeit, die Taten seiner Mutter in den Hintergrund zu drängen, war nicht vergebens gewesen. Und somit würde ein großer Teil seiner Geheimnisse bewahrt bleiben und hoffentlich mit ihm sterben. Jetzt blieb nur noch abzuwarten, wie objektiv Emerelle alles betrachten würde oder ob sie die Gelegenheit ergriff und sich seiner entledigte. Das traute er ihr durchaus zu.
Als sie ihn vor Emerelle führten, brachte er all seine Kräfte auf, um alleine stehen zu bleiben. Auch so machte er bereits eine außerordentlich schlechte Figur. Er versuchte sich nichts von seiner Schwäche anmerken zu lassen und folgte der Hofetikette vollkommen steif. Tiranu beantwortete alle Fragen wahrheitsgemäß und versuchte die Erschöpfung aus ihnen herauszuhalten, dennoch erkannte er den Zweifel in den Blicken um sich herum. Selbst die Königin glaubte ihm nicht vollkommen. Das bewies sie, als sie am Ende alle herausschickte und nur ihn und zwei Bewacher anhielt zu bleiben. Seine Vermutung wurde leider bestätigt. Dann trat sie direkt an ihn heran.
„Diese Geschichte klingt wirklich ausgesprochen seltsam. Obilee hat sie bestätigt, dennoch besteht ein kleiner Zweifel. Kooperierst du ihn auszuräumen?“
Als sie ihren Albenstein herausholte, wusste er, was sie plante. Seine Geheimnisse waren gut verborgen, aber… sein Leben war bei einer Weigerung zweifellos verwirkt, daher gab er Emerelle letzten Endes sein widerstrebendes Einverständnis. Mit viel Glück sah sie nichts darin, was sie dazu bewegte ihn zum Richtblock zu führen.
Sie begann seine Erinnerungen zu durchsuchen. Irgendwann stieß sie auf seinen Traum und augenblicklich brach der Kontakt zwischen ihnen ab und die Elfe betrachtete ihn prüfend. Dann befahl sie auch den beiden Wachen sie alleine zu lassen. Widerstrebend leisteten sie ihrem Befehl Folge.
Als Emerelle die Gedanken des Fürsten durchsucht hatte waren nur entlastende Dinge ans Licht gekommen. Aber was sie wirklich erschüttert hatte war diese eine Erinnerung gewesen.
Nodon. Der Schwertmeister des Dunklen. Er begann sich zu erinnern.
„Weist du, was du gesehen hast?“, fragte sie den Fürsten scharf. Er bot ein elendes Bild, hielt sich dafür aber gut. Er war stolz. Insgesamt hatte sie es bereits sehr lange gewusst, schließlich hatte sie den Ersten der Drachenelfen des Jadegartens kennen gelernt. Auch wenn sie damals noch sehr jung gewesen war. Sie waren sich äußerst ähnlich.
„Nein“, entgegnete der Fürst knapp.
„Du wirst weiterhin verfolgt werden. Wer könnte dahinterstecken?“
„Fast ganz Albenmark“, entgegnete der Fürst kühl. Emerelle konnte dem nichts mehr hinzufügen, die Antwort war ehrlich und entsprach einer äußerst sachlichen Einschätzung. Er machte sich keine Illusionen.
„Um die Person aus der Reserve zu locken, könntest du alle glauben lassen, dass du mir nicht ganz traust und unter Beobachtung gesetzt hast.“, schlug der Elf vor. „An einem Ort, an dem deine Untergebenen warten werden, während ich mich an einem anderen Ort aufhalte. Wie den Ort, den ich gesehen habe.“ Zwar wollte er seine Häscher selbst zur Rechenschaft ziehen, aber die Gefahr eines Fehlschlages wäre in der jetzigen Lage zu groß und zu fatal. Noch war seine Unschuld an der Inszenierung nicht vollständig bewiesen.
„Weißt du wo dieser Ort liegt?“, fragte die Elfenkönigin.
„Nein. Doch ich gedenke es herauszufinden.“
Kurz zögerte Emerelle. Wollte sie diesen speziellen Elfen wirklich in den Jadegarten gehen lassen? Doch seine Erinnerungen hatten begonnen zu erwachen. Lieber geschah dies nach ihren Bedingungen, als dass er dort irgendwann alleine hinging. So konnte sie loyale Mitglieder ihres Hofes mitschicken, die ein Auge auf den Elfen hatten. Ganz trauen konnte man ihm nicht. Warum nur war Nodons Seele in diesem Elfen wiedergeboren worden? Wie war es Alathaia nur gelungen? Und hatte sie einen Fehler begangen, als sie den Elfen nach den Schattenkriegen verschont hatte? Trotz des Dienstes den er ihr indirekt erwiesen hatte.
Vielen Dank an Riniell für die Favoritisierung.
Die Erzmagierin hielt ein Kleidungsstück Obilees in der Hand und begann den Suchzauber zu weben. Hoffentlich lebte sie noch! Wie sollte sie es nur ohne ihre Freundin an Emerelles Hof überleben, ohne in Langeweile zu vergehen?
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Er lief durch einen ihm vollkommen unbekannten Garten. Aber er war in Albenmark, das erkannte er am Himmel. Daia wirkte anders. Noch nie zuvor hatte er diesen Ort gesehen. Alles wirkte so friedlich. Woher dieser Traum kam, wusste sie nicht. Er hatte irgendein Ziel, irgendeine wichtige Aufgabe, die er zu erledigen hatte, was es war, wusste er nicht. Ein ihm unbekanntes, schlankes Schwert baumelte an seiner Seite und er trug rote Kleidung. Die Kleidung war in einem Schnitt, der ihm gänzlich unbekannt war.
Als er um eine Kurve bog, stand er plötzlich Auge in Auge mit einem riesigen, pechschwarzen Ungeheuer. Er blickte in das Gesicht eines riesigen Drachen, der größer war als die, die seine Mutter einst beschworen hatte. Dieses Monster schien ihn erwartet zu haben. In der Spiegelung des Auges konnte er sich selbst erblicken. Hellblondes Haar umrahmte seine feinen Gesichtszüge und schwarze Löcher starrten ihm aus seinem Spiegelbild entgegen.
„Mein Gebieter“, verneigte er sich ehrerbietig vor dem Ungeheuer.
Schwer atmend erwachte Tiranu. Was hatte das zu bedeuten? Wann war er überhaupt eingeschlafen? Sein Versuch sich selbst zum Schweigen zu bringen, indem er die Nahrung verweigerte war fehlgeschlagen. Statt ihres Gebräus hatten sie ihm bei jedem ihrer Treffen weitere Flüssigkeiten eingeflößt. Oftmals war diese rohe Behandlung auch in seiner Luftröhre und in einem Hustenanfall geendet.
Mit einem beklemmenden Gefühl betastete er sein Gesicht vorsichtig. Es war noch immer das ihm vertraute. Auch wenn er lieber nicht in den Spiegel sehen wollte, so verunstaltet, wie es nach all den Tagen sicherlich war. Die Schwellungen konnte er spüren. Von seinen feinen Gesichtszügen war nur noch wenig zu erkennen. Vermutlich sah nun selbst ein Troll im Vergleich zu ihm wie eine Schönheit aus. Wenigstens hatten sie bisher davon abgesehen ihm irgendetwas zu brechen. Wie lange sie diese Zurückhaltung auch immer noch pflegen würden.
Der Blick des Fürsten streifte seine Mitgefangene. Obilee schlief. Sie war das eine Mal ebenso schwer zugerichtet worden wie er selbst. Wie lange würde es dauern, bis der Anführer erkannte, dass aus ihm nichts herauszubekommen war und er sich ihrer beiden entledigte? Lange konnte es nicht dauern.
Noch wichtiger plagte ihn jedoch die Frage, was der Traum zu bedeuten hatte. Er stand schwerfällig auf und betrachtete die Wand, während er sich die Bilder erneut in Erinnerung rief. Wer war der blonde Elf gewesen, dessen Leben er kurz verfolgt hatte? Nein, der er gewesen war! Und weshalb hatte er dem Drachen seine Aufwartung gemacht? Die Elfen fürchteten Drachen und bekämpften sie. Sie waren ein Werkzeug. War dies eines seiner alten Leben gewesen? Aber was war er gewesen? Und was hatte das zu bedeuten? Die wenigsten Elfen erinnerten sich an ihre vorangegangenen Leben und selbst dann nur mit viel Vorbereitung und durch lange Meditation. Hatten dies die Tränke bewirkt, die seine Zunge lösen sollten? Das konnte er nicht glauben. Es hatte normalerweise seine Gründe, warum die vorherigen Leben vor ihnen verschlossen blieben und weshalb sollte ihn diese Ehre nun ereilen?
Irgendwann war auch Obilee erwacht und betrachtete den Elfen. Sollte er wirklich nichts wissen, was er allen immer erzählte, war sein Schweigen verständlich. Verlangte sie wirklich von ihm sich etwas auszudenken, damit sie freikamen oder alles beendet wurde? Bestand für sie wirklich die Hoffnung zu überleben, sollte Yulivee sie finden? Aber wusste er wirklich nichts? Das konnte sie nicht glauben. Immer wieder fragte sie sich das. Eines jedoch musste sie dem Fürsten lassen. Sollte er wirklich die Fragen beantworten können, verstand sie nicht, weshalb er es nicht einfach schnell zu Ende brachte. Tat er es wirklich, weil sie noch eine Chance hatte? Das glaubte sie eigentlich nicht, dafür war er viel zu selbstsüchtig. Doch für einen arroganten Fürstenschnösel hatte er ein ziemliches Durchhaltevermögen, das musste sie ihm zugestehen. Irgendetwas schien ihn jedoch zu beschäftigen. Er wirkte so unglaublich abwesend und entrückt.
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Der Zauber wirkte. Sie waren durch den Albenstern am Rosenturm geschritten und reisten durch das Goldene Netz. Die Zauberweberin machte sich Sorgen um ihre Freundin. Sollte sie Tiranu in ihre Finger bekommen, würde er etwas erleben, das schwor sie sich. Auch wenn sie geschworen hatte niemanden mit Magie Schaden zuzufügen, bei ihm konnte sie sich vorstellen dies kurzfristig zu vergessen und ihn leiden zu lassen.
Je näher sie kamen, desto mehr Sorgen machte Yulivee sich. Sie durfte gar nicht daran denken, was ihr alles passiert sein könnte! Obilee war am Leben und es ging ihr gut! Letzten Endes führte der Zauber sie vor eine alte, baufällige Hütte, in der sie niemanden entdecken konnte. Sie war nicht sehr weit von einem niederen Albenstern entfernt, was entweder wirklich dumm oder besonders schlau war.
Das Gebäude war augenscheinlich leer, so lange sie die Räume auch durchsuchten, aber irgendwo hier war Obilee. Der Zauber funktionierte korrekt!
Nachdem der Suchtrupp das Gebäude nochmals ganz genau auf den Kopf stellte, entdeckten sie einen verborgenen Zugang zu Kellerräumen. Dort trafen sie auch endlich auf Leben, auch wenn es nur zwei vermummte Gestalten waren, die vor der einzigen Tür am Ende des Ganges Wache hielten. Sobald sie die Eindringlinge jedoch bemerkten, kehrte Bewegung in die Gestalten ein, die trotz der Überzahl offenbar kämpfen wollten. Die Pfeile ihrer Maurawan beendeten den Widerstand jedoch rasch. Vom Fürsten war hier jedoch leider keine Spur. Besorgt eilte Yulivee mit zwei ihrer Kämpfer auf die Tür zu und riss sie auf. Ihr Blick fiel auf zwei übel zugerichtete Gestalten, in einer erkannte sie ihre alte Freundin, in der anderen… die Person, die sie für den Drahtzieher gehalten hatte. Was wurde hier gespielt?
„Yulivee!“, rief Obilee erfreut aus. „Endlich! Ich weiß nicht, wie lange ich es noch hier ausgehalten hätte!“ Der Elfenfürst verzog daraufhin nur spöttisch die Lippen, verzichtete aber auf einen Kommentar. Was vielleicht auch an den mehrfach aufgeplatzten Lippen liegen konnte. Auf ihren Befehl hin durchsuchte einer die Toten nach den Schlüsseln für die Fesseln, während Yulivee zu Obilee eilte. Da die Wachen sie jedoch nicht bei sich trugen, bedeutete die Elfe die Fesseln anderweitig zu öffnen.
Da Magie keine Wahl war, versuchten die Kämpfer es mit Waffengewalt. Sobald das nach einiger Zeit erledigt war, nahmen zwei der Krieger den Elfenfürsten in Gewahrsam, der die ganze Zeit erfreulich still gewesen war. Insgesamt war er in der kurzen Zeit eher sehr kooperativ gewesen. Und seltsamerweise mussten seine zwei Beschützer ihn fast schon stützen, so schwer schien ihm schon das aufrechte Gehen zu fallen. Insgesamt wirkte der Elf stärker zugerichtet als ihre Freundin und auch weitaus ausgemergelter und schwächer. Humpelnd umarmte Obilee sie und schritt dann an ihrer Seite aus dem Gefängnis.
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Natürlich glaubten alle wieder nur das Schlimmste von ihm! Was erwartete er auch? Aus den geflüsterten Gesprächen ihrer Retter hatte er das heraushören können. Selbst jetzt glaubten sie nicht gänzlich an seine Unschuld und daran, dass er das Opfer war. Aber er hatte geschwiegen. All die Arbeit, die Taten seiner Mutter in den Hintergrund zu drängen, war nicht vergebens gewesen. Und somit würde ein großer Teil seiner Geheimnisse bewahrt bleiben und hoffentlich mit ihm sterben. Jetzt blieb nur noch abzuwarten, wie objektiv Emerelle alles betrachten würde oder ob sie die Gelegenheit ergriff und sich seiner entledigte. Das traute er ihr durchaus zu.
Als sie ihn vor Emerelle führten, brachte er all seine Kräfte auf, um alleine stehen zu bleiben. Auch so machte er bereits eine außerordentlich schlechte Figur. Er versuchte sich nichts von seiner Schwäche anmerken zu lassen und folgte der Hofetikette vollkommen steif. Tiranu beantwortete alle Fragen wahrheitsgemäß und versuchte die Erschöpfung aus ihnen herauszuhalten, dennoch erkannte er den Zweifel in den Blicken um sich herum. Selbst die Königin glaubte ihm nicht vollkommen. Das bewies sie, als sie am Ende alle herausschickte und nur ihn und zwei Bewacher anhielt zu bleiben. Seine Vermutung wurde leider bestätigt. Dann trat sie direkt an ihn heran.
„Diese Geschichte klingt wirklich ausgesprochen seltsam. Obilee hat sie bestätigt, dennoch besteht ein kleiner Zweifel. Kooperierst du ihn auszuräumen?“
Als sie ihren Albenstein herausholte, wusste er, was sie plante. Seine Geheimnisse waren gut verborgen, aber… sein Leben war bei einer Weigerung zweifellos verwirkt, daher gab er Emerelle letzten Endes sein widerstrebendes Einverständnis. Mit viel Glück sah sie nichts darin, was sie dazu bewegte ihn zum Richtblock zu führen.
Sie begann seine Erinnerungen zu durchsuchen. Irgendwann stieß sie auf seinen Traum und augenblicklich brach der Kontakt zwischen ihnen ab und die Elfe betrachtete ihn prüfend. Dann befahl sie auch den beiden Wachen sie alleine zu lassen. Widerstrebend leisteten sie ihrem Befehl Folge.
***
Als Emerelle die Gedanken des Fürsten durchsucht hatte waren nur entlastende Dinge ans Licht gekommen. Aber was sie wirklich erschüttert hatte war diese eine Erinnerung gewesen.
Nodon. Der Schwertmeister des Dunklen. Er begann sich zu erinnern.
„Weist du, was du gesehen hast?“, fragte sie den Fürsten scharf. Er bot ein elendes Bild, hielt sich dafür aber gut. Er war stolz. Insgesamt hatte sie es bereits sehr lange gewusst, schließlich hatte sie den Ersten der Drachenelfen des Jadegartens kennen gelernt. Auch wenn sie damals noch sehr jung gewesen war. Sie waren sich äußerst ähnlich.
„Nein“, entgegnete der Fürst knapp.
„Du wirst weiterhin verfolgt werden. Wer könnte dahinterstecken?“
„Fast ganz Albenmark“, entgegnete der Fürst kühl. Emerelle konnte dem nichts mehr hinzufügen, die Antwort war ehrlich und entsprach einer äußerst sachlichen Einschätzung. Er machte sich keine Illusionen.
„Um die Person aus der Reserve zu locken, könntest du alle glauben lassen, dass du mir nicht ganz traust und unter Beobachtung gesetzt hast.“, schlug der Elf vor. „An einem Ort, an dem deine Untergebenen warten werden, während ich mich an einem anderen Ort aufhalte. Wie den Ort, den ich gesehen habe.“ Zwar wollte er seine Häscher selbst zur Rechenschaft ziehen, aber die Gefahr eines Fehlschlages wäre in der jetzigen Lage zu groß und zu fatal. Noch war seine Unschuld an der Inszenierung nicht vollständig bewiesen.
„Weißt du wo dieser Ort liegt?“, fragte die Elfenkönigin.
„Nein. Doch ich gedenke es herauszufinden.“
Kurz zögerte Emerelle. Wollte sie diesen speziellen Elfen wirklich in den Jadegarten gehen lassen? Doch seine Erinnerungen hatten begonnen zu erwachen. Lieber geschah dies nach ihren Bedingungen, als dass er dort irgendwann alleine hinging. So konnte sie loyale Mitglieder ihres Hofes mitschicken, die ein Auge auf den Elfen hatten. Ganz trauen konnte man ihm nicht. Warum nur war Nodons Seele in diesem Elfen wiedergeboren worden? Wie war es Alathaia nur gelungen? Und hatte sie einen Fehler begangen, als sie den Elfen nach den Schattenkriegen verschont hatte? Trotz des Dienstes den er ihr indirekt erwiesen hatte.
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Vielen Dank an Riniell für die Favoritisierung.