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Erwachen

von Phaemonae
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P18 / Gen
Tiranu Yulivee
03.01.2016
02.04.2016
16
32.274
2
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16.01.2016 1.911
 
Über ein Jahr war nun vergangen, seit sie und Tiranu sich einmalig näher gekommen waren und er sie letztendlich doch von sich gestoßen hatte. Er hatte sich größtenteils rar gemacht und versucht sie ersetzen zu lassen. Die wenigen Momente, die sie zusammen verbracht hatten, waren stets in der Gegenwart anderer gewesen und er hatte sich gar nichts anmerken lassen. Verflucht sei seine Selbstbeherrschung! Eher war er noch unmöglicher als sonst gewesen. Fast so, als wollte er sie damit verjagen. Doch nicht mit ihr, sie würde nicht aufgeben, egal was er versuchte!
Langsam bezweifelte Yulivee, dass er sich überhaupt irgendwann entscheiden würde. Heute war er erneut angeblich zu beschäftigt gewesen, beim Abendessen anwesend zu sein. Er war so ein Feigling, der sich dauernd von seinen Lakaien entschuldigen ließ!
Enttäuscht öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmern und stockte im Türrahmen. Ihr den Rücken zugedreht stand eine wohlbekannte Silhouette vor dem Fenster. Sobald die Magierin sich aus ihrer Starre gelöst hatte, schloss sie vorsichtig die Tür und blieb unschlüssig stehen. Die Kälte der Angst breitete sich in ihr aus. Was hatte er entschieden? Hatte er sich überhaupt entschieden?
„Ich habe eine Entscheidung getroffen“, vernahm sie Tiranus kühle Stimme. Der Mistkerl drehte sich noch nicht einmal zu ihr um!
„Ich bin nicht gerade dafür bekannt Entscheidungen zu treffen, die die Meisten als richtig empfinden. Dennoch bin ich mir selbst immer treu geblieben.“ Endlich drehte er sich um, aber seine Miene verriet absolut gar nichts. Langsam kam er auf sie zu, bis er dicht vor ihr stand. „Diesmal jedoch muss ich mit meinen Überzeugungen brechen. Auch wenn ich weiß, wie falsch es ist. Keinesfalls kann ich diesmal mein Herz nicht ignorieren, egal wie sehr ich es auch versuche.“
Die Luft blieb Yulivee weg. Das war fast ein Gefühlsausbruch für Tiranu. Vollkommen fassungslos starrte sie ihn an, unfähig irgendetwas zu tun, außer ihn anzustarren. Er war über sich hinausgewachsen!
„Sollte ich nicht zu lange gewartet haben, erwarte ich dich kurz nach Sonnenuntergang an den Ställen“, schloss er seine kurze Rede.
Schon wollte er wieder gehen, verflucht sei seine Selbstbeherrschung! Am liebsten würde sie über ihn herfallen und was machte er? Er machte ihr schon wieder Vorschriften! Entschlossen stellte sie sich dem Fürsten in den Weg und entgegnete herausfordernd: „Ich dachte wir hätten geklärt, dass ich es nicht mag, wenn man für mich über meinen Kopf hinweg entscheidet!“
Zu leicht durfte sie es ihm auch nicht machen. Der Schmerz in seinen Augen blitzte nur kurz auf, bevor er wieder ausgelöscht wurde.
„Es bleibt deine Entscheidung, ob du kommst oder nicht. Ich weiß nicht, wie das für dich entscheiden sein soll.“
Dieser verfluchte, stolze Idiot! Bevor er gehen konnte, zog sie seinen Kopf etwas zu sich herab und sie presste ihre Lippen auf seine, als sei sie eine Verdurstende in der Wüste und er die Quelle nach der sie gesucht hatte. Sanft erwiderte er den Kuss, bevor er sich von ihr löste, ein Lächeln auf den Lippen.
„Später!“, entgegnete er und ließ eine ihrer Haarsträhnen zwischen seinen Fingern hindurchgleiten. Dann ging er an ihr vorbei. Zurück blieb nur der Hauch von Waffenfett, der Tiranu stets umgab. Er hatte sich für sie entschieden! Sie konnte es nicht glauben! Das hatte sie fast nicht mehr zu hoffen gewagt. Auch sie hatte versucht ihn aus dem Kopf zu bekommen, war jedoch kläglich gescheitert.

***


Die Magierin war gespannt, was sie an den Ställen erwartete. Kurz hatte sie überlegt, ob sie nicht doch hierbleiben sollte, um sich nicht ihre Handlungen diktieren zu lassen, letztendlich hatte sie sich aber dagegen entschieden. Dafür war sie zu neugierig, was der Fürst geplant hatte.
Sobald sie um die Ecke bog, entdeckte sie Tiranu bereits. Er stand zwischen zwei Pferden, eines davon Felbion, ihr Reittier. Sie waren bereits gesattelt und auf seinem Pferd konnte sie auch Satteltaschen entdecken. Und ein Rapier. Wo wollte er hin, dass er eine Klinge mitnahm?
Wortlos bot Tiranu ihr an, ihr auf ihr Pferd zu helfen, aber so weit kam es noch! Das schaffte sie schon noch alleine!
Auch das kommentierte er mit keinem Wort und er stieg einfach auf und wies sie an, ihm zu folgen. Eigentlich sollte sie wieder absteigen und ihn alleine lassen. Was bildete er sich eigentlich ein? Trotzdem biss sie sich auf die Zunge und wartete ab. Die Vorwürfe könnte sie ihm immer noch machen, wenn sie am Ziel angekommen waren. Was auch immer das sein sollte. Und wofür auch immer er eine Waffe brauchte. Wenigstens hatte er sie nicht umgegürtet.
Es dauerte gar nicht so lange, bis er an einem See anhielt. Der Mond spiegelte sich auf dem Wasser. Dieser Ort hier war wunderschön! Yulivee stockte der Atem und sie vergaß jeden Widerstand. Tiranu stieg ab und diesmal ließ sie sich von ihm helfen. Er führte sie an das Seeufer, wo bereits so etwas wie ein kleines Lager vorbereitet worden war.
Ihr Begleiter ließ die Satteltaschen von seiner Schulter gleiten und ging in die Knie, um sie auszuräumen. Wie konnte er nur so gefühllos bleiben, verdammt? Aber bevor Yulivee seinem Gesicht nahe genug kam, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen, legte er zwei seiner Finger auf ihre Lippen.
„Das Dessert gibt es ganz traditionell hinterher“, ermahnte er ruhig, aber mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen. Dieser verdammte Mistkerl! Er hatte sich doch gerade wirklich als Dessert bezeichnet! Und jetzt packte er noch Essen aus und richtete es an. Man konnte gerade nicht glauben, dass er eigentlich gewohnt war, dass man ihn rundherum bediente.
„Setz‘ dich!“, forderte er sie auf und diesmal leistete sie seinem Befehl gerne Folge. Der Ort hier war traumhaft! Und das Essen sah köstlich aus! Es war eine wundervolle Überraschung! Die Magierin bereute nicht, dem Elfen trotz seines arroganten Gehabes gefolgt zu sein.
Yulivee ließ sich von Tiranu bedienen und genoss es, auch wenn sein Schweigen wirklich störend war. Aber sie musste sich eingestehen, dass es besser als sein Sarkasmus war. Zumindest glaubte sie das. Es dauerte ein wenig, bis sie alles aufgegessen hatten und der Mond stand bereits recht hoch am Himmel, als der Fürst das Schweigen leicht belustigt brach: „Und ab jetzt ist es Zeit für das Dessert.“
Als ob er geahnt hatte, dass sie es nun rein aus Trotz verweigern würde, zog er sie an ihrem Kinn sanft zu sich heran und küsste sie ausgiebig. Auch dort legte er seine dreimalverfluchte Selbstbeherrschung nicht ab. Irgendwie musste man ihn doch dazu reizen können, dass er sie in den Wind schlug! Sie würde versuchen es auszureizen. Irgendwann musste sie ihn knacken können!
Als sie jedoch versuchte ihn aus seiner Jacke zu schälen, stoppte er sie.
„Das ist nicht der richtige Ort“, mahnte er.
„Das ist der perfekte Ort!“, widersprach Yulivee vehement, was Tiranu ein beinahe raubtierhaftes Lächeln entlockte.
„Das Warten versüßt so viel“, entgegnete er lasziv. Die Magierin war sich sicher, dass er genau wusste, wie er sie reizen konnte.
„Wie lange hast du dafür trainieren müssen?“, entgegnete Yulivee leicht genervt.
„Ich glaube es wurde mir fast mit in die Wiege gelegt“, lachte Tiranu leise und nahm sie in den Arm. „Außerdem käme es mir falsch vor, nicht doch ein wenig zu werben.“
So sehr er sie auch regelmäßig zur Weißglut brachte, es machte sie durchaus verlegen, wie er sich, auf diese ihm so eigene Art, um sie bemühte. Ihr Glück genießend, schmiegte sie sich an Tiranu und schloss die Augen, alles um sich herum genießend und den Alben dafür dankend, dass sie dieses Glück erfahren durfte.

***


Sie saßen bereits einige Zeit gemeinsam am Seeufer, als sich der Atem der Magierin veränderte. Tiranu strich ihr sanft über das Haar und schälte sich vorsichtig aus der Umarmung. Es war spät geworden. Ab und an hatte er sie dazu anhalten müssen, den Moment zu genießen und zu schweigen. Es war immer noch sehr seltsam für ihn, seinen Verstand zu ignorieren und ganz seinem Herzen zu folgen. Hätte er sich nicht etwas Anderes suchen können, an das er sein Herz hängte?
Bedächtig räumte er alles zusammen. Zuletzt hob der Fürst Yulivee vorsichtig auf und setzte sie auf seinen Hengst Alator. Dann schwang er sich hinter ihr in den Sattel. Hoffentlich folgte Yulivees Reittier ihnen, er war leider bereits mit Yulivee und den Zügeln vollkommen ausgelastet, ein Handpferd konnte er dabei nicht auch noch gebrauchen.
Als sie ankamen, ließ der Elf kurz sein Pferd zurück und trug seine Geliebte zurück in ihr Zimmer. Sie war bisher nicht einmal kurz aufgewacht. Sanft bettete er sie auf ihr Lager und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. Einen Moment verweilte Tiranu noch, dann drehte er sich um, und ging wieder. Er musste noch sein Pferd versorgen und Yulivees ebenfalls, falls es mitgekommen war. Sonst musste er ihn noch holen.
Als er den Stall erreichte warteten dort glücklicherweise zwei Pferde. Das Training morgen versprach äußerst interessant zu werden.

***


Mit einem Lächeln auf den Lippen erwachte Yulivee. Endlich hatte sie es geschafft, dass Tiranu über seinen Schatten gesprungen war! Es war wundervoll gewesen in seinen Armen zu liegen. Nach und nach schüttelte sie den Schlaf ab und wurde ihrer Umgebung gewahr.
Sie lag in ihrem Zimmer im Rosenturm! Hatte sie am Ende alles nur geträumt? Enttäuschung machte sich in ihr breit. Es war doch zu schön gewesen, um wahr zu sein! Nur schwer konnte die Zauberweberin die Tränen der Enttäuschung unterdrücken. Sie hatte so sehr gehofft… aber irgendetwas war anders. Dieser Gedanke machte sich immer mehr in ihr breit. Argwöhnisch konzentrierte sie sich auf all ihre Sinne. Sie glaubte die Ahnung des Geruchs von Waffenfett wahrzunehmen. Es gab viele Elfen, denen er anhaftete, wichtiger jedoch war, dass er ebenfalls ein Teil eines ganz bestimmten Elfen war. Hatte sie doch nicht geträumt? War er noch vor kurzem hier gewesen? Nichts in ihrem Zimmer wies darauf hin. War der Geruch nur Wunschdenken? Dem müsste sie nachgehen!
Hastig schälte Yulivee sich aus ihren Laken. Sie war noch vollständig angekleidet, etwas, das eher ungewöhnlich war. Kurz prüfte sie den Stand der Sonne. Um die Uhrzeit trainierte der Elfenfürst immer mit seiner Leibwache. Seit sie das herausgefunden hatte, hatte sie öfter einmal heimlich zugesehen.
Verstohlen schlich sie heraus, wurde jedoch von Obilee aufgehalten.
„Wo warst du gestern?“
„Nicht jetzt!“, bat Yulivee eindringlich, aber ihre Freundin blieb hart. Dennoch hätte ihr Herz bei den Worten Obilees am liebsten vor Freude zerspringen mögen. Sie hatte die Ereignisse ganz sicher nicht geträumt! Der sonst so kaltherzige und unnahbare Elfenfürst hatte sie wirklich in sein Herz gelassen und konnte sie von dort nicht mehr vertreiben. Kurz berichtete sie der anderen Elfe von den gestrigen Ereignissen. Schockiert blickte diese sie an.
„Das ist doch nicht dein Ernst!“, flüsterte sie fassungslos. „Bist du denn vollkommen blind? Er spielt mit dir! Und du bist ein williges Opfer! Wie, bei den Alben, konntest du nur ihm erliegen?“
„Das tut er nicht und jetzt lass‘ mich gehen!“, bat Yulivee eindringlich. „Bitte!“
„Du rennst in dein Verderben!“, entgegnete Obilee, machte ihr aber Platz. „Das kann ich nicht zulassen!“ Sofort huschte Yulivee an ihr vorbei, um sich in die Nähe des Trainingsplatzes zu schleichen.
Dort erwartete sie eine Überraschung. Tiranu kämpfte gegen mindestens vier seiner Krieger, aber ab und an war er etwas langsamer als sonst. Es wirkte fast so, als wäre er ein wenig erschöpft. Er war noch immer ziemlich unüberwindlich, dennoch steckte er weitaus mehr Treffer als gewöhnlich ein. Als der Kampf beendet war, stellte er Paare nach Können zusammen und unterwies sie. Er war vermutlich der einzige Elfenfürst, der seine Leibwache höchstpersönlich ausbildete. Tiranu war wahrlich nicht wie andere Elfen.
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