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Unperfekte Weihnachten

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteLiebesgeschichte / P18 / MaleSlash
12.12.2015
20.12.2015
3
19.581
136
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
26 Reviews
 
 
12.12.2015 5.144
 
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Hallo zusammen,



das Weihnachtsfieber hat mich – wie sehr viele andere – gepackt :) Ich hoffe, ihr seid Weihnachten noch nicht überdrüssig und habt Lust auf eine kleine Story in drei Teilen. Updates gibt’s im Laufe der nächsten Woche. Die Story wird auf jeden Fall bis Weihnachten abgeschlossen sein.



Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! :)



*




Im Herbst waren Rauchpausen schon unangenehm, aber im Winter waren sie richtig beschissen. Vor allem, wenn man eigentlich nicht rauchte. Er musste den Verstand verloren haben.

„Hast du mal Feuer?“ Die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, ging Paul auf die große Gestalt auf der anderen Seite des Innenhofs zu. Der eisige Dezemberwind schnitt ihm durch das dünne Hemd bis auf die Haut und er ging einen Schritt schneller. Das nächste Mal musste er an seine Jacke denken. Sofern Steffen ihn nicht rauswarf, wenn er noch mal nach einer Rauchpause fragte.

Der Mann auf der gegenüberliegenden Seite des spärlich beleuchteten Innenhofs zog an seiner eigenen Zigarette, während er in seiner Hosentasche nach einem Feuerzeug kramte. Kurz wurden seine kantigen Züge von der Glut beleuchtet, dann verschwand sein Gesicht wieder im Zwielicht. Was Paul gesehen hatte, reichte jedoch aus, um es in seinem Nacken kribbeln zu lassen. Oma Biggi würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, was er hier tat. Sie war immer dafür gewesen, der Gefahr aus dem Weg zu gehen und sie nicht noch nach Feuer zu fragen.

„Danke.“ Paul nahm das hellblaue Plastikfeuerzeug entgegen und schirmte die Flamme mit einer eiskalten Hand ab, als er seine Zigarette anzündete und den Rauch einatmete.

Ekelhaft. Paul mochte weder den Geschmack noch den Geruch. Er hätte sich eine bessere Strategie zurechtlegen sollen, aber langsam lief ihm die Zeit davon.

Er lehnte sich neben Hack gegen die Wand, zuckte angesichts des kalten Mauerwerks jedoch zusammen und brachte wieder etwas Abstand zwischen sich und die Wand. Hack beobachtete ihn. Der Mistkerl sagte nichts, doch jedes Mal, wenn er an seiner Zigarette zog, schien es in seinen dunklen Augen zu tanzen.

Wenn er sich erinnerte, warum sagte er nichts, verdammt noch mal? Inzwischen hatte Paul ihm mehr als eine Gelegenheit dazu gegeben.

Wieder frischte der Wind auf und ließ ihn fröstelnd die Schultern hochziehen. Er starrte über den leeren Innenhof auf Steffens Café. Hinter sich hörte er das Rumoren aus der Küche des Vierecks. Die übrigen Zugänge zum Hof gehörten zu einer Apotheke und zu einem seltsamen türkischen Gemischtwarenladen, der nicht nur Obst und Gemüse im Angebot hatte, sondern auch Schuhe reparierte, Schlüssel nachmachte und jetzt zur Weihnachtszeit Weihnachtsbäume verkaufte. Vier armselige Exemplare in unterschiedlichen Größen hatten es heute nicht über die Ladentheke geschafft und lagen gut verschnürt neben dem Hinterausgang an der Wand.

Paul nickte zur Küche des Vierecks. „Viel los bei euch?“

Hack zuckte die Schultern und warf seine aufgerauchte Zigarette zu Boden, um sie auszutreten. Drei Kippen lagen bereits dort. Paul wusste nicht, ob Hack die über den Tag verteilt geraucht hatte oder ob seine Rauchpause bereits vier Zigarettenlängen lang anhielt.

„Das Übliche.“

Hack fummelte eine Zigarettenschachtel aus seiner fleckigen, weißen Küchenjacke, die sich über breite Schultern und muskulöse Oberarme spannte. Muskulös genug, um jemanden wie Paul gegen eine Wand zu drücken und festzuhalten, während er ihm das Hirn rausvögelte.

Okay, Konzentration. Das ist nicht hilfreich.

„Habt ihr Weihnachtsfeiern?“

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Hack ihn an. „Sieht das Viereck für dich so aus, als würde da irgendjemand seine Weihnachtsfeier veranstalten wollen?“

Okay, blöde Frage. Steffen hatte schon Schwierigkeiten, den Firmen in der Umgebung sein Café als Location für Veranstaltungen schmackhaft zu machen.

„Wenn du es da so beschissen findest, warum gehst du nicht woanders hin?“ Paul musterte Hack, wobei sein Blick an einem länglichen, roten Fleck über seinem flachen Bauch hängen blieb. Vielleicht Tomate, obwohl Pauls Hirn beharrlich auf Blut tippen wollte. Hack war der Typ, dem man zutraute, mit Blut besudelt zu sein. Wie kommt man sonst auf den Spitznamen Hack? „Köche werden überall gesucht. Oder bist du nur eine Küchenhilfe?“

Hack klemmte sich die Zigarette zwischen die Lippen. „Und du? Es gibt Gegenden, da kann man als Kellner mehr Trinkgeld machen als hier.“ Mit der Handfläche nach oben streckte er Paul eine Hand entgegen. Als Paul sie irritiert ansah, sagte Hack: „Feuerzeug.“ Dabei wippte die Zigarette in seinem Mund.

Ach so. Er legte das Feuerzeug in Hacks Hand, wobei er nicht widerstehen konnte, mit den Fingerspitzen über die raue Innenfläche zu streichen. Gott, diese Hände hatten sich fantastisch auf seinem Körper angefühlt, um seinen Schwanz.

Hack zündete seine Zigarette an, als hätte er Pauls Berührung gar nicht wahrgenommen. Doch der Schein der Flamme, als er das Feuerzeug aufschnipsen ließ, verriet das Blitzen in seinen Augen.

„Dir ist kalt.“

„Es sind Minusgrade und ich hab keine Jacke an. Klar ist mir kalt.“

„Dann geh rein.“

War das ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass er verschwinden sollte?

Hinter ihm polterte und schepperte es in der Küche des Vierecks, gefolgt von einer wüsten Schimpftirade, die Steffens neurotischem Koch die Röte ins Gesicht getrieben hätte.

Paul nickte zum gekippten Fenster. „Hört sich an, als würde deine Mannschaft ohne dich untergehen.“

Eigentlich war es egal, ob Hack Koch, Küchenhilfe oder nur zu Dekorationszwecken eingestellt war. Paul war so verzweifelt, dass er schon Martin gefragt hatte – und der fuhr hauptsächlich diese kostenlosen Anzeigenblättchen aus. Auch nichts, womit man unbedingt hausieren ging.

Dennoch frustrierte es ihn, dass Hack auch auf diesen Versuch, seine Anstellung im Viereck herauszubekommen, nicht einging. Stattdessen drehte er sich ein wenig an der Wand, bis er nur noch mit einer Schulter dagegen lehnte. Er steckte seine Zigarette zwischen seine Lippen und griff mit der freien Hand nach Pauls, die inzwischen ein gutes Stück heruntergebrannt war. Mist, er hatte vergessen, alibihalber da dran zu ziehen. Oder die Asche abzuklopfen. Hack warf sie auf den Boden und trat sie aus.

„Hey.“

„Du rauchst doch gar nicht, Paul.“

Beim Klang seines Namens erschauerte Paul. Das ist gut. Er weiß also doch, wie du heißt. In den vergangenen Wochen hatte er ernsthaft daran gezweifelt.

„Woher willst du das wissen?“

Hack legte den Kopf schief, als wäre das offensichtlich. „Was machst du hier?“

Bildete er sich das ein oder war Hacks Stimme auf einmal dunkler geworden? Noch dunkler? Paul bekam eine Gänsehaut, die nichts mit der Kälte, die ihm langsam in die Knochen kroch, zu tun hatte.

„Rauchen. Zumindest hatte ich das vor. Jetzt muss ich mir erst eine neue Zigarette schnorren. Du hast nicht zufällig noch eine?“

Paul hatte keine Zeit, sich für seinen lässigen Tonfall auf die Schulter zu klopfen. Hack hatte sich von der Wand abgestoßen und stand breitbeinig vor ihm, eine Hand neben Pauls Kopf gegen die Wand gestützt, mit der anderen schnipste er die gerade erst angezündete Zigarette weg.

Er ist riesig. Paul musste den Kopf in den Nacken legen und versuchte, nicht daran zu denken, wo Hack noch überall riesig war. Hacks bloße körperliche Präsenz nagelte Paul an die Wand, was ihn wohlig erschauern ließ. Er wünschte, Hack würde ihn einfach packen und hier und jetzt wiederholen, was er vor drei Monaten gemacht hatte. Scheiße. So viel zum nicht dran denken.

„Ich hab noch ungefähr zwei Minuten, bis irgendjemand kommt und nach mir sieht“, sagte Hack. Paul versuchte, sich auf seine Worte zu konzentrieren, was schwierig war, wenn Hacks Blick zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin und her sprang.

Ja, tu’s doch. Küss mich. Küss mich!

„Also entweder sagst du mir jetzt, warum du mir seit Wochen hinterherläufst oder –“

„Vier Wochen. Maximal.“ Es war nicht so, als hätte er nicht nach anderen Möglichkeiten Ausschau gehalten.

„Deine komischen Rauchpausen haben schon im Oktober angefangen.“

Das hatte andere Gründe gehabt. Im Oktober hatte ihn das verzweifelte Verlangen nach einer zweiten Runde äußerst befriedigendem Sex angetrieben. Wie eine Achterbahnfahrt, die so aufregend war, dass man sich gleich das nächste Ticket kaufte. Und noch eins und noch eins.

Nur dass Hack diese kleine Episode offenbar nicht als halb so angenehm im Gedächtnis geblieben war. Was die ganze Angelegenheit noch schlimmer machte. Aber er hatte keine Zeit mehr. Weihnachten war in drei Tagen. Hack war seine letzte Option.

„Paul?“

„Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.“

Damit hatte er Hack zweifellos überrascht. „Einen Gefallen?“

„Ja.“ Als seine Stimme nur als kaum hörbares Krächzen herauskam, räusperte sich Paul. „Ja“, sagte er fester. „Du … als wir vor drei Monaten …“ Oh, hervorragend. Im Gegensatz zu Hack hatte er gerade preisgegeben, wie tief sich ihr kleiner Wandquickie in Pauls Gedächtnis gebrannt hatte. „Du hast gesagt, du verbringst Weihnachten mit einer Ladung Whiskeypunsch und der Feuerzangenbowle auf der Couch.“

Hack stutzte und wich ein Stück zurück. „Hab ich das?“

„Du warst betrunken.“ Und befriedigt.

„War ich das?“

„Ziemlich.“ Da Hacks großer Körper fehlte, um die Kälte von ihm fernzuhalten, zog Paul die Schultern hoch. „Jedenfalls dachte ich, dass du Weihnachten dann bestimmt Zeit hast.“

„Ich dachte, du hast mir gerade meine Pläne für Weihnachten erzählt.“ Hacks Augen wurden schmal. „Zeit wofür?“

Paul räusperte sich. „Jetzt kommen wir zu meinem Gefallen.“ Besser, er brachte das so schnell wie möglich heraus. „Ich brauche sozusagen ein Date für ein Familienessen.“

Hack hätte nicht perplexer aussehen können, wenn er ihn um einen Mord gebeten hätte. Nein, wahrscheinlich stand das sogar noch vor einer Einladung zum familiären Weihnachtsessen.

Was?“

„Ja. Ich hab’s meiner Mutter versprochen.“ Sozusagen.

„Deiner Mutter?“

Paul rollte die Augen. „Wenn du so weitermachst, könnte ich glauben, du hast was an den Ohren. Ja, meiner Mutter. Du hast doch auch eine Mutter, oder? Oder hattest, wenn du Weihnachten lieber allein auf dem Sofa –“

„Paul!“ Plötzlich war Hack wieder bei ihm. Sein Körper hüllte Paul ein wie in eine Decke. Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte sich in diese Wärme geschmiegt. „Wir haben einmal miteinander gefickt und du lädst mich zu deiner Mutter nach Hause ein? An Weihnachten?“

Also erinnerte er sich doch an diesen einen Abend im September. Gut. Alles andere hätte seinem Ego schwere Schlagseite verpasst.

„Natürlich nicht als Fick. Oder One-Night-Stand. Oder Koch-Schrägstrich-Küchenhilfe von gegenüber. Als … Freund.“

„Als Freund.“ Als Paul den Kopf schief legte, weil er sich schon wieder wiederholt hatte, machte Hack eine unwirsche Handbewegung. „Du kennst nicht mal meinen richtigen Namen.“

„Das lässt sich ändern.“ Fragend zog er  die Augenbrauen hoch. „Wie ist dein richtiger Name?“

Hack schüttelte den Kopf. „Das ist Irrsinn.“

„Es gibt ein leckeres Weihnachtsessen, vermutlich mehrere Gänge. Suppe, Salat, Gans, Nachspeise“, zählte Paul an den Fingern ab. „Außerdem jede Menge Alkohol. Bestimmt auch Whiskey.“

Wieder schüttelte Hack den Kopf. „Nein. Frag einen deiner anderen Sexpartner. Vielleicht einen, mit dem du zweimal gefickt hast.“

Als Hack sich umdrehen wollte, schoss Pauls Hand vor und packte ihn am Unterarm. Die Muskeln unter seinen Fingern waren steinhart. Paul erschauerte – und sein Herz begann zu rasen, als Hack ihn mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen ins Visier nahm, als wäre es eine schlimme Straftat, ihn anzufassen. Hitze entlud sich in seinem Unterleib und verbrannte den nächsten Satz noch auf seiner Zunge. Er brauchte zwei Anläufe, um seinen staubtrockenen Mund zum Sprechen zu bewegen.

„Wenn das dein Problem ist, können wir das ändern.“ Mit einem Ruck zog er Hack an sich, sodass sein harter Körper gegen Pauls prallte und ihn gegen die Wand drückte. Das kühle Mauerwerk in seinem Rücken wirkte jetzt seltsam erregend. Pauls Atem ging flach, als er Hack sein Gesicht entgegenhob. „Gleich hier und jetzt, wenn du willst.“

Für den Bruchteil einer Sekunde flammte es in Hacks Augen dunkel und verlangend auf. Er legte seine großen Hände auf Pauls Hüften und packte so fest zu, dass Paul ein Keuchen entfuhr. Instinktiv schob er sein Becken vor und drängte seinen halbsteifen Schwanz gegen Hacks Unterleib.

Neben ihnen explodierte ein Knallen wie von einem Silvesterböller, als die Hintertür des Vierecks aufflog.

Hack!“, brüllte Egon, der Besitzer des Vierecks, dessen massige Gestalt fast das komplette, erleuchtete Rechteck der Tür ausfüllte. Paul hatte kaum genug Zeit, sich gegen die Wand zurückzudrängen, bevor Egons Blick sie erfasste. „Ich fress ‘nen Besen. Fick gefälligst in deiner Freizeit rum! Und komm wieder rein, bevor ich deinen Scheißbewährungshelfer anruf, aber plötzlich!“

Bewährungshelfer? Paul starrte Hack an, der zurücksah, als würde Egon nicht existieren. Wieder lief ein Schauer durch ihn hindurch. Verdammt, er hatte es gewusst. Die Narbe verriet schon einiges, aber wenn er einen Bewährungshelfer hatte … Tut mir leid, Oma Biggi. Kein Wunder, dass weder Martin noch einer der anderen Pfeifen mit Hack mithalten konnte.

Hack! Aber plötzlich, hab ich gesagt!“ Egons Stimme hallte von den Wänden des Innenhofs wider und bohrte sich in Pauls Trommelfell.

Hack, dessen Hände noch immer locker auf Pauls Hüften lagen, drehte den Kopf. „Ich komme gleich.“

„Nein, sofort! Seh ich aus wie ein beschissener Wohltätigkeitsverein? Hier gibt’s Arbeit zu tun!“

„Ich sagte, ich. Komme. Gleich.“

Obwohl Hack die Stimme nicht anhob, schwangen mehr Nachdruck und mehr unterschwellige Drohungen in seinen knappen Worten mit, als Egon mit seinem Gebrüll bewerkstelligt hatte. Pauls Magen zog sich zusammen. Wahrscheinlich sollte er sich schämen, aber er konnte nichts dafür, dass ihn so was anzog.

Egon hatte die Botschaft ebenfalls verstanden. Er schnaubte ein paar Mal wie ein wütender Stier, kurz bevor er in Spanien zum Stierlauf getrieben wurde, ehe er die Faust gegen die Hintertür schlug.

„Scheißdreck. Aber mach schnell. Und ich ruf deinen Bewährungshelfer trotzdem an.“ Kopf schüttelnd und leise vor sich hin brummelnd kehrte Egon ins Viereck zurück und zog die Hintertür mit einem Knall hinter sich zu.

Als der Knall verhallt war, war es gespenstisch still im Innenhof. Selbst das Klappern und Fluchen aus der Küche des Vierecks hinter ihnen schien gedämpfter zu klingen.

Paul betrachtete Hacks harsches Profil, der weiterhin die Tür anstarrte. Wahrscheinlich war es verrückt, ausgerechnet Hack zu fragen. Er würde den Kindern Angst einjagen – und allen anderen vermutlich auch, jetzt, da er die Bestätigung hatte, dass Hack kein unbeschriebenes Blatt war. Aber, Gott, er hatte es versucht. Er hatte sich auf die lieben, netten und friedlichen Männer gestürzt. Herausgekommen waren mäßiger Sex, viel Langeweile und noch mehr Zurückhaltung. Und keiner von seinen Eroberungen vor und nach Hack, die er hatte auftreiben können, war bereit gewesen, ihn zum Weihnachtsessen zu begleiten. Schisser.

Paul wartete, bis Hack ihn wieder ansah. „Bewährungshelfer, hm? Was hast du angestellt?“

Hack schnaubte und ließ ihn los. Sofort fraß sich Kälte durch Pauls Hemd, wo eben noch Hacks warme Hände gelegen hatten. „Angestellt? Das ist etwas harmlos ausgedrückt. Wenn man etwas anstellt, bekommt man Taschengeldverbot und Hausarrest.“

„Okay. Weswegen wurdest du verurteilt?“

Hack schob die Hände in seine Hosentaschen und trat einen Schritt zurück. „Hack kommt von Hackfleisch. Weil ich in der Regel nicht viel von meinen Opfern übrig lasse. Körperverletzung.“

Paul merkte erst, dass er zu atmen aufgehört hatte, als der Druck auf seine Lungen zu groß wurde. Körper Nein. Er kannte Schlägertypen, sogar besser als ihm lieb war. Hack war keiner davon. Schon gar nicht, wenn seine Strafe zur Bewährung ausgesetzt war und er frei herumlief. Er war grob, er war ungehobelt und er war ganz bestimmt nicht sanft. Aber er war kein … Und doch kannst du die Finger nicht von ihm lassen. Er geht dir nicht aus dem Kopf, weil er genau das ist.

„Such dir jemand anderes für dein Familiendate“, sagte Hack tonlos und wandte sich der Tür zu. „Oder noch besser: einen Partner.“



*




Steffen redete andauernd davon, endlich mit dem Café umzuziehen. In eine bessere Gegend mit besserer Laufkundschaft. Bisher hatte er nur bessere Kellner eingestellt: Paul. Sein Vorgänger hatte nicht einmal drei Teller auf einmal balancieren können. Außerdem war Paul charmanter. Das wusste er von der Küchencrew, die sich über die Steigerung beim Trinkgeld gefreut hatte, auch wenn es nur minimale Beträge waren.

Wahrscheinlich rettete ihm das den Arsch, weil er den restlichen Abend über mit den Gedanken woanders war und sich mehr als einen Anschiss von Steffen abholte.

Als um kurz nach eins die letzten Gäste gegangen waren und die Küchencrew in den letzten Zügen der Aufräumarbeiten lag, brütete Steffen über dem Schichtplan für die Feiertage, während Paul in seine Jacke schlüpfte.

„Sicher, dass du Weihnachten nicht kannst?“

„Ja.“

„Letzte Woche hast du noch vielleicht gesagt.“

„Und jetzt sage ich, ich hab keine Zeit.“

Steffen raufte sich das kurze, schwarze Haar. „Und wo soll ich drei Tage vor Weihnachten einen verdammten Ersatz herbekommen?“

„Keine Ahnung. Nicht mein Problem. Du hättest dich schon darum kümmern können, als ich vielleicht gesagt hab.“

Steffen richtete sich zu seiner vollen Größe auf, was beeindruckend war, da er insgesamt noch länger und noch dünner war als Paul. In seiner Abwesenheit nannte ihn die Küchencrew Leuchtturm. Paul hatte noch nicht herausgefunden, ob das ein positiver oder ein negativer Spitzname war. Steffen schien seine Augen und Ohren überall zu haben – wie das Licht eines Leuchtturms, das sich um die eigene Achse dreht. Andererseits schien er, gerade was sein Café anging, mit dem Kopf in den Wolken zu hängen – ebenfalls wie ein Leuchtturm.

„Vorsicht, Paul. Ich bin gerade nicht gut auf dich zu sprechen. Du warst den ganzen Abend abwesend. Bei Tisch 3 hast du die letzte Runde nicht auf die Rechnung gesetzt und Tisch 7 hat erst die falsche Nachspeise bekommen, bevor du ihnen den Pudding gebracht hast.“

Vielleicht weniger ein Leuchtturm, sondern ein verdammter Schnüffler. „Ich zahl die Differenz, wenn du willst.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen seiner schwarzen Stoffhose – ein Kleidungsstück, auf das Steffen neben dem Hemd bestand –, als würde er nach Geld kramen. Zum Glück hatte er die Geschenke für Weihnachten schon besorgt. Der Jahreswechsel ging immer ins Geld.

Steffen winkte ab und wackelte mit dem Kugelschreiber in seiner Hand. „Sag mir lieber, was heute mit dir los war. Oder versprich mir, dass es nicht wieder vorkommt.“

„Es kommt nicht wieder vor.“

Steffen grunzte. „Sag’s nicht nur, weil ich es hören will.“

Pauls Mundwinkel zuckten. „Ich bin mit den Gedanken bei Weihnachten gewesen.“ Das war zumindest nicht gelogen.

Er warf einen Blick aus dem Fenster an der Seite zum Viereck. Das hässliche Schild über der Tür, das ein Schwein, einen Stier und ein auf einer Spitze stehendes Viereck beinhaltete, wurde nur noch von einer statt von zwei Lampen angestrahlt. Das Eck vom Viereck war in der Dunkelheit von hier nicht zu lesen. In dem Fenster links neben der Tür blinkte ein rotblaues Neonschild in epileptischen Anfällen auslösender Geschwindigkeit und verkündete OPEN.

Bis jetzt war Hack noch nicht gegangen. Er musste ihn unbedingt abfangen. Normalerweise war das Viereck länger geöffnet als Steffens Café, außer es waren keine Gäste da. Dann schloss Egon den Laden gerne schon mal um zehn.

„Kennst du eigentlich Hack?“

„Hm?“ Steffen hatte sich wieder seinem Schichtplan zugewandt, strich einige Sachen durch und kritzelte ein paar Pfeile und Notizen hin. „Hackfleisch?“

„Nein. Hack. Von drüben. Vom Viereck.“

Mit gerunzelter Stirn sah Steffen auf und klickte ein paar Mal mit dem Kugelschreiber. „Der Neue? Macht er dir Probleme?“

„Nein.“

Das war ihm vielleicht etwas hastig über die Lippen gekommen, weil Steffen den Kopf schief legte. „Paul?“

„Er macht mir keine Probleme.“ Er würde nur Probleme mit seiner Mutter bekommen, wenn er am vierundzwanzigsten ohne Begleitung bei Walther auftauchte. Wobei Probleme vermutlich das falsche Wort dafür war. Aber er konnte sich jetzt schon vorstellen, wie sie ihre Enttäuschung zu verbergen versuchte. Scheiße, er wäre selbst enttäuscht und würde sich neben Walthers perfekter Familie wie ein armseliger Trottel vorkommen, der sich zu Weihnachten in ein Märchen verirrt hatte.

Vielleicht sollte ich Hack und seinem Whiskeypunsch bei der Feuerzangenbowle Gesellschaft leisten. Wie schmeckt überhaupt Whiskeypunsch?

Wieder klickte Steffen mit dem Kugelschreiber, ehe ihm aufzufallen schien, was er da tat, weil er ihn zur Seite legte. Er ging um den kleinen Bartresen herum und stützte die Hände auf einen der vier Barhocker. „Soweit ich weiß, ist er auf Bewährung. Wenn er dir also Probleme macht, solltest du mit Egon sprechen. Oder ich rede mit ihm.“ Er verzog das Gesicht. „Ich habe ihm schon tausend Mal gesagt, dass er sich nicht immer die Straftäter reinholen soll. Aber er kennt da wohl irgendjemanden bei der Dienststelle im Gericht, deswegen –“

„Es ist alles okay. Ich hab ihn nur draußen gesprochen, das ist alles.“

„Er arbeitet seit ein paar Monaten für Egon. Muss kurz nach dir angefangen haben. Wenn er Egon bis jetzt noch nicht den Kopf abgerissen hat, muss er eine Engelsgeduld haben. Der letzte Kerl auf Bewährung hat nach zwei Monaten aufgegeben.“

Eine Engelsgeduld zu haben, passte nicht zu Pauls Vorstellung, jemanden zu Hackfleisch zu verarbeiten. An dem einen oder anderen Tag stand er selbst kurz davor, Egon eine reinzuhauen, und dass nur, weil er ihn von der anderen Seite des Innenhofs erlebte.

„Ist er Koch?“

„Küchenhilfe.“

Verdammt. Koch wäre besser gewesen zwischen dem Arzt, der Bankangestellten, der Anwältin und … was machte noch mal der Mann von Wilma?

„Ich dachte, ihr hättet euch vor drei Monaten auf dem Straßenfest unterhalten.“

Na ja, unterhalten konnte man das wohl nicht nennen. Es sei denn, Steffen verstand darunter, dass Hacks Schwanz Hallo zu Pauls Hintern gesagt hatte.

Paul räusperte sich. „Nur kurz.“

Drüben beim Viereck wurde die Tür aufgestoßen und Hack sprang in Begleitung des Russen Danil die zwei Stufen zum Eingang hinunter. Sofort schob er eine Hand in die Hosentasche und zog die Packung Zigaretten heraus. Er bot Danil eine an, der mit einem Nicken eine aus der Schachtel zog.

Auf dem Straßenfest hatte er nicht ständig an einer Zigarette gehangen, also musste er es auch ein paar Stunden ohne aushalten. In etwa so lange, wie ein mehrgängiges Weihnachtsmenü dauerte. Falls Walther und sein Anhang überhaupt zulassen würden, dass in einem Radius von zehn Kilometern ums Haus geraucht wurde.

Paul zog den Reißverschluss seiner Winterjacke hoch. „Ich muss los. Bis morgen.“

Steffen war nicht entgangen, was Pauls plötzlichen Aufbruch ausgelöst hatte. Er brummte unzufrieden. „Bis morgen. Und pass auf dich auf.“

Hack und Danil hatten sich trotz der Kälte in eher gemütlichem Gang auf dem Weg zur U-Bahn gemacht. Selbst Danil, der unter seiner Daunenjacke ein Paar beeindruckender, tätowierter Oberarme verbarg, wirkte neben Hack eher wie ein Durchschnittsmensch. Als Paul näher herankam, hörte er, dass sich seine Aussprache wieder verbessert hatte, seit er das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte. Ob Danil auch verurteilt und von Egon während seiner Bewährungszeit aufgenommen worden war? Ihm würde Paul zwar keine Engelsgeduld bescheinigen, aber anfangs hatte er Egons Beleidigungen vielleicht schlicht nicht verstanden.

„Hey.“

Hack und Danil drehten sich um. Wenn Paul nicht alles täuschte, rollte Hack die Augen, bevor er seine Zigarette an den Mund führte und daran zog.

„Auch auf dem Weg zur U-Bahn? Ich schließ mich an.“

„Paul! Wie geht’s?“ Danils harter Akzent ließ seine Worte eckig klingen.

Mit leichtem Smalltalk setzten sie sich wieder in Bewegung. Danil würde gleich morgen Früh zu seiner Familie nach Russland fahren, wo bereits eine dicke Schneeschicht lag. Paul bemerkte, dass er auch gerne weiße Weihnachten haben würde, woraufhin Danil lachend verkündete, dass er zur Abwechslung lieber irgendwo wäre, wo keine zweistelligen Minusgrade herrschten. Hack sagte nichts und rauchte.

Als sie die U-Bahn-Station erreichten, fuhr gerade eine U-Bahn ein.

„Oh, die will ich kriegen. Muss noch was schlafen“, sagte Danil, während er schon die Treppen hinuntersprintete. „Frohe Weihnachten! Bis bald.“

Die Türen der U-Bahn schlossen sich bereits, als sich Danil für seinen Körperbau erstaunlich geschickt durch den schmalen Türspalt schlängelte. Die U-Bahn fuhr aus der Station und Hack und Paul kamen ein paar vereinzelte Nachtschwärmer entgegen, die an dieser Haltestelle ausgestiegen waren. Unten am Gleis angekommen, zeigte die Anzeigetafel neunzehn Minuten bis zur nächsten U-Bahn an. Im Hintergrund dudelte in gerade noch erträglicher Lautstärke irgendein klassisches Stück, damit es sich niemand über Nacht zu gemütlich in dem U-Bahnhof machte. Bis auf einen älteren Herrn, der am anderen Ende mit Hut und Gehstock auf einer der Bänke Platz genommen hatte, waren sie allein.

Perfekt.

Paul wandte sich Hack zu. „Hast du’s dir überlegt?“

Hack, der trotz des Rauchverbots seine Zigarette mit nach unten ans Gleis genommen hatte, nahm einen letzten Zug und drückte sie auf dem nahestehenden Mülleimer aus. „Was?“

„Das Weihnachtsessen.“

„Du willst immer noch, dass ich mitkomme?“

„Warum nicht?“

Hack schnaubte. „Entweder musst du deine Mutter hassen oder du bist sehr verzweifelt.“

„Ist das ein Ja?“

„Nein.“

„Hab ich schon von dem fantastischen, mehrgängigen Menü erzählt, dass es wahrscheinlich geben wird? Inklusive Gans mit Füllung? So was gibt’s in Egons Küche nicht.“

„Sehe ich aus, als würde ich mich mit einem schicken Essen bestechen lassen?“

Betont lässig zuckte Paul die Schultern. „Du siehst auf jeden Fall nicht aus, als würdest du wahllos Leute verprügeln. Also such dir besser was anderes, mit dem du mich abschrecken kannst.“

Hack packte ihn so schnell und wirbelte ihn so unvermittelt herum, dass sich Paul an seinen Schultern festklammern musste, als er das Gefühl hatte, die Welt würde sich um ihn drehen. Dann spürte er etwas Hartes in seinem Rücken, das leicht knarzte. Der Schaukasten mit dem Fahr- und Linienplan drin. Hack ragte über ihm auf und hielt ihn fest. Pauls Herz hämmerte bis hinunter in seinen Schwanz.

„Sorry.“ Seine Stimme war rau vor Verlangen und er konnte die genaue Sekunde bestimmen, in der Hack das ebenfalls auffiel. „Das macht mich höchstens scharf.“ Er ergriff Hacks Schultern fester und zog ihn so dicht an sich, dass Hack seinen Ständer spüren musste. Nein, spürte. Denn er ächzte auf, bevor er die Zähne zusammenbiss.

„Scheiße“, stieß er hervor, ehe er seinen Mund auf Pauls presste.

Zigarettenqualm, schoss es Paul durch den Kopf, doch bevor sich Widerwillen in ihm festsetzen konnte, verbrannte die Hitze seine Geschmacksnerven.

Paul schloss die Augen, öffnete die Lippen und lockte Hacks Zunge in seinen Mund, bevor er es sich anders überlegen konnte. Allerdings musste er keine besondere Überredungskunst anwenden. Hack war ausgehungert – und geschickt. Er eroberte Pauls Mund mit wütender Zunge, gierigen Lippen und verzweifelten Bissen. Paul stöhnte und krallte die Finger in Hacks Nacken.

Gott, warum war er nur nicht früher auf die Idee gekommen, das Ganze körperlich anzugehen? Wenn er sich Hack schon vor zwei Monaten an den Hals geworfen hätte, wäre ihm vielleicht die eine oder andere Niete erspart geblieben.

Mit einem Keuchen riss Paul seine Lippen los und rang nach Luft. Hacks Blick lag dunkel und verlangend auf seinem Mund, seine Hände fest auf Pauls Hintern und Hüfte. Wenn der alte Mann und die U-Bahn-Kameras nicht gewesen wären, hätte er ihn vielleicht wieder umgedreht und …

Paul erschauerte. Doch als sich Hack erneut vorbeugte, hielt Paul ihn an den Schultern zurück. „Komm mit mir zum Essen.“

Hack knurrte – er knurrte – und Paul hätte als Antwort darauf beinahe geschnurrt. „Nein.“

„Bitte.“

Hacks Kiefer mahlten. „Nein.“

„Muss ich erst betteln?“

Hack stemmte die flache Hand neben Pauls Kopf gegen die Plastikscheibe des Schaukastens, sodass das Plastik in der Halterung klapperte. „Das ist keine gute Idee.“

Paul biss sich auf die Zunge, um nicht zu grinsen. „Hinterher bekommst du auch eine Belohnung.“

In Hacks Augen blitzte es auf und er schob ein Bein zwischen Pauls, sodass sein Oberschenkel gegen Pauls Erektion drückte – und Paul Hacks spüren konnte. „Und wenn ich die Belohnung vorher will?“

„Du kannst sie vorher und nachher haben.“

Er fühlte, wie Hack sich verspannte, als wäre die Aussicht auf mehr als einmal Sex vergleichbar mit einem Termin bei seinem Bewährungshelfer. Selbst wenn er nicht so dicht bei Paul gestanden hätte, hätte er gesehen, wie Hack mit sich rang.

Komm schon. Gib dir einen Ruck. Es ist Weihnachten, verdammt noch mal. Und nur ein einziges Scheißessen. Dass es kein harmloses Essen werden würde, würde er ihm später mitteilen.

Wahrscheinlich war es unfair, aber er legte den Kopf leicht in den Nacken, hob Hack sein Gesicht entgegen und öffnete die Lippen. Hacks Blick saugte sich daran fest wie ein Saugnapf, nur eine Sekunde, bevor er sich tatsächlich daran festsaugte und mit der Zunge über Pauls glitt.

Scheiße, hatten sie sich beim letzten Mal auch so geküsst? Paul hatte das Gefühl, nicht genug davon bekommen zu können.

Dieses Mal war es Hack, der sich von ihm löste. Er sah ihn an, als würde er erwarten, dass Paul plötzlich von ihm wegspringen und „Scherz!“ brüllen würde.

„Verdammt.“

Paul grinste. „Ist das jetzt ein Ja?“

Hack brummte.

„Wir müssen nach Zorneding.“

„Scheiße.“

Der Vorort von München ließ auch Paul nicht gerade in Begeisterungsstürme ausbrechen, weil es gerade an Weihnachten beschissen sein würde, von dort wieder wegzukommen. Hacks Abneigung, die sich wie mit Karnevalsfarben auf seinem Gesicht  zeigte, war hingegen beinahe komisch.

„Sollen wir uns an der S-Bahn-Station treffen oder willst du zusammen hinfahren?“

Hack runzelte die Stirn. „Hast du kein Auto?“

„Nein.“ Und selbst wenn würde er diesen Abend nicht ohne eine große Menge Alkohol überstehen – auch auf die Gefahr hin, dass ihm dann Sachen rausrutschten, die allen unangenehm waren, allen voran seiner Mutter.

„Dann fahre ich.“

„Du? Und was ist mit deinen Whiskey-Plänen?“

„Sind wohl gerade den Bach runtergegangen.“

„S-Bahn ist okay für mich.“

„Ich sagte doch gerade, ich fahre.“

Bei diesem Tonfall schwang nicht ganz so viel zwischen den Zeilen mit wie vor ein paar Stunden bei Egon, dennoch ließ es Pauls Nacken kribbeln. „Okay.“

„Gib mir deine Adresse, dann hol ich dich ab.“

Paul sagte sie ihm und sah zu, wie Hack sie in sein Handy einspeicherte, auch wenn er sich dafür von Paul lösen musste. Das Handy war ein Smartphone der älteren Generation, das Pauls nicht unähnlich war. Paul nutzte die Gelegenheit, zog sein eigenes heraus und tauschte mit Hack Handynummern.

Vor Freude tanzten die Endorphine durch seinen Blutkreislauf. Solche Fortschritte hatte er in den letzten drei Monaten nicht erzielt. Er hatte gedacht, er müsste sich Hack langsam und gemächlich nähern, wenn er noch mal Sex mit ihm wollte. Aber offensichtlich war der Weg zum Erfolg genauso wie ihr erstes Mal: schnell, wie aus dem Nichts und ohne Rücksicht auf Verluste.

„Hol mich um vier ab.“

Hack brummte, was sowohl eine Zustimmung als auch eine Kritik an der frühen Uhrzeit sein konnte. Dann steckte er sein Handy weg und wandte sich zum Gehen.

Pauls Herz sackte in seine Hose. „Hey, wo willst du hin?“

„Rauchen.“

Paul verzog das Gesicht. Irgendwie musste er Hack noch beibringen, die Finger von den Glimmstängeln zu lassen. „Die U-Bahn kommt in zwei Minuten.“ Und ich dachte, wir vögeln jetzt noch?

Als Antwort erhielt er wieder nur ein Grunzen. Als Hack schon fast die Treppe erreicht hatte, rief Paul: „Hack, warte!“ Er setzte sich in Bewegung, doch als sich Hack umdrehte, ließ ihn etwas in seinem Blick stehen bleiben.

„Tom.“

Was? Ist das …?

„Ich heiße Tom.“

„Tom …“, wiederholte Paul leise und prüfte, wie sich der Name auf seiner Zunge anfühlte. In seiner Brust und in seinem Magen löste er jedenfalls ein warmes Gefühl aus. Tom. War das noch eine Abkürzung? Für Thomas vielleicht?

Als der plötzlich aufkommende Wind die Einfahrt der U-Bahn ankündigte, nickte Hack – Tom – in Richtung der Gleise. „Deine U-Bahn fährt ein.“

„Das ist auch deine …“ Paul sparte sich den Rest, als sich Hack umdrehte und die Stufen hochstieg. Eine Sekunde später war er verschwunden.
 
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