I don't have time for you!
von TheStampede
Kurzbeschreibung
(JxP) Adam arbeitet noch immer bei Sarif, selbst wenn er der ganzen Firma nicht mehr traut. Aber seine momentane Lebenssituation lässt nicht zu, dass er jetzt alles auf den Kopf stellt. Seit der Sache mit Megan ist sein ganzes Leben aus den Fugen geraten, (Trigger Warnung) er kommt nur noch durch Tabletten und Alkohol zur Ruhe... und ob wohl er sich aus allem raushalten und mit sich und seinen Problemen alleingelassen werden will kommt dann auch noch sein von Herzen hass-geliebter Kollege Pritchard... Was mit diesem los ist und worauf das hinausläuft... Tja...!
GeschichteAllgemein / P16 / MaleSlash
Adam Jensen
Francis Pritchord
26.10.2015
01.01.2016
9
27.851
3
28.10.2015
3.054
Mit einem etwas schmerzenden Kopf wachte Ich auf dem Sofa auf. Die Kopfschmerzen kamen zum Teil vom Alkohol, aber auch vom Sofa, welches nicht die beste Schlafgelegenheit bot. Gerädert setzte ich sich zumindest erst einmal auf, rieb mir das Gesicht und beschloss erst einmal zu duschen. Mich schwer aus den Polstern hebend und auf recht schwachen Beinen wandelte ich in die Richtung seines Badezimmers und zog mich kurz aus um schnell unter dem warmen Wasser stehen zu können. Alle Türen, bis auf seine Wohnungstür, standen noch offen, alles war mir egal, so wie immer. Einige Male zog ein Windzug aus der ganzen Wohnung durch das Bad und auch durch die eigentlich warme Dusche, dennoch schaffte dieser es mich immer wieder aus den Gedanken zu reißen. Allerdings waren es dieses mal nicht so bohrende Gedanken. Frank schien nichts passiert zu sein. Mit Sicherheit hätte man sich dann bereits irgendwie bei mir gemeldet. Ob wohl auch das bescheuert klang. Wieso sollte man mir Bescheid sagen, wenn Frank was passiert? Aber egal. Irgendwie hätte ich es schon mitbekommen. Selbst wenn es nur ein neuer Albtraum geworden wäre.
Ein letztes Mal ließ ich das Wasser über mein Gesicht laufen und stellte es dann wieder ab. Wahrscheinlich würde ich heute schon wieder nichts frühstücken, so wie auch die letzten Tage. Wesentlich fragte ich mich eh schon seit einiger Zeit, was nun gesünder war. Jeden Tag diese künstlichen Cornflakes oder gar nichts? War vielleicht wie ein Vergleich von Gift zu nichts. Also klar war die Antwort nicht. Egal. Die Arbeit rief nach mir, vielleicht auch jemand, der dort war. Die Dusche schwerfällig verlassen und ein Handtuch umgebunden versuchte ich mich zu sammeln, schaffte es aber erst, als ich mir etwas Hilfe holte. Mit einem zweiten Handtuch begann ich meine Haare zu trocknen und ins Wohnzimmer zu gehen um mir wieder ein Glas Whiskey einzuschenken. Der Geschmack war zwar mehr aggressiv als angenehm, aber ich wusste, dass es alles angenehmer werden wird. Ich trank zwar selten am Morgen, aber manchmal ging es nicht anders. Manchmal entschied ich mich halt für das direktere Gift als für überhaupt gar nichts.
Die kalte Luft trocknete mich, sodass ich mich nun anziehen konnte. Ich hatte nun zwei Gläser auf dauernüchternen Magen geleert und einen leichten Rausch. Ob ich mich daran gewöhnen wollte in dem Zustand zur Arbeit zu gehen? Diese Frage brachte mich in einen Zwiespalt. Diesen sollte ich aber nicht jetzt mit mir ausmachen. Ich musste los. Der Weg war ja nicht weit. Demnach war ich auch früh da, auch berauscht. In dem Zustand war ich etwas anders als sonst, besorgter um meine Mitmenschen und so einen Mist, weshalb ich auch zu erst bei Pritchard vorbei wollte. Mich etwas zusammenreißend um nicht aufzufallen hielt ich mir den Kopf und ging so unauffällig wie möglich an dem Büro vorbei und schaute kurz herein. Frank saß vor seinem Rechner, sah aber noch immer nicht gut aus. Bestimmt hatte er schon wieder nicht geschlafen. Sollte ich ihm mal sagen, dass er sich eine Nacht in einem Hotel ausruhen sollte? Anscheinend brachte das Reden nichts. Aber so konnten wir nun auch nichts machen. Sie waren einfach nicht zurückzuverfolgen. Also ging ich weiter. Frank war ja eigentlich nicht dumm. Er hätte sich ein Zimmer in einem Hotel genommen, wenn er gedacht hätte, dort wäre er sicherer und könnte mal wieder durchschlafen. Ich entschied sich dafür einfach wieder zu gehen und die Sache zu Ignorieren, zumindest solange der Alkohol mich in seinem fragwürdigen Griff hatte und mich dazu bringen konnte freiwillig mit Francis zu reden. Wahrscheinlich würde ich ihm mit betrunkenem Kopf sagen, dass ich mir Sorgen machen würde. Ja, Alkohol brachte mich zu fragwürdigen Gedanken. Oder eher zu fragwürdigem Handeln. Hätte ich noch etwas mehr getrunken gäbe es keine Gedanken. Nur Handlungen. Ich ging schnell weiter. Gerade einen nüchternen Moment erwischt befürchtete ich von Frank gesehen werden zu können. Es würde doch reichen, wenn er gleich einen Auftrag hätte und seine Stimme hören muss. Allein schon, weil ich mir denken konnte, dass er mir eh erzählen wird, was war oder vielleicht passiert ist. Oder... dachte ich das nur, weil ich alkoholisiert war? Frank war momentan komisch. Vielleicht dachte er ja nun, dass ich sein Psychiater bin? Oder vielleicht auch nicht? Egal. Vollkommen egal. Ich würde es eh gleich herausfinden. Vorerst solle ich aber zu David gehen. Irgendwas war wieder, was ein einfacher Bote nicht machen konnte.
Wieder dieser Fahrstuhl. Wenn man sich etwas zu viel am Morgen gönnte konnte dieser eine richtige Bestandsprobe sein. Besonders bei dem Ausblick. Wieder im höchsten Geschoss gelandet und den kleinen Flur entlang gelaufen war ich wieder bei ihm. Nun nichts anmerken lassen.
„Sie haben nach mir verlangt, wenn ich das richtig verstanden habe?“
„Richtig, Adam. Vielleicht glauben Sie wirklich, ich würde sie zurückstufen oder derartiges, aber Sie müssten für mich wieder eine Kleinigkeit übergeben. Dieses Mal ist es aber noch wichtiger als gestern, dass können Sie mir glauben.“
Das Paket war noch kleiner als gestern. Es war dieses Mal nur ein Umschlag. Was war da wohl drin? Flyer? Rezepte? Geheime Einkaufsliste?
„Und wo hin damit?“
„Sie... wissen doch noch, wer Emanuele ist, oder?“ Die Erinnerungen waren da. Es war ein Kleinkrimineller, welcher die Fragen des Geldes und der Bezahlung für gewisse Handel regelte. So eine von den vielen Ratten, welche in der Kanalisation Geschäfte trieb. Ich nickte. Ja, ich erinnerte mich.
„Und... was soll ich mit dem machen? Eine Falle stellen? Etwas unterjubeln? Sie wissen, dass das aber nicht ganz meine Lieblingsbe...“
„Sie bezahlen ihn hiermit. Mehr nicht.“ Hatte David, David Sarif, mit dieser schlechten Parodie eines Panzerknackers Geschäfte gemacht? Und ich sollte ihn bezahlen? Ich wollte schon fragen, wie viel. Aber wahrscheinlich hätte die Summe die Sache für mich noch unverständlicher gemacht. Sollte ich nun fragen, wofür? Oder wäre es besser, das selber herauszufinden?
„Ist in Ordnung. Muss ich zusehen, dass ich verdeckt zu ihm gelange? Oder ist er nun auf der Schiene der Guten gelandet und treibt nur noch legalen Handel?“ Elegant das nötigste gefragt ohne all zu skeptisch zu wirken. Sarif, welcher mir die gesamte Zeit zugewendet war, wand sich nun ab, etwas schmunzelnd, eher etwas lächelnd.
„Sie können doch so oder so diskret sein. Das reicht vollkommen.“ Das war eigentlich zu wenig Antwort für mich. Verdammt. Aber damit musste ich dann wohl leider klarkommen. Der Umschlag, welcher wieder auf dem Tisch Platz gefunden hatte, wurde wieder von mir angenommen. Wenn auch weniger Begeistert als den letzten Tag.
„Frank wird Ihnen die Daten von Emanuele zuschicken. Sehen Sie zu, dass das alles schnell geht.“ Mehr bekam ich nicht zu hören. Mit den Informationen musste ich mich nun auf den Weg machen. Nur mit den Informationen. Innerlich fluchend verließ ich das große Büro und schnurstracks zurück zum Aufzug. Ich musste nicht lang warten um die Daten von Frank zu bekommen.
„Emanuele ist hier, drei Straßen weiter im Untergrund.“, verriet mir die kleine Stimme in seinem Kopf, welche sich schmerzend nach meinem Computerkollegen anhörte.
„Haben Sie eine Ahnung, was die hier für Dinge treiben, Pritchard?“
„Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen?“ Nur einen Satz gewechselt und man merkte, wie angespannt er war. Lieber keine weiteren Fragen. Woher sollte er Antworten wissen. Genau. Irgendwas lief schief. Weder er noch ich wussten was hier vor sich ging.
„Gut. Gibt... es sonst noch was?“ Warum fragte ich das? Ich sollte wirklich zusehen, dass ich in meinem Zustand an mich dachte. Pritchard ging mich gar nichts an. Was ich mir jetzt wohl anhören durfte...
„Nein. Sonst nichts.“ Das war es? Wollte er nicht vielleicht berichten, wie scheiße es ihm geht? Wie schlecht er schläft, wenn überhaupt? Das er wieder eine Mail bekommen hat? Gar nichts? Nun... umso besser. Der Funkkontakt brach ab. Dann sollte Ich mich wohl einfach an die Anweisungen halten und meinem Chef vertrauen. Dieser Gedanke gefiel mir gar nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass David sich ein bisschen unmoralisch verhielt.
Die drei Straßen weiter gab es keinen Weg herunter. Also noch zwei Straßen weiter. Wie mir das gerade alles gehörig gegen den Strich ging. Da fragt ich einmal nach, dann schweigt sich Frank tot. Dann macht mein Chef anscheinend krumme Dinger... wozu führt das? Die zwei Straßen weiter boten mir dann eine Leiter zum Untergrund. Angekotzt wegen der super Location orientierte ich mich nur noch an der kleinen Karte, welche seine Netzhaut netter Weise für mich immer offen hat. Er müsste hier rechts sein. Etwas vorsichtig, oder laut David, diskret, wandelt ich also durch die Gänge der illegalen Verhandlungsorten, zum Drahtzieher für schwer auf die Schliche kommenden Großeinkäufe. Emanuele. Der kleine schmierige Kerl im falschen feinen Zwirn.
„Emanuele?“ So wie immer, ohne direkten Augenkontakt durch die Sonnenbrille, mustert ich den aufgeblasenen 9mm Träger. Was wollte David von ihm? Bestimmt keine Bananenlieferung.
„Wer sind Sie?“
„Jensen. Ich bin hier für David Sarif.“ Das Gesicht des Schmierigen machte Andeutungen zu grinsen. Das gefiel mir noch weniger als sein wahrscheinlich falscher italienischer Akzent.
„Ja ja ja, David Sarif. Ich habe schon gewartet. Oder eher seine Ware hat gewartet. Sagen Sie ihm, er hätte alles schon längst haben können, wenn er früher mit der Bezahlung rausgerückt wäre. Aber hey, mein Problem ist das nicht.“
„Richtig. Das ist nicht Ihr Problem.“ Keine Mine verziehend übergab ich den Umschlag. Da Emanuele noch vor seinen Augen diesen öffnete um das Geld zuzählen, bekam auch ich genug Einblick um zu merken: Hier stimmt wirklich etwas nicht. Das war kein normaler Kauf, das war eine riesige Investition. Und es konnte nichts gutes sein.
„Stimmt alles. Danke, dass Sie den Laufburschen gespielt haben.“
„Bedanken Sie sich nicht bei mir. Bedanken Sie sich bei David.“ Mehr fiel mir leider nicht mehr ein. Kurzerhand funkte Emanuele jemanden an, dass der Transporter losfahren soll. So schnell ging das.
„Sagen Sie David, er soll gleich aus seinem Fenster schauen. Und er soll uns bald wieder beehren.“ Nein, sollte er lieber nicht. Nicht einmal ein Grummeln bekam der Kriminelle zur Verabschiedung von mir zu hören.
So schnell wie möglich wollte ich wieder hier raus. Überall starrten mich potenzielle Knasties an, den Finger am Abzug und die Aufmerksamkeit auf mir. Die würden es sich aber nicht wagen mir nur einen halben Schuss zu verpassen. Sie alle genauso im Blick behaltend ging es wieder aufwärts für mich. Frischluft. Endlich. Also wenn dieser Kerl sich an das hält, was er sagt, dann sollte ich gleich eigentlich auch die Chance bekommen zu sehen, um was es hier geht. „David soll gleich aus dem Fenster schauen.“ War das wirklich meine Art? Den eigenen Chef ausspionieren? Anscheinend gab es keine andere Möglichkeit. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich nicht auch mal hohe Tiere in Frage stellen würde. Und meiner Erfahrung nach musste man David manchmal anzweifeln. Mir also Zeit lassend und Pritchard noch mal anfunkend erhoffte ich mir einen Blick auf die Ware erhaschen zu können.
„Pritchard. In einigen Minuten sollte ein Transporter ankommen...“
„Was ist damit?“
„Geben Sie mir Bescheid wenn er da ist.“
„Was haben Sie denn jetzt vor? Haben Sie nicht genug Gehalt und müssen die eigene Firma beklauen?“
„Machen Sie es einfach. Um mehr bete ich Sie auch nicht.“
„... ja ist gut.“ Zumindest auf ihn war, mehr oder weniger, Verlass. Mich also noch entfernter aufhaltend wartete ich auf Pritchards Kommando. Was mir allerdings bereits vor diesem auffiel war, dass ein Transporter, welcher eigentlich immer Lieferungen für LIMB Kliniken macht, an mir vorbeifuhr. Und kurz nachdem dieser aus meiner Sichtweite war...
„Jensen. Ihr Transporter.“
„Danke.“ Mehr wollte ich nicht hören. Und mehr brauchte ich nicht hören. So unauffällig wie es mir gerade möglich war kam ich zur Firma. Allerdings betrat ich diese nicht, sondern schlich um sie herum. Und ich sah ihn wieder, den LIMB Klinik Lastwagen. Aber was hatte Emanuele mit LIMB zu tun? Wie sich herausstellen sollte: Gar nichts. Denn die Ware war nicht von LIMB. Sie war von Chronic Industries. Diese Firma war dafür berühmt zwar billige, aber dafür auch qualitativ schlechtere Augmentierungsteile zu verkaufen. Was am Ende hieß, das Geld, dass man gespart hatte, muss in Medikamente gesteckt werden bevor man die Augementierungen abstößt. Aber das konnte doch nicht sein... David würde derartiges doch nicht tun... oder doch?
Ich musste mich täuschen. David würde so etwas nicht tun. Vielleicht brauchte er die Teile für andere Forschungen. Er würde sich ins eigene Bein schießen wenn er schlechte Augemtierungen verkaufen würde. Es musste irgendwas anderes sein. Weshalb ich auch wieder ging. Mein Büro schien mich vermisst zu haben. Einiges an Arbeit musste ich hier erledigen und das nahm meine Zeit.
Mich plagten, bevor er wirklich Feierabend hatte, Kopfschmerzen. Es war doch zu viel für mich. Mir schon die ganze Zeit den Kopf haltend lehnt ich mich etwas zurück und legte einen Finger auf mein Ohr um klaren Kontakt zu bekommen.
„Entschuldigen Sie Boss. Aber... brauchen Sie mich noch? Ich... glaube, ich brauche etwas Ruhe.“ Ich war Davids Liebling. Sein Sohn, klar bekam ich die Zeit und Ruhe, die ich brauchte.
„Nein Adam. Es gäbe nichts, was so wichtig wäre, dass ich Sie hier behalten müsste. Sie sahen heute wirklich nicht gut aus. Haben Sie Probleme? Ist etwas mit... Megan?“
„Boss, es ist nichts. Vielleicht eine... harmlose Erkältung oder sonst was. Morgen bin ich wieder bei klarem Kopf.“
„Wenn nicht bleiben Sie zu Hause. Erholen Sie sich lieber einmal richtig als sich etwas zu verschleppen.“
„Danke. Ich melde mich bei Ihnen.“ Zum Glück. Ich konnte nach Hause. Ich konnte dahin, wo alle Probleme der Außenwelt mich einen Scheißdreck angehen konnten. Dahin, wo mir keiner mehr Befehle geben konnte. Und wo ich mir keinen Kopf mehr zerbrechen musste, was mit Francis oder Daivd los sei. So schwerfällig wie am Morgen bewegte ich mich durch sein Büro und daraufhin gen Ausgang. Ich hatte, Gott sei Dank, auch keinen zu langen Weg vor mir. Die Zeit war nur eine zähe Masse. Im nächsten Moment war ich endlich in den eigenen vier Wänden und warf meinen Mantel zumindest in die Richtung der Garderobe. Schon bald war ich auch seine Oberbekleidung los. Ich hatte regelrechte Hitzeanfälle. Wurde ich wirklich krank? Fieber? Oder war es Stress? Aber was stresste mich so? Ich ging doch schon allem aus dem Weg... Es gab nur eines, was mich sofort von allem befreite. Mein Whiskey. Genug von meinem Whiskey, mein Sofa und Ruhe. Wenn ich mich weiterhin so krank fühlen sollte würde ich auch noch Tabletten nehmen. Irgendwas hatte ich schon noch da was ich nehmen konnte. Aber erst mal nur Sofa und Alkohol.
Platz genommen und das erste Glas schnell geleert sah ich mich um, was mir nicht gut bekam. Ich sah die alten Sachen von Megan auf meinem Schreibtisch liegen. Sie hatte sie noch immer nicht abgeholt, da sie noch immer hoffte mit mir die Vergangenheit klären zu können. Sie ließ nicht locker. Sie schrieb mir allerdings nur. Sie trat mir bis jetzt nicht mehr unter die Augen. Hatte sie Angst? Angst „nein“ ins Gesicht gesagt zu bekommen? Dachte sie, mit einigen Mails würde sie mich erst milde stimmen und dann irgendwann persönlich vor der Tür stehen und eine bessere Chance haben? Sie hatte mir nicht einmal den Schlüssel zu meinem Apartment zurück gegeben, weshalb ich nun ein Schloss mit Code montieren lies. Ich hatte mit ihr abgeschlossen. Wenn auch schmerzlich. Wut stieg in mir auf als ich die Sachen sah. Ich trank daraufhin wieder. Jetzt kamen Kopfschmerzen zur Verdrängung dazu. War ja nichts neues seit den letzten Wochen. Die Schmerztabletten waren sogar schon immer in der Nähe, da es so alltäglich wurde. Wenn ich diese allerdings nun nehmen würde, würde ich gleich schon einschlafen. Medikamente und Alkohol warfen auch mich um. Aber egal. Umso besser. Zur Sicherheit drückte ich zwei der bitter schmeckenden Tabletten aus dem Blister. Geschluckt hat ich sie natürlich mit Whiskey. Mich daraufhin zurücklehnend und die Augen schließend schlief ich ein. Mal schauen, wann ich wieder die Augen aufmachte.
Ein komisches Geräusch, erst nicht definierbar, weckte mich. War etwas heruntergefallen? Nein, das Geräusch wiederholte sich. Es war die Klingel meines Apartments. Wie spät war es? Da ich die Fenster nicht abgedunkelt hatte und dadurch erkannte, dass es stockdüster draußen war tippte ich auf mitten in der Nacht. Das Geräusch machte eine Pause. Mir den Kopf haltend richtete ich mich auf und ging, teilweise schwankend, zu der Tür. Ich versuchte mich kurz zu sammeln um nicht zu berauscht zu erscheinen und drückte die Klinke herab. Hätte ich das lieber nicht getan...
„Pritchard? Was... was machen Sie hier?“ Vollkommen fertig stand Frank da. Sein Blick war leer wie selten. Oder eigentlich noch nie.
„Ich bin durch Feuer wach geworden. Mir wurde ein Brandsatz an die Hauswand geworfen. Die Feuerwehr war sich nicht sicher, ob nicht eigentlich meine Wohnung hätte brennen sollen.“ So plötzlich war ich nüchtern.
„Die Puristen?“ Und ich sagte zu ihm, er solle das nicht ernst nehmen. Er solle es ignorieren. Und nun das? Ein Brandsatz? Mitten in der Nacht? „Scheiße, kommen Sie rein.“
Ich sah Frank noch immer an, wie selten er zu Schlaf kam. Er stand da, als würde er frieren und alles um sich herum gar nicht mitbekommen. Er trat voran bis ins Wohnzimmer, dann ein fragender Blick: Wohin mit mir?
„Sie können hier rechts rein. Ich schlafe die letzten Tage nur noch auf dem Sofa. Und ich glaube, Sie können das Bett eher gebrauchen als ich. Und jetzt fragen Sie mich nicht, ob ich mir sicher bin, dass Sie da schlafen können. Ich würde es Ihnen nicht anbieten wenn ich es nicht wäre.“ Auch wenn ich daran zweifelte, dass Pritchard sich Sorgen um meinen Schlaf machte. Ich wollte es nur klarstellen.
„... Danke.“ Es war für mich das einzige, was mich vielleicht nun dazu brachte mir selber zu verzeihen, dass er eigentlich wegen mir in die Lage gebracht wurde. Wie konnte es nur dazu kommen...? Ich deutete ihm noch den Weg ins eigentliche Schlafzimmer. Dann trennten wir uns. Meine Haare raufend setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Feuer. Feuerwehr. Es hätte sonst was passieren können. Vielleicht hätte... Durfte ich wirklich darüber nachdenken? Durfte ich mir wirklich vor Augen führen, dass Pritchard hätte nun...? Nein, durfte ich nicht. Pritchard lebte. Auch wenn ich niemals zugeben würde, dass mich das freut. Bevor ich weiter denken konnte sah ich eine halbe Stunde später noch mal nach Frank, welcher nicht schlief, setzte mich dann wieder auf mein Sofa und schlief wieder ein.
Ein letztes Mal ließ ich das Wasser über mein Gesicht laufen und stellte es dann wieder ab. Wahrscheinlich würde ich heute schon wieder nichts frühstücken, so wie auch die letzten Tage. Wesentlich fragte ich mich eh schon seit einiger Zeit, was nun gesünder war. Jeden Tag diese künstlichen Cornflakes oder gar nichts? War vielleicht wie ein Vergleich von Gift zu nichts. Also klar war die Antwort nicht. Egal. Die Arbeit rief nach mir, vielleicht auch jemand, der dort war. Die Dusche schwerfällig verlassen und ein Handtuch umgebunden versuchte ich mich zu sammeln, schaffte es aber erst, als ich mir etwas Hilfe holte. Mit einem zweiten Handtuch begann ich meine Haare zu trocknen und ins Wohnzimmer zu gehen um mir wieder ein Glas Whiskey einzuschenken. Der Geschmack war zwar mehr aggressiv als angenehm, aber ich wusste, dass es alles angenehmer werden wird. Ich trank zwar selten am Morgen, aber manchmal ging es nicht anders. Manchmal entschied ich mich halt für das direktere Gift als für überhaupt gar nichts.
Die kalte Luft trocknete mich, sodass ich mich nun anziehen konnte. Ich hatte nun zwei Gläser auf dauernüchternen Magen geleert und einen leichten Rausch. Ob ich mich daran gewöhnen wollte in dem Zustand zur Arbeit zu gehen? Diese Frage brachte mich in einen Zwiespalt. Diesen sollte ich aber nicht jetzt mit mir ausmachen. Ich musste los. Der Weg war ja nicht weit. Demnach war ich auch früh da, auch berauscht. In dem Zustand war ich etwas anders als sonst, besorgter um meine Mitmenschen und so einen Mist, weshalb ich auch zu erst bei Pritchard vorbei wollte. Mich etwas zusammenreißend um nicht aufzufallen hielt ich mir den Kopf und ging so unauffällig wie möglich an dem Büro vorbei und schaute kurz herein. Frank saß vor seinem Rechner, sah aber noch immer nicht gut aus. Bestimmt hatte er schon wieder nicht geschlafen. Sollte ich ihm mal sagen, dass er sich eine Nacht in einem Hotel ausruhen sollte? Anscheinend brachte das Reden nichts. Aber so konnten wir nun auch nichts machen. Sie waren einfach nicht zurückzuverfolgen. Also ging ich weiter. Frank war ja eigentlich nicht dumm. Er hätte sich ein Zimmer in einem Hotel genommen, wenn er gedacht hätte, dort wäre er sicherer und könnte mal wieder durchschlafen. Ich entschied sich dafür einfach wieder zu gehen und die Sache zu Ignorieren, zumindest solange der Alkohol mich in seinem fragwürdigen Griff hatte und mich dazu bringen konnte freiwillig mit Francis zu reden. Wahrscheinlich würde ich ihm mit betrunkenem Kopf sagen, dass ich mir Sorgen machen würde. Ja, Alkohol brachte mich zu fragwürdigen Gedanken. Oder eher zu fragwürdigem Handeln. Hätte ich noch etwas mehr getrunken gäbe es keine Gedanken. Nur Handlungen. Ich ging schnell weiter. Gerade einen nüchternen Moment erwischt befürchtete ich von Frank gesehen werden zu können. Es würde doch reichen, wenn er gleich einen Auftrag hätte und seine Stimme hören muss. Allein schon, weil ich mir denken konnte, dass er mir eh erzählen wird, was war oder vielleicht passiert ist. Oder... dachte ich das nur, weil ich alkoholisiert war? Frank war momentan komisch. Vielleicht dachte er ja nun, dass ich sein Psychiater bin? Oder vielleicht auch nicht? Egal. Vollkommen egal. Ich würde es eh gleich herausfinden. Vorerst solle ich aber zu David gehen. Irgendwas war wieder, was ein einfacher Bote nicht machen konnte.
Wieder dieser Fahrstuhl. Wenn man sich etwas zu viel am Morgen gönnte konnte dieser eine richtige Bestandsprobe sein. Besonders bei dem Ausblick. Wieder im höchsten Geschoss gelandet und den kleinen Flur entlang gelaufen war ich wieder bei ihm. Nun nichts anmerken lassen.
„Sie haben nach mir verlangt, wenn ich das richtig verstanden habe?“
„Richtig, Adam. Vielleicht glauben Sie wirklich, ich würde sie zurückstufen oder derartiges, aber Sie müssten für mich wieder eine Kleinigkeit übergeben. Dieses Mal ist es aber noch wichtiger als gestern, dass können Sie mir glauben.“
Das Paket war noch kleiner als gestern. Es war dieses Mal nur ein Umschlag. Was war da wohl drin? Flyer? Rezepte? Geheime Einkaufsliste?
„Und wo hin damit?“
„Sie... wissen doch noch, wer Emanuele ist, oder?“ Die Erinnerungen waren da. Es war ein Kleinkrimineller, welcher die Fragen des Geldes und der Bezahlung für gewisse Handel regelte. So eine von den vielen Ratten, welche in der Kanalisation Geschäfte trieb. Ich nickte. Ja, ich erinnerte mich.
„Und... was soll ich mit dem machen? Eine Falle stellen? Etwas unterjubeln? Sie wissen, dass das aber nicht ganz meine Lieblingsbe...“
„Sie bezahlen ihn hiermit. Mehr nicht.“ Hatte David, David Sarif, mit dieser schlechten Parodie eines Panzerknackers Geschäfte gemacht? Und ich sollte ihn bezahlen? Ich wollte schon fragen, wie viel. Aber wahrscheinlich hätte die Summe die Sache für mich noch unverständlicher gemacht. Sollte ich nun fragen, wofür? Oder wäre es besser, das selber herauszufinden?
„Ist in Ordnung. Muss ich zusehen, dass ich verdeckt zu ihm gelange? Oder ist er nun auf der Schiene der Guten gelandet und treibt nur noch legalen Handel?“ Elegant das nötigste gefragt ohne all zu skeptisch zu wirken. Sarif, welcher mir die gesamte Zeit zugewendet war, wand sich nun ab, etwas schmunzelnd, eher etwas lächelnd.
„Sie können doch so oder so diskret sein. Das reicht vollkommen.“ Das war eigentlich zu wenig Antwort für mich. Verdammt. Aber damit musste ich dann wohl leider klarkommen. Der Umschlag, welcher wieder auf dem Tisch Platz gefunden hatte, wurde wieder von mir angenommen. Wenn auch weniger Begeistert als den letzten Tag.
„Frank wird Ihnen die Daten von Emanuele zuschicken. Sehen Sie zu, dass das alles schnell geht.“ Mehr bekam ich nicht zu hören. Mit den Informationen musste ich mich nun auf den Weg machen. Nur mit den Informationen. Innerlich fluchend verließ ich das große Büro und schnurstracks zurück zum Aufzug. Ich musste nicht lang warten um die Daten von Frank zu bekommen.
„Emanuele ist hier, drei Straßen weiter im Untergrund.“, verriet mir die kleine Stimme in seinem Kopf, welche sich schmerzend nach meinem Computerkollegen anhörte.
„Haben Sie eine Ahnung, was die hier für Dinge treiben, Pritchard?“
„Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen?“ Nur einen Satz gewechselt und man merkte, wie angespannt er war. Lieber keine weiteren Fragen. Woher sollte er Antworten wissen. Genau. Irgendwas lief schief. Weder er noch ich wussten was hier vor sich ging.
„Gut. Gibt... es sonst noch was?“ Warum fragte ich das? Ich sollte wirklich zusehen, dass ich in meinem Zustand an mich dachte. Pritchard ging mich gar nichts an. Was ich mir jetzt wohl anhören durfte...
„Nein. Sonst nichts.“ Das war es? Wollte er nicht vielleicht berichten, wie scheiße es ihm geht? Wie schlecht er schläft, wenn überhaupt? Das er wieder eine Mail bekommen hat? Gar nichts? Nun... umso besser. Der Funkkontakt brach ab. Dann sollte Ich mich wohl einfach an die Anweisungen halten und meinem Chef vertrauen. Dieser Gedanke gefiel mir gar nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass David sich ein bisschen unmoralisch verhielt.
Die drei Straßen weiter gab es keinen Weg herunter. Also noch zwei Straßen weiter. Wie mir das gerade alles gehörig gegen den Strich ging. Da fragt ich einmal nach, dann schweigt sich Frank tot. Dann macht mein Chef anscheinend krumme Dinger... wozu führt das? Die zwei Straßen weiter boten mir dann eine Leiter zum Untergrund. Angekotzt wegen der super Location orientierte ich mich nur noch an der kleinen Karte, welche seine Netzhaut netter Weise für mich immer offen hat. Er müsste hier rechts sein. Etwas vorsichtig, oder laut David, diskret, wandelt ich also durch die Gänge der illegalen Verhandlungsorten, zum Drahtzieher für schwer auf die Schliche kommenden Großeinkäufe. Emanuele. Der kleine schmierige Kerl im falschen feinen Zwirn.
„Emanuele?“ So wie immer, ohne direkten Augenkontakt durch die Sonnenbrille, mustert ich den aufgeblasenen 9mm Träger. Was wollte David von ihm? Bestimmt keine Bananenlieferung.
„Wer sind Sie?“
„Jensen. Ich bin hier für David Sarif.“ Das Gesicht des Schmierigen machte Andeutungen zu grinsen. Das gefiel mir noch weniger als sein wahrscheinlich falscher italienischer Akzent.
„Ja ja ja, David Sarif. Ich habe schon gewartet. Oder eher seine Ware hat gewartet. Sagen Sie ihm, er hätte alles schon längst haben können, wenn er früher mit der Bezahlung rausgerückt wäre. Aber hey, mein Problem ist das nicht.“
„Richtig. Das ist nicht Ihr Problem.“ Keine Mine verziehend übergab ich den Umschlag. Da Emanuele noch vor seinen Augen diesen öffnete um das Geld zuzählen, bekam auch ich genug Einblick um zu merken: Hier stimmt wirklich etwas nicht. Das war kein normaler Kauf, das war eine riesige Investition. Und es konnte nichts gutes sein.
„Stimmt alles. Danke, dass Sie den Laufburschen gespielt haben.“
„Bedanken Sie sich nicht bei mir. Bedanken Sie sich bei David.“ Mehr fiel mir leider nicht mehr ein. Kurzerhand funkte Emanuele jemanden an, dass der Transporter losfahren soll. So schnell ging das.
„Sagen Sie David, er soll gleich aus seinem Fenster schauen. Und er soll uns bald wieder beehren.“ Nein, sollte er lieber nicht. Nicht einmal ein Grummeln bekam der Kriminelle zur Verabschiedung von mir zu hören.
So schnell wie möglich wollte ich wieder hier raus. Überall starrten mich potenzielle Knasties an, den Finger am Abzug und die Aufmerksamkeit auf mir. Die würden es sich aber nicht wagen mir nur einen halben Schuss zu verpassen. Sie alle genauso im Blick behaltend ging es wieder aufwärts für mich. Frischluft. Endlich. Also wenn dieser Kerl sich an das hält, was er sagt, dann sollte ich gleich eigentlich auch die Chance bekommen zu sehen, um was es hier geht. „David soll gleich aus dem Fenster schauen.“ War das wirklich meine Art? Den eigenen Chef ausspionieren? Anscheinend gab es keine andere Möglichkeit. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich nicht auch mal hohe Tiere in Frage stellen würde. Und meiner Erfahrung nach musste man David manchmal anzweifeln. Mir also Zeit lassend und Pritchard noch mal anfunkend erhoffte ich mir einen Blick auf die Ware erhaschen zu können.
„Pritchard. In einigen Minuten sollte ein Transporter ankommen...“
„Was ist damit?“
„Geben Sie mir Bescheid wenn er da ist.“
„Was haben Sie denn jetzt vor? Haben Sie nicht genug Gehalt und müssen die eigene Firma beklauen?“
„Machen Sie es einfach. Um mehr bete ich Sie auch nicht.“
„... ja ist gut.“ Zumindest auf ihn war, mehr oder weniger, Verlass. Mich also noch entfernter aufhaltend wartete ich auf Pritchards Kommando. Was mir allerdings bereits vor diesem auffiel war, dass ein Transporter, welcher eigentlich immer Lieferungen für LIMB Kliniken macht, an mir vorbeifuhr. Und kurz nachdem dieser aus meiner Sichtweite war...
„Jensen. Ihr Transporter.“
„Danke.“ Mehr wollte ich nicht hören. Und mehr brauchte ich nicht hören. So unauffällig wie es mir gerade möglich war kam ich zur Firma. Allerdings betrat ich diese nicht, sondern schlich um sie herum. Und ich sah ihn wieder, den LIMB Klinik Lastwagen. Aber was hatte Emanuele mit LIMB zu tun? Wie sich herausstellen sollte: Gar nichts. Denn die Ware war nicht von LIMB. Sie war von Chronic Industries. Diese Firma war dafür berühmt zwar billige, aber dafür auch qualitativ schlechtere Augmentierungsteile zu verkaufen. Was am Ende hieß, das Geld, dass man gespart hatte, muss in Medikamente gesteckt werden bevor man die Augementierungen abstößt. Aber das konnte doch nicht sein... David würde derartiges doch nicht tun... oder doch?
Ich musste mich täuschen. David würde so etwas nicht tun. Vielleicht brauchte er die Teile für andere Forschungen. Er würde sich ins eigene Bein schießen wenn er schlechte Augemtierungen verkaufen würde. Es musste irgendwas anderes sein. Weshalb ich auch wieder ging. Mein Büro schien mich vermisst zu haben. Einiges an Arbeit musste ich hier erledigen und das nahm meine Zeit.
Mich plagten, bevor er wirklich Feierabend hatte, Kopfschmerzen. Es war doch zu viel für mich. Mir schon die ganze Zeit den Kopf haltend lehnt ich mich etwas zurück und legte einen Finger auf mein Ohr um klaren Kontakt zu bekommen.
„Entschuldigen Sie Boss. Aber... brauchen Sie mich noch? Ich... glaube, ich brauche etwas Ruhe.“ Ich war Davids Liebling. Sein Sohn, klar bekam ich die Zeit und Ruhe, die ich brauchte.
„Nein Adam. Es gäbe nichts, was so wichtig wäre, dass ich Sie hier behalten müsste. Sie sahen heute wirklich nicht gut aus. Haben Sie Probleme? Ist etwas mit... Megan?“
„Boss, es ist nichts. Vielleicht eine... harmlose Erkältung oder sonst was. Morgen bin ich wieder bei klarem Kopf.“
„Wenn nicht bleiben Sie zu Hause. Erholen Sie sich lieber einmal richtig als sich etwas zu verschleppen.“
„Danke. Ich melde mich bei Ihnen.“ Zum Glück. Ich konnte nach Hause. Ich konnte dahin, wo alle Probleme der Außenwelt mich einen Scheißdreck angehen konnten. Dahin, wo mir keiner mehr Befehle geben konnte. Und wo ich mir keinen Kopf mehr zerbrechen musste, was mit Francis oder Daivd los sei. So schwerfällig wie am Morgen bewegte ich mich durch sein Büro und daraufhin gen Ausgang. Ich hatte, Gott sei Dank, auch keinen zu langen Weg vor mir. Die Zeit war nur eine zähe Masse. Im nächsten Moment war ich endlich in den eigenen vier Wänden und warf meinen Mantel zumindest in die Richtung der Garderobe. Schon bald war ich auch seine Oberbekleidung los. Ich hatte regelrechte Hitzeanfälle. Wurde ich wirklich krank? Fieber? Oder war es Stress? Aber was stresste mich so? Ich ging doch schon allem aus dem Weg... Es gab nur eines, was mich sofort von allem befreite. Mein Whiskey. Genug von meinem Whiskey, mein Sofa und Ruhe. Wenn ich mich weiterhin so krank fühlen sollte würde ich auch noch Tabletten nehmen. Irgendwas hatte ich schon noch da was ich nehmen konnte. Aber erst mal nur Sofa und Alkohol.
Platz genommen und das erste Glas schnell geleert sah ich mich um, was mir nicht gut bekam. Ich sah die alten Sachen von Megan auf meinem Schreibtisch liegen. Sie hatte sie noch immer nicht abgeholt, da sie noch immer hoffte mit mir die Vergangenheit klären zu können. Sie ließ nicht locker. Sie schrieb mir allerdings nur. Sie trat mir bis jetzt nicht mehr unter die Augen. Hatte sie Angst? Angst „nein“ ins Gesicht gesagt zu bekommen? Dachte sie, mit einigen Mails würde sie mich erst milde stimmen und dann irgendwann persönlich vor der Tür stehen und eine bessere Chance haben? Sie hatte mir nicht einmal den Schlüssel zu meinem Apartment zurück gegeben, weshalb ich nun ein Schloss mit Code montieren lies. Ich hatte mit ihr abgeschlossen. Wenn auch schmerzlich. Wut stieg in mir auf als ich die Sachen sah. Ich trank daraufhin wieder. Jetzt kamen Kopfschmerzen zur Verdrängung dazu. War ja nichts neues seit den letzten Wochen. Die Schmerztabletten waren sogar schon immer in der Nähe, da es so alltäglich wurde. Wenn ich diese allerdings nun nehmen würde, würde ich gleich schon einschlafen. Medikamente und Alkohol warfen auch mich um. Aber egal. Umso besser. Zur Sicherheit drückte ich zwei der bitter schmeckenden Tabletten aus dem Blister. Geschluckt hat ich sie natürlich mit Whiskey. Mich daraufhin zurücklehnend und die Augen schließend schlief ich ein. Mal schauen, wann ich wieder die Augen aufmachte.
Ein komisches Geräusch, erst nicht definierbar, weckte mich. War etwas heruntergefallen? Nein, das Geräusch wiederholte sich. Es war die Klingel meines Apartments. Wie spät war es? Da ich die Fenster nicht abgedunkelt hatte und dadurch erkannte, dass es stockdüster draußen war tippte ich auf mitten in der Nacht. Das Geräusch machte eine Pause. Mir den Kopf haltend richtete ich mich auf und ging, teilweise schwankend, zu der Tür. Ich versuchte mich kurz zu sammeln um nicht zu berauscht zu erscheinen und drückte die Klinke herab. Hätte ich das lieber nicht getan...
„Pritchard? Was... was machen Sie hier?“ Vollkommen fertig stand Frank da. Sein Blick war leer wie selten. Oder eigentlich noch nie.
„Ich bin durch Feuer wach geworden. Mir wurde ein Brandsatz an die Hauswand geworfen. Die Feuerwehr war sich nicht sicher, ob nicht eigentlich meine Wohnung hätte brennen sollen.“ So plötzlich war ich nüchtern.
„Die Puristen?“ Und ich sagte zu ihm, er solle das nicht ernst nehmen. Er solle es ignorieren. Und nun das? Ein Brandsatz? Mitten in der Nacht? „Scheiße, kommen Sie rein.“
Ich sah Frank noch immer an, wie selten er zu Schlaf kam. Er stand da, als würde er frieren und alles um sich herum gar nicht mitbekommen. Er trat voran bis ins Wohnzimmer, dann ein fragender Blick: Wohin mit mir?
„Sie können hier rechts rein. Ich schlafe die letzten Tage nur noch auf dem Sofa. Und ich glaube, Sie können das Bett eher gebrauchen als ich. Und jetzt fragen Sie mich nicht, ob ich mir sicher bin, dass Sie da schlafen können. Ich würde es Ihnen nicht anbieten wenn ich es nicht wäre.“ Auch wenn ich daran zweifelte, dass Pritchard sich Sorgen um meinen Schlaf machte. Ich wollte es nur klarstellen.
„... Danke.“ Es war für mich das einzige, was mich vielleicht nun dazu brachte mir selber zu verzeihen, dass er eigentlich wegen mir in die Lage gebracht wurde. Wie konnte es nur dazu kommen...? Ich deutete ihm noch den Weg ins eigentliche Schlafzimmer. Dann trennten wir uns. Meine Haare raufend setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Feuer. Feuerwehr. Es hätte sonst was passieren können. Vielleicht hätte... Durfte ich wirklich darüber nachdenken? Durfte ich mir wirklich vor Augen führen, dass Pritchard hätte nun...? Nein, durfte ich nicht. Pritchard lebte. Auch wenn ich niemals zugeben würde, dass mich das freut. Bevor ich weiter denken konnte sah ich eine halbe Stunde später noch mal nach Frank, welcher nicht schlief, setzte mich dann wieder auf mein Sofa und schlief wieder ein.