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Blaue Augen

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P18 / Gen
05.10.2015
30.10.2015
8
20.749
 
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08.10.2015 1.964
 
Nils stand noch eine Weile da, und starrte fassungslos auf die Stelle, an der die hübsche Blondine eben noch gestanden hatte. Was für ein freches Weibsstück! Aber um ehrlich zu sein, hatte ihr Abgang ihn nachhaltig beeindruckt. Die wenigsten Frauen würden den Mut finden, derart aufzutreten.
Im Hotelzimmer wählte Julia erst mal Pias Nummer. Nach dem dritten Freizeichen hörte sie schon die Stimme ihrer Freundin. „Ewald?“ „Ich bin‘s. Ich hatte das Date des Jahrhunderts!“ sprudelte es auch schon aus der jungen Frau heraus. Sie beschrieb ihrer Vertrauten das Treffen mit Nils in allen Einzelheiten. Pia seufzte. „Ach Julchen, ich hoffe ja, dass dieser Nils mehr taugt als dein bescheuerter Ex. Aber mal was anderes: Mein Chef hat mich dazu verdonnert, drei Tage mit drei so Kochschnöseln zu touren. Vielleicht kann ich da ja was über diesen Nils in Erfahrung bringen? Du meintest doch, er sei Koch?“ Julia lachte. Ihre Freundin neigte zur Übervorsicht, was Männer anging, seit ihr Exfreund sie betrogen hatte. „Kannst du ja machen, aber du wirst sehen, er ist ein guter. Wir sehen uns Morgen!“ Pia stoppte sie. „Nein, ab morgen bin ich mit diesen Kochheinis unterwegs. Werd Kamerafrau haben sie gesagt, da erlebst du aufregende Sachen, haben sie gesagt. Und wo ende ich? Im Hausfrauen TV. Super. Und dafür habe ich den Mist auch noch studiert“, brummte die sonst immer fröhliche Frau.
„Halt‘ mich auf dem Laufenden“, bat Julia ihre WG-Partnerin, als sie auflegte. Sie war manchmal etwas neidisch auf die zehn Jahre ältere, da diese durch ihren Beruf als Kamerafrau viel herumkam. Neulich hatte sie sogar für Til Schweiger hinter der Kamera gestanden. Allerdings war sie diesem zu renitent gewesen, und hatte sich seinen Regieanweisungen widersetzt, was in einem Eklat geendet hatte. Zur Strafe musste sie nun offensichtlich Hausfrauen TV machen, wie sie es nannte.
Am nächsten Tag traf sich Pia mit ihrem Drehteam. „Du bist also Jochens Vertretung bis auf weiteres?“ fragte Gordon, der Aufnahmeleiter. Sie nickte stumm. Nur keinen Ärger machen, rief sich die schwarzhaarige ins Gedächtnis. „Okay, wir sind das Team, das im Restaurant vorab dreht, die anderen Kollegen kommen mit den Köchen in drei Stunden. Und übrigens, du bist bei diesem Dreh das einzige Mädchen. Nimm‘ dich vor unseren Köchen in acht. Nur als kleiner Tipp.“ Sie nickte wieder nur stumm. „Sprechen kannst du aber?“ Sie lachte Gordon aus vollem Herzen an. „Ja, kann ich. Aber nur dann, wenn es gefragt ist.“ Daraufhin machte sie sich an die Arbeit. Sie sollte das Einzelinterview mit dem zu rettenden Wirt filmen. Ihre Dreadlocks hatte sie zusammengebunden, die Kamera ruhte lässig auf ihrer Schulter, und sie drückte vorsichtig den Aufnahmeknopf. „Und bitte!“ kam Gordons Anweisung. Nach drei Stunden hatten sie das Vorabmaterial einigermaßen fehlerfrei im Kasten. Jasper, der Cutter, jammerte schon, dass er wohl arbeitslos wäre.
Gordon hatte ihnen eine zehnminütige Pause genehmigt, die Pia nutzte, um im freien eine Zigarette zu rauchen. Da es draußen warm war, hatte sie ihren Hoodie ausgezogen, und so kamen ihre tätowierten Arme zum Vorschein. Jasper, der neben ihr saß, staunte. „Du bist Tim Burton Fan?“ Pia grinste. „Durch und durch, wie man sieht.“ Da kamen drei Männer um die Ecke. Ein großer rotblonder, der verdächtig nach Julias Traumprinzen Nils aussah, ein ebenso großer brünetter, der ebenfalls tätowiert war, und ein kleinerer schwarzgrau melierter, der wie Pia ein Misfits T-Shirt trug.
„Da kommen die Köche, mach die Fluppe aus, es geht weiter“, raunte Jasper. Doch Pia, inzwischen ein alter Kamerahase, dachte gar nicht daran. Sie machte mit ihrem Handy unauffällig ein Foto der drei und schickte es an Julia.
„PiaE: Ist das in der Mitte zufällig DER Nils von gestern?“
Ihr Handy piepste, kaum dass sie die Nachricht abgeschickt hatte.
„MrsGermany: Ja genau das ist er. Krass!“
Gordon kam heraus. „Okay Kinder, ich möchte euch unsere neue Kamerafrau vorstellen. Sie ist ab jetzt die Vertretung für Jochen.“ Er zeigte auf die schwarzhaarige. „Stell dich doch einfach selbst vor.“ Pia erhob sich. „Also, wenn Gordon mich schon so nett bittet: Ich heiße Pia, bin 31 Jahre alt, Kamerafrau, und in den nächsten Monaten klebe ich euch mit meiner Linse am Arsch. Nicht, dass eure Popos nicht filmenswert wären, aber mein Traumjob ist das nun wirklich nicht. Eigentlich arbeite ich für den Film, und nicht für das Hausfrauen-Entertainment. Ich denke, wir können Spaß miteinander haben.“ Nils lachte dröhnend. „Dich finde ich klasse. Ich heiße übrigens Nils, bin 32 und….“ Weiter kam er nicht, denn Pia hatte sich zu ihm gebeugt. „Und tot, wenn du Julia das Herz brechen solltest.“ Nils schaute sie empört an. Pia ließ ihr kehliges  Lachen hören, und umarmte den Koch frech. Danach trat der brünette auf sie zu. „Ich bin Andi, 38, aus München, und denke auch, dass wir klarkommen könnten.“ Auch er wurde umarmt. Der schwarzgraue grinste. „Und dass du MICH nicht mehr erkennst, empört mich!“ „Olemaus? Ach du Kacke. Wie lange ist das her?“ Er schaute sie beleidigt an. „Es sind ziemlich genau 20 Jahre.“ Sie umarmte ihn stürmisch. „Ihr kennt euch?“ „Ich bin neben den Plogstedts aufgewachsen. Olemaus war der Traum meiner schlaflosen Nächte, als ich klein war. Wie geht’s Bea?“ „Gut geht’s ihr. Wir werden bald Großeltern.“ Pia grinste. „Jessy?“ Ole nickte. „Aber würde es dir viel ausmachen, mich einfach nur Ole zu nennen?“ „Gar nicht. Aber nun lasst uns arbeiten.“
Als sie nach weiteren drei Stunden den Drehtag abgeschlossen hatten, gesellte sich Nils zu ihr. „Was macht dich sicher, dass ich Julia das Herz brechen wollen würde?“ „Gar nichts, du bist ein guter Kerl. Aber tust du es, breche ich dir die Beine. Julia ist meine beste Freundin, und ich würde sie ungern leiden sehen. Nicht nochmal.“ Nils schaute ihr ernst in die Augen. „Ich dachte nie, dass mir so etwas passieren würde, aber ich glaube, ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt.“ Pia umarmte ihn. „Dann ruf‘ sie an, husch!“
Nils folgte dem Rat der Kamerafrau und wählte Julias Nummer. „Hartmann?“ „Hier ist Nils. Ich wollte mich einfach mal gemeldet haben.“ „Du arbeitest gerade mit Pia, habe ich gehört?“ „Ja, sie ist echt in Ordnung. Aber das soll nicht das Thema sein. Was ich dir sagen wollte….“ Er stockte. Pia drückte aufmunternd seine Hand. „Julia…ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Stille am anderen Ende der Leitung. Dann räusperte sich die junge Frau. „Es klingt vielleicht blöd, aber mir geht es genauso. Wann sehen wir uns wieder?“ Nils runzelte die Stirn. „Wir drehen noch bis übermorgen, danach kann ich mir denke ich ein paar Tage frei nehmen. Ich rufe dich morgen nochmal an. Okay?“ Die beiden beendeten das Gespräch. Danach saß er noch lange mit Pia zusammen, und gemeinsam entwickelten sie einen Plan.
Die nächsten beiden Drehtage vergingen wie im Fluge, da Pia gut mit dem gesamten Team zurechtkam. Insbesondere Nils war ihr inzwischen ans Herz gewachsen, und sie wünschte sich, dass er und Julia ein Paar werden würden. Ihre Freundin hatte ein kleines Glück verdient, und sie würde alles daran setzen, dass es so kommen würde. Sie fuhr sich durch ihr schwarzes Haar, während sie ihr Equipment verstaute. Das Filmmaterial hatte sie bereits bei Jasper abgeliefert. Sie hatte gerade die letzte Tasche in ihren Kofferraum gepackt, als Nils vor ihr stand. „Meinst du, der Überraschungsangriff wirkt?“ fragte der rotblonde verunsichert. Die quirlige Berlinerin lachte. „Klar wird ditt. Gloob ma.“ Nils legte sein Gepäck ebenfalls im Kofferraum ab, und sie verabschiedeten sich von ihrem Team. „Bis nächste Woche, Kinder! Und Ole, grüß mir Bea und die Mädels!“
Nach vierstündiger Fahrt waren sie in der fränkischen Kleinstadt angekommen, in der Pia und Julia eine Wohnung teilten, wenn auch nicht mehr für lange. Julias Umzug nach Hamburg war ja quasi beschlossene Sache. Pia wurde das Herz bei dem Gedanken schwer, denn sie hing sehr an ihrer Freundin, die sie wie eine Tochter liebte.
Kaum hatte die schwarzhaarige die Wohnungstür aufgeschlossen, schoss auch schon ihr Malteserrüde Rudi heraus. Er begrüßte die beiden Neuankömmlinge begeistert. „Julchen, bin wieder zu Hause!“ brüllte Pia in den Flur. Kurz darauf kam die blonde angetappt, und umarmte sie stürmisch. „Wie war der Dreh? Wie geht es Nils? Habt ihr euch kennen gelernt? Wie findest du ihn?“ Nils räusperte sich hinter den beiden, und Julia zuckte zusammen, als hätte sie einen Geist gesehen. „Überraschung, Püppi!“ grinste Pia, und ließ ihre Freundin los. Sie leinte Rudi an, küsste beide flüchtig auf die Wange, und verschwand. Das würden die beiden alleine regeln müssen.
Kaum war die schwarzhaarige zur Tür raus, zog Nils Julia in eine stürmische Umarmung. „Schön, dich wiederzusehen. Pia meinte, es wäre das einfachste, wenn sie mich einfach mitnimmt.“ Julia strahlte. „Das war eine ihrer besseren Ideen. Und wie waren eure Dreharbeiten?“ „Das ist das einzige, das dich interessiert?“ fragte Nils belustigt. „Mich interessiert eher, wie es mit uns beiden nun weiter geht?“ Julia wurde schlagartig rot. „Naja…nachdem ich ja ohnehin nach Hamburg umziehe, haben wir doch eine reelle Chance, oder?“ Der rotblonde nickte. „Das würde ich mir zumindest sehr wünschen. Du bist mir die letzten Tage nicht aus dem Kopf gegangen.“ Er küsste sie liebevoll, was Julia auch sofort erwiderte. „Also, was heißt das nun?“ fragte sie, als sie sich von einander gelöst hatten. „Dass wir wohl beide nicht mehr Single sind, vermute ich“, stellte Nils nüchtern fest, bevor er sie erneut küsste.
Der smarte Hamburger blieb das gesamte Wochenende in der WG, in der sich Pia allerdings quasi in Luft aufgelöst hatte. Das störte die frisch verliebten herzlich wenig, und sie genossen jede Minute, in der sie beisammen waren. Sie saßen gerade im Wohnzimmer auf der Couch als Pia hereinschneite. „Julchen, ich habe gerade mit einem Kollegen in Hamburg telefoniert. Der kennt jemanden, der jemanden kennt….Fakt ist, du könntest schon in einem Monat in eine süße Zweiraumwohnung ziehen!“ Julia umarmte ihre Freundin dankbar. „Cool, danke!“ Nils rümpfte leicht die Nase. „Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass du direkt bei mir einziehst?“ Julia schaute etwas verwirrt. „Du bist nicht gerade von der langsamen Sorte, kann das sein?“ Der junge Mann wirkte etwas verlegen. „Naja…normalerweise nicht. Aber bei dir ist es irgendwie anders. Dich hätte ich am liebsten 24 Stunden am Tag um mich.“ Die blonde Fränkin strahlte. „Wenn du das so siehst, nehme ich dein Angebot natürlich gerne an.“ Sie küsste ihn euphorisch. „Aber was anderes: Wie haben sich denn Pia und dieser Andi verstanden?“ „Ganz gut, glaube ich. Sie ist zu uns allen freundlich, aber sehr distanziert. Der einzige, der zu ihr durchkommt ist Ole. Aber der hat sie wohl auch schon als Baby auf dem Arm gehabt. Ich glaube, das mit Andi und ihr können wir abhaken.“
Zwei Wochen später saß Julia verzweifelt zwischen gefühlten 300 Kisten. Ihre Kleidung war über den ganzen Boden verteilt, und eines ihrer T-Shirts bewegte sich sogar! Als sie feststellte, dass Rudi unter den Klamotten geschlafen hatte, und nun dementsprechend genervt war, war es fast zu spät gewesen. Sie hatte die Kiste, in die sie den Rüden im Eifer des Gefechts mit hineingepackt hatte, fast schon mit Klebeband geschlossen, als er durchdringend bellte. Julias Mutter Sigrid befreite Rudi, was er damit quittierte, dass er gegen die Yuccapalme pinkelte, die am Eckfenster stand.
Ihr Vater Hans trug schweigend mit Pia die bereits gepackten Kisten in den Van, der morgen in Richtung Hamburg aufbrechen sollte. Hans und Sigrid Hartmann ließen es sich nicht nehmen, ihr Kind höchstpersönlich bei ihrem neuen Freund abzuliefern-das hatte beinahe einen Familienkrach ausgelöst. Julia hatte Pia quasi auf Knien angefleht, anstatt ihrer Eltern mit ihr nach Hamburg zu kommen. Die schwarzhaarige hatte nur entschuldigend mit den Schultern gezuckt, und gemeint, dass sie mit Ole, Andi und einem komischen Stuttgarter, den sie noch nicht kannte, auf Tour sein würde. Aber Ole würde sie nach dem Dreh mitnehmen, und so könnte sie zumindest beim Kisten auspacken helfen.
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