Life Is Strange - Episode 5
von Eckstein
Kurzbeschreibung
Ein mögliches Ende von Life Is Strange.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Maxine "Max" Caulfield
03.10.2015
03.10.2015
1
4.971
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03.10.2015
4.971
Max erwachte gefesselt im Scheinwerferlicht im Bunker der Prescotts. Jefferson befand sich am Tisch und war gerade dabei eine Spritze zu füllen und auf sie zuzukommen.
»Sie müssen das nicht tun!«, Max hatte schon Tränen in den Augen. Wenn sie ihn nicht aufhalten konnte, war alles verloren.
»Bitte! Das haben Sie nicht nötig!«, sie versuchte zwecklos sich zu befreien.
Doch Mark Jefferson beachtete sie gar nicht, als ob er sie nicht einmal wahrnehmen würde, als ob sie schon längst gestorben wäre.
»Bitte!«, schluchzend kämpfte sie gegen ihr herankommendes Ende an, »Sie waren immer so ein netter Lehrer! So einer sind Sie nicht!«
Jefferson näherte sich ihr zielsicher mit einer vollen Spritze.
»Halt still!«, befahl er ihr ernst.
»Ich denke ja gar nicht daran!«, antwortete Max schluchzend und versuchte sich zu wehren. Vergeblich zerrte sie an ihren Fesseln, daraufhin fiel sie aus ihrer Sitzposition um, sodass sie seitlich am Boden lag und nur noch hilfloser war. Jefferson zeigte ein triumphierendes Lächeln und setzte zum Stich an ihrem Arm an.
»Warten Sie!«, schrie Max. Er hielt inne und schaute sie fragend an.
»Ich hätte noch eine letzte Frage an Sie. Wieso haben sie Rachel umgebracht und Kate am Leben gelassen?«
Jefferson antwortete nach einem kurzen Augenblick. »Bist du wirklich so blind? Kate war wegen der Drogen völlig abwesend und hat nicht einmal bemerkt was mit ihr geschieht, Rachel hingegen schon, sie reagierte nicht so stark auf die Betäubungsmittel. Mir geht es doch nicht um das Morden, sondern ausschließlich um die Kunst, Mord ist leider nur eben manchmal notwendig.«
Ohne auf eine Antwort abzuwarten, setzte er wieder die Nadel an ihrem Arm. Gerade als er endlich loslegen wollte, knallte plötzlich die schwere Bunkertür auf. Mark Jefferson blickte verwirrt dorthin, von woher das Geräusch kam. Ehe sich er und Max Gedanken machen könnte, wer oder was daran Schuld war, stand Nathan schon im Raum.
»NATHAN!«, schrie er ihn entsetzt an, »Was soll das!? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht bei der Arbeit stören sollst!«
»Ist mir egal!«, Nathan funkelte ihn mit wütenden Augen an, »Jetzt reicht's m..«
Jefferson unterbrach ihn, »Du weißt, dass ich dir den Geldhahn abdrehen werde!«
»Das ist mir scheißegal! Du bist endgültig zu weit gegangen!«, Nathan schien nichts mehr aufzuhalten, wütend brüllte er ihn unentwegt an, »Schon als du wieder hierher gekommen bist, wusste ich, dass das nichts Gutes bedeuten kann! Ich war so froh als du damals weggezogen bist! Und ich hatte gehofft, dass du NIE WIEDER kommen würdest! Du sagtest, dass Rachel die Letzte gewesen sei! Und ich schwöre dir, dass du niemals wieder eine gute Freundin von mir umbringen wirst! Denn ich habe gerade von Victoria selbst erfahren, dass sie die Nächste sein soll!«, er schnaubte kurz verächtlich und setzte sofort erneut an. »Was fällt dir eigentlich ein du Psychopath!? Wieso immer meine Freundinnen? Reichen dir die Anderen nicht! Geh doch dorthin wo du warst! Und dann bleib gefälligst dort! Verstanden!?«, er schien für einen kurzen Moment alles gesagt zu haben was er wollte.
»Wie redest du nur mit deinem Vater!?« Max traute ihren Ohren nicht. Nathan ist der Sohn von Mark Jefferson? Doch wieso hieß er dann nicht Prescott mit Nachnamen? Hatte er wohl erneut geheiratet? Oder hatte er nie geheiratet und Nathan hatte den Nachnamen seiner Mutter? Maxs verwirrende Gedanken wurden von dem lauten Streit unterbrochen. »Was fällt dir eigentlich ein? Wer glaubst du bist du eigentlich? Du bist ein Niemand! Ohne mich hättest du weder Geld noch wärst du so gut in der Schule! Du wärst sicherlich schon längst heraus geschmissen worden! Schließlich benehme ich mich nicht so daneben wie du! Einfach hier hereinzustürmen und mich bei meiner Arbeit stören! Und jetzt verschwinde! Du hast mir nichts zu sagen!«
»NEIN!«, Nathan schien gleich zu explodieren, »Ohne dich würde ich nie von der Schule geschmissen werden! Du bist derjenige der mich erst so verrückt gemacht hat! Ständig deine kranken Psycho Spielchen! Nur deinetwegen bin ich Drogen abhängig geworden! Ohne dich hätte ich nie einen Grund gehabt Drogen zu nehmen! Ich bin nicht das Problem, sondern du! Du ganz alleine!«, er hatte schon Tränen in den Augen, »Wer hilft dir denn an die ganzen Betäubungsmittel zu kommen? Ich! Ich mach die ganze Drecksarbeit für dich! Die ganze Zeit benutzt du mich! Nur damit ich Geld bekomme und du meine Freundinnen umbringen kannst!? Es reicht mir! Ich wünschte ich hätte einen anderen Vater!«
Zeitgleich mit dieser Aussage löste sich Jeffersons Hand und schlug auf Nathans Wange auf.
»Was fällt dir ein!? Das wirst du bereuen, das schwöre ich dir!«, brüllte sein Vater ihn an.
»Ich hasse dich.«, Nathan zischte die Wörter durch seine zusammengebissenen Zähne.
»Was hast du gesagt!?« Max hatte Jefferson noch nie so wutentbrannt gesehen. »Es scheint wohl, dass du gleich eine Lektion brauchst!«
Jefferson führte die Spritze zielsicher auf ihn zu. Im letzten Moment verstand sein Sohn was er vorhatte und wehrte den Angriff noch rechtzeitig ab und rammte stattdessen seinen Vater die Nadel in den Arm.
»Das wirst du bereuen!«, waren Mark Jeffersons letzten Worte bevor er bewusstlos am Boden zusammenbrach.
Nathan warf Max daraufhin einen flüchtigen Blick hinzu. Sie hatte schon damit gerechnet, dass er sie nicht befreien würde. Daraufhin verschwand er, ohne etwas zu sagen, schnell aus dem Bunker. Da Max eine Schere auf den Tisch liegen sah, hatte sie starke Zuversicht sich schnell befreien zu können, da lediglich ihr Fuß- und Handgelenk mit Panzerband umwickelt waren. Sie stand vorsichtig auf und hüpfte so schnell sie konnte zu dem Tisch und hob vorsichtig die Schere auf. Verächtlich blickte sie auf Jefferson nieder, der in unmittelbarer Nähe am Boden zusammengebrochen lag. Er hatte wohl nie damit gerechnet, dass jemand flüchten könnte. Das hatte sie nur ihren Erzfeind Nathan zu verdanken.
Behutsam schnitt sie ihre zugeklebten Handgelenke auf, indem sie die umgedrehte Schere vorsichtig zwischen ihren Händen auf und zu bewegte. Nun konnte sie ihre Füße mühelos befreien. Max erblickte auf den Tisch Jeffersons Autoschlüssel und ergriff sie sofort, da sie sich sofort denken konnte, dass sie sicherlich nützlich sein könnte. Aufgeregt verließ sie den Bunker, nachdem sie sich ihre Umhängetasche geschnappt hatte. Sie wusste jetzt wer Schuld an allem war und es lag in ihrer eigenen Hand jetzt endlich Allem ein Ende zu bereiten. Sie musste jemanden schnellst möglichst davon berichten. Mittlerweile war es schon vier Uhr morgens, ihr blieb also nicht mehr viel Zeit bis der Hurrikan erscheinen und somit die Zerstörung von Arcadia Bay stattfinden sollte. Warren war nun nur noch ihre einzige vertrauenswürdige Person, sie musste ihn sofort alles darüber berichten. Max stieg hastig in Jeffersons schwarzes Auto, sodass sie es noch rechtzeitig zur Blackwell Academy schaffen würde um die Wahrheit über die grausamen Geschehnisse zum Tageslicht bringen zu können, bevor der Hurrikan eintreffen würde.
Nicht angeschnallt, legte sie den Rückwärtsgang ein und verließ die Scheune in Rekordzeit. Während sie sich auf den Weg zu Warren machte, versuchte sie ihn per Handy zu erreichen. Max fühlte sich zwar etwas unwohl dabei, da sie sich immer an die Verkehrsregeln gehalten hatte, doch in dieser Ausnahmesituation war es etwas anderes. So fuhr sie viel zu schnell und abgelenkt durch die Straßen. Beinahe hätte sie sogar eine rote Ampel übersehen. Ihr bester Freund hatte sein Smartphone wohl auf Flugmodus gestellt, da sofort seine Mailbox kam. Sie wählte noch einmal seine Nummer um wenigstens etwas auf seiner Mailbox zu sprechen. Als sie gerade anfangen wollte zu sprechen, erblickte Max erschrocken eine Person, die nur wenige Meter vor ihrem Auto die Straße überquerte. Augenblicklich warf sie das Handy schnell zur Seite und machte eine prompte Vollbremsung. Während sie sich den unbekannten Menschen näherte, erkannte sie entsetzt, dass die Person Alyssa war. Auch sie erblickte Max und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Die zu späte Vollbremsung nützte leider nichts. Als sie das bemerkte, schaute sie Alyssa mit Tränen erfüllten Augen, die ›Es tut mir so Leid‹ formten, an. Sie wurde daraufhin von der schluchzenden Max überfahren, die ohne Gurt frontal auf den Airbag knallte und dadurch ihre Nase brach. Konfus entschied sich Max die Zeit zurück zu spulen um Alyssas Leben zu retten.
Als sie erneut die Strecke entlangfuhr, warf sie bedacht ihr Smartphone zur Seite um eine kurzfristigere Vollbremsung hinlegen zu können. Und tatsächlich stoppte ihr Auto nur einen Meter vor den Füßen von Alyssa. Sie starrte Max erschrocken und ungläubig an. Man konnte von ihrem Gesicht ablesen, dass sie wusste, dass Max sie um ein Haar umgebracht hätte. Max wäre noch gerne ausgestiegen, doch da sie unter starken Zeitdruck stand, fuhr sie angespannt sofort weiter, als ihre Freundin sicher die Straße überquert hatte. Max warf noch einen kurzen Blick in den Rückspiegel um zu sehen ob es ihr auch gut ging. Dabei stellte sie geschockt fest, dass aus ihrer Nase Unmengen an Blut floss. Dieses Mal war nicht der Airbag daran Schuld. Sie gab der bevorstehenden Apokalypse die Schuld. Sie bekam Angst, dass sie möglicherweise ihre Kräfte nicht mehr oft einsetzten und es zu einem erneuten Ausfall kommen könnte.
Als Max erleichtert an der Schule angekommen war, rannte sie geradewegs zu den Wohnheim der Jungen. Während sie konzentriert über den Schulhof rannte, hielt sie kurz inne. Da war eine merkwürdige Gestalt hinter einen der Bäume. Ganz fokussiert auf die Stelle, erkannte Max, dass es das merkwürdige Reh war, das sie von dort aus anstarrte. Doch sie musste weiter. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit.
Bei Warren angekommen, knallte sie seine, glücklicherweise nicht abgeschlossene Tür auf. So musste sie ihn nicht einmal wecken, da er von dem Knall sofort aufschreckte.
»Warren!«, keuchte Max.
»Max?«, sagte er verwirrt.
»Ich muss dir unbedingt was Wichtiges erzählen!«
»Jetzt?«, wunderte er sich.
»Ja! Es bleibt nicht mehr viel Zeit!«
»Wieso?«
»Na der Hurrikan!«
»Oh stimmt.. aber ich muss dir auch was sagen.«, er richtete sich auf, »Du hast doch gesagt, dass ich etwas über den Vater von Nathan in Erfahrung bringen soll und du wirst nicht glauben, was ich gefunden habe.«
»Doch ich glaube schon.«, antwortete Max selbstischer.
»Das glaube ich nicht. Denn ich habe herausgefunden, dass sein Vater Mark Prescott hieß, danach habe ich mehr über ihn gesucht und du wirst nicht glauben, was es ist! Er hat sich nämlich von seiner Familie getrennt und hat erneut geheiratet. Er hat den Namen Jefferson angenommen!«, Warren erwartete großes Entsetzten, doch Max zeigte keine Regung.
»Ja, ich weiß. Er hat mich nämlich entführt!«
Jetzt schaute Warren sie entsetzt mit großen Augen an.
»Ja!«, Max versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, »Erst hat er Chloe erschossen und dann hat er mich betäubt und gefesselt..«, sie schniefte kurz, »Rachel hat er auch umgebracht.«
Warren blickte sie ungläubig an. Er konnte nicht glauben, dass das alles wahr sein sollte.
»Nathan kam dann plötzlich herein und stritt mit seinem Vater, dann hat Nathan Jefferson betäubt, so konnte ich mich unbemerkt befreien und abhauen.«
»Oh Max.. das ist ja fürchterlich..«, Warren umarmte sie fest, »Geht es dir gut?«
»Na ja.. ich lebe noch.«
»Zum Glück«
Warren tröstete Max für einen kurzen Moment, indem er sie liebevoll umarmte.
»Wo warst du denn eingesperrt?«
»Jefferson hat extra dafür einen Bunker dafür unter einer alten Scheune bauen lassen.«
Warren schluckte geschockt, »Krass.«, flüsterte er.
Es gab eine kurze Schweigeminute.
»Jedenfalls haben wir nicht mehr viel Zeit bis der Hurrikan erscheint.« Max schaute aus dem Fenster. »Der Himmel ist sogar schon ganz grau. Ich glaube ich weiß jetzt wie ich ihn stoppen kann.« Sie schluckte eine Träne hinunter. »Doch zuvor möchte ich Jeffersons Taten rückgängig machen.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Ich habe wohl keine Wahl, ich muss ihn in der Vergangenheit ausschalten.« sagte Max beschämt und starrte dabei verlegen auf den Boden.
»Ok.«, sagte Warren gelassen.
»Ok?«, fragte Max verwundert.
»Ja, ich denke, dass das gut ist. Er hat soviel Schlimmes angestellt, dass es wohl keine andere vernünftige Möglichkeit gibt.«
Max war etwas erleichtert, da sie damit gerechnet hatte, dass er ihre Idee nicht gutheißen würde.
»Ich gehe schnell in mein Zimmer, dort habe ich noch ein fünf Jahre altes Klassenfoto, da hatte ich Jefferson als Klassenlehrer. Ich werde dort zurück reisen und ihn in einem Unfall verwickeln.« Sie machte eine kurze Pause. Erst jetzt wurde ihr wirklich bewusst, was sie da genau vorhatte. »Wenn ich zurück bin, wird es wohl so sein, als ob wir ihn nie hatten und er niemanden umgebracht hat.« Sie atmete tief durch. »Also bis gleich.« Damit verschwand sie in ihren Raum und durchwühlte hektisch ihre Sachen um das alte Klassenfoto zu finden. Nachdem sie es gefunden hatte, setzte sie sich auf das Bett und starrte entschlossen das Bild an. Langsam fingen die Stimmen aus dem Bild zu erklingen, bis sie sich letztendlich plötzlich in der damaligen Situation befand.
»So das hätten wir! Alle wieder zurück ins Klassenzimmer!«, befahl Herr Jefferson. Max hatte sich schon einen Plan ausgedacht, deshalb ging sie als Erste voraus. Sie erreichte vor ihrer Klasse das Zimmer. Sie ging auf die Tasche des Klassenlehrers, die neben dem Pult stand, zu. Zielsicher griff Max hinein und fischte unbemerkt den Schlüsselbund von Mark Jefferson hinaus. Schnell steckte sie sich die Schlüssel in die Hosentasche. Kurz darauf erschienen die ersten Mitschüler. Während sich das Klassenzimmer füllte, ging Max wieder hinaus um auf die Toilette zu gehen. Dort war leider noch eine Schülerin. Für ihren Plan musste sie nämlich alleine sein. Deshalb wartete sie, bis das Mädchen fertig war. Als Max schließlich alleine war, nahm sie ihr Feuerzeug in die Hand und zündete das heraus hängende Papier des Papierspenders an. In wenigen Sekunden stand der komplette Kunststoffkasten in Flammen. Das Feuer tropfte nach unten und entfachte den Mülleimer. Bingo. Der erste Schritt hatte geklappt.
Max eilte wieder zurück in ihr Klassenzimmer, dort musste sie nicht lange warten bis der Feueralarm losging. Ihre Mitschüler rannten panisch aus dem Klassenzimmer. Herr Jefferson versuchte erfolglos seine Schüler zu beruhigen und dazu zu bringen geordnet nach draußen zu gehen. Auch Max ging aus dem Raum, nur sie wartete vor der Tür bis all ihre Mitschüler aus dem Zimmer waren. Keiner beachtete ihr ungewöhnliches Verhalten. Nachdem alle das Klassenzimmer verlassen hatten, schlug sie augenblicklich die Tür zu und schloss sie ab. Herr Jefferson war noch nicht nach draußen gegangen. Er hatte gewartet bis alle Schüler sich außerhalb des Klassenzimmers befanden.
Auch wenn sie sich unglaublich schlecht fühlte, hatte sie soeben unter anderem ihrer besten Freundin das Leben gerettet. Diese Tatsache ließ ihre Handlung in einem guten Licht dastehen.
Schuldbewusst ging Max ihren Mitschülern hinterher. Dabei verschwamm das Bild und sie befand sich kurz darauf wieder in der Gegenwart.
Immer noch leicht flau im Magen und ahnungslos über das was danach passierte, ging sie zu Warren, der sicherlich über Jeffersons Schicksal Bescheid wusste. Gespannt fragte sie ihn sofort aus.
»Was ist mit Jefferson passiert?«
Warren schaute sie fragend an, »Was soll denn mit ihm sein? Mit ihm ist nichts passiert, außer eben das vor fünf Jahren.«
»Und was genau ist da passiert?«, Max wurde zunehmend gespannter.
»Als ob du mich das fragen müsstest. Ich war nicht dabei, du warst doch dabei als er den Unfall hatte. Du hattest ihn schließlich damals als Klassenlehrer.«
»Und was ist mit ihm danach passiert?«
»Warum willst du das überhaupt wissen? Soviel ich weiß, wohnt er irgendwo in Arcadia Bay, aber da bin ich mir nicht so sicher.«
Max wurde sofort weiß im Gesicht. Hatte ihr Plan wohl nicht funktioniert?
»Unterrichtet er noch?«, sie hielt gespannt den Atem an.
»Warum fragst du mich das? Das müsstest du wohl genauso gut wissen wie ich. Seit dem Schulbrand kann er nicht mehr unterrichten, er sitzt doch im Rollstuhl.«
»Im Rollstuhl? Wieso das denn?«, Max wunderte das sehr, damit hatte sie nicht gerechnet.
»Ich verstehe echt nicht wieso du das fragst, aber nun gut. Er ist doch damals aus dem Fenster gesprungen, als der Brand ihn im Klassenzimmer eingesperrt hatte.«
Max atmete erleichtert auf, der Plan ist besser gelaufen als gedacht. Sie hat niemanden umgebracht, aber doch gleichzeitig mehrere Menschenleben gerettet. Sie musste vor Freude lächeln.
»Und was ist mit Chloe? Und Rachel? Und Kate?«
»Ich verstehe dich wirklich nicht, fragst mich Sachen, die du alle selber wissen solltest. Chloe ist ziemlich gut befreundet mit Rachel, aber auch mit dir und Kate geht in deine Klasse.«
Max lachte erleichtert und zufrieden.
»Ähm Max, du blutest an der Nase.«
Sie fasste geschockt mit den Fingern mitten ins Blut und betrachtete ihre blutroten Finger argwöhnisch. Ihr wurde bei dem Anblick leicht unwohl, da sie schon mal bei Kate erlebt hatte, dass ihre Kräfte für einen Moment nicht vorhanden waren, und da hatte ihre Nase auch ziemlich geblutet. Angesichts der bevorstehenden Apokalypse, musste sie es als unwichtig abtun. Max fasste sich wieder und dachte nach. Sie wusste, dass sie die Einzige war, die den Hurrikan aufhalten könnte.
»Warren, ich geh mal in mein Zimmer. Ich muss nachdenken. Es muss einfach eine Lösung geben. Und zwar schnell.«
»Okay Max. Viel Glück.« Auch er wusste wie angespannt und entscheidend die momentane Situation war. Max wusste, dass sie vielleicht das letzte Mal Warren sah, da sie möglicherweise ihr Leben bei der Rettung von Arcadia Bay opfern musste. Bevor sie seinen Raum ohne weitere Worte verließ, drückte sie ihm einen kurzen gefühlvollen Kuss auf die Lippen.
Max ging nervös in ihr Zimmer und schaute ihre Bilderwand an.
›Es muss einfach eine Lösung geben. Es muss. Nur wie?‹. Sie war schon ganz verzweifelt, so sehr machte sie der Zeitdruck fertig. ›Also.. mal von vorne.. Wann hatte ich die erste Vision? Genau, während des Unterrichts. Kurz darauf habe ich herausgefunden, dass ich die Zeit zurückspulen kann. Hm.. ach ja, dann gibt es noch das merkwürdige Reh. Ist ja schließlich auch in den Visionen vorgekommen. Doch was hat das zu bedeuten? Will es mir irgendwas zeigen? Hm.. und später konnte ich dann noch in die Vergangenheit reisen.. aber warte mal.. vielleicht konnte ich sofort schon in die Vergangenheit reisen, doch ich wusste es nicht.. Hm.. und wie soll ich den Hurrikan aufhalten? In die Vergangenheit reisen und dort irgendwas ändern? Doch nur was? Ob ich Schuld an dem Hurrikan bin? Oder würde er auch kommen, wenn ich nie wieder zurück nach Arcadia Bay gegangen wäre? Ob es ihn geben würde, wenn ich nie geboren wäre? Hm.. aber ungewiss mein Leben opfern.. das würde niemanden was bringen, wenn sich nichts ändern würde..‹
Auf einmal hörte Max eine aufgeregte Stimme, die vom Flur aus kam.
Sie unterbrach ihren Gedankengang und schaute hinaus.
Brooke lief im Gang umher und klopfte wild an jeder einzelnen Tür. »Alle rauskommen! Schnell!«, rief sie mehrmals hintereinander. Eine Tür vor Maxs Zimmer, entdeckte Brooke sie.
»Max!« rief sie aufgebracht. »Du musst schnell weg! Ein Hurrikan kommt vom Meer aus!«
Max behielt die Ruhe, da sie den Moment schon erwartet hatte.
»Komm, helf mir alle aufzuwecken!«
»Sorry Brooke, ich muss schnell wohin«, sagte Max knapp.
Verdutzt schaute Brooke ihr für einen kleinen Moment hinterher, bevor sie weiter entschlossen an jede Tür klopfte.
Max hatte nämlich eine leise Ahnung was sie machen musste. In ihren Visionen war sie jedes Mal am Leuchtturm, sobald der Hurrikan sich näherte. Zwar hatte sie keine Idee, was sie dort machen sollte, doch war es für sie momentan besser als nichts. Die Zerstörung der Stadt stand kurz bevor. Vielleicht würde ihr auf dem Weg dorthin etwas einfallen. Sie ging zu Warren und bat ihm um seine Autoschlüssel. Er wollte zwar unbedingt mit, doch Max war der Meinung, dass es ihre alleinige Aufgabe war. Deswegen ließ sie ihn in seinem Zimmer zurück.
Sofort als Max aus den Wohnheim ging, musste sie gegen den starken Wind halten. Eine starke Windböe hätte sie fast umgerissen . Der komplette Himmel war in einem hässlichen dunkelgrau gezeichnet. Sie schaffte es nur mit Mühe und Not zu Warrens Auto, mit dem sie sich sofort auf den Weg zum Leuchtturm von Arcadia Bay machte. Schon auf der Straße dorthin konnte sie aus der Ferne den gigantischen Hurrikan sehen, der mit tödlicher Geschwindigkeit sich der Küste näherte. Innerhalb einer Minuten legte er einige Kilometer zurück, sodass nicht mehr viel Zeit blieb, bis er das Festland erreichen würde. Während Max immer weiter fuhr, kam es ihr so vor, als ob die überdimensionale Windhose ihre Richtung stetig änderte und sie Max direkt verfolgen würde.
Als sie endlich den Parkplatz erreichte, stieg sie hastig aus. Sie machte sich auf den matschigen Weg zum Leuchtturm. Nach kurzem anstrengendem Kämpfen gegen den fürchterlichen Sturm, tauchte vor ihr das durchsichtige Reh auf. Max atmete erleichtert auf. Das konnte nur ein Zeichen sein, dass sie auf der richtigen Spur war. Zuversichtlich nahm sie die Verfolgung des Tieres auf, das vor ihr weglief.
Angestrengt schleppte sie sich im stürmischen Regen den Pfad entlang, immer näher zum Leuchtturm. Mehrere Male musste Max die Zeit zurückspulen um nicht von einem Baum, sowie von einer Steinlawine begraben zu werden. Je länger sie lief, umso panischer wurde sie. In jeden Moment könnte es für eine Rettung zu spät sein. Als sie erschöpft an der Holzbank vor dem Leuchtturm ankam, stellte sie angsterfüllt die unfassbare Größe des Wirbelsturms fest. Wenige Meter von der Bank entfernt stand reglos das Reh auf einer Stelle und schaute Max direkt in die Augen. Es war, als ob das Tier ihr etwas sagen wollte. Verwirrt ging sie behutsam darauf zu. Das Reh klopfte sich mehrmals, mit seinem Kopf, hintereinander auf seinen eigenen Körper. Max empfand die merkwürdige Geste als Aufforderung zum Aufsteigen. Unsicher was passieren möge, näherte sie sich gespannt dem eigenartigen Wesen.
Als sie neben dem Reh angekommen ist, kniete es sich vor Max hin und schaute sie auffordernd an. Sie entschied der Aufforderung nachzugehen und setzte sich behutsam auf den fast komplett durchsichtigen Rücken des Tieres. Gespannt, aber auch ängstlich zu gleich, rechnete Max mit allem Möglichen. Entschlossen schaute sie geradeaus auf den sich rasend schnell näherten Hurrikan, der schon fast angekommen war. Während sie intensiv diesen düsteren Anblick musterte, bewegte sich das Reh langsam vorwärts auf die Klippe zu. Auch wenn Max etwas komisch zu mute war, da sie nicht wusste auf was sie sich gerade eingelassen hatte, fühlte sie sich dennoch sicher. Mittlerweile galoppierte das Reh zielsicher auf den tiefen Abgrund hinzu. Max wusste nicht wieso, doch sie fühlte, dass sie die Einzige war, die die Katastrophe aufhalten konnte. Das Tier schien dasselbe zu wissen. Selbst wenn es ihr das Leben kosten würde, nahm sie sich fest vor nicht von dem Reh abzusteigen. Wenn sie ihre Freunde und Arcadia Bay damit retten konnte, war ihr dieses Opfer wert. Somit biss sie ihre Zähne zusammen und erwartete jeden Moment einen plötzlichen Sturz in die Tiefe. Das Reh galoppierte immer schneller und setzte schon Sprung an. Max nahm dabei ein unglaublich intensives Bauchkribbeln war, das sie im ersten Moment gar nicht erkennen ließ, dass sie gar nicht in die Tiefe gestürzt sind. Stattdessen schien das Reh auf einem unsichtbaren Weg mitten in der Luft einfach weiterzulaufen. Max lächelte erleichtert, das Reh wusste wohl genau was es zu tun hatte. Nun war sie sich sicher, dass sie damit alle retten konnte. Trotzdem war sie besorgt, dass sie möglicherweise mit ihrem Leben dafür zahlen müsse, da das Reh direkt auf den dunkelgrauen Hurrikan zusteuerte. Doch ihr machte es nicht wirklich etwas aus, solange sie etwas Gutes damit erreichen konnte.
Immer näher zum Wirbelsturm herangaloppierend, schlug der Orkan ihr wie eine Peitsche ins Gesicht. Schmerzerfüllt kauerte sie sich komplett zusammen um nicht aufzugeben. Max kam es so vor, als ob sie sich nicht nur den Hurrikan näherte, sondern dieser auch gleichzeitig auf sie zusteuerte. Es sah so aus, als ob er nur noch sie im Visier hatte und nicht mehr die Stadt.
›Vielleicht ist ja das der Grund wieso er nach Arcadia Bay kommt‹, dachte sie sich. ›Vielleicht will er ja nur mich. Doch wieso? Weil ich ungewöhnliche Kräfte habe?‹ Max konnte sich die Fragen zwar nicht beantworten, doch konnte sie deutlich erkennen, dass der Hurrikan seine Richtung änderte, als das Reh eine plötzliche Rechtskurve einlegte. Das Tier hatte nicht vorgehabt, ins Auge des Sturmes zu gelangen, wurde Max plötzlich bewusst. Es war ein Ablenkungsversuch. Das Reh wusste anscheinend, dass der Hurrikan Max verfolgen würde und war deshalb in die Weiten des Ozeans davon galoppiert.
Max wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, da sie immer nur die eintönige Sicht auf den Horizont des Meeres sah. Sie war sich nicht sicher, ob sie Minuten, Stunden, oder vielleicht sogar Tage lang auf dem Reh in die Ferne geritten war, doch nach einiger Zeit verschmolz vor ihren Augen das Blau des Meeres mit dem Blau des Himmels zu einer schwarzen undurchdringbaren Wand, durch die sie nichts mehr wahrnehmen konnte. Nach einer Weile fing plötzlich jemand Unbekanntes an zu reden.
»Max. Du hast deine Aufgabe erfüllt.«, erklang eine angenehme Stimme in einer einfarbigen Umgebung.
»Was ist hier los? Wo bin ich? Was für eine Aufgabe?«
»Es spielt keine Rolle wo du dich gerade befindest. Alles was zählt ist, dass nun endlich alles vorbei ist. Du hast deine Kräfte bekommen um ein positives Gleichgewicht zu bringen und das ist dir gelungen. Du hattest Zeit bis der Hurrikan kommen würde und das ist dir gelungen.«
»Was für ein Gleichgewicht? Wieso war der Hurrikan hinter mir her?«
»Der Hurrikan war deine Zeitbegrenzung. Du hattest Zeit alles zum Guten zu wenden um das Gleichgewicht wieder herzustellen und das ist dir gelungen. Du hast einige Leben gerettet und das nur du alleine. Hättest du deine Aufgabe nicht erfüllen können so hätte der Hurrikan alles zerstört. Doch das wäre egal gewesen, denn das Böse hätte somit eh gesiegt. Doch du hast das Schlechte bezwingen können. Und somit konntest du auch eure Stadt retten.«
»Und was ist jetzt? Bin ich tot?«
»Jetzt ist alles wieder im Gleichgewicht. Nichts Schlechtes dominiert eure Stadt mehr. Und ich bin nicht der Tod.«
Max hatte keinerlei Erinnerungen an den weiteren Verlauf. War sie am Ende ihres Lebens angekommen? Oder war das alles nur ein fürchterlicher Traum? Doch bei einem war sie sich sicher: ›Nun ist alles vorbei.‹
Auch wenn sie noch nicht wusste wie die Geschichte ausging, hatte Max damit recht. Arcadia Bay ist komischerweise von dem zerstörerischen Hurrikan verschont worden, da er durch unerklärlicher Art und Weise kurz vor dem Strand umgekehrt ist. Alle Mitschüler von Max, sowie Chloe und Rachel schauten entschlossen schon ihren sicheren Tod entgegen, als auf einmal der Sturm aufhörte auf sie zu zu kommen. Verwundert, aber auch überglücklich konnten sie es kaum fassen, als sie das ungewöhnliche Ereignis aus nächster Nähe betrachteten. Seit dem Tag an änderte sich aufgrund der positiven Katastrophe einiges in der kleinen Küstenstadt. Der Ehestreit zwischen Joey Price und David Madsen löste sich auf. Aufgrund des merkwürdigen Verhaltens des Hurrikans, wurde die kleine Stadt landesweit bekannt, sodass oft zahlreiche Touristen unterwegs dorthin waren. »Two Whales Diner« lief so gut, dass Joey bald ein zweites Restaurant eröffnete und reichlich Geld verdiente. Erstaunlicherweise hatte sich auch Frank zum Guten geändert. Er gab aufgrund seiner Verlobung mit Rachel sein Drogen Geschäft auf und suchte sich einen richtigen Beruf und zwar in der zweiten Gaststätte von Joey Price.
»Oh sie wacht auf!« Max vernahm Warrens Stimme, die verschwommen zu ihren Ohren drang.
»Max?! Wir sind's!«
Max öffnete vorsichtig ihre Augen. Im ersten Moment erkannte sie gar nichts, da ihr ein grelles Licht die Sicht versperrte. Doch nach einigen Sekunden hatten sich ihre Pupillen verkleinert, sodass sie sehen konnte wer alles neben ihr stand. Warren, Chloe und Rachel hatten es sich auf alten Holzstühlen neben ihr gemütlich gemacht.
»Was ist los? Wo bin ich?«, stammelte Max orientierungslos.
»Na du bist im Krankenhaus!«, sagte Warren freudig.
»Du wurdest bewusstlos am Leuchtturm gefunden«, antwortete Chloe.
Max brauchte kurz um das Gesagte richtig zu verstehen.
›Ich bin also nicht gestorben? Es ist alles wirklich passiert? Habe ich wirklich den Hurrikan umgelenkt? Und besitze ich noch meine Kräfte?‹ Max konnte nicht widerstehen und streckte unauffällig ihren Arm zum Zurückspulen aus. Doch im Gegensatz zu früher geschah rein gar nichts.
›Ich habe keine Kräfte mehr!‹ Max war zwar etwas enttäuscht doch letztendlich war es egal. Sie hatte schließlich endlich alles erreicht, was sie wollte. Sie blickte in drei lächelnde Gesichter, von denen zwei eigentlich schon gestorben waren und von denen sie nicht damit gerechnet hatte, sie erneut zu sehen.
Nachdem sie alles verarbeitet hatte, hüpfte sie voller Freude aus dem Krankenhausbett und sprang Warren in die Arme. Warren konnte für einige Sekunden lang nicht atmen, da Max ihn mit voller Kraft umarmte.
»Oh Warren! Ich dachte ich würde dich nie wieder sehen!«
Warren atmete erst einmal tief ein, bevor er antworten konnte.
»Ach Max, wir alle dachten, dass alles untergehen würde.«
Max drückte ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Sie wusste zwar nicht, ob er auch - wie in der anderen Gegenwart - in sie verliebt war, doch das war ihr im Moment egal. Doch er erwiderte den Kuss, also musste es wohl auch so sein. Max lächelte glücklich. Sie ließ ihn wieder los und umarmte zufrieden ihre beste Freundin.
»Ich hätte niemals gedacht, dass wir uns wieder sehen«, sagte Max mit Freudentränen in den Augen. Chloe konnte nicht ahnen, was eigentlich wirklich mit ihr passiert war.
»Oh Max, ich bin auch so froh, dass alles gut gelaufen ist.« Chloe drückte Max plötzlich einen Kuss auf die Lippen, »Das bekommst du noch als Revanche.« Sie schaute Warren an. »Hoffentlich wird er nicht eifersüchtig«, sagte sie lächelnd.
»Ach, heute ist es eine Ausnahme.«, sagte Warren großzügig.
Max wusste im Moment nicht, wie sie eigentlich im Verhältnis zu Rachel stand, da sie sie noch nie vorher wirklich gesehen hatte, doch die Frage erledigte sich, als Rachel sie schließlich fest umarmte.
»Ein Glück dich wieder zu sehen!« Max lächelte überglücklich, alles schien perfekt zu sein.
Ein paar Monate nach der Katastrophe, heirateten Rachel und Frank am Leuchtturm von Arcadia Bay, Max und Chloe waren die Trauzeugen.
Seit dem an verhielt sich alles in der Kleinstadt weitgehend ruhig, lediglich die zahlreichen Touristen waren das Aufregendste in Arcadia Bay geworden, doch selbst daran gewöhnten sich die Einwohner recht schnell.
»Sie müssen das nicht tun!«, Max hatte schon Tränen in den Augen. Wenn sie ihn nicht aufhalten konnte, war alles verloren.
»Bitte! Das haben Sie nicht nötig!«, sie versuchte zwecklos sich zu befreien.
Doch Mark Jefferson beachtete sie gar nicht, als ob er sie nicht einmal wahrnehmen würde, als ob sie schon längst gestorben wäre.
»Bitte!«, schluchzend kämpfte sie gegen ihr herankommendes Ende an, »Sie waren immer so ein netter Lehrer! So einer sind Sie nicht!«
Jefferson näherte sich ihr zielsicher mit einer vollen Spritze.
»Halt still!«, befahl er ihr ernst.
»Ich denke ja gar nicht daran!«, antwortete Max schluchzend und versuchte sich zu wehren. Vergeblich zerrte sie an ihren Fesseln, daraufhin fiel sie aus ihrer Sitzposition um, sodass sie seitlich am Boden lag und nur noch hilfloser war. Jefferson zeigte ein triumphierendes Lächeln und setzte zum Stich an ihrem Arm an.
»Warten Sie!«, schrie Max. Er hielt inne und schaute sie fragend an.
»Ich hätte noch eine letzte Frage an Sie. Wieso haben sie Rachel umgebracht und Kate am Leben gelassen?«
Jefferson antwortete nach einem kurzen Augenblick. »Bist du wirklich so blind? Kate war wegen der Drogen völlig abwesend und hat nicht einmal bemerkt was mit ihr geschieht, Rachel hingegen schon, sie reagierte nicht so stark auf die Betäubungsmittel. Mir geht es doch nicht um das Morden, sondern ausschließlich um die Kunst, Mord ist leider nur eben manchmal notwendig.«
Ohne auf eine Antwort abzuwarten, setzte er wieder die Nadel an ihrem Arm. Gerade als er endlich loslegen wollte, knallte plötzlich die schwere Bunkertür auf. Mark Jefferson blickte verwirrt dorthin, von woher das Geräusch kam. Ehe sich er und Max Gedanken machen könnte, wer oder was daran Schuld war, stand Nathan schon im Raum.
»NATHAN!«, schrie er ihn entsetzt an, »Was soll das!? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht bei der Arbeit stören sollst!«
»Ist mir egal!«, Nathan funkelte ihn mit wütenden Augen an, »Jetzt reicht's m..«
Jefferson unterbrach ihn, »Du weißt, dass ich dir den Geldhahn abdrehen werde!«
»Das ist mir scheißegal! Du bist endgültig zu weit gegangen!«, Nathan schien nichts mehr aufzuhalten, wütend brüllte er ihn unentwegt an, »Schon als du wieder hierher gekommen bist, wusste ich, dass das nichts Gutes bedeuten kann! Ich war so froh als du damals weggezogen bist! Und ich hatte gehofft, dass du NIE WIEDER kommen würdest! Du sagtest, dass Rachel die Letzte gewesen sei! Und ich schwöre dir, dass du niemals wieder eine gute Freundin von mir umbringen wirst! Denn ich habe gerade von Victoria selbst erfahren, dass sie die Nächste sein soll!«, er schnaubte kurz verächtlich und setzte sofort erneut an. »Was fällt dir eigentlich ein du Psychopath!? Wieso immer meine Freundinnen? Reichen dir die Anderen nicht! Geh doch dorthin wo du warst! Und dann bleib gefälligst dort! Verstanden!?«, er schien für einen kurzen Moment alles gesagt zu haben was er wollte.
»Wie redest du nur mit deinem Vater!?« Max traute ihren Ohren nicht. Nathan ist der Sohn von Mark Jefferson? Doch wieso hieß er dann nicht Prescott mit Nachnamen? Hatte er wohl erneut geheiratet? Oder hatte er nie geheiratet und Nathan hatte den Nachnamen seiner Mutter? Maxs verwirrende Gedanken wurden von dem lauten Streit unterbrochen. »Was fällt dir eigentlich ein? Wer glaubst du bist du eigentlich? Du bist ein Niemand! Ohne mich hättest du weder Geld noch wärst du so gut in der Schule! Du wärst sicherlich schon längst heraus geschmissen worden! Schließlich benehme ich mich nicht so daneben wie du! Einfach hier hereinzustürmen und mich bei meiner Arbeit stören! Und jetzt verschwinde! Du hast mir nichts zu sagen!«
»NEIN!«, Nathan schien gleich zu explodieren, »Ohne dich würde ich nie von der Schule geschmissen werden! Du bist derjenige der mich erst so verrückt gemacht hat! Ständig deine kranken Psycho Spielchen! Nur deinetwegen bin ich Drogen abhängig geworden! Ohne dich hätte ich nie einen Grund gehabt Drogen zu nehmen! Ich bin nicht das Problem, sondern du! Du ganz alleine!«, er hatte schon Tränen in den Augen, »Wer hilft dir denn an die ganzen Betäubungsmittel zu kommen? Ich! Ich mach die ganze Drecksarbeit für dich! Die ganze Zeit benutzt du mich! Nur damit ich Geld bekomme und du meine Freundinnen umbringen kannst!? Es reicht mir! Ich wünschte ich hätte einen anderen Vater!«
Zeitgleich mit dieser Aussage löste sich Jeffersons Hand und schlug auf Nathans Wange auf.
»Was fällt dir ein!? Das wirst du bereuen, das schwöre ich dir!«, brüllte sein Vater ihn an.
»Ich hasse dich.«, Nathan zischte die Wörter durch seine zusammengebissenen Zähne.
»Was hast du gesagt!?« Max hatte Jefferson noch nie so wutentbrannt gesehen. »Es scheint wohl, dass du gleich eine Lektion brauchst!«
Jefferson führte die Spritze zielsicher auf ihn zu. Im letzten Moment verstand sein Sohn was er vorhatte und wehrte den Angriff noch rechtzeitig ab und rammte stattdessen seinen Vater die Nadel in den Arm.
»Das wirst du bereuen!«, waren Mark Jeffersons letzten Worte bevor er bewusstlos am Boden zusammenbrach.
Nathan warf Max daraufhin einen flüchtigen Blick hinzu. Sie hatte schon damit gerechnet, dass er sie nicht befreien würde. Daraufhin verschwand er, ohne etwas zu sagen, schnell aus dem Bunker. Da Max eine Schere auf den Tisch liegen sah, hatte sie starke Zuversicht sich schnell befreien zu können, da lediglich ihr Fuß- und Handgelenk mit Panzerband umwickelt waren. Sie stand vorsichtig auf und hüpfte so schnell sie konnte zu dem Tisch und hob vorsichtig die Schere auf. Verächtlich blickte sie auf Jefferson nieder, der in unmittelbarer Nähe am Boden zusammengebrochen lag. Er hatte wohl nie damit gerechnet, dass jemand flüchten könnte. Das hatte sie nur ihren Erzfeind Nathan zu verdanken.
Behutsam schnitt sie ihre zugeklebten Handgelenke auf, indem sie die umgedrehte Schere vorsichtig zwischen ihren Händen auf und zu bewegte. Nun konnte sie ihre Füße mühelos befreien. Max erblickte auf den Tisch Jeffersons Autoschlüssel und ergriff sie sofort, da sie sich sofort denken konnte, dass sie sicherlich nützlich sein könnte. Aufgeregt verließ sie den Bunker, nachdem sie sich ihre Umhängetasche geschnappt hatte. Sie wusste jetzt wer Schuld an allem war und es lag in ihrer eigenen Hand jetzt endlich Allem ein Ende zu bereiten. Sie musste jemanden schnellst möglichst davon berichten. Mittlerweile war es schon vier Uhr morgens, ihr blieb also nicht mehr viel Zeit bis der Hurrikan erscheinen und somit die Zerstörung von Arcadia Bay stattfinden sollte. Warren war nun nur noch ihre einzige vertrauenswürdige Person, sie musste ihn sofort alles darüber berichten. Max stieg hastig in Jeffersons schwarzes Auto, sodass sie es noch rechtzeitig zur Blackwell Academy schaffen würde um die Wahrheit über die grausamen Geschehnisse zum Tageslicht bringen zu können, bevor der Hurrikan eintreffen würde.
Nicht angeschnallt, legte sie den Rückwärtsgang ein und verließ die Scheune in Rekordzeit. Während sie sich auf den Weg zu Warren machte, versuchte sie ihn per Handy zu erreichen. Max fühlte sich zwar etwas unwohl dabei, da sie sich immer an die Verkehrsregeln gehalten hatte, doch in dieser Ausnahmesituation war es etwas anderes. So fuhr sie viel zu schnell und abgelenkt durch die Straßen. Beinahe hätte sie sogar eine rote Ampel übersehen. Ihr bester Freund hatte sein Smartphone wohl auf Flugmodus gestellt, da sofort seine Mailbox kam. Sie wählte noch einmal seine Nummer um wenigstens etwas auf seiner Mailbox zu sprechen. Als sie gerade anfangen wollte zu sprechen, erblickte Max erschrocken eine Person, die nur wenige Meter vor ihrem Auto die Straße überquerte. Augenblicklich warf sie das Handy schnell zur Seite und machte eine prompte Vollbremsung. Während sie sich den unbekannten Menschen näherte, erkannte sie entsetzt, dass die Person Alyssa war. Auch sie erblickte Max und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Die zu späte Vollbremsung nützte leider nichts. Als sie das bemerkte, schaute sie Alyssa mit Tränen erfüllten Augen, die ›Es tut mir so Leid‹ formten, an. Sie wurde daraufhin von der schluchzenden Max überfahren, die ohne Gurt frontal auf den Airbag knallte und dadurch ihre Nase brach. Konfus entschied sich Max die Zeit zurück zu spulen um Alyssas Leben zu retten.
Als sie erneut die Strecke entlangfuhr, warf sie bedacht ihr Smartphone zur Seite um eine kurzfristigere Vollbremsung hinlegen zu können. Und tatsächlich stoppte ihr Auto nur einen Meter vor den Füßen von Alyssa. Sie starrte Max erschrocken und ungläubig an. Man konnte von ihrem Gesicht ablesen, dass sie wusste, dass Max sie um ein Haar umgebracht hätte. Max wäre noch gerne ausgestiegen, doch da sie unter starken Zeitdruck stand, fuhr sie angespannt sofort weiter, als ihre Freundin sicher die Straße überquert hatte. Max warf noch einen kurzen Blick in den Rückspiegel um zu sehen ob es ihr auch gut ging. Dabei stellte sie geschockt fest, dass aus ihrer Nase Unmengen an Blut floss. Dieses Mal war nicht der Airbag daran Schuld. Sie gab der bevorstehenden Apokalypse die Schuld. Sie bekam Angst, dass sie möglicherweise ihre Kräfte nicht mehr oft einsetzten und es zu einem erneuten Ausfall kommen könnte.
Als Max erleichtert an der Schule angekommen war, rannte sie geradewegs zu den Wohnheim der Jungen. Während sie konzentriert über den Schulhof rannte, hielt sie kurz inne. Da war eine merkwürdige Gestalt hinter einen der Bäume. Ganz fokussiert auf die Stelle, erkannte Max, dass es das merkwürdige Reh war, das sie von dort aus anstarrte. Doch sie musste weiter. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit.
Bei Warren angekommen, knallte sie seine, glücklicherweise nicht abgeschlossene Tür auf. So musste sie ihn nicht einmal wecken, da er von dem Knall sofort aufschreckte.
»Warren!«, keuchte Max.
»Max?«, sagte er verwirrt.
»Ich muss dir unbedingt was Wichtiges erzählen!«
»Jetzt?«, wunderte er sich.
»Ja! Es bleibt nicht mehr viel Zeit!«
»Wieso?«
»Na der Hurrikan!«
»Oh stimmt.. aber ich muss dir auch was sagen.«, er richtete sich auf, »Du hast doch gesagt, dass ich etwas über den Vater von Nathan in Erfahrung bringen soll und du wirst nicht glauben, was ich gefunden habe.«
»Doch ich glaube schon.«, antwortete Max selbstischer.
»Das glaube ich nicht. Denn ich habe herausgefunden, dass sein Vater Mark Prescott hieß, danach habe ich mehr über ihn gesucht und du wirst nicht glauben, was es ist! Er hat sich nämlich von seiner Familie getrennt und hat erneut geheiratet. Er hat den Namen Jefferson angenommen!«, Warren erwartete großes Entsetzten, doch Max zeigte keine Regung.
»Ja, ich weiß. Er hat mich nämlich entführt!«
Jetzt schaute Warren sie entsetzt mit großen Augen an.
»Ja!«, Max versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, »Erst hat er Chloe erschossen und dann hat er mich betäubt und gefesselt..«, sie schniefte kurz, »Rachel hat er auch umgebracht.«
Warren blickte sie ungläubig an. Er konnte nicht glauben, dass das alles wahr sein sollte.
»Nathan kam dann plötzlich herein und stritt mit seinem Vater, dann hat Nathan Jefferson betäubt, so konnte ich mich unbemerkt befreien und abhauen.«
»Oh Max.. das ist ja fürchterlich..«, Warren umarmte sie fest, »Geht es dir gut?«
»Na ja.. ich lebe noch.«
»Zum Glück«
Warren tröstete Max für einen kurzen Moment, indem er sie liebevoll umarmte.
»Wo warst du denn eingesperrt?«
»Jefferson hat extra dafür einen Bunker dafür unter einer alten Scheune bauen lassen.«
Warren schluckte geschockt, »Krass.«, flüsterte er.
Es gab eine kurze Schweigeminute.
»Jedenfalls haben wir nicht mehr viel Zeit bis der Hurrikan erscheint.« Max schaute aus dem Fenster. »Der Himmel ist sogar schon ganz grau. Ich glaube ich weiß jetzt wie ich ihn stoppen kann.« Sie schluckte eine Träne hinunter. »Doch zuvor möchte ich Jeffersons Taten rückgängig machen.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Ich habe wohl keine Wahl, ich muss ihn in der Vergangenheit ausschalten.« sagte Max beschämt und starrte dabei verlegen auf den Boden.
»Ok.«, sagte Warren gelassen.
»Ok?«, fragte Max verwundert.
»Ja, ich denke, dass das gut ist. Er hat soviel Schlimmes angestellt, dass es wohl keine andere vernünftige Möglichkeit gibt.«
Max war etwas erleichtert, da sie damit gerechnet hatte, dass er ihre Idee nicht gutheißen würde.
»Ich gehe schnell in mein Zimmer, dort habe ich noch ein fünf Jahre altes Klassenfoto, da hatte ich Jefferson als Klassenlehrer. Ich werde dort zurück reisen und ihn in einem Unfall verwickeln.« Sie machte eine kurze Pause. Erst jetzt wurde ihr wirklich bewusst, was sie da genau vorhatte. »Wenn ich zurück bin, wird es wohl so sein, als ob wir ihn nie hatten und er niemanden umgebracht hat.« Sie atmete tief durch. »Also bis gleich.« Damit verschwand sie in ihren Raum und durchwühlte hektisch ihre Sachen um das alte Klassenfoto zu finden. Nachdem sie es gefunden hatte, setzte sie sich auf das Bett und starrte entschlossen das Bild an. Langsam fingen die Stimmen aus dem Bild zu erklingen, bis sie sich letztendlich plötzlich in der damaligen Situation befand.
»So das hätten wir! Alle wieder zurück ins Klassenzimmer!«, befahl Herr Jefferson. Max hatte sich schon einen Plan ausgedacht, deshalb ging sie als Erste voraus. Sie erreichte vor ihrer Klasse das Zimmer. Sie ging auf die Tasche des Klassenlehrers, die neben dem Pult stand, zu. Zielsicher griff Max hinein und fischte unbemerkt den Schlüsselbund von Mark Jefferson hinaus. Schnell steckte sie sich die Schlüssel in die Hosentasche. Kurz darauf erschienen die ersten Mitschüler. Während sich das Klassenzimmer füllte, ging Max wieder hinaus um auf die Toilette zu gehen. Dort war leider noch eine Schülerin. Für ihren Plan musste sie nämlich alleine sein. Deshalb wartete sie, bis das Mädchen fertig war. Als Max schließlich alleine war, nahm sie ihr Feuerzeug in die Hand und zündete das heraus hängende Papier des Papierspenders an. In wenigen Sekunden stand der komplette Kunststoffkasten in Flammen. Das Feuer tropfte nach unten und entfachte den Mülleimer. Bingo. Der erste Schritt hatte geklappt.
Max eilte wieder zurück in ihr Klassenzimmer, dort musste sie nicht lange warten bis der Feueralarm losging. Ihre Mitschüler rannten panisch aus dem Klassenzimmer. Herr Jefferson versuchte erfolglos seine Schüler zu beruhigen und dazu zu bringen geordnet nach draußen zu gehen. Auch Max ging aus dem Raum, nur sie wartete vor der Tür bis all ihre Mitschüler aus dem Zimmer waren. Keiner beachtete ihr ungewöhnliches Verhalten. Nachdem alle das Klassenzimmer verlassen hatten, schlug sie augenblicklich die Tür zu und schloss sie ab. Herr Jefferson war noch nicht nach draußen gegangen. Er hatte gewartet bis alle Schüler sich außerhalb des Klassenzimmers befanden.
Auch wenn sie sich unglaublich schlecht fühlte, hatte sie soeben unter anderem ihrer besten Freundin das Leben gerettet. Diese Tatsache ließ ihre Handlung in einem guten Licht dastehen.
Schuldbewusst ging Max ihren Mitschülern hinterher. Dabei verschwamm das Bild und sie befand sich kurz darauf wieder in der Gegenwart.
Immer noch leicht flau im Magen und ahnungslos über das was danach passierte, ging sie zu Warren, der sicherlich über Jeffersons Schicksal Bescheid wusste. Gespannt fragte sie ihn sofort aus.
»Was ist mit Jefferson passiert?«
Warren schaute sie fragend an, »Was soll denn mit ihm sein? Mit ihm ist nichts passiert, außer eben das vor fünf Jahren.«
»Und was genau ist da passiert?«, Max wurde zunehmend gespannter.
»Als ob du mich das fragen müsstest. Ich war nicht dabei, du warst doch dabei als er den Unfall hatte. Du hattest ihn schließlich damals als Klassenlehrer.«
»Und was ist mit ihm danach passiert?«
»Warum willst du das überhaupt wissen? Soviel ich weiß, wohnt er irgendwo in Arcadia Bay, aber da bin ich mir nicht so sicher.«
Max wurde sofort weiß im Gesicht. Hatte ihr Plan wohl nicht funktioniert?
»Unterrichtet er noch?«, sie hielt gespannt den Atem an.
»Warum fragst du mich das? Das müsstest du wohl genauso gut wissen wie ich. Seit dem Schulbrand kann er nicht mehr unterrichten, er sitzt doch im Rollstuhl.«
»Im Rollstuhl? Wieso das denn?«, Max wunderte das sehr, damit hatte sie nicht gerechnet.
»Ich verstehe echt nicht wieso du das fragst, aber nun gut. Er ist doch damals aus dem Fenster gesprungen, als der Brand ihn im Klassenzimmer eingesperrt hatte.«
Max atmete erleichtert auf, der Plan ist besser gelaufen als gedacht. Sie hat niemanden umgebracht, aber doch gleichzeitig mehrere Menschenleben gerettet. Sie musste vor Freude lächeln.
»Und was ist mit Chloe? Und Rachel? Und Kate?«
»Ich verstehe dich wirklich nicht, fragst mich Sachen, die du alle selber wissen solltest. Chloe ist ziemlich gut befreundet mit Rachel, aber auch mit dir und Kate geht in deine Klasse.«
Max lachte erleichtert und zufrieden.
»Ähm Max, du blutest an der Nase.«
Sie fasste geschockt mit den Fingern mitten ins Blut und betrachtete ihre blutroten Finger argwöhnisch. Ihr wurde bei dem Anblick leicht unwohl, da sie schon mal bei Kate erlebt hatte, dass ihre Kräfte für einen Moment nicht vorhanden waren, und da hatte ihre Nase auch ziemlich geblutet. Angesichts der bevorstehenden Apokalypse, musste sie es als unwichtig abtun. Max fasste sich wieder und dachte nach. Sie wusste, dass sie die Einzige war, die den Hurrikan aufhalten könnte.
»Warren, ich geh mal in mein Zimmer. Ich muss nachdenken. Es muss einfach eine Lösung geben. Und zwar schnell.«
»Okay Max. Viel Glück.« Auch er wusste wie angespannt und entscheidend die momentane Situation war. Max wusste, dass sie vielleicht das letzte Mal Warren sah, da sie möglicherweise ihr Leben bei der Rettung von Arcadia Bay opfern musste. Bevor sie seinen Raum ohne weitere Worte verließ, drückte sie ihm einen kurzen gefühlvollen Kuss auf die Lippen.
Max ging nervös in ihr Zimmer und schaute ihre Bilderwand an.
›Es muss einfach eine Lösung geben. Es muss. Nur wie?‹. Sie war schon ganz verzweifelt, so sehr machte sie der Zeitdruck fertig. ›Also.. mal von vorne.. Wann hatte ich die erste Vision? Genau, während des Unterrichts. Kurz darauf habe ich herausgefunden, dass ich die Zeit zurückspulen kann. Hm.. ach ja, dann gibt es noch das merkwürdige Reh. Ist ja schließlich auch in den Visionen vorgekommen. Doch was hat das zu bedeuten? Will es mir irgendwas zeigen? Hm.. und später konnte ich dann noch in die Vergangenheit reisen.. aber warte mal.. vielleicht konnte ich sofort schon in die Vergangenheit reisen, doch ich wusste es nicht.. Hm.. und wie soll ich den Hurrikan aufhalten? In die Vergangenheit reisen und dort irgendwas ändern? Doch nur was? Ob ich Schuld an dem Hurrikan bin? Oder würde er auch kommen, wenn ich nie wieder zurück nach Arcadia Bay gegangen wäre? Ob es ihn geben würde, wenn ich nie geboren wäre? Hm.. aber ungewiss mein Leben opfern.. das würde niemanden was bringen, wenn sich nichts ändern würde..‹
Auf einmal hörte Max eine aufgeregte Stimme, die vom Flur aus kam.
Sie unterbrach ihren Gedankengang und schaute hinaus.
Brooke lief im Gang umher und klopfte wild an jeder einzelnen Tür. »Alle rauskommen! Schnell!«, rief sie mehrmals hintereinander. Eine Tür vor Maxs Zimmer, entdeckte Brooke sie.
»Max!« rief sie aufgebracht. »Du musst schnell weg! Ein Hurrikan kommt vom Meer aus!«
Max behielt die Ruhe, da sie den Moment schon erwartet hatte.
»Komm, helf mir alle aufzuwecken!«
»Sorry Brooke, ich muss schnell wohin«, sagte Max knapp.
Verdutzt schaute Brooke ihr für einen kleinen Moment hinterher, bevor sie weiter entschlossen an jede Tür klopfte.
Max hatte nämlich eine leise Ahnung was sie machen musste. In ihren Visionen war sie jedes Mal am Leuchtturm, sobald der Hurrikan sich näherte. Zwar hatte sie keine Idee, was sie dort machen sollte, doch war es für sie momentan besser als nichts. Die Zerstörung der Stadt stand kurz bevor. Vielleicht würde ihr auf dem Weg dorthin etwas einfallen. Sie ging zu Warren und bat ihm um seine Autoschlüssel. Er wollte zwar unbedingt mit, doch Max war der Meinung, dass es ihre alleinige Aufgabe war. Deswegen ließ sie ihn in seinem Zimmer zurück.
Sofort als Max aus den Wohnheim ging, musste sie gegen den starken Wind halten. Eine starke Windböe hätte sie fast umgerissen . Der komplette Himmel war in einem hässlichen dunkelgrau gezeichnet. Sie schaffte es nur mit Mühe und Not zu Warrens Auto, mit dem sie sich sofort auf den Weg zum Leuchtturm von Arcadia Bay machte. Schon auf der Straße dorthin konnte sie aus der Ferne den gigantischen Hurrikan sehen, der mit tödlicher Geschwindigkeit sich der Küste näherte. Innerhalb einer Minuten legte er einige Kilometer zurück, sodass nicht mehr viel Zeit blieb, bis er das Festland erreichen würde. Während Max immer weiter fuhr, kam es ihr so vor, als ob die überdimensionale Windhose ihre Richtung stetig änderte und sie Max direkt verfolgen würde.
Als sie endlich den Parkplatz erreichte, stieg sie hastig aus. Sie machte sich auf den matschigen Weg zum Leuchtturm. Nach kurzem anstrengendem Kämpfen gegen den fürchterlichen Sturm, tauchte vor ihr das durchsichtige Reh auf. Max atmete erleichtert auf. Das konnte nur ein Zeichen sein, dass sie auf der richtigen Spur war. Zuversichtlich nahm sie die Verfolgung des Tieres auf, das vor ihr weglief.
Angestrengt schleppte sie sich im stürmischen Regen den Pfad entlang, immer näher zum Leuchtturm. Mehrere Male musste Max die Zeit zurückspulen um nicht von einem Baum, sowie von einer Steinlawine begraben zu werden. Je länger sie lief, umso panischer wurde sie. In jeden Moment könnte es für eine Rettung zu spät sein. Als sie erschöpft an der Holzbank vor dem Leuchtturm ankam, stellte sie angsterfüllt die unfassbare Größe des Wirbelsturms fest. Wenige Meter von der Bank entfernt stand reglos das Reh auf einer Stelle und schaute Max direkt in die Augen. Es war, als ob das Tier ihr etwas sagen wollte. Verwirrt ging sie behutsam darauf zu. Das Reh klopfte sich mehrmals, mit seinem Kopf, hintereinander auf seinen eigenen Körper. Max empfand die merkwürdige Geste als Aufforderung zum Aufsteigen. Unsicher was passieren möge, näherte sie sich gespannt dem eigenartigen Wesen.
Als sie neben dem Reh angekommen ist, kniete es sich vor Max hin und schaute sie auffordernd an. Sie entschied der Aufforderung nachzugehen und setzte sich behutsam auf den fast komplett durchsichtigen Rücken des Tieres. Gespannt, aber auch ängstlich zu gleich, rechnete Max mit allem Möglichen. Entschlossen schaute sie geradeaus auf den sich rasend schnell näherten Hurrikan, der schon fast angekommen war. Während sie intensiv diesen düsteren Anblick musterte, bewegte sich das Reh langsam vorwärts auf die Klippe zu. Auch wenn Max etwas komisch zu mute war, da sie nicht wusste auf was sie sich gerade eingelassen hatte, fühlte sie sich dennoch sicher. Mittlerweile galoppierte das Reh zielsicher auf den tiefen Abgrund hinzu. Max wusste nicht wieso, doch sie fühlte, dass sie die Einzige war, die die Katastrophe aufhalten konnte. Das Tier schien dasselbe zu wissen. Selbst wenn es ihr das Leben kosten würde, nahm sie sich fest vor nicht von dem Reh abzusteigen. Wenn sie ihre Freunde und Arcadia Bay damit retten konnte, war ihr dieses Opfer wert. Somit biss sie ihre Zähne zusammen und erwartete jeden Moment einen plötzlichen Sturz in die Tiefe. Das Reh galoppierte immer schneller und setzte schon Sprung an. Max nahm dabei ein unglaublich intensives Bauchkribbeln war, das sie im ersten Moment gar nicht erkennen ließ, dass sie gar nicht in die Tiefe gestürzt sind. Stattdessen schien das Reh auf einem unsichtbaren Weg mitten in der Luft einfach weiterzulaufen. Max lächelte erleichtert, das Reh wusste wohl genau was es zu tun hatte. Nun war sie sich sicher, dass sie damit alle retten konnte. Trotzdem war sie besorgt, dass sie möglicherweise mit ihrem Leben dafür zahlen müsse, da das Reh direkt auf den dunkelgrauen Hurrikan zusteuerte. Doch ihr machte es nicht wirklich etwas aus, solange sie etwas Gutes damit erreichen konnte.
Immer näher zum Wirbelsturm herangaloppierend, schlug der Orkan ihr wie eine Peitsche ins Gesicht. Schmerzerfüllt kauerte sie sich komplett zusammen um nicht aufzugeben. Max kam es so vor, als ob sie sich nicht nur den Hurrikan näherte, sondern dieser auch gleichzeitig auf sie zusteuerte. Es sah so aus, als ob er nur noch sie im Visier hatte und nicht mehr die Stadt.
›Vielleicht ist ja das der Grund wieso er nach Arcadia Bay kommt‹, dachte sie sich. ›Vielleicht will er ja nur mich. Doch wieso? Weil ich ungewöhnliche Kräfte habe?‹ Max konnte sich die Fragen zwar nicht beantworten, doch konnte sie deutlich erkennen, dass der Hurrikan seine Richtung änderte, als das Reh eine plötzliche Rechtskurve einlegte. Das Tier hatte nicht vorgehabt, ins Auge des Sturmes zu gelangen, wurde Max plötzlich bewusst. Es war ein Ablenkungsversuch. Das Reh wusste anscheinend, dass der Hurrikan Max verfolgen würde und war deshalb in die Weiten des Ozeans davon galoppiert.
Max wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, da sie immer nur die eintönige Sicht auf den Horizont des Meeres sah. Sie war sich nicht sicher, ob sie Minuten, Stunden, oder vielleicht sogar Tage lang auf dem Reh in die Ferne geritten war, doch nach einiger Zeit verschmolz vor ihren Augen das Blau des Meeres mit dem Blau des Himmels zu einer schwarzen undurchdringbaren Wand, durch die sie nichts mehr wahrnehmen konnte. Nach einer Weile fing plötzlich jemand Unbekanntes an zu reden.
»Max. Du hast deine Aufgabe erfüllt.«, erklang eine angenehme Stimme in einer einfarbigen Umgebung.
»Was ist hier los? Wo bin ich? Was für eine Aufgabe?«
»Es spielt keine Rolle wo du dich gerade befindest. Alles was zählt ist, dass nun endlich alles vorbei ist. Du hast deine Kräfte bekommen um ein positives Gleichgewicht zu bringen und das ist dir gelungen. Du hattest Zeit bis der Hurrikan kommen würde und das ist dir gelungen.«
»Was für ein Gleichgewicht? Wieso war der Hurrikan hinter mir her?«
»Der Hurrikan war deine Zeitbegrenzung. Du hattest Zeit alles zum Guten zu wenden um das Gleichgewicht wieder herzustellen und das ist dir gelungen. Du hast einige Leben gerettet und das nur du alleine. Hättest du deine Aufgabe nicht erfüllen können so hätte der Hurrikan alles zerstört. Doch das wäre egal gewesen, denn das Böse hätte somit eh gesiegt. Doch du hast das Schlechte bezwingen können. Und somit konntest du auch eure Stadt retten.«
»Und was ist jetzt? Bin ich tot?«
»Jetzt ist alles wieder im Gleichgewicht. Nichts Schlechtes dominiert eure Stadt mehr. Und ich bin nicht der Tod.«
Max hatte keinerlei Erinnerungen an den weiteren Verlauf. War sie am Ende ihres Lebens angekommen? Oder war das alles nur ein fürchterlicher Traum? Doch bei einem war sie sich sicher: ›Nun ist alles vorbei.‹
Auch wenn sie noch nicht wusste wie die Geschichte ausging, hatte Max damit recht. Arcadia Bay ist komischerweise von dem zerstörerischen Hurrikan verschont worden, da er durch unerklärlicher Art und Weise kurz vor dem Strand umgekehrt ist. Alle Mitschüler von Max, sowie Chloe und Rachel schauten entschlossen schon ihren sicheren Tod entgegen, als auf einmal der Sturm aufhörte auf sie zu zu kommen. Verwundert, aber auch überglücklich konnten sie es kaum fassen, als sie das ungewöhnliche Ereignis aus nächster Nähe betrachteten. Seit dem Tag an änderte sich aufgrund der positiven Katastrophe einiges in der kleinen Küstenstadt. Der Ehestreit zwischen Joey Price und David Madsen löste sich auf. Aufgrund des merkwürdigen Verhaltens des Hurrikans, wurde die kleine Stadt landesweit bekannt, sodass oft zahlreiche Touristen unterwegs dorthin waren. »Two Whales Diner« lief so gut, dass Joey bald ein zweites Restaurant eröffnete und reichlich Geld verdiente. Erstaunlicherweise hatte sich auch Frank zum Guten geändert. Er gab aufgrund seiner Verlobung mit Rachel sein Drogen Geschäft auf und suchte sich einen richtigen Beruf und zwar in der zweiten Gaststätte von Joey Price.
»Oh sie wacht auf!« Max vernahm Warrens Stimme, die verschwommen zu ihren Ohren drang.
»Max?! Wir sind's!«
Max öffnete vorsichtig ihre Augen. Im ersten Moment erkannte sie gar nichts, da ihr ein grelles Licht die Sicht versperrte. Doch nach einigen Sekunden hatten sich ihre Pupillen verkleinert, sodass sie sehen konnte wer alles neben ihr stand. Warren, Chloe und Rachel hatten es sich auf alten Holzstühlen neben ihr gemütlich gemacht.
»Was ist los? Wo bin ich?«, stammelte Max orientierungslos.
»Na du bist im Krankenhaus!«, sagte Warren freudig.
»Du wurdest bewusstlos am Leuchtturm gefunden«, antwortete Chloe.
Max brauchte kurz um das Gesagte richtig zu verstehen.
›Ich bin also nicht gestorben? Es ist alles wirklich passiert? Habe ich wirklich den Hurrikan umgelenkt? Und besitze ich noch meine Kräfte?‹ Max konnte nicht widerstehen und streckte unauffällig ihren Arm zum Zurückspulen aus. Doch im Gegensatz zu früher geschah rein gar nichts.
›Ich habe keine Kräfte mehr!‹ Max war zwar etwas enttäuscht doch letztendlich war es egal. Sie hatte schließlich endlich alles erreicht, was sie wollte. Sie blickte in drei lächelnde Gesichter, von denen zwei eigentlich schon gestorben waren und von denen sie nicht damit gerechnet hatte, sie erneut zu sehen.
Nachdem sie alles verarbeitet hatte, hüpfte sie voller Freude aus dem Krankenhausbett und sprang Warren in die Arme. Warren konnte für einige Sekunden lang nicht atmen, da Max ihn mit voller Kraft umarmte.
»Oh Warren! Ich dachte ich würde dich nie wieder sehen!«
Warren atmete erst einmal tief ein, bevor er antworten konnte.
»Ach Max, wir alle dachten, dass alles untergehen würde.«
Max drückte ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Sie wusste zwar nicht, ob er auch - wie in der anderen Gegenwart - in sie verliebt war, doch das war ihr im Moment egal. Doch er erwiderte den Kuss, also musste es wohl auch so sein. Max lächelte glücklich. Sie ließ ihn wieder los und umarmte zufrieden ihre beste Freundin.
»Ich hätte niemals gedacht, dass wir uns wieder sehen«, sagte Max mit Freudentränen in den Augen. Chloe konnte nicht ahnen, was eigentlich wirklich mit ihr passiert war.
»Oh Max, ich bin auch so froh, dass alles gut gelaufen ist.« Chloe drückte Max plötzlich einen Kuss auf die Lippen, »Das bekommst du noch als Revanche.« Sie schaute Warren an. »Hoffentlich wird er nicht eifersüchtig«, sagte sie lächelnd.
»Ach, heute ist es eine Ausnahme.«, sagte Warren großzügig.
Max wusste im Moment nicht, wie sie eigentlich im Verhältnis zu Rachel stand, da sie sie noch nie vorher wirklich gesehen hatte, doch die Frage erledigte sich, als Rachel sie schließlich fest umarmte.
»Ein Glück dich wieder zu sehen!« Max lächelte überglücklich, alles schien perfekt zu sein.
Ein paar Monate nach der Katastrophe, heirateten Rachel und Frank am Leuchtturm von Arcadia Bay, Max und Chloe waren die Trauzeugen.
Seit dem an verhielt sich alles in der Kleinstadt weitgehend ruhig, lediglich die zahlreichen Touristen waren das Aufregendste in Arcadia Bay geworden, doch selbst daran gewöhnten sich die Einwohner recht schnell.