Odyssee eines Terminkalenders
von Feael Silmarien
Kurzbeschreibung
Ein neuer Schüler macht Sweet Amoris unsicher. - Buchstäblich, denn sein unschöner Ruf eilt ihm voraus. Was für ein Pech für die schüchterne Viola, die ihm seinen Terminkalender wiedergeben muss! Doch nach und nach kommt sie seiner wahren Persönlichkeit auf die Schliche und lernt dabei auch noch, über ihren Schatten zu springen ... --- Widmung: Allen Schüchternen von einer, die nicht mehr so schüchtern ist wie früher.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Alexy
Armin
Kim
Lysander
Viola
06.08.2015
12.11.2015
15
36.717
7
Alle Kapitel
28 Reviews
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Dieses Kapitel
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17.09.2015
1.594
Hi und ich freue mich, euch zum siebten Kapitel zu begrüßen! Vorher aber eine wichtige Ankündigung: Das nächste Kapitel wird verspätet erscheinen! Bis zum nächsten Wochenende werde ich keinen Internetzugang haben, deswegen gibt es das achte Kapitel und die Reviewantworten erst am 27.09.15. Es tut mir furchtbar, furchtbar leid, dass diese Verschiebung auftritt, aber ich hoffe, ihr übersteht das.
Na ja. Jetzt wünsche ich euch auf jeden Fall viel Spaß mit dem siebten Kapitel!
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Kapitel 7: Die Akte
Als alle vier sich in einem Klassenzimmer verschanzt und zusammen einen Tisch okkupiert hatten, holte Napoleone mit vielsagendem Gesichtsausdruck Luft.
"Also dann ... los!", sagte sie und klatschte die Kopien auf den Tisch. "Platon Maria ... Vollwaise ... Lebt bei der Schwester seines Vaters und ihrer Familie ... Dann noch die Adresse und Telefonnummer ... Blutgruppe ist AB positiv ... Sternzeichen - oh, das ist interessant! - Steinbock, Viola, genau wie ich! Und du bist doch Jungfrau, oder? Männlicher Steinbock und weibliche Jungfrau gelten als Traumpaar!"
Viola errötete, als Napoleone ihr fröhlich zuzwinkerte.
"Die Papiere von seiner alten Schule ...", fuhr Napoleone fort. "Seine Noten - ui! Zig Verwarnungen wegen Arbeitsverweigerung, aber seine Noten sind im Schnitt guter Mittelmaß - in Mathe, Kunst und Physik war er sogar Klassenbester! In Musik und Biologie hingegen ist er ein hoffnungsloser Fall. Die Lehrer von der anderen Schule schreiben, dass er über ein sehr gutes Allgemeinwissen verfügt, aber sehr unmotiviert ist. Außerdem hat er an der Webseite der Schule mitgearbeitet und war stets einer der besten in der Schach-AG."
"Er spielt Videospiele, und die fördern logisches Denken und Strategie!", grinste Armin.
"Das macht sich an deinen Noten aber nicht bemerkbar", schnaubte sein Zwilling.
Viola sagte nichts. Aber irgendwie ... Armin hatte auch erwähnt, dass Platon sehr gut in Stealth war. So weit sie sich mit Videospielen auskannte, erforderte diese Spielweise besonders viel strategisches Geschick und Analyse. Viola musste sich - mal wieder errötend - gestehen, dass ein solches Talent ihr sehr imponierte.
"Sein soziales Verhalten wird als sehr schwierig beschrieben, aber das wissen wir ja schon ... Gerüchte und eine Reihe von Klagen, bei denen seine Schuld allerdings nicht nachgewiesen werden konnte ... Aber in der dritten Klasse hat er anscheinend tatsächlich einem Mitschüler auf der Toilette aufgelauert und ihn dort zusammengeschlagen. Er hat gegenüber den Lehrern selbst zugegeben, dass er den Kopf des anderen Jungen mehrmals gegen den Spiegel geschmettert hat, sodass sich mehrere Glassplitter in dessen Gesicht gebohrt und bleibende Narben hinterlassen haben. Davor scheint er ein sehr stiller und in sich gekehrter, aber auch netter Schüler gewesen zu sein, doch nach der Prügelei hat seine Persönlichkeit wohl einen vollständigen Wandel erfahren und er hat angefangen, seine Mitschüler durch Einschüchterung auf Distanz zu halten. Es wurde sogar ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten empfohlen, aber der hat gesagt, dass mit Platon eigentlich alles in Ordnung sei und er seine Aggressivität wohl nur simuliert. Aber anscheinend wollte das niemand so recht glauben." Napoleones Stimme hatte begonnen, ein wenig zu zittern, sie brach ab und sah Viola durchdringend an. "Den Kopf des Jungen mehrmals gegen den Spiegel geschmettert ... Das ist hart", fügte sie mit erstickter Stimme hinzu.
Viola schluckte. Es war also nicht nur eine Prügelei gewesen, sondern sie war auch noch blutig ausgegangen.
"Hat er gesagt, warum er das getan hat?", flüsterte sie.
Napoleone schüttelte den Kopf: "Es sagte, dass der andere Junge ein 'Arsch' sei, aber er hat es anscheinend nie präzisiert."
"Warum sollte er das auch?", sagte Armin plötzlich mit einem Ernst, der in seinem Fall sogar irgendwie gruselig war. "Die Ursachen für die Prügelei gehen die Lehrer nichts an. Platon hat dem Jungen gezielt aufgelauert, also muss es einen Grund gegeben haben, einen lange schwelenden Konflikt zwischen den beiden. Da hat sich niemand einzumischen."
Alle Augen richteten sich auf ihn.
"Aber ... aber mit den Lehrern zu reden hätte den Konflikt lösen können ...", murmelte Napoleone.
Doch nun nahm auch Alexys Gesicht diesen gruselig ernsten Ausdruck an.
"Nein", sagte er kopfschüttelnd. "Stell dir vor, die Lehrer würden dich zwingen, unter ihrer Anleitung deinen Konflikt mit Amber auszudiskutieren. Würdest du dich darauf einlassen?"
Napoleone biss sich auf die Lippen.
"Außerdem ist Platon ein Junge", fügte Armin zögerlich hinzu. "Ich selbst hatte noch keine solchen extremen Konflikte, aber Jungs regeln ihre Probleme miteinander generell lieber unter sich. Über Probleme zu reden ist etwas, das eher Mädchen machen." Und als er die fragenden Mienen von Viola und Napoleone sah, presste er noch heraus: "Ich glaube, das hat etwas ... mit Stolz zu tun."
Die beiden Mädchen sahen sich an und Viola erkannte, dass Napoleone Armins Erklärung genauso wenig verstand wie sie. Jungs schienen tatsächlich sehr ungern über ihre Probleme zu reden - auch über die Probleme, über Probleme zu reden. Und Armin war da keine Ausnahme.
"Der andere Junge hat anscheinend auch nicht kooperiert", seufzte Napoleone, den Blick wieder auf die Akte geheftet. "Er saß da, das Gesicht zugekleistert mit Pflastern und Bandagen, und sagte nur, es wäre nichts. Ein Unfall."
Niemand antwortete. Alle saßen stumm um den Tisch und starrten ins Leere.
"Ich kann Platon bei Gelegenheit vielleicht noch ein wenig ausfragen", sagte Armin schließlich.
"Du bist ja wirklich engagiert!", schnaubte Napoleone mit einem immer noch etwas bitteren Ausdruck.
"Wenn ich mir das mit den Glasscherben, die sich ins Gesicht des anderen Jungen gebohrt haben, so durchlese, dann will ich selbst wissen, was da los war", erklärte er. "In meiner Anwesenheit war er eigentlich immer ganz in Ordnung und man kann mit ihm im Multiplayer gut zusammenarbeiten. Das passt so gar nicht zu dem Bild, das die Akte hergibt."
"Der Psychotherapeut meinte, dass er nur simuliert", murmelte Viola. "Und er hat mir gegenüber mal angedeutet, dass er sein schlechtes Image sehr bewusst pflegt. Vor allem wird er aggressiv, wenn Leute ihn wegen seiner Narben hänseln. Aber viele werden gehänselt und nur wenige wehren sich, indem sie sich ein schlechtes Image zulegen. Vor allem sollte man in seinem Alter einfach drüber stehen. Ich glaube ..." Sie zögerte. "Ich glaube, der andere Junge muss ihm sehr wehgetan haben."
"Platon ist außerdem ohnehin schon traumatisiert wegen seiner Familie", nickte Napoleone. "Wahrscheinlich liegt seine Schmerzensgrenze einfach ... etwas niedriger als bei den meisten Menschen."
Wieder Stille. Und irgendwie ... Es machte alles Sinn, doch die Feststellung des Psychotherapeuten, mit Platon sei alles in Ordnung, passte irgendwie nicht ganz zu der Vorstellung, er sei ein psychisches Wrack. Denn Platon war kein Wrack. Zumindest hatte er in Violas Anwesenheit nie wie eins gewirkt. Wenn einer von ihnen ein Wrack war, dann war sie es, die einfach nicht ihren Mund aufbekam und ihm seit einer Woche seinen Terminkalender nicht wiedergeben konnte.
"Was machen wir jetzt?", unterbrach plötzlich Alexy ihren Gedankengang. "Wir haben jetzt seine Akte - wie geht es weiter?"
Viola errötete wieder, als sich alle Augen auf sie richteten.
"Ich glaube, wir sollten Viola erst einige Zeit zum Verdauen geben", sagte Napoleone. "Hier -" Sie schob ihr die Akte zu. "Nimm du sie. Das hier ist ja schließlich alles für dich."
Viola streckte die Hand aus und nahm die Akte. Ihr Blick fiel auf das Foto von dem aktuellen Platon, schwarz-weiß durch den Kopierer. Sein Blick war so ganz anders als der des kleinen Jungen auf dem Familienfoto. Natürlich. Es lagen ja auch viele Jahre dazwischen. Und dennoch konnte Viola nicht anders als zu bemerken, dass der geistesabwesende, träumende Blick des Jungen sich sehr verhärtet hatte.
---
Es war nicht so, dass Viola sich nicht mit Verlust und Traumata auskannte. Vor einigen Jahren ... vor einigen Jahren hatte sie dieses eine Bild gemalt, eine rote Wüste, rot vor Blut und Scham, damals, als ihre Mutter im Sterben lag, als die Ärzte sagten, es sei aussichtslos. Jetzt, Jahre später, kramte die das Gemälde aus der dunklen Ecke hervor, in der es seit seiner Fertigstellung vor sich hin gestaubt hatte, wischte darüber und dachte daran, dass Schamesröte ja eigentlich Blut war. Und warum eigentlich Schamesröte? Warum hatte sie geblutet, als ihre Mutter im Sterben lag? Warum blutete sie immer noch? Und vor allem: Hatte der Tod ihrer Mutter die Blutung ausgelöst oder nur verstärkt?
Manchmal glaubte sie, dass hinter ihren Beobachtungen und Nachforschungen zu Platon mehr dahintersteckte als bloße Neugier und seine hübschen Wangenknochen. Würde seine tagelange Abwesenheit in der Schule sie sonst so wahnsinnig machen? Denn der Tag des Einbruchs war auch der Tag gewesen, an dem sie ihn zuletzt gesehen hatte. Von Melody und Nathaniel wusste sie, dass er offiziell krankgeschrieben war. Und sie erinnerte sich, wie heiser seine Stimme damals beim Streit mit Castiel geklungen hatte. Wahrscheinlich war er also nur erkältet und würde bald wieder in die Schule kommen.
Aber konnte sie bis dahin warten, um ... zu tun, was auch immer sie tun wollte? Sie wusste tatsächlich selbst nicht, was sie vorhatte. Sie kannte nur ihr Ziel.
Sie legte das Gemälde beiseite und zückte die Kopie seiner Akte, die Napoleone ihr überlassen hatte.
Es war nun schon mehrmals die Information aufgetaucht, dass er auch ein Künstler war ... Was er wohl für Bilder malte?
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Fortsetzung folgt ...
PS: Ich habe gestern gemerkt, dass anonyme Reviews für diese FF deaktiviert waren. Grrr, ich muss wohl vergessen haben, das Häkchen reinzumachen. Normalerweise lasse ich anonyme Reviews ja immer zu. Na ja, jedenfalls ist der Fehler jetzt korrigiert und ihr müsst nicht mehr eingeloggt sein, um kommentieren zu können.
Na ja. Jetzt wünsche ich euch auf jeden Fall viel Spaß mit dem siebten Kapitel!
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Kapitel 7: Die Akte
Als alle vier sich in einem Klassenzimmer verschanzt und zusammen einen Tisch okkupiert hatten, holte Napoleone mit vielsagendem Gesichtsausdruck Luft.
"Also dann ... los!", sagte sie und klatschte die Kopien auf den Tisch. "Platon Maria ... Vollwaise ... Lebt bei der Schwester seines Vaters und ihrer Familie ... Dann noch die Adresse und Telefonnummer ... Blutgruppe ist AB positiv ... Sternzeichen - oh, das ist interessant! - Steinbock, Viola, genau wie ich! Und du bist doch Jungfrau, oder? Männlicher Steinbock und weibliche Jungfrau gelten als Traumpaar!"
Viola errötete, als Napoleone ihr fröhlich zuzwinkerte.
"Die Papiere von seiner alten Schule ...", fuhr Napoleone fort. "Seine Noten - ui! Zig Verwarnungen wegen Arbeitsverweigerung, aber seine Noten sind im Schnitt guter Mittelmaß - in Mathe, Kunst und Physik war er sogar Klassenbester! In Musik und Biologie hingegen ist er ein hoffnungsloser Fall. Die Lehrer von der anderen Schule schreiben, dass er über ein sehr gutes Allgemeinwissen verfügt, aber sehr unmotiviert ist. Außerdem hat er an der Webseite der Schule mitgearbeitet und war stets einer der besten in der Schach-AG."
"Er spielt Videospiele, und die fördern logisches Denken und Strategie!", grinste Armin.
"Das macht sich an deinen Noten aber nicht bemerkbar", schnaubte sein Zwilling.
Viola sagte nichts. Aber irgendwie ... Armin hatte auch erwähnt, dass Platon sehr gut in Stealth war. So weit sie sich mit Videospielen auskannte, erforderte diese Spielweise besonders viel strategisches Geschick und Analyse. Viola musste sich - mal wieder errötend - gestehen, dass ein solches Talent ihr sehr imponierte.
"Sein soziales Verhalten wird als sehr schwierig beschrieben, aber das wissen wir ja schon ... Gerüchte und eine Reihe von Klagen, bei denen seine Schuld allerdings nicht nachgewiesen werden konnte ... Aber in der dritten Klasse hat er anscheinend tatsächlich einem Mitschüler auf der Toilette aufgelauert und ihn dort zusammengeschlagen. Er hat gegenüber den Lehrern selbst zugegeben, dass er den Kopf des anderen Jungen mehrmals gegen den Spiegel geschmettert hat, sodass sich mehrere Glassplitter in dessen Gesicht gebohrt und bleibende Narben hinterlassen haben. Davor scheint er ein sehr stiller und in sich gekehrter, aber auch netter Schüler gewesen zu sein, doch nach der Prügelei hat seine Persönlichkeit wohl einen vollständigen Wandel erfahren und er hat angefangen, seine Mitschüler durch Einschüchterung auf Distanz zu halten. Es wurde sogar ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten empfohlen, aber der hat gesagt, dass mit Platon eigentlich alles in Ordnung sei und er seine Aggressivität wohl nur simuliert. Aber anscheinend wollte das niemand so recht glauben." Napoleones Stimme hatte begonnen, ein wenig zu zittern, sie brach ab und sah Viola durchdringend an. "Den Kopf des Jungen mehrmals gegen den Spiegel geschmettert ... Das ist hart", fügte sie mit erstickter Stimme hinzu.
Viola schluckte. Es war also nicht nur eine Prügelei gewesen, sondern sie war auch noch blutig ausgegangen.
"Hat er gesagt, warum er das getan hat?", flüsterte sie.
Napoleone schüttelte den Kopf: "Es sagte, dass der andere Junge ein 'Arsch' sei, aber er hat es anscheinend nie präzisiert."
"Warum sollte er das auch?", sagte Armin plötzlich mit einem Ernst, der in seinem Fall sogar irgendwie gruselig war. "Die Ursachen für die Prügelei gehen die Lehrer nichts an. Platon hat dem Jungen gezielt aufgelauert, also muss es einen Grund gegeben haben, einen lange schwelenden Konflikt zwischen den beiden. Da hat sich niemand einzumischen."
Alle Augen richteten sich auf ihn.
"Aber ... aber mit den Lehrern zu reden hätte den Konflikt lösen können ...", murmelte Napoleone.
Doch nun nahm auch Alexys Gesicht diesen gruselig ernsten Ausdruck an.
"Nein", sagte er kopfschüttelnd. "Stell dir vor, die Lehrer würden dich zwingen, unter ihrer Anleitung deinen Konflikt mit Amber auszudiskutieren. Würdest du dich darauf einlassen?"
Napoleone biss sich auf die Lippen.
"Außerdem ist Platon ein Junge", fügte Armin zögerlich hinzu. "Ich selbst hatte noch keine solchen extremen Konflikte, aber Jungs regeln ihre Probleme miteinander generell lieber unter sich. Über Probleme zu reden ist etwas, das eher Mädchen machen." Und als er die fragenden Mienen von Viola und Napoleone sah, presste er noch heraus: "Ich glaube, das hat etwas ... mit Stolz zu tun."
Die beiden Mädchen sahen sich an und Viola erkannte, dass Napoleone Armins Erklärung genauso wenig verstand wie sie. Jungs schienen tatsächlich sehr ungern über ihre Probleme zu reden - auch über die Probleme, über Probleme zu reden. Und Armin war da keine Ausnahme.
"Der andere Junge hat anscheinend auch nicht kooperiert", seufzte Napoleone, den Blick wieder auf die Akte geheftet. "Er saß da, das Gesicht zugekleistert mit Pflastern und Bandagen, und sagte nur, es wäre nichts. Ein Unfall."
Niemand antwortete. Alle saßen stumm um den Tisch und starrten ins Leere.
"Ich kann Platon bei Gelegenheit vielleicht noch ein wenig ausfragen", sagte Armin schließlich.
"Du bist ja wirklich engagiert!", schnaubte Napoleone mit einem immer noch etwas bitteren Ausdruck.
"Wenn ich mir das mit den Glasscherben, die sich ins Gesicht des anderen Jungen gebohrt haben, so durchlese, dann will ich selbst wissen, was da los war", erklärte er. "In meiner Anwesenheit war er eigentlich immer ganz in Ordnung und man kann mit ihm im Multiplayer gut zusammenarbeiten. Das passt so gar nicht zu dem Bild, das die Akte hergibt."
"Der Psychotherapeut meinte, dass er nur simuliert", murmelte Viola. "Und er hat mir gegenüber mal angedeutet, dass er sein schlechtes Image sehr bewusst pflegt. Vor allem wird er aggressiv, wenn Leute ihn wegen seiner Narben hänseln. Aber viele werden gehänselt und nur wenige wehren sich, indem sie sich ein schlechtes Image zulegen. Vor allem sollte man in seinem Alter einfach drüber stehen. Ich glaube ..." Sie zögerte. "Ich glaube, der andere Junge muss ihm sehr wehgetan haben."
"Platon ist außerdem ohnehin schon traumatisiert wegen seiner Familie", nickte Napoleone. "Wahrscheinlich liegt seine Schmerzensgrenze einfach ... etwas niedriger als bei den meisten Menschen."
Wieder Stille. Und irgendwie ... Es machte alles Sinn, doch die Feststellung des Psychotherapeuten, mit Platon sei alles in Ordnung, passte irgendwie nicht ganz zu der Vorstellung, er sei ein psychisches Wrack. Denn Platon war kein Wrack. Zumindest hatte er in Violas Anwesenheit nie wie eins gewirkt. Wenn einer von ihnen ein Wrack war, dann war sie es, die einfach nicht ihren Mund aufbekam und ihm seit einer Woche seinen Terminkalender nicht wiedergeben konnte.
"Was machen wir jetzt?", unterbrach plötzlich Alexy ihren Gedankengang. "Wir haben jetzt seine Akte - wie geht es weiter?"
Viola errötete wieder, als sich alle Augen auf sie richteten.
"Ich glaube, wir sollten Viola erst einige Zeit zum Verdauen geben", sagte Napoleone. "Hier -" Sie schob ihr die Akte zu. "Nimm du sie. Das hier ist ja schließlich alles für dich."
Viola streckte die Hand aus und nahm die Akte. Ihr Blick fiel auf das Foto von dem aktuellen Platon, schwarz-weiß durch den Kopierer. Sein Blick war so ganz anders als der des kleinen Jungen auf dem Familienfoto. Natürlich. Es lagen ja auch viele Jahre dazwischen. Und dennoch konnte Viola nicht anders als zu bemerken, dass der geistesabwesende, träumende Blick des Jungen sich sehr verhärtet hatte.
---
Es war nicht so, dass Viola sich nicht mit Verlust und Traumata auskannte. Vor einigen Jahren ... vor einigen Jahren hatte sie dieses eine Bild gemalt, eine rote Wüste, rot vor Blut und Scham, damals, als ihre Mutter im Sterben lag, als die Ärzte sagten, es sei aussichtslos. Jetzt, Jahre später, kramte die das Gemälde aus der dunklen Ecke hervor, in der es seit seiner Fertigstellung vor sich hin gestaubt hatte, wischte darüber und dachte daran, dass Schamesröte ja eigentlich Blut war. Und warum eigentlich Schamesröte? Warum hatte sie geblutet, als ihre Mutter im Sterben lag? Warum blutete sie immer noch? Und vor allem: Hatte der Tod ihrer Mutter die Blutung ausgelöst oder nur verstärkt?
Manchmal glaubte sie, dass hinter ihren Beobachtungen und Nachforschungen zu Platon mehr dahintersteckte als bloße Neugier und seine hübschen Wangenknochen. Würde seine tagelange Abwesenheit in der Schule sie sonst so wahnsinnig machen? Denn der Tag des Einbruchs war auch der Tag gewesen, an dem sie ihn zuletzt gesehen hatte. Von Melody und Nathaniel wusste sie, dass er offiziell krankgeschrieben war. Und sie erinnerte sich, wie heiser seine Stimme damals beim Streit mit Castiel geklungen hatte. Wahrscheinlich war er also nur erkältet und würde bald wieder in die Schule kommen.
Aber konnte sie bis dahin warten, um ... zu tun, was auch immer sie tun wollte? Sie wusste tatsächlich selbst nicht, was sie vorhatte. Sie kannte nur ihr Ziel.
Sie legte das Gemälde beiseite und zückte die Kopie seiner Akte, die Napoleone ihr überlassen hatte.
Es war nun schon mehrmals die Information aufgetaucht, dass er auch ein Künstler war ... Was er wohl für Bilder malte?
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Fortsetzung folgt ...
PS: Ich habe gestern gemerkt, dass anonyme Reviews für diese FF deaktiviert waren. Grrr, ich muss wohl vergessen haben, das Häkchen reinzumachen. Normalerweise lasse ich anonyme Reviews ja immer zu. Na ja, jedenfalls ist der Fehler jetzt korrigiert und ihr müsst nicht mehr eingeloggt sein, um kommentieren zu können.