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Der letzte Wunsch

von Borin
Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Sci-Fi / P12 / Het
Kyle Reese
06.07.2015
06.07.2015
1
2.003
2
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Dieses Kapitel
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06.07.2015 2.003
 
Dieser Oneshot ist Teil des Wettbewerbs "Vorgabensammler" Runde II von Wortzauberin
(http://forum.fanfiktion.de/t/30519/7)
Die 6 Vorgaben, die sich für mich ergeben haben, waren folgende:
- 1. Es müssen genau 6 Fragen in der direkten Rede vorkommen.
- 2. Einer eurer Charakter muss einen bedeutsamen Gegenstand verlieren.
- 3. Einer eurer Charaktere muss sich weigern, der Bitte eines anderen nachzukommen und diese Weigerung auch durchziehen.  
- 4. Folgender Satz muss Anfangs- oder Schlussatz sein: »Wenn du zerbrichst, ist es wie Regen, der auf die Erde fällt und sich anfühlt wie Wolkensplitter auf meiner Haut.« (Außerdem ist es euch erlaubt, Zeit und Person zu wechseln)
- 5. Folgende, gewählte Frage muss vorkommen und auch beantwortet werden: »Wo werden wir absteigen, wenn das Karussell aufgehört hat sich zu drehen?«
- 6.  Ein Teil eurer Geschichte an einem der folgenden Handlungsorte spielen. Dieser Teil muss mindestens 400 Wörter haben. »Schrottplatz«

Vielen lieben Dank an Acht fürs Betalesen!
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DER LETZTE WUNSCH

2029

»Reese?«
Der Widerstandskämpfer schlug die Augen auf. Er hatte nicht geschlafen. Nicht mal gedöst. Er hatte bloß die Lider für einen Moment geschlossen und an sie gedacht. Wieder einmal.

Mit dem Rücken gegen das verrostete Auto gelehnt und sein langläufiges Schießeisen im Anschlag verharrte er mit seinem sechs Mann Trupp bereits seit einigen Stunden inmitten des zerklüfteten  Schlachtfeldes, das sich soweit das Auge reichte, wie ein riesiger Schrottplatz, über das zerstörte Land erstreckte. Der Atomkrieg hatte  beinahe alles Leben auf der Erde ausgelöscht und der aussichtslos wirkende Krieg gegen die Maschinen ließ die Anzahl der wenigen Überlebenden stetig schrumpfen.

Sergeant Reese quittierte die Frage des Soldaten mit einem knappen Nicken. »Hab's auch gehört. Scheint los zu geh'n.« Damit erhob er sich und spähte, den Kopf tief in der Deckung haltend, über die Ebene. Obwohl in der Dunkelheit des Tages bis in weiter Ferne nichts zu erkennen war, konnte man erneut ein leises unheilvolles Grollen und Quietschen vernehmen.

»Hört genau zu: Signal ist das rote Licht. Nicht vorher. Wird einer von uns entdeckt, können wir die Sache vergessen. Also haltet die Köpfe flach. Na los, besetzt die Autos. Lee, du kommst mit mir.«, wies Reese die Soldaten an, während er sich auf den Fahrersitz des Wagens rutschen ließ, der ihm am nächsten stand. » Und denkt dran: Wir sind bloß das Ablenkungsmanöver und müssen sie beschäftigen, solange es geht.«  

Hoffnungsvolle Worte auf ein Wiedersehen waren fehl am Platz. Ein jeder hier war bereit sein Leben zu opfern, damit ihr Plan gelingen konnte. Es war die einzige Chance, die sie hatten.

Reese verabschiedete sich nicht, sondern fuhr wortlos davon. Wachsamen Auges steuerte er den Wagen durch die haushohen Trümmer, während sein Begleiter an der Feuerwaffe saß, die auf den Rücksitz montiert war, und nach Anzeichen des Feindes Ausschau hielt. Als sie schließlich ohne Zwischenfall auf ihrer Position zwischen den Felsen auf einer kleinen Anhöhe angekommen waren, kletterte dieser zu Reese nach vorn auf den Beifahrersitz. Er war auf ein Gespräch aus, druckste jedoch noch eine ganze Weile herum, bevor er schließlich doch mit der Tür ins Haus fiel.

»Darf ich sie ansehen?«, fragte Lee und machte ein gespanntes Gesicht wie ein kleiner Junge. Die Schrecken des Krieges schienen für einen Augenblick vergessen.

Reese blickte auf. »Wen ansehen?«

»Du weißt, wen ich meine.«, quengelte Lee und machte auffordernde Gesten. »Miles sagt, du hast ein Bild von ihr.«

Reese schien einige Sekunden in Gedanken zu versinken, dann nickte er bestätigend. »John Connor hat es mir gegeben kurz nachdem ich von Perrys Einheit in seine wechselte...«

Er bemerkte, dass Lee ihn noch immer begierig anstarrte, griff nun in die Brusttasche seiner Jacke und zog behutsam ein in der Mitte geknicktes, altes Foto hervor. Es zeigte eine blonde junge Frau. Etwas Trauriges lag in ihrem Blick. Dennoch schien sie Hoffnung im Herzen zu tragen.
Reese zögerte einen Moment, bevor er Lee das Bild ergreifen ließ.

»Sarah. Sarah Connor.«, flüsterte dieser ehrfürchtig und seine Hände zitterten ein wenig. »Sie ist so... hübsch. Hatte sie mir irgendwie anders vorgestellt. Man sagt, sie sei eine große Kriegerin gewesen. Hat John alles beigebracht, ihn vorbereitet auf ... auf all das hier. Die Maschinen. Das Ende der Welt... Sie ist eine Legende.«

Bitter ließ Reese seinen Blick über das zerstörte Land schweifen. Dunkle Schemen sammelten sich auf der Ebene, nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Versteck. Der richtige Zeitpunkt für ihr Vorhaben rückte näher.

Reese streckte die Hand aus und forderte das Foto zurück. Lee zögerte. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Reese konnte die Gedanken hinter der Stirn seines Begleiters förmlich lesen.

»Gib mir das Foto.«, verlangte er angespannt. Lee zögerte noch immer. Die beiden Männer starrten einander an. Der lange Moment des plötzlich aufgekommenen Argwohns löste sich erst, als Lee das Bild schlussendlich, von einem Seufzen  begleitet, zusammenfaltete und an Reese zurückgab. Erleichtert schob dieser es wieder in die Brusttasche.

»Warum hat er es ausgerechnet dir gegeben?«, erkundigte sich Lee maulend. Er konnte nicht verstehen, was an Reese so besonders war, dass John Connor, Anführer des letzten Widerstandes der Menschen, ihm das einzige Foto seiner Mutter überlassen hatte.

»Das weiß ich nicht.«, sagte Reese ernst. Diese Frage hatte er sich selbst schon viele Male gestellt und keine wirklich plausible Antwort darauf gefunden. Doch Connor war ein Mann, der die Dinge nicht grundlos tat. Er hatte einen Plan, dessen war sich Reese sicher und auch wenn der Anführer seine Gedanken nur selten mit jemandem teilte, vertraute Reese ihm bedingungslos.

»Was soll denn das heißen: Du weißt es nicht?«

»Er sagte nur: Bewahre es sicher für mich auf und verliere es nicht.«, murmelte Reese, selbst erneut nachdenklich geworden.

Lee sah den Sergeant ungläubig an. Er wusste zwar, dass Reese einer von Connors besten Männern war, doch erwartete hatte er einen wirklich eindrucksvollen Grund. Wer verschenkte schon Fotos von der eigenen Mutter? »Aber das macht doch keinen -«

Beinahe gleichzeitig zogen beide Männer die Köpfe ein, als wie aus dem Nichts dicht über ihnen ein Raumschiff der Maschinen auftauchte. Scheinwerfer und Laser tasteten sich über den riesigen Schrottplatz. Scannten die Erde nach organischem Leben.

»Nicht bewegen.«, knurrte Reese atemlos, tief in den Fußraum des verrosteten Autos geduckt, den Blick hinauf zum dunklen Himmel gerichtet, während das Raumschiff langsam über ihnen vorüber zog und seinen Weg in die Ebene fortsetzte.

»Reese!«, rief Lee aufgeregt im lautesten Flüsterton aus seinem Versteck heraus. »Miles und die Anderen haben da unten auf freiem Feld kaum Deckung. Das Ding da bedeutet ihr Ende.«

Reese richtete bestürzt seinen Blick auf die Ebene, wo er die Positionen seiner restlichen Truppe festgelegt hatte. Verbissen versuchte Lee die Männer über den Funk seines Headsets zu erreichen. Der wurde jedoch durch einen Sender des Raumschiffs blockiert.

»Funk einstellen, Lee. Wir können ihnen nicht helfen.«, befahl Reese niedergeschlagen.

»Aber dann sind sie verloren! Wir müssen was tun. Bitte!«, rief der Soldat aufgeregt. »Miles ist der einzige meiner Freunde, der mir noch geblieben ist.«

Reese blickte Lee fest in die Augen. Auch er hatte viele Kameraden verloren. Er wusste, wie es sich anfühlte als einziger seiner Truppe in die unterirdischen Tunnel und Verstecke zurückzukehren und er hoffte, dass dies alles nicht umsonst geschehen war. Wie so viele Andere setzte er seine Hoffnung in John Connor, der nun den letzten Rest der Menschheit in eine letzte, schicksalsentscheidende Schlacht führen sollte.

»Reese! Bitte!« Lees Stimme klang mehr als verzweifelt.

»Wenn wir eingreifen, wird unser überaus gewagtes Vorhaben scheitern und dann sind wir alle verloren. Wir müssen warten bis Connor mit dem Haupttrupp auf Position ist.«, erklärte Reese düster. Auch wenn er seine Worte hart und entschlossen wählte, stand die innere Zerrissenheit ihm ins Gesicht geschrieben. »Tut mir leid.«

Lee wandte seinen Blick ab und kletterte wortlos auf die Rückbank des Autos. Reese hingegen beobachtete konzentriert und angespannt das Geschehen in der Ebene. Jeden Moment würden die Scheinwerfer des Raumschiffs die Position eines der Fahrzeuge erreichen und die Widerstandskämpfer darin entdecken. Der Wind trug das Geräusch menschlicher Feuerwaffen zum Hügel hinauf. Der Plan schien gescheitert.

Dann plötzlich ein roter Lichtschein am verdunkelten Himmel. Reese blinzelte. Er hatte sich nicht getäuscht. Da war das Signal.

»Festhalten, Lee.«, knurrte er und trat so heftig aufs Gaspedal, dass der Wagen abhob und die Anhöhe hinunter polterte. »Holen wir dieses Ding vom Himmel.«

Während Reese sich Mühe gab, dass ihre wilde Fahrt nicht vorzeitig in einem der riesigen Trümmerteile endete, feuerte Lee ununterbrochen auf das Raumschiff, dem sie nun immer näher kamen. Gerade hatte es mit seinen Laserkanonen eines der Autos getroffen, das nun durch die Druckwelle der Explosion durch die Luft geschleudert wurde. Dadurch wurden auch die Maschinenjäger auf den Kampf aufmerksam, die sich in der Ebene um einen geheimen Stützpunkt gesammelt hatten und nun von dort fort gelockt wurden. Das Ablenkungsmanöver schien zu funktionieren, auch wenn ein Raumschiff in seinem Plan eigentlich nicht vorgekommen war und die Luft unablässig vom Geräusch zischender Laser erfüllt wurde.

Reese gelang es seinen Wagen direkt unter der Flugmaschine in eine günstige Position zu bringen, sodass Lee Haftbomben danach schleudern konnte. Doch dann zerfetzte der Schuss eines besonders hartnäckigen Maschinenjägers eines der Hinterräder. Das Auto überschlug sich und krachte in einen Trümmerhaufen. Beinahe zeitgleich gingen drei der Bomben an der Unterseite des Raumschiffes hoch und brachten das Monstrum mit einem gewaltigen Dröhnen einige hundert Metern entfernt zu Fall.

Schwerlich kämpfte Reese gegen die aufkommende Benommenheit und befreite sich unter Schmerzen aus dem demolierten Wagen. Ein Metallteil hatte sich ein gutes Stück unter dem rechten Schlüsselbein in seine Brust gebohrt. Er beachtete es jedoch kaum, zog es bloß mit einer ruckartigen Bewegung heraus und warf es von sich.

Lee hatte es jedoch sehr viel schlimmer erwischt. Aussichtslos schlimm, dafür musste Reese nicht einmal genau hinsehen. Das Auto hatten ihn regelrecht unter sich begraben und seinen Körper zertrümmert.

Und obwohl die Schlacht noch nicht vorbei und der Feind nahe war, wollte Reese seinen Kameraden in dessen letzen Augenblicken nicht verlassen. Er hatte nicht viel Zeit, denn um sie herum herrschte noch immer heftiges Feuergefecht. Auf allen Vieren krabbelte er zu Lee hinüber und beugte sich über den sterbenden Soldaten.

»Wo werden wir absteigen, wenn das Karussell aufgehört hat sich zu drehen?«, wisperte Lee.

»Was?« In Reeses Blick lag völlige Verwirrung. Blinzelnd versuchte er zu verstehen, was sein Begleiter damit sagen wollte.

»Das Alles...das endet doch nirgends.«, flüsterte Lee unter Schmerzen. Das Sprechen fiel ihm schwer.

Reese überlegte einen längeren Moment bevor er etwas sagte. »Wir haben's fast geschafft, Lee. Die Maschinen sind beinahe besiegt. Es sind zwar nicht mehr viele von uns übrig, aber wenn uns dieser letzte Schlag gelingt, können wir den Krieg beenden. Für immer. Die Zukunft ist nicht vorherbestimmt. Wir selbst sind unseres Schicksals Schmied. John Connor hat das mal zu mir gesagt. Das ist, wofür wir kämpfen und das ist auch das Ende der Karussellfahrt.«

Lee schien ihm jedoch kaum noch zuzuhören. »Ich möchte sie noch einmal sehen. Bitte Reese. Lass mich sie noch einmal ansehen.«, murmelte er, doch seine Augen trübten sich bereits mit Dunkelheit. Lee tat seinen letzten Atemzug, während Reese nach dem Bild in seiner Brusttasche tastete.

Es war fort.  

Für einen kurzen Augenblick ließ Reese die plötzlich aufkommende Panik zu. Hastig durchsuchte er alle Taschen an seiner Kleidung, blickte sich hektisch um, fluchte und schlug mit der geballten Faust gegen das umgekippte Auto. Verzweifelt presste er beide Hände gegen den Kopf. Es dauerte einige Sekunden, bevor es ihm gelang seine Fassung zurück zu gewinnen.

Das Foto musste irgendwo mitten auf dem Schlachtfeld verloren gegangen sein. Mit einem tiefen Seufzen versuchte Reese sich der Aussichtslosigkeit zu entledigen, es jemals wieder zu erlangen.

Er musste es einfach finden. Er hatte versprochen darauf zu achten. Außerdem spendete es ihm Hoffnung, wenn er selbst keine mehr hatte.

Reese schloss für einen Moment die Lider und dachte an sie. Die Frau in die er sich verliebt hatte, obwohl er nur dieses Foto von ihr kannte.
Sarah. Sah sie vor seinem inneren Auge. Traurig, doch mit Hoffnung im Herzen.

Wenn sie zerbräche, wäre es wie Regen, der auf die Erde fällt und sich anfühlt, wie Wolkensplitter auf meiner Haut.
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