Feels Like Hope
von Mind the Gap
Kurzbeschreibung
!! Mad Max - Fury Road !! OneShot !! Nux ist ein War Boy. Bereit sich für Immortan Joe in den Tod zu stürzen, wenn es doch verspricht, dass sich die Tore von Valhalla für ihn öffnen. Doch seit er Capable und Furiosa begegnet ist, haben sich einige Dinge geändert. Und eines davon fühlt sich an wie Hoffnung. !! Nux/Capable !!
GeschichteSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P12 / Gen
01.07.2015
01.07.2015
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3.118
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01.07.2015
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Hier ein OneShot zu einem Film, der mich wirklich begeistert hat.
Und dazu noch in einem für mich sehr ungewöhnlichen Genre. Ich kann nicht sagen, ob es mir gelungen ist.
Nun denn, den Versuch war es wert...
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Fahl leuchtete der Mond auf die unendlichen Weiten von Sand und Salz hinab, breitete sich aus wie eine Decke, die man über einen schlafenden Körper geworfen hatte. Beinahe friedlich lag die Landschaft da, als wäre sie nicht die tödliche Falle, die schon so vielen zum Verhängnis geworden war. Eine leichte Brise hob einige Sandkörner in die Luft, die mit leisem Prasseln gegen die Karosserie des Fahrzeugs geweht wurden.
Nux mochte dieses Geräusch, es barg so viele Erinnerungen für ihn, dass er nicht einmal sagen konnte, wann er es zum ersten Mal gehört hatte. Sand hatte es immer und überall in seinem Leben gegeben, Sand auf seiner Haut, Sand in seinen Zähnen, in seinen Klamotten, Sand in seiner Seele. So viele Tage, dass er sie nicht zählen konnte, und eigentlich hatte er diesen Versuch auch noch nie unternommen. Er war War Boy und seine Bestimmung lag im Tod. An dieser Einstellung hatte sich auch nach dem Zusammentreffen mit Furiosa nichts geändert.
Nux lang in einem alten, schon längst verlassenem Fahrzeug, den Blick hoch zum Firmament gerichtet. Es war merklich abgekühlt, sein Atem kondensierte in weißen Wölkchen vor seinen Lippen, aber das störte ihn nicht. Die Luft, die wie Nadeln in seine Haut stach, linderte das Fieber, sollte es wieder unerbittlich in seinem Körper wüten. Jedoch hielt es sich bisher angenehm zurück und auch Larry und Barry waren erstaunlich friedlich. Er würde sogar so weit gehen, zu behaupten, ihm ginge es heute gut und das hatte er nicht oft sagen können.
Das Geräusch von Schritten ließ ihn aufhorchen. Es waren leichte Schritte, nicht zu vergleichen mit dem plumpen Trampeln der War Boys, von denen er bisher umgeben gewesen war.
Jemand kletterte an der knarrenden Karosserie nach oben und kurz darauf tauchte eine Silhouette in seinem Sichtfeld auf, die sich dunkel gegen den Himmel abhob. Funkelnde Augen, welche von blau-grüner Farbe waren, wie Nux wusste, obgleich er die sie jetzt nicht erkennen konnte, richteten sich auf ihn. Einen Augenblick lang sahen sie sich an, bevor Capable leise die Stimme erhob.
„Kannst du auch nicht schlafen?“
Beim Klang ihrer Stimme lief Nux ein wohliger Schauer das Rückgrat hinab, ihm wurde seltsam schwindelig. Es erforderte einige Konzentration, eine brauchbare Antwort zu geben. „Ich habe es ehrlich gesagt noch nicht wirklich versucht.“
Sie lächelte, als hätte sie mit so einer Antwort bereits gerechnet. „Hast du was dagegen, wenn ich dir ein bisschen Gesellschaft leiste?“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schwang sie sich in die Karosserie und kroch näher zu ihm, füllte sein Sichtfeld nun nahezu vollständig aus.
Nux konnte sich keinen schöneren Anblick vorstellen.
Ihre Haut war glatt und von gesunder Farbe, ihre Lippen nicht zu voll und leicht geschwungen. Die Brille, die nun lose um ihren Hals hing, hatte zwei ovale Abdrücke auf ihrer Stirn hinterlassen, zwei saubere Flecken in ihrem staubigen Gesicht. Er kam nicht umhin zu bewundern, wie anmutig und elegant jede einzelne ihrer Bewegungen war. Für ihn war sie etwas Göttliches, zu rein und zu vollkommen, um hier bei ihm zu sein. Und doch war sie es und das rief bei ihm ein seltsam unbekanntes, wenn auch nicht unangenehmes Gefühl hervor.
Nux‘ Hand, die ein Eigenleben entwickelt zu haben schien, hob sich und berührte ihr Antlitz, als suche er nach einer Bestätigung, dass sie tatsächlich real und nicht nur ein Produkt seiner Fantasie war.
Ihre schlanken Finger umschlossen die seinen und fingen seine Hand ab. Mit einem Lächeln auf den Lippen schmiegte sie sich an seine Seite, legte den Kopf auf seine Brust und zog seine Hand, die sie noch immer festhielt, um ihre Schultern. „Es ist kalt hier draußen.“, meinte sie.
Nux war es gerade so gar nicht kühl. In seinem Inneren explodierte ein wahres Feuerwerk von Hitze und aufwühlenden Gefühlen. Wie konnte das sein, wieso war sie zu so etwas fähig? Er hatte es immer für die höchste aller Empfindungen gehalten, Aufträge für Immortan Joe auszuführen und hatte geglaubt, es sei der Höhepunkt seines Lebens, als der Anführer ihm persönlich versprochen hatte, ihn nach Valhalla zu schicken. Und nun musste er feststellen, dass er sich geirrt hatte.
Capable war in seiner dunkelsten Stunde zu ihm gekommen, einem Engel gleich, und hatte ihm etwas eingeflößt, was er für sich schon längst aufgegeben hatte. Es war Hoffnung, was sie ihm gespendet hatte und dabei hatte sie davon selbst kaum genug. Man konnte wohl behaupten, dass sie ihm das Leben gerettet hatte, eine Schuld, die er wohl nie vergelten konnte. Aber ein Anfang war gemacht, indem er sich entschieden hatte, ihr zu folgen, anstatt sich Immortan Joes Urteil zu unterwerfen.
Ohne sich der Tragweite dieser Entscheidung tatsächlich bereits bewusst zu sein, hatte er seinen unnahbaren Gott gegen eine reale, eine wahrhaft wundervolle Göttin getauscht. Seine Göttin, die nun neben ihm lag, dicht neben seinem Herzen, seine Göttin, der er folgen und für die er sterben würde, sollte es nötig sein. Erstaunlich, dass er all die Zeit in der Zitadelle so nah bei ihr gewesen war, ohne ihre Schönheit zu erkennen.
Capables Finger, die die Narben auf seiner Brust und dem Bauch nachfuhren, rissen ihn aus seinen Gedanken. Die Haut kribbelte unter der Berührung ihrer Fingerkuppen.
„Stellen sie etwas Bestimmtes dar?“, fragte sie dann. „Sie wirken so präzise…“ Ihr fiel offenbar kein passendes Verb ein, weshalb sie den Satz einfach offen ließ.
Nux schielte nach unten, beobachtete ihre forschenden Hände. „Das ist ein Bauplan.“, entgegnete er dann.
Capable hob den Kopf, sah ihn mit zweifelndem Blick an. „Ein Bauplan?“
Nux nickte. Er verstand nicht, was daran seltsam war, jeder der älteren War Boys hatte solche speziellen Markenzeichen an seinem Körper.
„Der Bauplan eines Motors.“, erklärte er unter dem fragenden Blick der jungen Frau.
Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn, dann formten sich ihre makellosen Lippen zu einem Lächeln und ein leises belustigtes Lachen drang aus ihrer Kehle. „Du bist schon ein seltsamer Kerl, Nux. Aber auf eine äußerst angenehme Art und Weise.“ Ihre Blicke trafen sich noch einmal, dann legte sie den Kopf wieder auf seine Brust.
Der Duft ihrer Haare stieg ihm betörend in die Nase, fremd und vertraut zugleich. Er kannte nicht viele Frauen, ein Umstand, den das Leben als War Boy mit sich brachte, aber etwas in ihm regte sich, etwas Vertrautes, was tief in ihm verborgen gelegen hatte und nun hervor geholt wurde, wie eine längst verloren geglaubte Stadt, die der Wind wieder sanft vom Sand befreite. Dieser Duft erinnerte ihn an Sicherheit, an Geborgenheit, an… Liebe. Die sanfte, liebkosende Hand seiner Mutter. Er konnte sich an ihr Gesicht nicht mehr erinnern, zu lange war es her, seit sie aus dem Leben geschieden war, aber das Gefühl war nicht verschwunden, nur im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten und Capable brachte diese Empfindungen in ihm wieder hervor. Er wusste gar nicht, dass er sie vermisst hatte.
Liebe und Zärtlichkeit spielten im Leben eines War Boy keine Rolle, schon früh wurde ihnen beigebracht, die Maschinen und nicht den Menschen zu verehren. Stahl, Bolzen, Benzin und Dampf, anstatt Haut, Haar, Blut und Atem. Die unaufhaltsame Kontinuität der Arbeit einer Maschine war für ein Halbleben wie sie eine willkommene und erstrebenswerte Abwechslung zur Gebrechlichkeit ihrer von Krankheit zerfressenen Körper, die sie eher früher als später im Stich lassen würden.
Behutsam, beinahe schon ehrfürchtig, berührte er ihr rotes Haar, in feinen Strähnen fiel es über seine sonst nur grobe Arbeit gewöhnten Finger. Wie weich und seidig es war, trotz der Anstrengungen der letzten Tage. Fasziniert beobachtete er, wie sich einzelne Locken vorwitzig um seine Finger schlangen, bis ihm einfiel, dass er sie gar nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Rasch zog er seine Hand zurück.
„Warum hörst du auf?“, fragte sie, in Erwartung seiner Finger, die zu ihrem Haar zurückkehrten. „Das hat schon sehr lange niemand mehr gemacht.“, sagte sie und schloss die Lider, die ihr plötzlich schwer wie Blei erschienen.
Nux war seltsam gerührt, dass er keinen Fehler begangen hatte, dass sie ihm gestattete, sie zu berühren. Es wunderte ihn nicht, dass Immortan Joe sie als Breeder auserwählt hatte. Beim Gedanken daran überkam ihn ein bisher fremder Unwillen seinem Herrscher gegenüber, für den er ohne mit der Wimper zu zucken gestorben wäre, versprach das doch den sicheren Eintritt nach Valhalla. Aber Capable wollte er nicht teilen, nicht mit den anderen War Boys und auch nicht mit Immortan Joe, nein, sie sollte ganz allein seine Göttin sein. Nur sie für ihn und nur er für sie.
Welch seltsame Gedanken und Wünsche die nächtliche Nähe zu ihr gebar, Gedanken, die bis vor kurzem weder erlaubt noch nötig gewesen waren. Aber jetzt gab es plötzlich mehr als Maschinen, Tod und Valhalla, so viel mehr zu tun und zu erleben, obwohl sich sein Leben nach wie vor dem Ende zuneigte. Eine makabre Ironie, die so oft eine grundlegende Eigenschaft des Schicksals war. Nahm man nur einmal Larry und Barry, die mit jeder Stunde, die sie ihn quälten und den Verfall seines Körpers bejubelten, auch gleichzeitig ihr eigenes Ende zelebrierten, was die beiden aber nicht zu kümmern schien.
Eine Gestalt durchkreuzte sein Blickfeld und seine Gedanken, sie schritt über die mondbeschiene Ebene und blieb schließlich zwischen zwei Felsbrocken stehen, starrte in die Richtung, aus der sie heute gekommen waren.
An seiner Statur und der Art, wie er sich bewegte, erkannte Nux zweifelsfrei, dass es sich bei der Gestalt um seinen Blutbeutel handelte. Da er seinen wahren Namen noch immer nicht verraten hatte, behielt der War Boy diesen Namen bei, zumindest solange, bis er einen anderen wusste.
Blutbeutel war in vielerlei Hinsicht ein komischer Mann. Er sprach nur selten und selbst seine Antworten auf Fragen, waren häufig kaum mehr al sein Murren oder Knurren. Obwohl man nicht viel über ihn wusste, so wurde Nux doch das Gefühl nicht los, dass hinter der stoischen Fassade etwas lag, was ihn verfolgte, was ihn trieb. Etwas, dass ihn nicht zur Ruhe kommen ließ, weil er sich die Schuld dafür gab, weil er sein eigener Werwolf geworden war. Dieser tief verborgene Schmerz in ihm, den er mit niemandem teilen konnte – oder nicht teilen wollte – war jedoch wahrscheinlich auch der Grund, warum Furiosa Gefallen an ihm gefunden hatte. Sie teilten etwas durch den Schmerz, den sie jeweils erfahren hatten. Konnten eine Verbindung schaffen, die andere nicht erreichten. Sie verstanden sich auf einer tieferen Ebene, Narben als Medium, die so tief in ihre Seelen und Zellen gegraben waren, dass sie sie selbst nicht mehr sehen konnten, nur noch in anderen erkennen.
„Er will nicht mehr mitkommen.“, flüsterte Capable in diesem Moment, als habe sie seine Gedanken gelesen.
„Wer? Wieso?“ Nux brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, wovon sie sprach, dass sie seinen Blick bemerkt hatte.
Die junge Frau deutete mit einer laschen Handbewegung auf seinen Blutbeutel. „Er. Unser namenloser Freund. Wieso weiß ich nicht. Ich glaube, er hat irgendetwas von Einzelgänger und besser allein leben geredet.“ Sie seufzte. „Furiosa hat natürlich nichts dazu gesagt, aber ich glaube, sie war ganz schön enttäuscht.“
Darauf wusste Nux nichts zu erwidern, nie hatte er sich bisher Gedanken um die Befindlichkeit anderer gemacht. „Wohin fahren wir morgen?“, fragte er stattdessen.
„Furiosa will versuchen, mit den Motorrädern die Salzwüste zu durchqueren, um dort nach einem neuen Zuhause für uns zu suchen.“
Ein Zuhause. Welch seltsames Wort in den Ohren des War Boy. Hatte er ein Zuhause? War die Zitadelle sein Zuhause gewesen? Wenn es ein besonderes Ziel dazu gab, dann nicht. Er weinte diesem Ort keine Träne nach, auch nicht jetzt, da er darüber nachdachte. Nein, sein Zuhause war keine Lokalisation, sein Zuhause war nun Capable. Denn wenn es einen Ort gab, an dem er sein wollte, dann dort, wo sie auch war.
Ihre Finger verschränkten sich mit den seinen, als sie weitersprach. „Dabei kann ich nicht einmal auf einem Motorrad fahren, ich habe sowas noch nie zuvor gemacht.“
„Ich kann fahren.“, bot Nux an. „Und du kannst dich zu mir setzen.“
„Das ist lieb von dir. Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.“
Bei diesen Worten bahnte sich ein wohliges Kribbeln seinen Weg über Nux‘ Rückgrat, über Arme, Beine und Wangen als würde jemand behutsam Sand über seine Haut rieseln lassen. Sie wollte ihn bei sich haben, wollte lieber mit ihm fahren als mit einer der anderen Frauen. So wie sie auch jetzt seine Gesellschaft der der anderen Breeder vorzog. Er genoss ihre Zweisamkeit und das sagte er ihr auch.
„Ja“, bemerkte sie, „Seit Splendid nicht mehr da ist, hat sich irgendwas verändert. Es ist einfach nicht mehr dasselbe.“
Das feine Rieseln des Sandes wurde plötzlich zu einer glühenden Klinge, die sich in das Fleisch seiner Brust bohrte. Unerbittlich nagte nun wieder die Schuld an ihm, er fühlte sich verantwortlich für den Tod der jungen, schwangeren Frau, obgleich er es nicht hätte verhindern können. Er bereute es, dieses Thema angesprochen zu haben, er wollte Capable nicht unglücklich sehen und schon gar nicht unglücklich machen.
Stumm drückte er ihre Hand, die noch immer in der seinen lag.
Sie erwiderte die Zärtlichkeit, bevor sie das Wort wieder an ihn wandte. „Glaubst du, dass Hoffnung ein Fehler ist?“
Auch Hoffnung war etwas, dass in Nux‘ Leben bisher keine Rolle gespielt hatte. Doch er mochte es, sich darüber Gedanken zu machen, eine ungewohnte, aber keine unschöne Tätigkeit.
„Ich weiß nicht.“, entgegnete er. „Es kommt bestimmt darauf an, auf was man hofft.“
„Ich habe immer auf ein bisschen Ruhe gehofft. Auf ein Leben ohne Angst und ohne Schmerz oder Zwang. Einfach nur in Ruhe und Frieden irgendwo leben, wo es schön ist. Ist solche Hoffnung ein Fehler?“
„Nein, ich denke nicht. Du hättest es verdient.“
„Wer hätte das nicht? Ich meine, was unterscheidet mich von den anderen? Von Furiosa?“ Sie drehte sich ein bisschen, sodass sie ihm ins Gesicht schauen konnte. „Und selbst wenn Hoffnung ein Fehler ist, was will man dagegen tun? Man sagt immer, die Hoffnung stirbt zuletzt, aber das stimmt nicht. Sie stirbt nie. Glaube mir, ich habe es lange genug versucht.“
Noch immer streichelte Nux ihr Haar, sah in ihr wunderschönes Gesicht, die Augen strahlten heller als die Sterne am Firmament. „Vielleicht darf man auch nicht zu viel erwarten von der Hoffnung. Sie kann zwar beflügeln und Mut geben, aber sie kann auch enttäuschen, wenn sie nicht eintritt.“
„Hast du keine Hoffnungen gehabt? Niemals?“
Jetzt verzog ein feines Lächeln seine vom Chrom verunstalteten Lippen. „Außer nach Valhalla zu gelangen?“
Ein leises glockenhelles Lachen drang aus ihrer Kehle, ein Geräusch, bei dem er wusste, dass alle Anstrengungen, die es gebraucht hatte, um hierher zu gelangen, es definitiv wert gewesen waren. Es war nötig gewesen, sich von Immortan Joe loszusagen, es war nötig gewesen, die vielen Nächte des Fiebers durchzustehen und Larry und Barry an sich nagen zu spüren, nur um schließlich hier zu landen. Aber es hatte sich gelohnt für einen Moment der… Liebe.
Die Erkenntnis traf ihn plötzlich und mit voller Wucht, wie ein Hammer, der einen Nagel in die Wand trieb. Sie war bereits die ganze Zeit dagewesen, er hatte sie nur nicht entlarvt und in Worte fassen können. Er hatte sich in Capable verliebt. In dem Augenblick als sie ihn gefunden hatte, auf dem fahrenden Truck kurz nach Splendids Tod. Als sie mit ihm gesprochen hatte, ihm vertraut hatte, obwohl er ein War Boy war und noch dazu der, welcher um ein Haar ihre Flucht vereitelt hatte. Sie hatte sein Gesicht berührt und das musste der Moment gewesen sein, in welchem er ihr verfallen war. Was geschehen wäre, wenn jemand anderes ihn gefunden hätte, wusste er nicht und er wollte es sich auch nicht ausmalen. Jetzt, da es ihm klar geworden war, lag es plötzlich so deutlich auf der Hand, dass es ihm keinerlei Probleme bereitete, ihre nächste Frage zu beantworten.
„Und jetzt? Hast du jetzt Hoffnung?“
„Ja“, erwiderte Nux, „Habe ich. Ich hoffe, dass wir zusammenbleiben, egal, wo wir auch hingehen. Ganz egal, wann, wo oder mit wem, ich werde dir folgen und…“
Ihr Finger, der sich auf ihre Lippen legte, unterbrach seine inbrünstige Rede, welche er in der Überwältigung der eigenen Gefühle mit feierlichem Unterton anschlagen hatte.
„Schhhht“, machte sie und erhob sich andeutungsweise, sodass Nux schon befürchtete, sie wolle gehen. Doch sie blieb, nahm lediglich den Finger von seinen Lippen, hinterließ dort das Gefühl unendlich weicher Haut.
„Capable“, setzte Nux wieder an, diesmal etwas gebremst in seinem Eifer. „Ich… ich will nicht wieder allein sein. Ich will bei dir sein und…“
„Du musst auch nicht mehr allein sein.“, wisperte sie. „Und jetzt sei still.“
„Aber du…“
Wieder wurden seine Worte erstickt, doch diesmal nicht von ihrem Finger. Ihre Lippen hatten sich eilig auf die seinen gelegt, schlossen perfekt mit ihnen ab.
Während sie die Augen geschlossen hatte, waren Nux‘ geradezu grotesk weit aufgerissen, so als dürfe er keine Regung ihrer Miene verpassen. Nie hatte er etwas Schöneres berührt. Obgleich die Narben auf seinen Lippen das Gefühl wohl körperlich stark reduzierte, fühlte er sich berauschend schwerelos, als ob sie ihm durch ihren Kuss jeglichen Gewichts und Ballasts beraubt hatte. Nach und nach begann er zu verstehen, dass sie nicht gehen würde, nicht jetzt und auch morgen nicht, weil sie seine Gefühle teilte.
Behutsam erwiderte er den Druck ihrer Lippen mit den seinen, die Hände wanderten hinauf zu ihren Wangen und umschlossen ihr hübsches Gesicht.
Sie spürte seine Übereinstimmung und lächelte leicht in den Kuss hinein. Auf eine Art war er so unschuldig wie ein Kind, nie war ihm etwas anderes als Maschinen und Valhalla erlaubt gewesen.
Nux wusste nicht, wie lange sie so verharrten und sich ihren Gefühlen füreinander hingaben, wahrscheinlich waren es nur wenige Momente, doch für Nux war es eine kleine Ewigkeit.
Schließlich jedoch war es Capable, die die Verbindung löste und sich wieder an ihn schmiegte, den Kopf auf seiner Brust ausruhte.
Nux zog sie an sich, küsste sie auf die Stirn, bevor er den Blick wieder zum Himmel richtete. Gerade in diesem Augenblick flog über ihren Köpfen ein Satellit dahin, einen Schweif aus glühend heißem Licht hinter sich herziehend. Ob es dort draußen noch andere Menschen gab? Irgendwo? Nux wusste es nicht, aber er würde es gern eines Tages herausfinden.
Und während er er so dalag, die schlafende Capable im Arm, die Sterne und Satelliten über sich, das Geräusch des vom Wind getriebenen Sandes, da fühlte er erneut etwas zuvor weitgehend Unbekanntes, doch diesmal wusste er sofort, was es war.
Es fühlte sich an wie Hoffnung.
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Es fällt sicherlich kaum auf, aber ich mag Nux wirklich. :D
Oder um es besser zu sagen, er tut/tat mir irgendwie unendlich leid.
Aber fühlt Euch frei, mir zu Eure Meinung zu meinem Versuch von Romantik zu sagen, wie sie auch immer aussehen mag.
Und dazu noch in einem für mich sehr ungewöhnlichen Genre. Ich kann nicht sagen, ob es mir gelungen ist.
Nun denn, den Versuch war es wert...
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Fahl leuchtete der Mond auf die unendlichen Weiten von Sand und Salz hinab, breitete sich aus wie eine Decke, die man über einen schlafenden Körper geworfen hatte. Beinahe friedlich lag die Landschaft da, als wäre sie nicht die tödliche Falle, die schon so vielen zum Verhängnis geworden war. Eine leichte Brise hob einige Sandkörner in die Luft, die mit leisem Prasseln gegen die Karosserie des Fahrzeugs geweht wurden.
Nux mochte dieses Geräusch, es barg so viele Erinnerungen für ihn, dass er nicht einmal sagen konnte, wann er es zum ersten Mal gehört hatte. Sand hatte es immer und überall in seinem Leben gegeben, Sand auf seiner Haut, Sand in seinen Zähnen, in seinen Klamotten, Sand in seiner Seele. So viele Tage, dass er sie nicht zählen konnte, und eigentlich hatte er diesen Versuch auch noch nie unternommen. Er war War Boy und seine Bestimmung lag im Tod. An dieser Einstellung hatte sich auch nach dem Zusammentreffen mit Furiosa nichts geändert.
Nux lang in einem alten, schon längst verlassenem Fahrzeug, den Blick hoch zum Firmament gerichtet. Es war merklich abgekühlt, sein Atem kondensierte in weißen Wölkchen vor seinen Lippen, aber das störte ihn nicht. Die Luft, die wie Nadeln in seine Haut stach, linderte das Fieber, sollte es wieder unerbittlich in seinem Körper wüten. Jedoch hielt es sich bisher angenehm zurück und auch Larry und Barry waren erstaunlich friedlich. Er würde sogar so weit gehen, zu behaupten, ihm ginge es heute gut und das hatte er nicht oft sagen können.
Das Geräusch von Schritten ließ ihn aufhorchen. Es waren leichte Schritte, nicht zu vergleichen mit dem plumpen Trampeln der War Boys, von denen er bisher umgeben gewesen war.
Jemand kletterte an der knarrenden Karosserie nach oben und kurz darauf tauchte eine Silhouette in seinem Sichtfeld auf, die sich dunkel gegen den Himmel abhob. Funkelnde Augen, welche von blau-grüner Farbe waren, wie Nux wusste, obgleich er die sie jetzt nicht erkennen konnte, richteten sich auf ihn. Einen Augenblick lang sahen sie sich an, bevor Capable leise die Stimme erhob.
„Kannst du auch nicht schlafen?“
Beim Klang ihrer Stimme lief Nux ein wohliger Schauer das Rückgrat hinab, ihm wurde seltsam schwindelig. Es erforderte einige Konzentration, eine brauchbare Antwort zu geben. „Ich habe es ehrlich gesagt noch nicht wirklich versucht.“
Sie lächelte, als hätte sie mit so einer Antwort bereits gerechnet. „Hast du was dagegen, wenn ich dir ein bisschen Gesellschaft leiste?“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schwang sie sich in die Karosserie und kroch näher zu ihm, füllte sein Sichtfeld nun nahezu vollständig aus.
Nux konnte sich keinen schöneren Anblick vorstellen.
Ihre Haut war glatt und von gesunder Farbe, ihre Lippen nicht zu voll und leicht geschwungen. Die Brille, die nun lose um ihren Hals hing, hatte zwei ovale Abdrücke auf ihrer Stirn hinterlassen, zwei saubere Flecken in ihrem staubigen Gesicht. Er kam nicht umhin zu bewundern, wie anmutig und elegant jede einzelne ihrer Bewegungen war. Für ihn war sie etwas Göttliches, zu rein und zu vollkommen, um hier bei ihm zu sein. Und doch war sie es und das rief bei ihm ein seltsam unbekanntes, wenn auch nicht unangenehmes Gefühl hervor.
Nux‘ Hand, die ein Eigenleben entwickelt zu haben schien, hob sich und berührte ihr Antlitz, als suche er nach einer Bestätigung, dass sie tatsächlich real und nicht nur ein Produkt seiner Fantasie war.
Ihre schlanken Finger umschlossen die seinen und fingen seine Hand ab. Mit einem Lächeln auf den Lippen schmiegte sie sich an seine Seite, legte den Kopf auf seine Brust und zog seine Hand, die sie noch immer festhielt, um ihre Schultern. „Es ist kalt hier draußen.“, meinte sie.
Nux war es gerade so gar nicht kühl. In seinem Inneren explodierte ein wahres Feuerwerk von Hitze und aufwühlenden Gefühlen. Wie konnte das sein, wieso war sie zu so etwas fähig? Er hatte es immer für die höchste aller Empfindungen gehalten, Aufträge für Immortan Joe auszuführen und hatte geglaubt, es sei der Höhepunkt seines Lebens, als der Anführer ihm persönlich versprochen hatte, ihn nach Valhalla zu schicken. Und nun musste er feststellen, dass er sich geirrt hatte.
Capable war in seiner dunkelsten Stunde zu ihm gekommen, einem Engel gleich, und hatte ihm etwas eingeflößt, was er für sich schon längst aufgegeben hatte. Es war Hoffnung, was sie ihm gespendet hatte und dabei hatte sie davon selbst kaum genug. Man konnte wohl behaupten, dass sie ihm das Leben gerettet hatte, eine Schuld, die er wohl nie vergelten konnte. Aber ein Anfang war gemacht, indem er sich entschieden hatte, ihr zu folgen, anstatt sich Immortan Joes Urteil zu unterwerfen.
Ohne sich der Tragweite dieser Entscheidung tatsächlich bereits bewusst zu sein, hatte er seinen unnahbaren Gott gegen eine reale, eine wahrhaft wundervolle Göttin getauscht. Seine Göttin, die nun neben ihm lag, dicht neben seinem Herzen, seine Göttin, der er folgen und für die er sterben würde, sollte es nötig sein. Erstaunlich, dass er all die Zeit in der Zitadelle so nah bei ihr gewesen war, ohne ihre Schönheit zu erkennen.
Capables Finger, die die Narben auf seiner Brust und dem Bauch nachfuhren, rissen ihn aus seinen Gedanken. Die Haut kribbelte unter der Berührung ihrer Fingerkuppen.
„Stellen sie etwas Bestimmtes dar?“, fragte sie dann. „Sie wirken so präzise…“ Ihr fiel offenbar kein passendes Verb ein, weshalb sie den Satz einfach offen ließ.
Nux schielte nach unten, beobachtete ihre forschenden Hände. „Das ist ein Bauplan.“, entgegnete er dann.
Capable hob den Kopf, sah ihn mit zweifelndem Blick an. „Ein Bauplan?“
Nux nickte. Er verstand nicht, was daran seltsam war, jeder der älteren War Boys hatte solche speziellen Markenzeichen an seinem Körper.
„Der Bauplan eines Motors.“, erklärte er unter dem fragenden Blick der jungen Frau.
Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn, dann formten sich ihre makellosen Lippen zu einem Lächeln und ein leises belustigtes Lachen drang aus ihrer Kehle. „Du bist schon ein seltsamer Kerl, Nux. Aber auf eine äußerst angenehme Art und Weise.“ Ihre Blicke trafen sich noch einmal, dann legte sie den Kopf wieder auf seine Brust.
Der Duft ihrer Haare stieg ihm betörend in die Nase, fremd und vertraut zugleich. Er kannte nicht viele Frauen, ein Umstand, den das Leben als War Boy mit sich brachte, aber etwas in ihm regte sich, etwas Vertrautes, was tief in ihm verborgen gelegen hatte und nun hervor geholt wurde, wie eine längst verloren geglaubte Stadt, die der Wind wieder sanft vom Sand befreite. Dieser Duft erinnerte ihn an Sicherheit, an Geborgenheit, an… Liebe. Die sanfte, liebkosende Hand seiner Mutter. Er konnte sich an ihr Gesicht nicht mehr erinnern, zu lange war es her, seit sie aus dem Leben geschieden war, aber das Gefühl war nicht verschwunden, nur im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten und Capable brachte diese Empfindungen in ihm wieder hervor. Er wusste gar nicht, dass er sie vermisst hatte.
Liebe und Zärtlichkeit spielten im Leben eines War Boy keine Rolle, schon früh wurde ihnen beigebracht, die Maschinen und nicht den Menschen zu verehren. Stahl, Bolzen, Benzin und Dampf, anstatt Haut, Haar, Blut und Atem. Die unaufhaltsame Kontinuität der Arbeit einer Maschine war für ein Halbleben wie sie eine willkommene und erstrebenswerte Abwechslung zur Gebrechlichkeit ihrer von Krankheit zerfressenen Körper, die sie eher früher als später im Stich lassen würden.
Behutsam, beinahe schon ehrfürchtig, berührte er ihr rotes Haar, in feinen Strähnen fiel es über seine sonst nur grobe Arbeit gewöhnten Finger. Wie weich und seidig es war, trotz der Anstrengungen der letzten Tage. Fasziniert beobachtete er, wie sich einzelne Locken vorwitzig um seine Finger schlangen, bis ihm einfiel, dass er sie gar nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Rasch zog er seine Hand zurück.
„Warum hörst du auf?“, fragte sie, in Erwartung seiner Finger, die zu ihrem Haar zurückkehrten. „Das hat schon sehr lange niemand mehr gemacht.“, sagte sie und schloss die Lider, die ihr plötzlich schwer wie Blei erschienen.
Nux war seltsam gerührt, dass er keinen Fehler begangen hatte, dass sie ihm gestattete, sie zu berühren. Es wunderte ihn nicht, dass Immortan Joe sie als Breeder auserwählt hatte. Beim Gedanken daran überkam ihn ein bisher fremder Unwillen seinem Herrscher gegenüber, für den er ohne mit der Wimper zu zucken gestorben wäre, versprach das doch den sicheren Eintritt nach Valhalla. Aber Capable wollte er nicht teilen, nicht mit den anderen War Boys und auch nicht mit Immortan Joe, nein, sie sollte ganz allein seine Göttin sein. Nur sie für ihn und nur er für sie.
Welch seltsame Gedanken und Wünsche die nächtliche Nähe zu ihr gebar, Gedanken, die bis vor kurzem weder erlaubt noch nötig gewesen waren. Aber jetzt gab es plötzlich mehr als Maschinen, Tod und Valhalla, so viel mehr zu tun und zu erleben, obwohl sich sein Leben nach wie vor dem Ende zuneigte. Eine makabre Ironie, die so oft eine grundlegende Eigenschaft des Schicksals war. Nahm man nur einmal Larry und Barry, die mit jeder Stunde, die sie ihn quälten und den Verfall seines Körpers bejubelten, auch gleichzeitig ihr eigenes Ende zelebrierten, was die beiden aber nicht zu kümmern schien.
Eine Gestalt durchkreuzte sein Blickfeld und seine Gedanken, sie schritt über die mondbeschiene Ebene und blieb schließlich zwischen zwei Felsbrocken stehen, starrte in die Richtung, aus der sie heute gekommen waren.
An seiner Statur und der Art, wie er sich bewegte, erkannte Nux zweifelsfrei, dass es sich bei der Gestalt um seinen Blutbeutel handelte. Da er seinen wahren Namen noch immer nicht verraten hatte, behielt der War Boy diesen Namen bei, zumindest solange, bis er einen anderen wusste.
Blutbeutel war in vielerlei Hinsicht ein komischer Mann. Er sprach nur selten und selbst seine Antworten auf Fragen, waren häufig kaum mehr al sein Murren oder Knurren. Obwohl man nicht viel über ihn wusste, so wurde Nux doch das Gefühl nicht los, dass hinter der stoischen Fassade etwas lag, was ihn verfolgte, was ihn trieb. Etwas, dass ihn nicht zur Ruhe kommen ließ, weil er sich die Schuld dafür gab, weil er sein eigener Werwolf geworden war. Dieser tief verborgene Schmerz in ihm, den er mit niemandem teilen konnte – oder nicht teilen wollte – war jedoch wahrscheinlich auch der Grund, warum Furiosa Gefallen an ihm gefunden hatte. Sie teilten etwas durch den Schmerz, den sie jeweils erfahren hatten. Konnten eine Verbindung schaffen, die andere nicht erreichten. Sie verstanden sich auf einer tieferen Ebene, Narben als Medium, die so tief in ihre Seelen und Zellen gegraben waren, dass sie sie selbst nicht mehr sehen konnten, nur noch in anderen erkennen.
„Er will nicht mehr mitkommen.“, flüsterte Capable in diesem Moment, als habe sie seine Gedanken gelesen.
„Wer? Wieso?“ Nux brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, wovon sie sprach, dass sie seinen Blick bemerkt hatte.
Die junge Frau deutete mit einer laschen Handbewegung auf seinen Blutbeutel. „Er. Unser namenloser Freund. Wieso weiß ich nicht. Ich glaube, er hat irgendetwas von Einzelgänger und besser allein leben geredet.“ Sie seufzte. „Furiosa hat natürlich nichts dazu gesagt, aber ich glaube, sie war ganz schön enttäuscht.“
Darauf wusste Nux nichts zu erwidern, nie hatte er sich bisher Gedanken um die Befindlichkeit anderer gemacht. „Wohin fahren wir morgen?“, fragte er stattdessen.
„Furiosa will versuchen, mit den Motorrädern die Salzwüste zu durchqueren, um dort nach einem neuen Zuhause für uns zu suchen.“
Ein Zuhause. Welch seltsames Wort in den Ohren des War Boy. Hatte er ein Zuhause? War die Zitadelle sein Zuhause gewesen? Wenn es ein besonderes Ziel dazu gab, dann nicht. Er weinte diesem Ort keine Träne nach, auch nicht jetzt, da er darüber nachdachte. Nein, sein Zuhause war keine Lokalisation, sein Zuhause war nun Capable. Denn wenn es einen Ort gab, an dem er sein wollte, dann dort, wo sie auch war.
Ihre Finger verschränkten sich mit den seinen, als sie weitersprach. „Dabei kann ich nicht einmal auf einem Motorrad fahren, ich habe sowas noch nie zuvor gemacht.“
„Ich kann fahren.“, bot Nux an. „Und du kannst dich zu mir setzen.“
„Das ist lieb von dir. Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.“
Bei diesen Worten bahnte sich ein wohliges Kribbeln seinen Weg über Nux‘ Rückgrat, über Arme, Beine und Wangen als würde jemand behutsam Sand über seine Haut rieseln lassen. Sie wollte ihn bei sich haben, wollte lieber mit ihm fahren als mit einer der anderen Frauen. So wie sie auch jetzt seine Gesellschaft der der anderen Breeder vorzog. Er genoss ihre Zweisamkeit und das sagte er ihr auch.
„Ja“, bemerkte sie, „Seit Splendid nicht mehr da ist, hat sich irgendwas verändert. Es ist einfach nicht mehr dasselbe.“
Das feine Rieseln des Sandes wurde plötzlich zu einer glühenden Klinge, die sich in das Fleisch seiner Brust bohrte. Unerbittlich nagte nun wieder die Schuld an ihm, er fühlte sich verantwortlich für den Tod der jungen, schwangeren Frau, obgleich er es nicht hätte verhindern können. Er bereute es, dieses Thema angesprochen zu haben, er wollte Capable nicht unglücklich sehen und schon gar nicht unglücklich machen.
Stumm drückte er ihre Hand, die noch immer in der seinen lag.
Sie erwiderte die Zärtlichkeit, bevor sie das Wort wieder an ihn wandte. „Glaubst du, dass Hoffnung ein Fehler ist?“
Auch Hoffnung war etwas, dass in Nux‘ Leben bisher keine Rolle gespielt hatte. Doch er mochte es, sich darüber Gedanken zu machen, eine ungewohnte, aber keine unschöne Tätigkeit.
„Ich weiß nicht.“, entgegnete er. „Es kommt bestimmt darauf an, auf was man hofft.“
„Ich habe immer auf ein bisschen Ruhe gehofft. Auf ein Leben ohne Angst und ohne Schmerz oder Zwang. Einfach nur in Ruhe und Frieden irgendwo leben, wo es schön ist. Ist solche Hoffnung ein Fehler?“
„Nein, ich denke nicht. Du hättest es verdient.“
„Wer hätte das nicht? Ich meine, was unterscheidet mich von den anderen? Von Furiosa?“ Sie drehte sich ein bisschen, sodass sie ihm ins Gesicht schauen konnte. „Und selbst wenn Hoffnung ein Fehler ist, was will man dagegen tun? Man sagt immer, die Hoffnung stirbt zuletzt, aber das stimmt nicht. Sie stirbt nie. Glaube mir, ich habe es lange genug versucht.“
Noch immer streichelte Nux ihr Haar, sah in ihr wunderschönes Gesicht, die Augen strahlten heller als die Sterne am Firmament. „Vielleicht darf man auch nicht zu viel erwarten von der Hoffnung. Sie kann zwar beflügeln und Mut geben, aber sie kann auch enttäuschen, wenn sie nicht eintritt.“
„Hast du keine Hoffnungen gehabt? Niemals?“
Jetzt verzog ein feines Lächeln seine vom Chrom verunstalteten Lippen. „Außer nach Valhalla zu gelangen?“
Ein leises glockenhelles Lachen drang aus ihrer Kehle, ein Geräusch, bei dem er wusste, dass alle Anstrengungen, die es gebraucht hatte, um hierher zu gelangen, es definitiv wert gewesen waren. Es war nötig gewesen, sich von Immortan Joe loszusagen, es war nötig gewesen, die vielen Nächte des Fiebers durchzustehen und Larry und Barry an sich nagen zu spüren, nur um schließlich hier zu landen. Aber es hatte sich gelohnt für einen Moment der… Liebe.
Die Erkenntnis traf ihn plötzlich und mit voller Wucht, wie ein Hammer, der einen Nagel in die Wand trieb. Sie war bereits die ganze Zeit dagewesen, er hatte sie nur nicht entlarvt und in Worte fassen können. Er hatte sich in Capable verliebt. In dem Augenblick als sie ihn gefunden hatte, auf dem fahrenden Truck kurz nach Splendids Tod. Als sie mit ihm gesprochen hatte, ihm vertraut hatte, obwohl er ein War Boy war und noch dazu der, welcher um ein Haar ihre Flucht vereitelt hatte. Sie hatte sein Gesicht berührt und das musste der Moment gewesen sein, in welchem er ihr verfallen war. Was geschehen wäre, wenn jemand anderes ihn gefunden hätte, wusste er nicht und er wollte es sich auch nicht ausmalen. Jetzt, da es ihm klar geworden war, lag es plötzlich so deutlich auf der Hand, dass es ihm keinerlei Probleme bereitete, ihre nächste Frage zu beantworten.
„Und jetzt? Hast du jetzt Hoffnung?“
„Ja“, erwiderte Nux, „Habe ich. Ich hoffe, dass wir zusammenbleiben, egal, wo wir auch hingehen. Ganz egal, wann, wo oder mit wem, ich werde dir folgen und…“
Ihr Finger, der sich auf ihre Lippen legte, unterbrach seine inbrünstige Rede, welche er in der Überwältigung der eigenen Gefühle mit feierlichem Unterton anschlagen hatte.
„Schhhht“, machte sie und erhob sich andeutungsweise, sodass Nux schon befürchtete, sie wolle gehen. Doch sie blieb, nahm lediglich den Finger von seinen Lippen, hinterließ dort das Gefühl unendlich weicher Haut.
„Capable“, setzte Nux wieder an, diesmal etwas gebremst in seinem Eifer. „Ich… ich will nicht wieder allein sein. Ich will bei dir sein und…“
„Du musst auch nicht mehr allein sein.“, wisperte sie. „Und jetzt sei still.“
„Aber du…“
Wieder wurden seine Worte erstickt, doch diesmal nicht von ihrem Finger. Ihre Lippen hatten sich eilig auf die seinen gelegt, schlossen perfekt mit ihnen ab.
Während sie die Augen geschlossen hatte, waren Nux‘ geradezu grotesk weit aufgerissen, so als dürfe er keine Regung ihrer Miene verpassen. Nie hatte er etwas Schöneres berührt. Obgleich die Narben auf seinen Lippen das Gefühl wohl körperlich stark reduzierte, fühlte er sich berauschend schwerelos, als ob sie ihm durch ihren Kuss jeglichen Gewichts und Ballasts beraubt hatte. Nach und nach begann er zu verstehen, dass sie nicht gehen würde, nicht jetzt und auch morgen nicht, weil sie seine Gefühle teilte.
Behutsam erwiderte er den Druck ihrer Lippen mit den seinen, die Hände wanderten hinauf zu ihren Wangen und umschlossen ihr hübsches Gesicht.
Sie spürte seine Übereinstimmung und lächelte leicht in den Kuss hinein. Auf eine Art war er so unschuldig wie ein Kind, nie war ihm etwas anderes als Maschinen und Valhalla erlaubt gewesen.
Nux wusste nicht, wie lange sie so verharrten und sich ihren Gefühlen füreinander hingaben, wahrscheinlich waren es nur wenige Momente, doch für Nux war es eine kleine Ewigkeit.
Schließlich jedoch war es Capable, die die Verbindung löste und sich wieder an ihn schmiegte, den Kopf auf seiner Brust ausruhte.
Nux zog sie an sich, küsste sie auf die Stirn, bevor er den Blick wieder zum Himmel richtete. Gerade in diesem Augenblick flog über ihren Köpfen ein Satellit dahin, einen Schweif aus glühend heißem Licht hinter sich herziehend. Ob es dort draußen noch andere Menschen gab? Irgendwo? Nux wusste es nicht, aber er würde es gern eines Tages herausfinden.
Und während er er so dalag, die schlafende Capable im Arm, die Sterne und Satelliten über sich, das Geräusch des vom Wind getriebenen Sandes, da fühlte er erneut etwas zuvor weitgehend Unbekanntes, doch diesmal wusste er sofort, was es war.
Es fühlte sich an wie Hoffnung.
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Es fällt sicherlich kaum auf, aber ich mag Nux wirklich. :D
Oder um es besser zu sagen, er tut/tat mir irgendwie unendlich leid.
Aber fühlt Euch frei, mir zu Eure Meinung zu meinem Versuch von Romantik zu sagen, wie sie auch immer aussehen mag.