Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

RFDS - Eine längst fällige Aussprache

von COHO
Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft / P12 / Gen
Dr. Geoff Standish Kate Wellings/Standish
14.06.2015
14.06.2015
1
8.522
3
Alle Kapitel
7 Reviews
Dieses Kapitel
5 Reviews
 
 
 
14.06.2015 8.522
 
Eine längst fällige Aussprache



Kate sah in der Funkzentrale noch Licht brennen. Konnte es möglich sein, dass DJ einen Notruf erhalten und Geoff hinzu gerufen hatte?

Sie änderte ihre Richtung und ging auf geradem Wege quer über die Hauptstraße auf das Gebäude des RFDS zu. Zu Hause war beim Doktor alles dunkel gewesen und auf ihr Klopfen hin hatte niemand die Tür geöffnet. Wo anders konnte er stecken, wenn nicht zu Hause oder im Pub, als in der Zentrale?!

Kate trat durch die Tür und schon vom Eingang aus konnte sie Geoff in seinem Büro sehen. Er schlief. Den Kopf auf seine Arme gebettet, lag er vorn übergebeugt auf seinem Schreibtisch. Leise ging Kate durch den Flur bis hin zur Bürotür.

Wie friedlich er doch war, wenn er schlief. Sie schlich sich weiter ins Zimmer und setzte sich auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. Wie es wohl wäre morgens neben ihm zu erwachen. Sie liebte ihn, doch wie sollte sie ihm vertrauen, wenn er nicht mit ihr sprach, alles für sich behielt?

Die ganzen Überlegungen, die sie in den letzten Wochen angestellt hatte, hatten sie immer wieder zu nur einem Ergebnis für die Zukunft gebracht: Sie würde Coopers Crossing verlassen. Geoff verlassen… Ein trauriges Lächeln legte sich über ihr Gesicht. Dabei waren sie noch nicht einmal zusammen. Sie hatte es einfach nicht zulassen können, so sehr es ein Teil von ihr auch verlangte. Die Vernunft sprach andere Worte. Und auf diese hatte Kate sich immer verlassen können. Also warum nicht auch dieses Mal!

Kate stand auf, trat um den Schreibtisch herum, um Geoff zu wecken. Statt wie geplant ihn an der Schulter zu berühren, strich ihre Hand wie von selbst ganz sachte über sein blondes Haar. Erschrocken hielt Kate inne. Hoffentlich wachte er nicht gerade jetzt auf!

Entschlossen legte sie Geoff ihre Hand auf die Schulter: „Geoff, wach auf.“ Schlagartig kam Bewegung in den Doktor und er öffnete die Augen.

„Ist ein Notfall? Habe ich den Alarm überhört? – Kate?!“ Erstaunt sie zu sehen, versuchte Geoff seine Augen offen zu halten. Er hatte sich in den letzten Wochen angewöhnt jeden Moment mit Kate, und sei es noch die kleinste Auseinandersetzung, in sich aufzunehmen und für die Zukunft zu speichern. Wie lange würde ihr Anblick ihm noch vergönnt sein?

„Nein, alles ruhig. Aber was machst du jetzt noch hier. Wir haben doch schon vor Stunden Feierabend gemacht. Du musst dich mal ausruhen.“ Er konnte die Augen nicht offen halten. Er saß da, den Kopf an seine linke Hand gelehnt, deren Finger er langsam über seine Stirn hin und her fahren ließ, als könnte er so seinen Gehirnzellen den Schlaf austreiben.

Es tat Kate weh, ihn so fertig zu sehen.

„Wo ist DJ? Nach dem Plan hat er doch heute Bereitschaftsdienst, oder?“

Endlich konnte Geoff seine Augen geöffnet halten; langsam kehrte die Energie in seinen Körper zurück. Gähnend lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, reckte und streckte sich. Kate anblickend antwortete er: „Ich habe DJ ins Bett gesteckt. Er hat eine Magen- und Darmverstimmung. Ich habe seinen Dienst übernommen.“ Geoff konnte ein weiteres Gähnen nicht unterdrücken.

„Warum hast du nicht Bescheid gegeben. Du brauchst Ruhe. Wir sind gestern erst von der Zwei-Tages-Tour bei den MacAllisters zurückgekehrt, dann heute der Dienst im Krankenhaus und der Flug Morgen wird auch wieder zu einem Kraftakt. Wie willst du das alles überstehen?“ Kate setzte sich ihm wieder gegenüber.

„Was hätte ich denn machen sollen. Ich brauche Morgen einen ausgeschlafenen Piloten. Und eine Krankenschwester sowieso, damit ich nichts Wichtiges vergesse. Schlafen kann ich auch während des Fluges.“

„Und wie sieht es mit etwas ordentliches zu Essen aus? Du lebst doch fast nur noch von Kaffee, um dich wach zu halten.“

„Danke Frau Doktor. Ich werde versuchen mich zu bessern.“

„Ohh, hör auf damit! Du kommst seit Tagen nicht mehr ins Pub. Vic und Nancy machen sich schon Sorgen, es könnte dir bei ihnen nicht mehr schmecken.“

„Was? Nein! Sag ihnen… Nein, ich werde Morgen selber mit ihnen reden.“

„Komm mit rüber. Du brauchst etwas Vernünftiges in den Magen.“

„Ich habe Bereitschaft!“

„Dann werde ich Nancy eben bitten dir etwas zusammenzupacken.“

„Ach lass doch Kate. Mach ihr nicht noch mehr Arbeit. Mir geht es gut. Wirklich!“ Geoff sprach mit matter Stimme, war aber endlich wieder wach. „Genieße deinen Feierabend und wir sehen uns dann Morgen früh.“

„Oh nein, so schnell wirst du mich nicht los. Du betreibst Raubbau an deinem Körper seitdem Chris in Sydney ist und das weißt du auch ganz genau. In der ersten Zeit habe ich nichts gesagt, aber du hörst nicht auf! Was ist mit deinen Patienten. Ihnen sagst du immer, sie sollen es ruhiger angehen. Und du? Für dich gelten diese Anweisungen wohl nicht, was?“ Der Doktor versuchte sie zu unterbrechen. Aber Kate hatte sich in Rage geredet: „Lass mich bitte aussprechen, ich bin noch nicht fertig. Du hast gesagt, dass Chris in zwei bis drei Wochen wiederkommt und du weißt, dass sie sich dann auch noch schonen muss. Wie soll sie das machen, wenn du dann krank bist und ihr die meiste Arbeit nicht abnehmen kannst?“

„Okay, okay! Du hast gewonnen. Ich werde es in den nächsten Tagen ruhiger angehen und auch brav meine Pausen einhalten… - Ach Kate, ich habe übrigens heute einen Brief von der Zentrale in Sydney bekommen.“ Geoff kramte in einem Stapel von Briefen und zog den Gesuchten hervor.

„Und das sagst du erst jetzt. Schreiben sie etwas wegen meinem Versetzungsgesuch?“

Geoff hielt ihr einen Brief hin. Erstaunt über seine ungewohnte Offenheit nahm sie das Stück Papier entgegen und entfaltete den Brief.

„Nein, es geht nicht um deine Versetzung. Sie haben uns eine weitere Arztstelle bewilligt. Sie werden uns in den nächsten Tagen die eingegangenen Bewerbungen zuschicken und ich möchte gerne, dass du mich bei der Auswahl unterstützt. Da Chris nicht da ist, weißt du am besten, wer ins Team passt.“

„Ja, sicher, das mache ich gerne.“ Kates Stimme war ruhiger geworden. Sie überflog die Zeilen des Briefes. Bei dem letzten Absatz stutzte sie. Er passte nicht in den Zusammenhang mit dem übrigen Text. – ‚Bitte versuchen sie die Situation bezüglich der Stellenbesetzung in ihrer Station baldmöglichst zu klären. Uns wäre es lieber alles beim Alten zu belassen. Sie führen ein gutes Team.’

„Zu wann soll die neue Stelle denn besetzt werden?“

„Das steht leider nicht in dem Brief. Ich schätze aber mal, dass sie die Stelle so schnell wie möglich besetzen wollen. Also wahrscheinlich gute zwei Wochen nachdem wir unsere Auswahl getroffen haben.“

„Also mit Chris zusammen… Nun, dann werdet ihr ja in der nächsten Zeit genug zu tun haben. Ihr müsst den neuen Arzt zu recht stutzen und anlernen.“ Kate lachte Geoff schadenfroh an. Es schmerzte ihn, mit welcher Leichtigkeit Kate über ihren Fortgang sprach. – „Hast du einen bestimmten Wunsch zum Abendessen? Ich werde kurz zum Pub hinübergehen und etwas für dich besorgen, bevor Nancy die Küche für heute schließt.“

Die Schwester stand auf und war schon im Begriff den Raum zu verlassen, als Geoff ihr traurig nachsah. Kate fühlte auf einmal wieder, genauso wie an dem Abend auf der Farm bei den MacAllisters, dass Geoff irgendetwas bedrückte. Doch wie immer schwieg er.

„Kate warte bitte. Ich muss dir noch etwas sagen.“

„Ja?“ Gespannt horchte sie auf jedes Wort das er sagte.

„Du wirst mich für das was ich getan habe hassen. Aber ich konnte nicht anders… Diesmal habe ich deine schlechte Meinung von mir wirklich verdient.“

„Was?“ Halb ängstlich erklang ihre Stimme und auch in ihren Augen lag Furcht. Sie trat zurück an den Schreibtisch. „Was hast du gemacht?“

„Aus meiner Sicht gesehen, müsste dein Satz von eben heißen: Wir werden ihn einarbeiten und ihr werdet ihn dann zu einem richtigen fliegenden Arzt machen.“

Kate zog ihre Augenbrauen zusammen. Und auf einmal verstand sie, was er ihr mit diesem Satz sagen wollte.

„Kate, du wirst diese Basis nicht verlassen! Sondern ich werde statt deiner gehen!“

„Aber… aber warum? Ich verstehe dich nicht?“

Geoffs aufgesetztes Lächeln misslang. Endlich hatte er den Mut gefunden Kate die Wahrheit über ihre Zukunft zu sagen. Nun musste er dieses Gespräch auch beenden: „Du bist hier geboren und aufgewachsen. Viele deiner Freunde sind hier. Du kennst die Patienten länger als Chris. Und sogar ihre Krankengeschichten kennst du meistens besser als wir. Du kennst die Sorgen und Nöte von jedem Einzelnen und die Schwierigkeiten des Outbacks. Alle vertrauen dir…“ Geoff stand auf und trat ans Fenster. „Du würdest Coopers Crossing und seinen Einwohnern sehr fehlen. Und ich weiß: Du würdest auch starkes Heimweh haben. – Ich dagegen… ich bin und bleibe der Stadtjunge. Ich werde mich nie ändern!“

Kate hatte sich während seiner Erklärungen fassungslos wieder gesetzt. Sie saß ganz ruhig da und starrt vor sich hin.

„Ich werde jetzt das Essen besorgen… Können wir, wenn ich zurück bin, bitte in Ruhe darüber reden?“

„Ja, sicher.“

„Gut.“ Kate erhob sich und ging zur Tür.

„In der Zwischenzeit werde ich noch mal nach DJ schauen.“ Geoff nahm seine Tasche auf und ging hinter Kate aus dem Raum. Er fühlte Erleichterung in sich aufsteigen, darüber, dass Kate endlich die Wahrheit wusste.

Als sich die Eingangstür hinter Kate wieder geschlossen hatte, ging der Doktor durch den Funkraum in die kleine angebaute Wohnung hinter der Zentrale.

„DJ? Ich bin es Geoff.“ Leise sprach der Doktor die Worte in den Raum. Er wollte den Patienten nicht erschrecken, falls dieser wach war. Aber als er zu ihm ans Bett trat, schlief dieser tief und fest. Vorsichtig fühlte er seinen Puls, die Temperatur.

„Schlaf. Das hilft dir jetzt am Besten.“ Leise trat er wieder aus der Wohnung. Er stellte die Tasche zurück an ihren Platz, um sie im Notfall schnell bei der Hand zu haben.

Tief in Gedanken versunken ging der Arzt zur Hintertür, öffnete diese und hakte sie an der Hauswand fest. Vor ihm erstreckte sich ein Bild, das er tief in sein Herz einsog. Die weite Landschaft des Outbacks im Sonnenuntergang. Ja, diese Szene konnte er noch an vielen Orten erleben, aber hier fühlte er sich zu Hause. Hier war der Platz nach dem er schon seit Jahren suchte. Eine Heimat, wie sie ihm gefiel, mit den Menschen die hier lebten… Und Kate… Sie hatte so gänzlich anders reagiert als er es erwartet hatte. Er hatte mit einem Tobsuchtsanfall gerechnet, aber nicht mit diesem totalen Schweigen… Er würde alle und alles hier schrecklich vermissen.



Kate hatte sich für einen Augenblick an die geschlossene Tür gelehnt. Warum tat Geoff so etwas?

Nun, das musste sie später klären. Sie stieß sich von der Tür ab und eilte über die Straße auf das Pub zu. Noch immer leicht verwirrt trat sie durch die Tür und fand sich in dem gemütlichen mit leisem Gemurmel gefüllten Raum wieder.

„Kate, endlich. Hast du den Doc nicht mitgebracht?“ Vic stand hinter dem Tresen und sah ihr entgegen. Nancy, die Gläser einsammelte, trat an die Theke und sah Kate entsetzt entgegen.

„Er mag uns nicht mehr. Oh Vic, was haben wir nur angestellt?“

Kate, die sich plötzlich an das Gespräch von vorhin im Pub erinnerte, begann sofort die Beiden zu beschwichtigen. „Nein, nein, so ist es nicht! Geoff hat nichts gegen euch. Wirklich nicht! Er kommt Morgen vorbei.“

„Aber wo versteckt er sich dann?“ Nancy sah die Krankenschwester besorgt an.

„Er hat Bereitschaftsdienst.“

„Nein. Ich bin mir ganz sicher, das DJ heute dran ist. Ansonsten wäre DJ ja auch hier!“ Sam und Emma hatten ihr Billardspiel aufgegeben und waren zu ihren Freunden an die Theke getreten.

„Ist etwas mit DJ Kate?“ Vic sah sie fragend an.

„Er hat eine leichte Magen- und Darmerkrankung. Nichts Ernstes. Aber Geoff hat ihn vorsichtshalber ins Bett gesteckt und seinen Dienst übernommen.“

„Aber wie will er diesen ganzen Stress bewältigen? Morgen soll doch die Tour auf die Farm der Grants sein. Du weißt genau, dass wir die sonst immer mit doppelter Besetzung anfliegen. Was meinst du, was da Morgen los sein wird!“ Sam machte sich auch langsam Sorgen. Er hatte schließlich auch die letzten Tage mit auf der Farm der MacAllisters verbracht und den Kraftakt, den Geoff und Kate dort bewältigt hatten, mit angesehen.

„Wenn es DJ morgen früh nicht besser geht, müssen wir die Tour eh absagen. Wir können die Zentrale nicht unbesetzt lassen.“

„Aber das hieße, dass wir sie in die nächste Woche noch mit hinein schieben müssten. Die ist doch schon mehr als voll und wenn dann noch Notfälle kommen, was dann?“

Kate hob nur die Schultern.

„Ich weiß es auch nicht.“

„Wie können wir euch helfen? Es wird sich doch jemand finden lassen, der mal einen Tag lang das Funkgerät bedienen kann.“

„Das wäre wirklich super, aber wir sollten erst einmal abwarten wie es DJ morgen geht. Geoff war eigentlich ganz zuversichtlich. Ach, bevor ich es vergesse: Nancy könntest du für Geoff etwas zu Essen einpacken? Er hat noch nichts zu Abend gegessen.“

„Oh sicher Kate. Hat er einen besonderen Wunsch?“

„Nein. Es muss auch nicht viel sein. Er hat anscheinend keinen Hunger. Aber etwas essen wird er, dafür werde ich schon sorgen.“

„Ich werde mal sehen, was ich schönes finde Kate. Der Appetit kommt schließlich beim Essen.“

‚Was ist mit deinen Freunden Geoff? Viele von meinen sind auch deine. Sie haben dich in ihre Herzen geschlossen und machen sich Sorgen um dich. Und du selbst hast dich auch verändert, du bist kein Stadtjunge mehr… Das eben war nur eine Ausrede!’ Kate fiel es wie Schuppen von den Augen.

„Kate, komm. Lass uns etwas Billard spielen bis Nancy soweit ist.“ Emma ergriff Kate am Arm und zog sie von der Theke zum Spieltisch.

„Was ist los? Es ist noch mehr geschehen, als das von dem du uns gerade erzählt hast, oder?“ Emma ordnete die Kugeln auf den Tisch und eröffnete das Spiel.

„Wir haben uns mal wieder gestritten. Und gleich geht es weiter in die nächste Runde.“

„Ich verstehe euch beiden einfach nicht. Ständig seid ihr am streiten. Klar, Geoff hat ein paar seltsame Ansichten. Aber trotzdem ist er ein sehr guter Freund, auf dem ich mich jederzeit blind verlassen würde.“

„Ja, das stimmt. Ich vertraue ihm auch.“

„Und doch lässt du ihn immer spüren, dass er anders ist als wir. Er hat nun mal studiert. Da lernt man viel und kann sich auch viele Auszeichnungen erarbeiten. Er will doch nur Menschen die in Not sind helfen!“

„Das will ich doch auch. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich mit ihm streiten muss. Ansonsten würde er meine Meinung nicht akzeptieren. Das war von Anfang an so.“

„Ja, damals. Aber er hat dazugelernt. Findest du nicht, dass Geoff dich mittlerweile als vollwertiges Mitglied eures Teams anerkennt? Das er dir genauso unbesorgt und blind wie Chris vertraut? Beim Umgang mit den Patienten genauso wie bei den Organisationen und Koordinationen von Notfällen? – Das tut er nämlich, er hat es mir schon vor längerer Zeit gesagt.“ Beide schwiegen.

„Danke Emma. Vielleicht musste mir erst jemand das Brett vorm Kopf gewaltsam entfernen, damit ich ihn wieder als einen Freund ansehen kann.“

Kate hatte das Gefühl, als wäre sie in einem schlechten Traum gefangen. Was war denn heute los, dass sie in diesem totalen Chaos von neuen Gedanken und Gefühlen nicht klar Schiff bekam?

Nancy trat zu den zwei Frauen und übergab Kate einen kleinen Korb aus dem es verführerisch duftete.

„Sag Geoff, dass er es sich gut schmecken lassen soll.“

„Mach ich. Aber für wie viele Leute soll das Essen wieder reichen Nancy?“

„Geoff ist noch jung. Der kann einiges vertragen. Und außerdem hat er in der letzten Zeit ziemlich abgenommen. – Ach, und bestell ihm, dass ich ihn Morgen Abend zum Essen erwarte. Wenn er schon so viel arbeitet, wird er sich wohl oder übel von uns verwöhnen lassen müssen. Jeder tut das, was er am besten kann.“

Nancy lachte Kate an.

„Okay, ich werde es ihm ausrichten… Dann bis Morgen.“

Kate trat in die klare Abendluft und atmete einige Male tief ein und aus. Dann setzte sie sich auf einen der Stühle die draußen vor dem Pub standen.

‚Ich muss unbedingt Klarheit in meine Gedanken bringen, bevor ich wieder hinübergehe. Also, was ist unser Problem: Ich liebe ihn und er liebt mich. Er erzählt mir als einzige nichts von sich… Warum? Weil ich ihn in der Vergangenheit häufig nicht ernst genug genommen habe. Ich wollte ihm meine Gefühle nicht zeigen und habe deswegen diese Abwehr gegen alles was er sagt und tut eingenommen. Vielleicht sollte ich ihn einfach mal als einen Freund sehen und ihm endlich auch mal zeigen, dass man vernünftig mit mir reden kann… Warum willst du unbedingt gehen Geoff? Wie kann ich dich nur umstimmen und zum Bleiben bewegen? … Ich glaube, ich hätte nie eine andere Stelle annehmen können… War das auch wieder nur eine Abwehrhaltung von mir? Um ihn auf Distanz zu halten? … Er scheint mich besser zu kennen, als ich mich selbst. Ich würde wirklich alle hier schrecklich vermissen. Die Jahre auf der Schwesternschule waren zwar schön, aber ich war froh, als ich nach den Prüfungen die Stelle hier in Coopers Crossing bekommen habe… Wie stellt er sich das eigentlich vor, einfach verschwinden und uns mit diesem neuen Arzt alleine lassen? Ruhig… Frag ihn gleich einfach.’

Am liebsten wäre Kate jetzt schon wieder aus der Haut gefahren und hätte Geoff die Leviten gelesen. Gut das sie sich hier erst einmal beruhigen konnte.

‚Was hatte in dem Brief gestanden? … Wir hoffen, dass sie die Stellenprobleme bald möglichst klären können… Ob Geoff diesen Absatz überhaupt nicht gelesen hatte? Er hätte mir doch sonst diesen Brief nie gegeben. Oder war das seine Absicht: Sollte ich diese Zeilen lesen? Aber warum?’

Plötzlich kam Kate eine Idee.

„Wie du mir, so ich dir!“

Kate wollte gleich morgen früh in Sydney anrufen und dem Absender dieses Briefes mitteilen, dass alles beim Alten bleiben sollte. Geoff darf nicht gehen. Ihr wurde schmerzlich bewusst, dass sie ihn noch mehr vermissen würde, als alle ihre Freunde, den Ort, die Umgebung.

‚Aber du muss deine Einstellung ihm gegenüber dann ändern, Kate!’ Sie sprach sich selber Mut zu. ‚Versuche ihn ernst zu nehmen und versuche nicht ständig hinter jedem Wort und jedem Fingerzeig von ihm einen bösen Gedanken zu vermuten.’

Endlich fühlte Kate sich wieder stark genug Geoff gegenüber zu treten. Also überquerte sie heute Abend zum dritten Mal die Straße und betrat wieder die Zentrale. Geoff saß nicht an seinem Schreibtisch. Ob er noch bei DJ war. Hoffentlich ging es DJ nicht schlechter.

Sie ging weiter in den Vorraum in dem auch ihr Schreibtisch stand und setzte den Korb auf Sams Schreibtisch ab. Dann stellte sie Wasser auf und bereitete zwei Becher für Tee vor. Während sie so vor sich hin arbeitete, nahm sie gewahr, dass jemand die Hintertür geöffnet hatte. In der kühleren Jahreszeit öffneten sie abends gerne die Tür, um die schwere Luft aus der Klimaanlage gegen die frische klare Luft der Natur einzutauschen.

Ob Geoff vielleicht in Chris Büro war? Sie ging zur Tür, konnte aber keinen Lichtschimmer unter dem Holz ausmachen. Vorsichtig öffnete sie die Tür.

„Geoff?“

Erschrocken fuhr sie zusammen, als sie seine Stimme aus einer ganz anderen Richtung hörte.

„Ich bin hier.“

Sie schaute um die Ecke. Er saß auf der Schwelle der Hintertür und starrte in den Sonnenuntergang. Kate konnte sich nicht erinnern, dass er dieses früher schon mal getan hätte.

„Was machst du da?“

„Nachdenken.“ Kam die kurze Antwort.

Kate holte den Korb und trat hinter ihn.

„Lässt du mich durch?“

Geoff schaute zu ihr auf. In ihren blauen Augen konnte er jedes Mal wieder neu ertrinken. Er rückte zur Seite, um ihr den Weg frei zu machen.

„Dann wollen wir mal sehen was Nancy dir schönes eingepackt hat.“ Sie stellte ihre Last vor seinen Füßen ab, kniete sich daneben und lüftete das Tuch, das die Wirtin vorsorglich über das Essen gelegt hatte.

„Worauf hast du Hunger? Ich glaube, hiermit kann man jeden Wunsch erfüllen!“ Kate schüttelte leicht den Kopf.

Geoff griff in den Korb und nahm sich ein Hühnchen-Sandwich heraus. Als Kate sah, dass er aß, erhob sie sich geschäftig und ging wieder an ihm vorbei. Das Wasser kochte und sie goss den Tee auf. Mit den zwei Bechern in der Hand trat sie kurz darauf wieder in die letzten Sonnenstrahlen des endenden Tages.

Kate zog ihre Stirn in Falten. Ein kurzer Blick in den Korb sagte ihr, dass Geoff gerade einmal von dem Sandwich in seiner Hand abgebissen hatte. Stattdessen zerpflückte er den Toast und ließ ihn in kleinen Stückchen auf die Erde fallen, während er starr vor sich hin sah und grübelte.

‚Ruhig. Explodier nicht gleich wieder.’ Rief sie sich selbst zur Ruhe.

„Hier.“ Kate hielt Geoff den zweiten Becher hin. Dieser schrak aus seinen Gedanken hoch.

„Danke.“ Er nahm den Tee entgegen.

„Nun greif aber richtig zu.“

„Ich mag nicht!“ Vorsichtig nahm er einen kleinen Schluck aus dem heißen Becher.

„Können wir dann reden?“

„Ja… Wir müssen unser Gespräch vom letzten Monat noch zu Ende führen. Leider kam der Notfall dazwischen.“

Kate holte sich einen Stuhl aus dem Büro, stellte ihn draußen Geoff gegenüber und setze sich. Schweigend nippten sie an ihren Bechern.

„Was möchtest du wissen?“ Geoff war bereit ihr alles zu offenbaren und zu erzählen, an das er sich erinnern konnte. Er legte die Reste seines Sandwichs auf eine Servierte in den Korb zurück.

„Zum Beispiel hast du anderen schon mal etwas von deinem Studium erzählt. Jake hast du von deinem Vater erzählt. Und nachdem Barry hier war, habe ich gehört, wie du Sam von Kevin erzählt hast. Warum schließt du mich aus und erzählst mir nichts davon?“

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich von alleine nicht sehr mitteilsam bin. Alle, die etwas wissen wollten, haben mich direkt darauf angesprochen! Ich fasse nicht schnell Vertrauen in meine Mitmenschen. Sie müssen mich mit einbeziehen und fragen… Ein großer Fehler, ich weiß! – Als Beispiel: Mit Chris kann ich wunderbar reden. Sie hat sich mir gegenüber schnell geöffnet, mir die Hand gereicht. Klar, sehr viel weiß sie auch nicht aus meinem Leben. Es verbinden uns mehr die beruflichen Themen. Nun, zumindest in der Zeit, als ich noch neu hier war. Aber ich konnte dadurch Vertrauen zu ihr fassen. Ehrlich gesagt hätte ich sie sehr vermisst, wenn sie die OP nicht überlebt hätte.“

„Ich auch.“ Hauchte Kate, die gespannt seinen Worten lauschte. Geoff sah auf und schenkte ihr ein verstehendes Lächeln. Zum ersten Mal nahm Kate bewusst war, dass dieses Lächeln nicht herablassend war, wie sie bisher immer sofort gedacht hatte. Sie konnte es sogar in seinen müden Augen sehen. Eben waren sie noch ganz trüb gewesen, jetzt leuchtete und glitzerte es in ihnen. Sie waren warm und gehörten zu den Bereichen seines Gesichtes, die offen seine Gefühle preisgaben.

„Aber wie du schon sagtest, war es bei Chris rein beruflich.“

„Ja, zu Beginn meiner Zeit hier. Aber das hat sich geändert. Sie vertraut mir und bittet mich auch in privaten Dingen um meinen Rat. Und umgekehrt genauso! Sie ist immer für mich da!“

„Wem hast du noch etwas von dir erzählt?“

„Emma.“

„Ihr habt von Anfang an sehr viel zusammen unternommen.“

„Oh ja. Sie ist eine tolle Freundin. Und ich bin froh, dass sie sich mit Sam so gut versteht.“

„Was hat sie getan, dass du ihr so schnell vertrautest?“

„Getan? … Ich glaube es war, weil sie einfach da war. Wir haben geredet, viel gelacht und Videos zusammen angeschaut.“ Geoff ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. Kate merkte, dass er mit seinen Gedanken in alte Erinnerungen versunken war.

„Manchmal vermisse ich diese gemeinsamen Abende mit ihr… Eines Abends, noch zu Beginn unserer Freundschaft, hat sie mich auf ihre gerade Art gefragt, warum ich hergekommen bin. Erst wollte ich ihr etwas Belangloses sagen. Aber dann habe ich ihr von dem Tod meiner Frau erzählt. Dass ich mich schuldig fühlte und nach Ablenkung suchte. Ich weiß nicht mehr was noch alles.“

Wieder hing jeder seinen Gedanken nach und lange lag Stille in der Luft.

Kate leerte ihren Becher und da auch Geoff seinen neben sich auf den Boden gestellt hatte unterbrach sie das Schweigen.

„Möchtest du noch einen Tee?“

„Mmh,… ja gerne. Aber jetzt bin ich dran mit dem Zubereiten.“ Er wollte aufstehen.

„Ach, bleib sitzen und lass mich das machen. Versuch du lieber noch etwas zu essen.“

Geoff schluckte. „Na gut, ich werde es versuchen.“

Kate stand auf und ging an Geoff vorbei zu dem Kaffeetischchen im Vorraum. Geoff nahm die Reste des Sandwichs von vorhin wieder auf und biss hinein.

„Das ist wirklich lecker. Hat Nancy etwas Neues ausprobiert? Irgendwie schmeckt das Hühnchen anders als sonst.“ Plötzlich bekam der Doktor nun doch Appetit und Kate nahm gewahr, wie er sich über den Korb beugte und den Inhalt aufs Genauste untersuchte. Sie konnte sich ein erleichtertes Lächeln nicht verkneifen.

„Hattest du viele Freunde in deiner Kindheit?“ Kate war über sich selbst erstaunt. Wie kam sie darauf ihn so eine Frage zu stellen. Sie hatte doch noch nicht mal an vergleichbares gedacht? Würde er ihr antworten oder sie sauer anfahren?

„Nein, nicht besonders viele.“ Auch Geoff war überrascht und hielt mit dem Essen inne. Er schaute Kate abwartend aus den Augenwinkeln an. ‚Was kommt jetzt? … Vertrau ihr! Eben warst du noch bereit ihr alles zu erzählen was du weißt. Jetzt halte dich auch daran.’

„Ich war viel mit Barry zusammen. Er ist ja nur zwei Jahre älter. Und dort, wo ich aufgewachsen bin Kate, da wurden Konflikte mit den Fäusten ausgefochten. Ich war nie der Typ für Schlägereien. Aber um meine Haut zu retten, blieb mir manchmal nichts anderes übrig, als mich wenigstens so gut wie möglich zu wehren.“

„Hat Barry dir denn nicht geholfen?“

„Er hat die Gegner eher noch angestachelt und sie angefeuert… Ich habe ihn dafür gehasst!“

Kate kam mit den neu gefüllten Bechern zurück. Sie stellte Geoffs neben ihn auf den Boden, setzte sich ihm wieder gegenüber und wartete, ob er weiter erzählen würde.

„In der Schule hatte ich unter den gleichaltrigen schon einige, ja, auch gute Freunde. Aber als sie merkten, dass mein größter Wunsch war Arzt zu werden und nicht wie alle anderen als einfacher Arbeiter enden wollte, da gehörte ich von heute auf morgen nicht mehr zu ihnen.“

„Und später?“

„Während des Studiums habe ich Colin kennen gelernt. Ihn kann ich bis heute als meinen besten Freund bezeichnen. Die anderen Freundschaften in Sydney waren bis vor zwei Jahren noch die Besten die ich erfahren durfte.“

„Vor zwei Jahren. Da warst du schon über ein Jahr hier. Was ist passiert?“ Kate sah ihn offen an und Geoff erzählte ohne zu zögern weiter:

„Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die Einladung der Zentrale zu dem Treffen in Sydney?!“ Kate nickte. Und ihr fiel ein, dass Geoff sie am späten Abend des ersten Seminartages noch angerufen hatte.

„Du hattest Sehnsucht nach Coopers Crossing.“

„Der Anruf! Ja. Da habe ich zum ersten Mal richtig wahrgenommen, was mir Coopers Crossing und die Leute hier bedeuten. Ich konnte mit meinen Freunden und Bekannten nicht mehr reden. Sie waren nur an das große Geld und ihre Sorgen interessiert. Es hat nicht einer genauer nach unserer Arbeit gefragt. Was und unter welchen Umständen wir hier manchmal arbeiten! Wahrscheinlich meinten sie, dass sie alles schon genügend aus Büchern und den Artikeln in der Zeitung kennen…“ Geoff hatte sich in Rage geredet. Jetzt atmete er tief durch und ruhiger fuhr er fort: „So wie die Menschen mich hier mittlerweile in ihrer Mitte aufgenommen haben, Kate, das habe ich bislang noch nie erlebt.“

„Dann bin ich wohl die Ausnahme. Ich habe dir doch immer zugesetzt.“

„Nein, das stimmt nicht so ganz. Du warst nicht die Einzige. Nur bei den Anderen machte es mir nicht so viel aus. Du sahst in mir immer den Eindringling, jemand der nicht hierher gehört.“

„Nein, ganz so war es nicht… Ich hatte Angst, du würdest mich nicht anerkennen. Mit Tom und Chris waren wir zu einem gut eingespielten Team geworden. Und du hast mich wie eine kleine Schwesternschülerin behandelt.“

„Ja, ich weiß. Du hast es mir damals gesagt. Ich habe versucht mich zu ändern. Aber anscheinend hatte ich damit keinen großen Erfolg?!“

„Doch. Zumindest habe ich gemerkt, dass du dich bemühtest. Das hat mich gefreut und ich habe versucht mich an deine, für mich, neue Art der Behandlung und der Operation zu gewöhnen.“

„Das habe ich wiederum bemerkt.“ Geoff lachte Kate an und sie schenkte ihm ein Lächeln zurück. „Es macht mir sehr viel Spaß mit dir zusammen zu arbeiten. Ich kann mich voll auf dich verlassen. Und du scheinst schon eher zu wissen was ich denke, als ich selbst.“

Ein besseres Lob konnte sich Kate nicht wünschen. Warum schafften sie es erst jetzt so offen miteinander zu reden? Wie viel angenehmer wären die letzen Jahre gewesen, wenn sie schon eher dieses Gespräch geführt hätten?

„Kate, ich möchte mich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit mit dir streiten! Meinst du wir könnten versuchen uns zu vertragen und vor allem zu vertrauen?“

„Aber ich vertraue dir doch Geoff! Du bist ein wunderbarer Arzt. Und ich bin es auch leid ständig das Schlechte in dir zu suchen.“

„Also versuchen wir gute Freunde zu werden?“

Kate nickt: „Ja.“

Geoff hielt ihr seine Hand entgegen und Kate ergriff sie. Ihre Blicke trafen sich und sie ertranken in den Augen des Anderen.

Sie bemerkten nicht wie die Zeit verging. Sie saßen sich einfach nur still und bewegungslos gegenüber.

Als das Telefon im Büro des Chefarztes klingelt, schraken beide hoch.

„Entschuldige. Ich bin gleich wieder zurück.“ Geoff lächelte Kate an und erhob sich.

Mit einem Blick auf seine Armbanduhr, stellte er erstaunt fest, wie schnell die Zeit doch vergangen war. Wer konnte so spät noch etwas von ihm wollen. Ein Notruf konnte es nicht sein. Dann würde sich das Signal am Funkgerät oder das dazugehörige Telefon melden. Stattdessen musste es jemand sein, der seine Durchwahl kannte und wusste, dass er noch hier war.

Geoff stand vor seinem Schreibtisch, nahm den Hörer ab und meldete sich: „Standish.“

„Geoff, hier ist Sam.“

„Sam. Was gibt es?“

Kate hatte die Ohren gespitzt. ‚Sam? Was wollte er?’

„Wir machen uns Sorgen um DJ. Kate sagte, du wolltest noch einmal nach ihm sehen. Kannst du schon etwas Genaueres sagen?“

Im Pub standen Emma, Nancy, Vic und Jake, der inzwischen auch in den Pub gekommen war, um Sam herum und versuchten etwas von dem Gespräch aufzuschnappen.

„Er schläft. Es geht ihm soweit gut. Ich nehme an, dass es ihm Morgen schon wieder besser geht.“ Geoff rieb sich über die Stirn. Es fiel ihm schwer dem Gespräch zu folgen. Er sah noch immer Kates klare blaue Augen vor sich.

„Fein. Dann können wir ja wie geplant unsere Tour Morgen fliegen.“

Geoff hatte sich auf die Kante des Schreibtisches gesetzt und versuchte nun seinen Piloten zu bremsen: „Langsam Sam, wir können erst Morgen früh eine endgültige Entscheidung treffen. Und wenn du meine ehrliche Meinung hören willst, werden wir die Tour wohl eher absagen müssen.“

Kate war leise herangetreten und lehnte sich an den Türrahmen zu Geoffs Büro.

„Okay. Dann entscheiden wir das Morgen Doc.“

Geoff hatte eine Bewegung im Raum wahrgenommen und sah auf. Kate stand lächelnd da. Er fühlte wie sich sein Pulsschlag erhöhte. Automatisch erwiderte er ihr Lächeln.

„Doc? … Geoff ist alles okay?“ fragte Sam. Geoff schrak hoch.

„Ja, ja, alles Bestens.“ Er hatte Kate nicht aus den Augen gelassen und hielt ihr nun seine Hand entgegen. Die Schwester kam auf ihn zu und ergriff sie. Er atmete tief durch und versuchte sich zu sammeln: „Seid ihr noch im Pub?“

„Ja, aber wir werden jetzt gleich aufbrechen.“

„Gut, dann wünsche ich euch allen eine gute Nacht.“ Geoff grinste. Bestimmt standen alle dicht gedrängt um Sam herum.

„Gute Nacht.“ Sam hatte aufgelegt. Auch Geoff ließ den Hörer langsam zurück auf die Gabel gleiten. ‚Ich brauche einen kleinen Moment, zum Durchatmen und um meine Gedanken zu sortieren. Ich darf Kate nicht durch eine unüberlegte Handlung wieder verärgern. Wir sind momentan nur gute Freunde!’

„Komm, setz dich. Was möchtest du noch wissen?“ fragte er Kate.

„Lass uns erst draußen aufräumen. Es ist schon stockdunkel. Und wir sollten unbedingt die Tür schließen, sonst müssen wir Morgen früh erst noch auf die Jagd gehen.“

„Ja, da hast du wohl recht.“ Geoff stand auf und sie gingen hinaus. Erst draußen ließen sie widerwillig die Hand des Anderen los. Kate nahm die Tassen und den Korb auf, während Geoff den Stuhl an der Lehne packte, die Befestigung an der Tür löste und diese dann hinter ihnen schloss und verriegelte.

„Verrätst du mir deinen zweiten Vornamen?“

„GG?“ Geoff sah sie fragend an. Kate nickte und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie an Marcia denken musste und an die Tage, als diese in Coopers Crossing zu Besuch bei Geoff war.

„Graham. Nach meinem Großvater väterlicherseits.“ Geoff stellte den Stuhl an seinen Platz zurück.

„Magst du ihn nicht? Ich finde ihn nicht so schlimm. Er passt zu dir.“ Kate stellte den Korb auf den Schreibtisch im Vorraum ab.

„Ach ja?“ Geoff sah sie überrascht an.

„Ja. Geoffrey Graham Standish. Das klingt harmonisch.“

„Besser als Grizzlybär und so, oder?“ Kate drehte sich lachend um.

„Oh ja, viel besser. Aber warum machst du so ein Geheimnis darum?“

„Mache ich doch gar nicht. Ihr habt mich nur nicht gefragt.“

„Doch, haben wir! Nachdem Marcia abgefahren war.“

„Stimmt. Nun, da war ich zu sehr in Rage. – Haben dir deine Eltern auch einen zweiten Vornamen gegeben?“ Geoff lehnte sich an den zweiten Schreibtisch ihr gegenüber.

„Ja. Ich mag ihn aber nicht besonders.“ Kates Gesicht spiegelte ihre Abscheu wieder.

„Warum nicht?“ Geoff war erstaunt.

„Es ist der Name einer Tante von mir, die wir Kinder noch nie leiden mochten. Tut dieses nicht Kinder, tut das nicht. Sie ist einfach nur schrecklich.“

„Sagst du ihn mir trotzdem?“

„Joslin.“

„So ist der Namen aber sehr hübsch. Schließlich kann der Name nichts für deine schreckliche Tante.“

„Du hast sie noch nicht kennen gelernt!“ Ihre Blicke trafen sich wieder. Langsam trat Geoff auf Kate zu, strich mit seinen Fingern leicht durch ihre Haare und fragte leise: „Würdest du sie mir den vorstellen?“

Sie sahen sich nur stumm tief in die Augen.

‚Stopp. Reiß dich zusammen.’ Der Doktor ließ seinen Blick sinken und ging auf Abstand.

„Kate, willst du nicht langsam nach Hause gehen? Es ist schon spät und Morgen wird es ein langer Tag.“

„Nein.“ Geoff sah sie erstaunt an. „Ich werde dich nicht alleine lassen. Du brauchst auch Schlaf. Und wenn du meinst, einer müsste immer wach sein, dann werden wir uns halt alle zwei Stunden abwechseln.“

„Ich werde mich hinlegen Kate, versprochen. Ich werde mich auf die Liege in Chris Büro legen.“

„Auf der kann man höchstens dösen.“

„Ich habe doch nur Angst, wenn ich zu tief einschlafe, den Notruf nicht zu hören.“

„Dann werden wir uns jetzt zwei der Feldbetten aus der Abstellkammer holen. Die Schlafsäcke müssten auch da liegen. Einer von uns wird bestimmt durch das Signal aufwachen.“

Mit der Aussicht auf wenigstens einige Stunden Schlaf, stimmte Geoff schließlich zu. Er fühlte sich zerschlagen.

Gemeinsam holten sie die Sachen aus der Kammer neben dem Funkraum.

„Wo soll ich die Betten aufstellen?“ Geoff sah Kate fragend an. „Am meisten Platz ist in meinem Büro.“

„Stimmt. – Eins stellen wir vor deinen Schreibtisch und das Zweite vor die Liege in Chris Büro. Obwohl, ich weiß nicht, ob ich da das Signal laut genug hören würde.“

Kate sah sich in den Räumen um. Der einzige Platz, ohne erst noch Möbel zu rücken, wäre im Flur. Aber dann käme keiner mehr an ihr vorbei.

„Wir werden das zweite Bett hier aufstellen.“

Geoff sah sie erstaunt an. Sie stand in der Tür zu seinem Büro und zeigte an die gegenüberliegende Wand seines Schreibtisches. Es würde zwar die Verbindungstür zu Chris Büro versperren, aber da sollte heute Nacht wohl keiner drüber stolpern.



Kate war bereits in ihren Schlafsack gestiegen und versuchte die richtige Lage zum schlafen zu finden, als Geoff seine Lampe auf dem Schreibtisch anknipste.

„Du willst jetzt aber nicht noch arbeiten?“ Kate sah zu ihm auf.

„Nein. Ich werde nur die Lichter löschen. Reicht es dir, wenn die Lampe im Windfang brennt? Dann ist genug Licht vorhanden um sich noch zu recht zu finden.“

Sie nickte.

So ging der Arzt los und lösche alle überflüssigen Lichter. Anschließend trat er gähnend wieder in sein Büro, setzte sich auf seine Liege und schaltete auch die Schreibtischlampe aus. Kate konnte im ersten Moment in der Dunkelheit nichts erkennen, doch langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse. Sie hörte Geoff, wie der sich die Schuhe von den Füßen zog und dann ein leichtes Quietschen des Feldbettes, als er sich in den Schlafsack legte. Den Reißverschluss ließ er offen, so konnte er schneller reagieren.

„Gute Nacht Geoff.“

„Nacht Kate.“

Eine Zeit lang war noch leichtes Rascheln zu hören, dann trat Stille ein. –

„Kate, schläfst du schon?“

„Nein.“

„Ich wollte dir nur sagen, dass ich sehr froh bin. Ich bin lieber einer deiner Freunde, als immer dein Gegner.“

„Ja, finde ich auch.“

„Wegen vorhin… Ich wollte unsere Freundschaft nicht schon wieder zerstören. Sie ist noch so jung.“

„Ist schon in Ordnung. Wir lassen uns einfach Zeit.“

„Dann schlaf gut.“

„Gute Nacht.“ Wieder Stille. –

Kate setzte sich entsetzt auf.

„Mmh,… Was ist los? Notruf?“ Schlaftrunken öffnete der Arzt seine Augen. Er konnte nichts hören.

„Geoff, du darfst nicht gehen!“

„Was? …“ Schlagartig war Geoff wieder wach. „Warum nicht? Du willst mich doch nicht mehr sehen, oder?“ Der Doktor versuchte zu scherzen, doch Kate nahm es viel zu ernst auf.

„Bitte, ich möchte nicht schon wieder mit dir streiten.“

„Das ist doch kein Streiten, Kate. Wir wollten einander doch ab jetzt vertrauen. Ich würde es eher als kabbeln bezeichnen, ‚auf die Schippe nehmen’.“

„Ja. Ist ja okay. Und gerade deswegen darfst du nicht gehen.“

Geoff drehte sich auf die Seite und sah zu Kate hinüber.

„Dann werde ich Morgen früh wohl Ray noch mal anrufen und ihn bitten die ganzen Anträge in den Papierkorb zu werfen. Er wird mich wahrscheinlich für total verrückt erklären… Ach, was soll’s.“

Kate hatte sich beruhigt wieder zurückgelegt und in ihren Schlafsack gekuschelt.

„Du hast auch mit Ray darüber gesprochen? Wie hast du ihm denn klar gemacht, dass du statt meiner diese Basis verlassen wolltest?“

„Ich habe ihm das gleiche gesagt, wie dir heute Abend.“

„Das wird ihm als Begründungen aber bestimmt nicht ausgereicht haben! Wenn ich bedenke, was ich alles für Gründe angeben musste, damit er sich endlich zu einem Wechsel bereiterklärte.“

„Nein. Dafür kennt er mich auch zu gut. – Ich kenne Ray schon aus meiner Studienzeit. Wir haben damals viel über den RFDS gesprochen und beide davon geträumt für ihn zu arbeiten.“

„Und warum hast du dann deine Praxis in Sydney eröffnet?“

„Wegen Barbara. Wir haben uns kennen gelernt, als ich noch Assistenzarzt im Krankenhaus in Melbourne war. Sie konnte sich nicht vorstellen, in der Einsamkeit zu versauern. Da habe ich halt meine Träume begraben…“ in Gedanken sprach er den Satz weiter: ‚Und sie, nachdem ich Barbara begraben habe, wieder ausgegraben. Was für eine Ironie!’

Kate, die Geoffs traurigen Blick nur erahnen konnte, aber ihn doch vor ihrem inneren Auge deutlich sah, streckte ihm ihre Hand entgegen. Geoff ergriff sie und hielt sie fest. Sie schenkte ihm Kraft.

„Was hast du ihm dann noch für Gründe vorgebracht?“

„Ich habe ihm die Wahrheit gesagt.“

„Welche?“ Kate blieb ruhig.

„Das ich dich liebe. Und das es besser wäre, wenn einer von uns die Basis wechseln würde, um den Einsatz des Services nicht zu gefährden. Er sollte es nicht zu lange hinauszögern, da wir uns in der letzten Zeit immer mehr stritten.“

„Mit den Gründen warum lieber du als ich.“

„Genau.“ Kate erhöhte den Druck auf seine Hand.

„Ich glaube, Ray hofft aber noch darauf, dass wir uns wieder vertragen und weiterhin zusammen hier bleiben.“

„Ja, er war sehr stur diesbezüglich. Wir haben viele, auch längere, Telefonate über dieses Thema geführt. Aber ich habe das Gefühl, dass er es jetzt doch endlich akzeptiert hat.“

„Das glaube ich nicht. Ich habe eher die Vermutung, dass er sich noch gar nicht richtig um eine Versetzung bemüht hat.“

„Wie kommst du darauf?“ Ehrliches Erstaunen klang in Geoffs Stimme mit.

„Er schreibt doch im letzten Absatz seines Briefes, dass er hofft alles würde so bleiben wie es ist.“

„Welchen Brief meinst du?“

„Den aus Sydney, den du mir eben gezeigt hast. Der war doch von Ray, oder?“

„Ja. Aber ich habe nichts dergleichen gelesen.“

Kate wunderte sich, wie gut sie Geoff doch kannte. Sie wusste genau, dass er jetzt in die Dunkelheit starrend angestrengt nachdachte, warum er diesen Brief nicht bis zum Ende gelesen hatte, oder ihn nur so unaufmerksam überflogen hatte.

„Sam kam herein und hat mir sein Protokoll von gestern vorgelegt. Wir haben noch etwas geredet und dann habe ich mir den nächsten Brief vorgenommen.“ Voller Energie warf Geoff den Schlafsack von sich, schwang die Beine über die Kante des Bettes und setzte sich auf. Kates Hand hatte er die ganze Zeit fest gehalten. Bevor Geoff sie jetzt losließ, führte er ihre Hand an seinen Mund um sie zu küssen. Er stand auf, entzündete die Lampe auf seinem Schreibtisch und sucht nach dem Brief. Wo war er nur!

Dort!

Geoff setzte sich auf seinen Stuhl und entfaltete das Papier. Langsam begann er zu lesen.

Kate sah ihn die ganze Zeit an. Völlig konzentriert schien er sich der Lektüre zu widmen. Als er langsam den letzten Absatz erreicht haben musste, legte sich Erstaunen über sein Gesicht, dann ein befreites Lachen. Er schien den Absatz noch einmal zu überfliegen. Dann erhob der Doktor seinen Blick und sah zu Kate hinüber.

„Nun, so wird das ganze Hin und Her wenigstens keinen allzu großen Staub aufwirbeln. Ich denke es wird ausreichen, wenn die Papiere vernichtet werden.“

Geoff erhob sich, kam wieder um seinen Schreibtisch herum. Er hockte sich vor Kate hin und strich ihr zärtlich über die Wange. Sollte er,… sollte er lieber nicht? Langsam beugte er sich weiter vor und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Schläfe.

„Dann lass uns jetzt schlafen.“ Der Doktor zog sich auf sein Bett zurück, löschte erneut das Licht und legte sich hin.

Bevor Kate in das Traumland überging, war ihr letzter Gedanke, wie viel sie doch heute über Geoff erfahren hatte. Er hatte sich ihr geöffnet und sie spürte immer stärker, dass sie ihn nie mehr verlieren wollte.



Sam betrat früh am nächsten Morgen die Zentrale. Im Windfang brannte das Licht, ansonsten war noch alles dunkel. War Kate noch nicht da? Sie war doch sonst immer eine der Ersten und normalerweise hatte sie schon das Meiste für die Tour zusammengepackt.

„Geoff!“ rief er in den Raum.

Keiner antwortete. Wo war er. Sam hätte wetten können, dass er den Doc an seinen Schreibtisch finden würde. Er war einer der pflichtbewusstesten Menschen die der Pilot je kennengelernt hatte. Also wo steckte er?

Sam trat in die Tür zu Geoffs Büro und fand dort den Doc und Kate schlafend auf den Liegen vor. Leise ging er zu Kate und rüttelte sie vorsichtig an der Schulter wach.

„Kate! Komm wach auf. Wir müssen noch packen.“

„Mmh…“ Kate schlug die Augen auf und sah Sam an.

Dieser hielt sich einen Finger vor die Lippen, um ihr zu zeigen, dass sie leise sein sollte, um Geoff noch nicht zu wecken. Die Schwester nickte verstehend mit dem Kopf. Vorsichtig öffnete sie den Reißverschluss des Schlafsackes und stand auf. Sie nahm ihre Schuhe in die Hand und schlich leise hinter Sam her aus dem Büro.

„Guten Morgen Sam.“

„Nah, gut geschlafen?“ Grinsend sah der Pilot Kate an.

„Nun, so gut wie man auf den Feldbetten eben schlafen kann. Allerdings war es nicht allzu lange. Aber besser als gar nicht.“

„Deswegen habe ich mir auch gedacht, dass wir Geoff noch etwas schlafen lassen.“

„Ist gut. Nur er muss entscheiden, ob wir nun fliegen oder die Tour absagen. Sehr lange werden wir es nicht mehr hinausschieben können.“

„Das ist alles schon geklärt. Nick kommt gleich vorbei. Wenn DJ ausfällt wird er den Funk heute übernehmen.“

„Ob Geoff damit einverstanden ist? Du weißt, dass wir nicht einfach irgendjemand diese Aufgabe übergeben dürfen. Das kann Ärger geben.“

„Nein, gibt es nicht. Wir haben gestern Abend noch in Sydney angerufen. Ray weiß Bescheid und hat sein okay gegeben.“

‚Ray! Den muss Geoff heute Morgen auch unbedingt noch anrufen. Ich darf nicht vergessen ihn daran zu erinnern. Damit dieses Thema endlich vom Tisch kommt.’ Kate war es warm ums Herz geworden.

„Prima. Ich werde erst einmal Kaffee kochen und dann werden wir alles zusammenpacken.“

„Fang schon mal an zu packen. Ich werde den Kaffee aufsetzen.“

„Nun denn.“ Kate machte sich auf die Suche nach allen Kisten die sie für heute brauchten und überprüfte den Inhalt auf ihre Vollständigkeit. Zwischendurch stellte ihr Sam eine Tasse heißen Kaffee auf den Tisch und sie nahm dankbar einen vorsichtigen Schluck.

„So, fertig. Ich glaube wir sollten Geoff langsam wecken… Er scheint ziemlich fertig zu seinen Sam. Sonst ist er doch ein Frühaufsteher… Hier, du kannst diese Sachen schon mal in den Wagen bringen.“

Kate erhob sich und betrat das Chefarztbüro. Sie trat an Geoff heran und beugte sich zu ihm hinunter. Leicht fuhr sie ihm über die Wange.

„Geoff. Du musst aufwachen. Wir müssen gleich los.“

„Was? Och, noch nicht Kate. Ich träume gerade so schön.“

Kate schmunzelte.

„Komm. Du kannst dich gleich im Flugzeug wieder schlafen legen.“

Der Doktor öffnete seine Augen.

„Wie spät ist es?“

„Gleich sieben.“

„Wie geht es DJ?“

„Ich weiß es nicht. Er ist noch nicht da.“

„Okay.“ Geoff erhob sich. Nachdem er seine Schuhe angezogen hatte, nahm er seine Tasche auf und begab sich in DJ’s Wohnung. Kate folgte ihm. Der Funker lag in seinem Bett und sah auf, als jemand das Zimmer betrat.

„Hallo DJ. Wie geht es dir?“

„Hey Doc. Schon viel besser. Glaube ich jedenfalls.“

„Gut. Dann wirst du heute schön im Bett bleiben und dich ausruhen. Okay?“ Er setzte sich zu DJ aufs Bett.

„Aber der Funk. Ihr habt doch die Tour heute.“

„Wir werden sie absagen.“

„Das brauchen wir nicht. Nick wird den Funk heute übernehmen.“

„Aber das geht nicht Kate. Ich kann Nick nicht einfach so diese große Verantwortung übertragen!“

„Das ist alles schon mit Ray geklärt.“

„Was?“

„Sie haben ihn wohl gestern Abend vom Pub aus noch angerufen und die Situation erklärt. Er war einverstanden.“

„Ray!? Nun, den muss ich ja gleich auch erst noch anrufen. Dann kann ich sofort noch mal nachhaken.“ Geoff sah Kate an. Ob sie heute wohl noch der gleichen Meinung war wie in der vergangenen Nacht? Vielleicht hatte er das Ganze ja auch nur geträumt!?

„Ja, unbedingt! Ich hätte dich schon noch dran erinnert. Der Anruf stand auf Platz eins der dringend zu erledigenden Sachen!“ Er schien doch nicht geträumt zu haben. Erleichterung erfasste ihn.

„Wenn es wirklich einen Notfall gibt, kann Nick mich ja rufen. Mir geht es echt schon viel besser!“ Der Funker sah Geoff entschlossen an.

„Okay… Kate, dann fliegen wir gleich los.“ Der Doktor wandte seinen Blick von DJ zu Kate.

„Ich muss aber erst noch kurz nach Hause. Mich umziehen.“

„Oh, eine Dusche würde euch beiden auch gut tun. Wenn ihr so bei den Grants ankommt, macht ihr keinen guten Eindruck!“ DJ grinste seinen Chef und Kate an.

„Ich glaube DJ hat recht. Die Zeit sollten wir uns noch nehmen.“ ‚Obwohl ich finde, dass Kate ganz hübsch aussieht, noch halb verschlafen und gerade dem Bett entstiegen.’ Geoff konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.

„Nun, dann lasst uns an die Arbeit gehen… Ich werde dir erst einmal einen Kaffee holen.“ Und zum Funker gewandt fuhr Kate fort: „Und du siehst zu, dass du wieder fit wirst DJ, ja! Ohne dich ist es nämlich total langweilig da draußen. Oh, den Leuten wird dein Programm heute bestimmt fehlen.“

Der Doktor legte DJ seine Hand auf die Schulter. „Bis später. Und wenn es dir wieder schlechter geht, dann melde dich. Okay.“

„Sicher Doc.“

„Gut.“ Geoff erhob sich und folgte Kate zurück in die Zentrale.

„Guten Morgen Sam.“

„Hey Doc. Ausgeschlafen?“ Geoff winkte ab.

„Ge- ja, aber nicht ausge-…“ Beide grinsten sich an.

„Ich muss noch eben ein Telefonat führen. Dann kann es losgehen… Ach Sam, wir werden mit zwei Autos fahren. Du könntest Kate eben nach Hause fahren, damit sie sich umziehen kann. Ich werde auch kurz bei mir vorbeifahren. Wir treffen uns dann am Flughafen.“

„Okay. Wird gemacht.“ Sam salutierte.

„Hey…“ Geoff stieß ihn lachend in die Rippen.

Kate kam mit einer Tasse Kaffee um die Ecke.

„Miss Wellings. Ihr Chauffeur steht zur Verfügung. Wann gedenken sie abzufahren?“

„Was?“ Sie sah Sam verständnislos an.

„Er bringt dich eben nach Hause. Wir treffen uns dann gleich am Flughafen.“

„Auch so.“ Sie reichte die Tasse an Geoff weiter.

„Habt ihr schon alles eingepackt?“

„Ja. Wir müssten nur noch deine Tasche überprüfen.“

„Dann macht ihr das Mal. Ich bin draußen.“ Sam verschwand.

Kate folgte Geoff in sein Büro. Er stellte seine Tasche auf den Schreibtisch und öffnete sie.

„Lass mich das machen. Ruf du in Sydney an.“

„Noch kannst du es dir überlegen.“ Geoff sah sie herausfordern an.

Kate schüttelte nur schmunzelnd den Kopf und ihre Augen waren so klar und rein und glitzerten wie Geoff sie noch nie zuvor gesehen hatte. „Keine Chance.“

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Inhalt der Arzttasche zu. Mit sicherem Blick überflog sie die einzelnen Fächer. Es fehlte nicht viel. Wenn sie sich beeilte, konnte sie das Telefongespräch mit anhören.

Geoff hatte inzwischen das Gespräch nach Sydney angemeldet und wartete nun auf die Verbindung. Wie sollte er es Ray nur erklären. Das war ja fast noch schlimmer, als um die Versetzung zu betteln.

„Smith.“

„Guten Morgen Ray. Ich bin es, Geoff.“

„Hey alter Junge. Wie geht es dir? Hast du meinen Brief bekommen? Das war eine Überraschung, was?“

„Ja, wir sind alle hoch erfreut über die Unterstützung die ihr uns zugedacht habt.“

„Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen. – Du rufst bestimmt wegen eurem akuten Funkerproblem an, stimmt`s?“

„Auch. Ich hoffe, sie haben dich gestern Abend nicht gestört!?“

„Nein. War zwar etwas spät, aber in Ordnung. Wie geht es DJ? Ist er bald wieder auf dem Damm? Oder muss ich euch erst noch eine Vertretung schicken?“

„Er soll heute noch im Bett bleiben und sich ausruhen. Es geht ihm aber schon wieder besser. Wenn wirklich etwas wichtiges sein sollte, kann er jederzeit einspringen.“

„Das hört sich bestens an. Ihr haltet dort draußen alle fest zusammen, was?“

„Du weißt doch ganz genau wie das hier läuft!“

„Ja. Aber mit so einem Team zu arbeiten, wie du es in Coopers Crossing hast, kann einfach nur fantastisch sein.“

„Okay. Ich weiß worauf du hinaus willst.“ Kate, die neben ihm stand, sah auf. Jetzt! „Das ist der Hauptgrund für meinen Anruf. Ich habe eine Bitte.“

„Na, da bin ich aber mal gespannt.“

„Könntest du bitte sämtliche Papiere, die mit irgendeinem Versetzungsgesuch fort aus Coopers Crossing zu tun haben, vernichten?“

„So, so. Auf einmal?“ Geoff konnte ihn lachen hören.

„Nun, es ist halt doch nicht so einfach alles hier hinter einen zu lassen und einfach zu gehen. Ich habe endlich eine Heimat gefunden Ray, in der ich mich wohl fühle. In der man mich so akzeptiert wie ich bin.“ Geoff sah zu Kate auf und sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. Sie berührte ihn kurz an der Schulter und verließ dann den Raum. Mehr brauchte sie nicht zu hören, sie war zufrieden.
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast