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Ein Abend der speziellen Sorte

Kurzbeschreibung
GeschichteThriller, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Clarice Starling Hannibal Lecter Jack Crawford
26.04.2015
11.05.2015
7
14.613
3
Alle Kapitel
12 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
28.04.2015 2.017
 
Bevor es weitergeht,  möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei der lieben Schneefrost für ihre Review bedanken. Wenn du das hier liest, dann fühle dich bitte ganz, ganz doll umarmt..  :D
Auch weiterhin freue ich mich über eure Reviews. Aber nun genug geredet... Viel Spaß beim Lesen!
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Hannibal saß am Flügel. Seine Finger fanden blind die richtigen Tasten und es erklang eine Melodie von Bach. Aber das wurde zur Nebensache. Hauptsächlich beschäftigte er sich mit der Frage, wann, wo und wie er Clarice am Besten einen kleinen Besuch abstatten könnte. Fakt war, dass sie ihn suchte. Deshalb musste er vorsichtig sein. Vor seinem inneren Auge spielten sich verschiedene Szenarien ab. Und diese würde er alle beachten müssen, denn jede davon konnte zutreffen. Selbst wenn sie sich nur ein paar Mal getroffen hatten - Er kannte Clarice besser als es ihr lieb war. So nahm er sich Zettel und Stift und begann, eine Liste anzufertigen. Er schrieb alles auf, was er für seinen Besuch und den Weg zu Clarice benötigen könnte. Danach setzte er sich an den Computer in seinem Arbeitszimmer und recherchierte die Adresse von Clarice. Das war ihm ein leichtes. Nebenbei besuchte er noch die Seite vom FBI. Er musste schmunzeln. Er erkannte sein eigenes Gesicht. Er las den Titel der Seite: "Die zehn meistgesuchten Straftäter".
Hannibal schrieb sich Clarices Adresse auf einen Zettel, faltete ihn minimal klein und stopfte ihn in die Hosentasche. Dann fuhr er den Computer herunter, schlenderte ins Schlafzimmer und packte für die kommenden Tage einige Kleidungsstücke ein. Da durfte auch der Smoking nicht fehlen! Hannibal fiel ein, dass er diesen ausschließlich trug, wenn er die Oper besuchte. Aber für Clarice würde er bestimmt eine Ausnahme machen können. Sie erschien ihm wieder vor dem inneren Auge. Er beschloss, auf dem Weg zu ihr nach einem hübschen Abendkleid für sie zu suchen. Alles sollte perfekt sein!
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon kurz vor zehn Uhr Abends war. Wo war bloß die Zeit geblieben? Hannibal streckte sich. Er unterdrückte ein Gähnen und zog sich den seidenen Schlafanzug an. Er würde morgen früh mit seinen Besorgungen für den Besuch starten und dann hoffentlich Abends pünktlich zum Abendessen bei Clarice erscheinen. Zumindest war das sein Plan. Deshalb legte Hannibal sich jetzt schon ins Bett. Normalerweise las er immer noch etwas in seinen Fachzeitschriften oder Poesiebänden. Doch heute Abend würde er das ausfallen lassen müssen. Er würde morgen wahrscheinlich seine vollste Konzentration benötigen.
Er drehte sich auf die Seite, griff sich die Bettdecke und schloss die Augen. Er flüsterte: "Machen Sie sich auf einen unvergesslichen Abend gefasst, Clarice..." Dann schlief er mit zynischem Grinsen ein.

Clarice lag zu dieser Zeit schon lange im Bett. Sie hatte sich nach Jacks deutlicher Anweisung sofort ins Bett begeben. Schlafen konnte sie nun allerdings nicht mehr. Der Traum von Dr. Lecter machte ihr irgendwie Angst. Eine Mischung aus heiß-kalten Schauern lief ihr über den Rücken. Kalt wegen der Furcht und heiß wegen etwas, dass sich Clarice einfach nicht eingestehen wollte.
Und dann war da noch die Angst vor dem Treffen mit Jack morgen. Ihr fiel ein, was der Doktor sie über ihn in Verbindung mit ihr gefragt hatte und sie begann automatisch zu zittern. Das durfte unter gar keinen Umständen passieren!
Die Müdigkeit zerrte an ihr. Sie schloss die Augen und endlich glitt sie in einen, wenn auch unruhigen Schlaf...
Ein Sonnenstrahl weckte Clarice. Sie öffnete die Augen und blinzelte wegen dem grellen Licht. Sie hatte wieder von Dr. Lecter geträumt. Aber sie hatte eine entschuldigende Erklärung gefunden: Sie hatte sich in letzter Zeit einfach viel mit ihm beschäftigt. Sie wiederholte diesen Satz in Gedanken so oft, bis sie es selbst glaubte und stand dann auf. Leichte Kopfschmerzen machten sich bemerkbar. Ich hätte es besser wissen müssen, dass ich keine ganze Flasche Chianti auf einmal vertrage, dachte sie, leicht gereizt über ihre kleine Dummheit.
Sie ging in die Küche und bereitete sich ein Sandwich und etwas Kaffee zu. Sie sah auf die Uhr. Diese zeigte halb acht an. Clarice seufzte. Die hatte heute keinen Nerv für weitere Sprüche von Krendler. Deshalb ging sie mitsamt Teller und Becher ins Wohnzimmer, wo sie beides auf den kleinen Beistelltisch neben ihrem Sessel abstellte und griff nach dem Telefon. Sie wählte eine Nummer und schon nach dem ersten Klingeln nahm jemand ab: "Crawford?" "Guten Morgen, Jack." "Guten Morgen, Clarice... Sie klingen nicht sonderlich gut erholt. Alles in Ordnung?" Musste er immer so direkt fragen? Clarice stöhnte innerlich leicht genervt auf: "Ja, Sir, alles okay. Ich wollte bloß wissen, ob es irgendwelche Neuigkeiten gibt, weswegen ich zur Arbeit kommen müsste. Falls nicht, wäre ich dankbar, wenn ich Krendler heute nicht ertragen muss, sondern hier in Ruhe Zuhause arbeiten kann... Wenn Sie verstehen, was ich meine?" "Ja, ich verstehe. Nun, mir ist nichts neues zum Fall zu Ohren gekommen. Ich glaube, Ihrer Heimarbeit steht nichts im Wege." "Vielen Dank, Jack."
"Kein Problem. Aber vergessen Sie unsere Verabredung heute Abend nicht! Und da möchte ich keinen Pieps über Lecter hören, haben Sie mich verstanden?" Er spuckte den Namen des Doktors geradezu aus. Clarice wusste zwar, dass Jack ihn nicht leiden konnte, aber dass es so schlimm war? Clarice schüttelte zum Klären der Gedanken schnell den Kopf und antwortete: "Ja, ich habe verstanden. Bis heute Abend also, Sir." "Ich freue mich schon sehr! Sollte sich allerdings bis dahin noch etwas wichtiges entwickeln, melde ich mich noch einmal." "Alles klar. Dann bis später." "Bis später, Clarice." Und sie legte auf. Dann rieb sie sich mit zusammengekniffenen Augen das Nasenbein. Sie wollte nicht mit ihm ausgehen! Klar, sie mochte Jack. Er war nett, charmant ihr gegenüber und aufmerksam. Manchmal allerdings etwas zu aufmerksam, wie Clarice fand.
Sie ließ sich seufzend in den Sessel fallen. Mit gequältem Gesichtsausdruck nahm sie sich ihr Sandwich. Sie hatte überhaupt keinen Appetit. Schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Aber sie wusste, dass sie bei Kräften bleiben musste! Dr. Lecter ist noch irgendwo da draußen, dachte Clarice. Ich muss ihn finden! ...

Hannibal stand auf einer Weide. Etwa dreißig Meter von sich entfernt konnte er eine Ranch erkennen. Von dieser war ein ohrenbetäubendes Schreien zu hören. Ein Schreien wie das einer Kinderstimme. Für einen ganz kurzen Moment meinte Hannibal das Schreien seiner Schwester Mischa zu hören. Er spitzte die Ohren, seine Konzentration galt einzig und allein dem Geschrei. Er hörte heraus, dass es mehrere Stimmen waren. Dann atmete er erleichtert auf. Es war nicht seine Schwester.
Plötzlich nahm er eine Bewegung war. Ein junges Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, schlich an der Häuserwand entlang zu einem großen Tor. Interessiert und mit leicht geneigten Kopf beobachtete Hannibal, wie sie ganz leise das Tor öffnete und mit panischem Blick in den Stall starrte. Hannibal tat ein paar Schritte auf die Ranch zu. Er erkannte, was das Mädchen so verängstigt anstarrte: Lämmer. Ganz viele, kleine Lämmer drückten sich eng aneinander und schrien aus Leibeskräften. Dann hörte er brüllende Männerstimmen im Viehstall. In regelmäßigen Abständen sah er zwei Arme, die sich jeweils ein Tier schnappten. Das Mädchen hatte sich in einer Ecke verschanzt. Er kam noch näher auf den Stall zu, bis er direkt vor dem Tor stand. Er sah eine Klinge aufblitzen und gleich danach das Blut spritzen. Er wusste, was passierte. Ein Blick auf die Bäume gab ihm die Gewissheit: Es war Frühling und für die Lämmer war es an der Zeit, geschlachtet zu werden. Bei jedem einzelnen Tier war ein leises Wimmern des Mädchens zu hören. Plötzlich packte sie eins der Lämmer, hob es sich über die Schultern und schlich davon. Die zwei Männer waren so beschäftigt, dass sie von ihrer Flucht nichts mitbekamen. Hannibal allerdings schon. Er hatte kein Interesse daran, Lämmern beim sterben zuzusehen. Deshalb folgte er dem Mädchen. Doch als er sich umdrehte erkannte er, dass es Clarice war, die mit dem Lamm davonlief. Sie war erwachsen.Er rief sie: "Clarice!" Aber Sie rannte weiter. Seine Schritte beschleunigten sich, bis auch er rannte. Wie ungewöhnlich, dachte er dabei. Er rief sie noch etwas lauter: "Clarice!" Endlich hörte sie und blieb stehen. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn panisch an: "Dr. Lecter, ich... ich.." "Schon gut, Clarice. Irgendwann werden sie schweigen.", sagte Hannibal und deutete auf das Lamm: "Lassen Sie es laufen, Clarice." Sie seufzte und setzte das Lamm auf den Boden. Hannibal beobachtete sie und fragte sich, was sie dachte: "Clarice, ich wüsste wirklich zu gern, was in Ihrem Kopf vor sich geht. Können Sie es mir sagen?" Sie sah ihn an. Doch bevor sie etwas sagen konnte, wurde Hannibal plötzlich schwarz vor Augen...
Er schlug die Augen auf und fand sich in seinem Bett wieder. Er hatte immer noch den seidenen Schlafanzug an und registrierte allmählich, dass das ganze nur ein Traum gewesen sein konnte. Warum träumte er davon? Wahrscheinlich wegen der Frage, die ich Clarice gestern nicht stellen konnte, dachte Hannibal während er sich aufrecht setzte und gähnte. Doch als er auf die Uhr sah, war er sofort hellwach. Er hatte verschlafen?! Unmöglich! Das war ihm noch nie passiert!
Er stand auf und lief eilig ins Badezimmer, genoss eine kurze Dusche und schlüpfte danach eilig ins seine schwarze Jeans und sein weißes Hemd. Gekonnt band er sich er sich die zum Outfit passende schwarze Krawatte um und eilte danach in sein Arbeitszimmer. Er hatte noch soviel zu erledigen! Wie konnte er ausgerechnet heute verschlafen?! Kopfschüttelnd stieg Hannibal in seine schwarzen Schuhe, griff nach dem Koffer und stand schon im Türrahmen, als er feststellte, dass er den kleinen Zettel in der anderen Hose vergessen hatte. Also ging er noch einmal schnell ins Badezimmer, angelte sich den Zettel, ließ ihn in seiner Hosentasche verschwinden und verließ dann sein Apartment.
Als er im Wagen saß, beruhigte sich Hannibal wieder. Stress war normalerweise nie ein Problem für ihn gewesen. Und das würde er auch heute nicht zulassen! Er startete den Motor und begann, die Punkte auf seiner Liste abzuarbeiten...

Clarice stand im Badezimmer und betrachtete ihr Spiegelbild. Dieses schenkte ihr einen total desinteressiert wirkenden Gesichtsausdruck - ihren eigenen. Dann wischte sie mit einem Lappen über den Spiegel. Sie hatte beschlossen, heute mal wieder etwas aufzuräumen. Auch wenn das nicht gerade eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war, es musste dennoch von Zeit zu Zeit gemacht werden! Und das wusste Clarice. So putze sie das Badezimmer und summte nebenbei zur Musik, die leise im Radio spielte, welches sie angeschaltet hatte...
Binnen kürzester Zeit war das Badezimmer sauber und glänzte. Zufrieden stemmte sie die Hände in die Hüften und sah sich um, ob sie doch etwas übersehen hatte. Als sie erkannte, das dem nicht der Fall war, ging sie in die Küche und hantierte dort herum. Zwischendurch genehmigte sie sich mal einen Kaffee. Dann putzte sie weiter uns so ging es durch jedes Zimmer, bis das komplette Apartment zu glänzen schien. Clarice wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn und seufzte erleichtert. Das war geschafft! Und sie hatte sich heute noch nicht einen dummen Spruch gefallen lassen müssen! Was wollte sie mehr? Bei dieser Frage meldete sich wieder dieses Flüstern, welches Clarice mit Mühe zu unterdrücken und zu verdrängen versuchte. Das Flüstern wisperte Hannibals Namen und Clarice liefen wieder ungewollt heiß-kalte Schauer über den Rücken. Sie schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. Es war jetzt kurz nach drei Uhr Nachmittags. Noch knapp fünf Stunden bis zu ihrem Rendezvous mit Jack Crawford. Sollte sie es wirklich so nennen? War es ein Rendezvous? Nein, der Gedanke gefiel Clarice nicht! Es war ein Treffen. Ein Treffen mit einem guten Freund, mehr nicht. Wovor hatte sie eigentlich solche Angst? Jack beteuerte immer wieder, dass er sie verstehen würde. Dann konnten seine Absichten doch nicht so egoistisch sein, oder doch? War es vielleicht eine Maske? Versteckte er seine wirklichen Absichten und wartete einfach auf eine gute Gelegenheit? Wie ein Raubtier auf der Jagd nach seiner Beute? Und da waren sie wieder, diese elenden, wahrscheinlich niemals aufhörenden Zweifel...
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