Watch_Dogs: Digital Trip
von YumiYusei
Kurzbeschreibung
Kiara und ihr älterer Bruder Riccardo leben im digitalen Großstadtdschungel Chicagos. Ihr Bruder arbeitet bei der berühmten Firma Blume Corporations und ist ein großes technisches Talent. Eines schicksalhaften Tages jedoch wird Kiara aus ihrem normalen Alltag gerissen und findet sich plötzlich in der dunklen Hacker und Fixer Szene Chicagos wieder, in einem Strudel aus Wahrheit und Vergeltung muss sie um ihr Überleben kämpfen...
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.03.2015
25.03.2015
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12.03.2015
5.894
Ja ich hab ewig nix mehr auf diesen Account hochgeladen und dacht mir ich fang mal wieder damt an xD Und da ich momentan ziemlich ein Narren an Watch Dogs gefressen hab hatte ich lust auf eine FF dazu. Hoffe euch gefällts und vielleicht lad ich ja noch andre Storys hoch.
Warnung:
Die Geschichte enthält kleine Spoiler da sie nach den Geschehnissen von Watch Dogs spielt, also wer das Spiel noch nicht durch hat oder es noch spielen/let´s play schauen möchte, sollte hiermit gewarnt sein.
Ansonsten have fun mit Kapitel 1 ;)
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Langsam kam das Fahrzeug zum Stillstand. Mein Bruder wirkte wie immer ein wenig hektisch und gestresst obwohl er heute einen freien Tag hatte. Aber es war wie üblich.
„Bin gleich wieder da.“ sagte er flüchtig zu mir und stieg dann schon aus dem Auto.
Immer wenn er das sagte, dann würde er erstrecht lange brauchen. Seufzend lehnte ich mich also im Beifahrersitz zurück und sah aus der Windschutzscheibe. Der Autoschlüssel steckte noch, der Radio lief somit noch, während ich mich umsah.
Wie üblich war reges Treiben in Chicago. Jede Menge Passanten die an unserem parkenden Fahrzeug vorbeizogen. Viele in großer Eile, andere vollbepackt mit Einkaufstüten und vor allem die größte Mehrheit mit dem Handy beschäftigt. Belächelnd, fast schon spottend betrachtete ich den digitalen Großstadtdschungel, sah in die sorglosen Gesichter der Passanten die nichts ahnend auf ihrem Handy SMS verschickten und telefonierten. Sie alle hatten ja gar keine Ahnung. Für sie war das Netzwerk eine Freude, eine Bereicherung des Lebens und heutzutage gar nicht mehr wegzudenken, für andere wiederrum war es eine Tür in eine neue Welt, ein Spielplatz der anderen Art. Ich gehörte weder in das eine Metier noch in das andere, ich beobachtete beides nur kritisch, was nicht zuletzt auch an meinem Bruder lag.
Mein Blick schwenkte rüber zu dem großen Gebäude vor welches unser Auto parkte und welches vor kurzem mein Bruder betreten hatte. Eins der vielen riesigen Gebäude Chicagos. Die riesige Glasfront glänzte einwandfrei als würde jeden Tag jemand dort die Fenster putzen, höchst wahrscheinlich war dem sogar auch so. Ein großer Bürokomplex. Ich konnte mir nur vorstellen wie es drinnen aussah aber sicherlich genauso steril und akkurat wie es von außen wirkte. Der Eingang mit einem Sicherheitscode versehen, dahinter konnte man dann schon die Information, die riesige Eingangshalle und die Security vermuten auch wenn man durch das spezielle Glas nicht ins Gebäude hineinsehen konnten sondern von drinnen eben nur nach draußen. Neben dem Eingang das große sechseckige Symbol, mit der sechskantigen Blume darin an die Fensterscheibe geklebt. Blume Corporation. Die bekannteste Firma Chicagos, die Firma die in hohen Tönen gelobt wurde, die Firma die das ctOS erfunden hatte und den Leuten in Chicago mit ihrem System größte Sicherheit und Diskretion versprach. Wie bereits erwähnt war das ein zweischneidiges Schwert, auf der anderen Seite stand eben die Gegenpartei, die Szene der Hacker und Fixer die mit Blume und dem ctOS neue Geschäfte gewittert hatten. Die moderne Mafia. Die meisten Leute verschlossen ihre Augen, sagten, dass sie das alles nicht wirklich glaubten aber vermutlich wollten sie es einfach nur nicht wahrhaben und verschlossen deswegen Augen und Ohren. Ja, ich hatte geglaubt ich hatte eine gewisse Ahnung davon aber wie ich später feststellte, hatte selbst ich keine Ahnung von dem Ausmaß hinter den Kulissen. Im heutigen Zeitalter werden eben mit Daten gedielt.
Ich ließ meinen Blick wieder schweifen, beobachtete wieder die Leute die an mir vorbeizogen oder die Autos die zu meiner rechten an mir vorbei fuhren. Wie immer war in einer Großstadt viel los. Jede Menge Trubel wie man es nicht anders erwartet. Ich seufzte als das Beobachten allmählich langweilig wurde. Ich hatte gewusst, dass er lange brauchen würde, dabei hatte er gesagt er hatte nur ein paar Dokumente auf dem Schreibtisch vergessen die er unbedingt bräuchte. Es war immer so, dass wenn er sagte es dauert nicht lange, dass es gerade dann lange dauerte.
Ich begann also etwas am Radio herum zu spielen, suchte die Sender nach gescheiter Musik durch aber in erster Linie versuchte ich einfach nur irgendeine Beschäftigung zu finden. Wenn ich eins nicht ausstehen konnte, dann war es zu warten und dabei Langeweile zu haben. Zu gegeben in manchen Punkten war ich vielleicht ein etwas ungeduldiger Mensch. Bald schon hatte ich aber auch sämtliche Sender durchwühlt und ließ mich nur neuerlich in den Beifahrersitz zurück fallen. Ein kurzer Blick zum Eingang des Gebäudes verriet mir, dass sich dort nichts tat, keine Tür die sich öffnete und meinen älteren Bruder preisgeben würde. Vermutlich quatschte er wieder mit irgendeinem Kollegen, es war doch eine längere Angelegenheit wie er gesagt hatte oder der Chef ist ihm über den Weg gelaufen und hat noch ein plötzliches Anliegen. Irgendwie so etwas ist es immer oder so ähnlich.
Als jedoch gedämpft durch die Scheibe etwas mehr Trubel und Aufruhr zu hören war sah ich verwundert auf. Ich regte den Hals und sah um mich, konnte aber noch nicht wirklich ausmachen woher die Aufruhr kam. Vermutlich war es aber ohnehin nur ein Passant der sich aufregte weil irgendeiner wieder zu schnell fährt oder Skateboarder sowie Fahrradfahrer etwas unvorsichtig auf dem Bürgersteig entlang düsten. Ich wollte gerade in den Rückspiegel sehen als zur Fahrerseite, ich eine Passantin erblickte die etwas verärgert zur Seite sprang. Kurz darauf rückte schon ein Mann in mein Sichtfeld der es ziemlich eilig hatte und der anscheinend vor Eile auch irgendwelche Passanten anrempelte oder ihnen nur Millimeter knapp auswich ehe er sie gänzlich umgerannt hätte.
Ich war gerade dabei den Gedanken zu beginnen was für eine seltsame, zwielichtige Gestalt der Kerl doch war als er abrupt stoppte und er zu mir sah. Ich wusste nicht genau ob er zu mir sah, seine Augen konnte ich nicht sehen aufgrund der Käppi die er bis tief ins Gesicht gezogen hatte aber deutlich war dennoch, dass er in meine Richtung sah. Von einer auf die nächste Sekunde streckte er schon die Hand aus und riss die Autotür auf. Im ersten Moment war ich geschockt und konnte gar nicht realisieren was nun abging. Ich konnte diese Dreistigkeit schlichtweg nicht fassen und brauchte daher eine ganze Weile ehe ich kapierte, dass das gerade wirklich passierte!
Der Typ riss die Autotür auf und stieg einfach ein.
„Jetzt komm endlich!“ rief er in deutlich gereizten Tonfall und ehe ich mich versah öffnete sich auch die Hintertür und ein weiterer Kerl stieg fluchend ein „Scheiße Mann, scheiße!“
Er klang wesentlich nervöser und aufgebrachter. Mit einem lauten Knall zogen sie beide die Autotür zu, während ich nur zwischen den zwei Typen hin und her sah. Das war nicht deren ihr ernst? Wer waren diese zwei Bastarde, sich zu erdreisten am helllichten Tag, mitten in Chicago ein Auto zu klauen in dem sogar noch jemand drinnen saß?! Ich war echt sprachlos.
„Hey, was soll der Mist?!“ brüllte ich mit einem mal los und konnte es echt immer noch nicht fassen.
Ich meine, mal ehrlich wer stielt hier und jetzt ein Fahrzeug?!
Die zwei Kerle beachteten mich nicht mal, es wirkte gar so als wäre ich einfach gar nicht für sie da aber vermutlich hatte das mehr damit zu tun, dass sie ganz andere Probleme hatten als mich.
„Scheiße Mann, ich hab doch gesagt das geht nicht gut!“ brüllte der auf der Rückbank panisch und sah ständig um sich.
„Jetzt halt doch mal die Klappe! Ich sagte ich mach das schon!“ gab der andere etwas genervt zurück während er das Auto startete und der Motor mit einem brummen ansprang.
„Sie haben gesagt du seist der beste Fahrer!“ jammerte der andere wieder und es klang gar mehr wie eine Hoffnung mit leichter Verzweiflung und Ungläubigkeit darin.
„Bin ich auch.“ antwortete er nur schlicht.
„Dann bring uns hier gefälligst raus!“ rief der auf der Rückbank wieder panisch, während er weiterhin immer nervös um sich sah und nicht still sitzen konnte.
„Kannst du jetzt mal ruhig sein und einfach nur das tun was ich sage?!“
Ich wusste echt nicht was abging und im Grunde war es mir auch vollkommend egal was die zwei ausgefressen hatten, was für ein Problem sie hatten aber nicht egal war, dass sie gerade unser Auto stahlen mitsamt mir!
„Das ist Diebstahl und Entführung!“ rief ich und hoffte endlich mal Aufmerksamkeit zu bekommen.
Aber erneut gab es keine Aufmerksamkeit für mich, denn im Rückspiegel leuchteten blaue Sirenen auf. Polizei kam um die Kurve gebrettert mit blinkenden Lampen und den Sirenen an.
„Oh Fuck, gib Gas Mann!“ schrie der Kerl hinter mir und lehnte sich zwischen Beifahrer und Fahrersitz zu uns nach vorne.
Der andere Kerl trat sofort aufs Gas und rauschte mit quietschenden Reifen los. Ich rutschte aufgrund der ruppigen Fahrweise in meinem Sitz umher, während ich gar nicht mehr wusste was ich eigentlich tun sollte. Aufmerksamkeit schenkte man mir nicht, das Lenkrad konnte ich ihm nicht entreißen ohne Gefahr zu laufen, dass wir einen Unfall dann machten und mein Handy zücken war ebenso Sinnfrei, denn die Polizei war schon an uns oder eher ihnen dran.
Da ich nichts anderes zu tun hatte, sah ich mir die zwei Typen etwas genauer an. Der Fahrer war definitiv eine zwielichtige Gestalt mit seinem vermummten auftreten, klar war er wollte kein Risiko laufen erkannt zu werden. Die schwarze Baseballkappe die er trug und tief ins Gesicht gezogen hatte und für sein nicht mehr jugendliches Alter wohl eher untypisch war. Dazu diesen graumelierten Schal den er bis über die Nasenspitze gezogen hatte und ein mir unbekanntes hellgraues Symbol vorne zierte. Unter seiner Käppi kamen braune Haare zum Vorschein. Durch sein vermummtes auftreten, blieben nur seine Augen frei, auf die ich von der Seite nun einen Blick erhaschen konnte. Tiefgründige grüne Augen, eigentlich sehr hübsche Augen. Ein tiefes, leuchtendes grün die nahezu einen stechenden Farbklecks und Kontrast zu seiner sonst so dunklen und mysteriösen Kleidung ergaben. Diese Augen waren so zielgerichtet, so kalt und doch voller Wärme. Ich war mir nicht sicher aber irgendwie war ich irritiert von diesen Augen. Ich war mir unsicher aber irgendwie erkannte ich darin Tiefgründigkeit, eine Geschichte, Trauer und Wut. Vielleicht irrte ich mich auch, denn egal wie er war ein Krimineller!
Des weiteren trug er einen braunen Mantel, soweit ich das sah die Innenseite davon Orange. Darunter einen grauen Strickcardigan mit hohem Kragen und langen Ärmeln mit Daumenlöchern. Dazu eine schlichte dunkelblaue Jeans die ihre besten Tage auch schon hinter sich hat. Der nervöse Typ auf der Rückbank wirkte nicht ganz so mysteriös aber dennoch erkannte man auf den ersten Blick aus welcher abgedroschenen Szenerie er kam. Kurze, schwarze Haare und dazu dunkle Kleidung. Die schwarze, leicht zerschlissene Lederjacke die mit Nieten bestückt war, darunter ein schlichtes, schwarzes Shirt und ebenfalls dunkle abgetragene Jeans. In seinen braunen Augen las ich die Nervosität heraus die sein ganzer Körper ohnehin schon ausstrahlte. Eigentlich hatte ich gedacht das Typen wie er die in solch einer Szenerie unterwegs waren auch locker mit den jeweiligen Situationen umgingen aber vielleicht war er auch einfach nur ein Neueinsteiger. Zumindest sah ich auch erst jetzt, dass er einen Aktenkoffer fest umklammert hielt. Vielleicht kamen sie gerade von einem Banküberfall?
Ich wurde als nächstes aber schon wieder durch meinen Sitz geschleudert und nahezu an meine Fensterscheibe gedrückt als der vermummte Typ driftend in die nächste Kurve schlidderte aufgrund zu hoher Geschwindigkeit. Als ich geradeaus sah, weiteten sich meine Augen als er gerade Wegs quer schliddernd über eine Großkreuzung rauschte. Es hupte lautstark, es quietschten die Reifen von Fahrzeugen die eine Vollbremsung hinlegen mussten und knapp hinter uns krachten zwei Fahrzeuge ineinander. Viel mehr Sorgen machten mir aber die Fahrzeuge vor uns denn wir schlidderten mehr auf die zweispurige Gegenfahrbahn und nahmen halb noch den Randstein des Bürgersteigs mit. Ich sah mich schon frontal mit eins der Autos die dort standen kollidieren, sah die entsetzten großen Gesichter der Leute in den Autos die wohl dasselbe erahnten wie ich. Sie starrten einfach nur geschockt. Einer der in der dritten Reihe mit seinem Auto stand, stieg gar panisch aus und versuchte wenigstens sich zu retten. Der Typ neben mir war verrückt, denn als ich zu ihm sah konnte ich keinen einzigen Gesichtszug an Panik erkennen. Der Typ war so ruhig und locker wie bei einer Tasse Kaffee.
„Oh Mist!“ schrie auch der Typ hinter mir und krallte sich nahezu in die Sitze vor sich sonst wäre er auf der Rückbank gänzlich hin und her gepurzelt denn er war nicht angeschnallt.
Ich hatte keine Ahnung wie der Kerl es geschafft hatte, entweder er hatte verdammt Glück oder er hatte schon verdammt viel Erfahrung und war wirklich einfach nur ein ausgesprochener guter und präziser Fahrer. Irgendwie schaffte er es unser Fahrzeug direkt zwischen die zwei Reihen wartenden Autos an der Ampel zu bugsieren. Es kratzte, quietschte und schepperte dennoch als sich unsere Seitenspiegel verabschiedeten und der Lack rechts und links an den anderen Autos vorbeischrammte. Kein Schaden der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigte und aufgrund der Enge ohnehin nicht anders möglich gewesen wäre aber aufgrund dessen, dass es das Fahrzeug meines Bruders war, dass gerade von einem Fremden verunstaltet wurde, war es nichts was ich akzeptieren wollte.
Mit einem Ruck zog er schnell das Fahrzeug wieder rüber auf die richtige Fahrbahn und raste weiter durch die Straße. Ich sah kurz nach hinten zur nun chaotischen Kreuzung und erblickte wie einige der Polizeiautos tatsächlich Schwierigkeiten hatten sich an dem Chaos vorbei zu arbeiten. Dennoch noch weitaus genug schafften es schnell an dem Chaos vorbei und blieben hartnäckig an uns dran.
„Die sind immer noch an uns dran! Wir müssen diese scheiß Bullen loswerden!“ keifte der auf der Rückbank.
„Das weiß ich auch.“ gab der andere nur wieder schlicht zurück.
Er begann mit einer Hand in seiner linken Manteltasche zu kramen und gerade als ich mich fragte, was das überhaupt sollte, zog er schon ein silbernes Smartphone hervor. Breites, großes Touchscreen und wirkte wie nagelneu. Der Kerl war echt durchgeknallt, denn was bitte wollte er nun mit dem Handy? Unterstützung anfordern von irgendwelchen weiteren kriminellen Gangheinis? Jedenfalls hatte er sich auf das Fahren zu konzentrieren, erstrecht mit dem Tempo mit dem wir unterwegs waren. Aber er verschwendete kaum einen Blick auf das Handy, flüchtig sah er aus dem Augenwinkel mal auf das Display und tippte darauf herum. Er schien auswendig zu wissen wohin er wollte, was er suchte. Ich erkannte wie seine Augen vom Display in den Rückspiegel huschten, wie er wieder geradeaus sah und dann wieder auf den Rückspiegel sah. Er hatte was vor, er plante etwas aber ich hatte nicht mal annähernd eine Ahnung von dem was er vorhatte, von dem was ich gleich sehen würde und von dem selbst ich doch etwas überrascht war.
Vor uns lag die nächste Kreuzung, die Ampeln warn auf rot und dennoch hielt er mit einem Karacho auf die Kreuzung zu. Der Kerl würde uns noch umbringen. Ich glaubte aber in seinen Augen ein Grinsen sehen zu können, seinen Mund sah ich ja nicht. Sein Blick huschte immer wieder zwischen Rückspiegel und Frontscheibe, das Handy immer noch in Händen und den Daumen bereit.
Die Polizei war dicht hinter uns, rief immer mal wieder mit Lautsprechern uns zu, wir sollten endlich anhalten und uns stellen.
Ein simpler Fingerwisch auf seinem Handy und im Blickwinkel sah ich wie im selben Moment die Ampel von rot auf grün schaltete, nicht nur das, wie sich herausstellte schaltete sich die Komplette Kreuzung auf grün. Die Autos fuhren nichts ahnen an ehe sie realisierten, dass irgendwie die gesamte Kreuzung anfuhr und wohl grün hatte. Es hupte und quietschte wieder, während unser Fahrzeug sich gerade so durch das aufbauende Chaos schlängelte und erneut einige Autos tuschierte. Hinter uns quietschte es lauter, kurz darauf ein Krachen und die Polizei war mit den Autos kollidiert die von allen Straßenseiten mitten die Kreuzung nun blockierten. Ein ganzes Knäul an Autos hatte sich da gesammelt und ein durchkommen war absolut unmöglich. Die Straße war dicht. Der Kerl hatte den rechten Zeitpunkt abgepasst wann er die Ampeln auf grün stellen musste, so dass er gerade noch mit dem Fahrzeug durch die Mitte sich schlängeln konnte ehe sich alles zufuhr und hängte so gleichzeitig die Polizei ab die ich nahezu laut fluchen hörte.
Etwas überrascht sah ich zu dem Kerl der mich keines Blickes würdigte, obwohl ich sicher war, dass er im Blickwinkel sehen musste, dass ich ihn ansah. Er war ein Hacker, das stand nun fest und so wie ich das sah noch dazu ein ziemlich guter und talentierter. Ich hatte ja schon davon gehört, auch von dem was mein Bruder gesagt hatte, dass es einige Leute gab die ziemlich gut im hacken waren. Ich betrachtete das ganze System daher auch nicht so sorglos wie die Mehrheit der Bürger Chicagos aber das er mit einem simplen Fingerwisch auf seinem Smartphone solch ein Ausmaß anrichten konnte war selbst mir neu. Daten stehlen, in andre Netzwerke eindringen, das war mir klar, das hatte ich selbst schon gesehen immerhin war mein Bruder ebenfalls erfahren in dem Gebiet, kein Wunder er arbeitete immerhin bei Blume Corporations und hatte Erfahrung auf dem Gebiet Informatik. Dennoch von dem Ausmaß und dem Talent dieses Kerls war selbst ich überrascht und schockiert.
„Wuhu!“ schrie der Hintermann „Das war krass! Alter, du hast sie abgehängt, das war ultra genial! Diese Scheißdrecks Bullen.“
„Noch sind wir nicht in Sicherheit, die Freude ist zu früh.“ holte er seinen Mitfahrer wieder auf den Teppich „Die werden versuchen uns mit dem ctOS Scanne zu erwischen.“
Der Typ schien echt Ahnung zu haben, nicht nur das, er schien sich auch mit dem ctOS auszukennen. Vielleicht gehörte er zu einen der Organisationen die gegen Blume vorgehen, zu einer dieser mysteriösen Hacker Gruppen die mit Botschaften immer mal wieder in den Nachrichten auftauchten und vor der Anfälligkeit des ctOS warnten. Immerhin fungierte die ganze Stadt mit dem System, praktisch alles war mit den ctOS Servern verbunden und jedes kleinste Teil wurde damit gesteuert. Vielleicht war er aber auch einfach jemand anderes.
„Verflucht! Was machen wir da jetzt?“ grummelte der andere wieder und schlug leicht gegen meinen Sitz vor Wut, anscheinend hatte er wirklich gehofft es wäre endlich vorbei.
„Wir versuchen unterzutauchen. Wenn ich den Motor ausschalte, dann seid ihr still und haltet euch in Deckung ist das klar?“ wies der Mann mit der Käppi an.
„Oh scheiße Mann, was wenn sie uns trotzdem finden?“ bekam der andere schon wieder kalte Füße.
„Mach einfach was ich sage und bewahre ruhe.“ wies er noch mal deutlich an und er hatte derweil auch Tempo heraus genommen, fügte sich fast nahtlos in den Stadtverkehr nun ein.
„Einen Teufel werde ich tun!“ mischte ich mich endlich mal wieder ein, denn was glaubte er denn wer er war?
Erwartete er ernsthaft, dass ich einfach tat was er sagte, nachdem er mit mir und meines Bruders Auto davon gefahren war? Erwartete er da ernsthaft, dass ich da seinen Anweisungen folgte und verhinderte, dass diese zwei Mistkerle festgenommen wurden?
„Zwing mich nicht dir zu drohen.“ gab er seufzend zurück und drehte zum ersten mal den Kopf zu mir.
„Das ist schon eine Drohung.“ korrigierte ich trotzig.
„Hör zu, wir wollen kein Ärger und du bestimmt auch nicht. Niemand will Ärger, also ziehen wir die Sache einfach gemeinsam durch und danach verschwinden wir. Du wirst nie weder von einem von uns hören, dir passiert nichts und alles ist gut.“ begann er mit einer ruhigen Tonlage aber ich sah das ganze nicht so.
Nichts war gut, selbst wenn sie mir nichts taten sah ich schon aus Prinzip nicht ein zwei Kriminellen zu helfen, davon abgesehen würde die Polizei Fragen stellen. Sie würden anhand des Nummernschildes wissen, dass es das Fahrzeug meines Bruders war, sie würden also zu uns kommen und nachfragen. Sie würden herausfinden, dass ich mit in diesem Fahrzeug saß und dann sollte ich für zwei wildfremde, durchgeknallte Vollidioten den Kopf hinhalten? Ganz sicher nicht.
„Die Polizei wird mir Fragen stellen!“ erklärte ich wütend und verschränkte die Arme.
„Du hast uns nicht erkannt, nichts gesehen und du weißt einfach von nichts.“ mischte sich der Mitfahrer nun ein und zum ersten mal klang er nicht mehr so nervös.
Ich sah nur trotzigen zwischen den beiden hin und her und ich hatte immer noch nicht vor die beiden zu decken. Unser Fahrzeug bog nun in eine ruhige Seitengasse ein, in der Ferne hörten man wieder Sirenen. Die Verstärkung der Polizei war anscheinend da und sie suchten nun nach uns. Sofort stieg wieder die Nervosität des Hintermanns, während der Fahrer wie die ganze Zeit locker blieb. Wir folgten der schmalen Gasse, hinaus auf einen kleinen Parkplatz, dort parkten wir. Er schaltete den Motor aus und ich wollte augenblicklich die Tür aufreißen aber ich war ein Ticken zu spät gewesen. Er hatte damit gerechnet und schon alle Türen verriegelt. Ich warf ihm nur einen dunklen Blick zu.
„Ich sag es dir noch einmal, mach keinen Ärger und du bekommst auch keinen Ärger.“
Verdammt, ich stand wahrlich mit dem Rücken an der Wand. Ich wusste wie so Typen waren, mit denen war nicht zu Spaßen und daher sollte man sich mit denen auch nicht anlegen. Sie würden dich finden und sie würden dich kriegen. Vor allen Dingen Leute wie er, Leute die zu den Hackern und Fixer gehörten, Leute die im Schatten Chicagos ihr Unwesen trieben.
Ich biss mir daher auf die Lippen und solang sie ihr Wort hielten und mich dann in Ruhe lassen würden befand ich es als besser zu tun was sie sagten um weiteren unnötigen Ärger zu umgehen. Im Grunde ging es mich nichts an, ich musste nicht die Heldin spielen und keinen Gerechtigkeitssinn raushängen lassen. Außerdem was hätte ich der Polizei schon hilfreiches über die zwei Typen sagen können? Eine Personenbeschreibung von dem Hintermann? Ja, es ging gegen mein Ego solche Drecksäcke davon kommen zu lassen aber andererseits war ich nicht lebensmüde und der Kerl hatte recht, das hier war es nicht wert Ärger mit Typen wie denen anzufangen, denn als normal sterblicher ziehst du gegen Typen wie die immer den kürzeren.
Zur Bestätigung, dass ich kooperativ war rückte ich in meinem Sitz tiefer und hielt mich geduckt. Er nickte mir zu und verhielt sich nun auch ruhig, ebenso wie der Hintermann. Die Sirenen kamen näher und auf der gegenüberliegenden Fahrbahn fuhr ein Streifenwagen vorbei. Sofort wurde der Kerl hinter uns wieder unruhig.
„Einfach ruhig bleiben. Unauffällig verhalten.“
Das war leichter gesagt als getan wenn ich mich zumindest in ihre Lage versetzte, dann wäre ich auch total nervös und hätte schiss dass sie mich kriegen würden. Der Streifenwagen fuhr allerdings an uns vorbei, er schien nicht zu ahnen, dass Flüchtlinge sich einfach auf einen Parkplatz stellten und wartete, zumal wir gut verdeckt waren hinter den Bäumen und Büschen, der hohen Randmauer die den Parkplatz einzäunte und zwischen all den anderen parkenden Autos. Wir mussten auch gut verdeckt sein denn ein solch zerkratztes Fahrzeug ganz ohne Seitenspiegel würde eigentlich jedem sofort ins Auge stechen. Kaum war der Streifenwagen weg, richtete sich der Typ wieder im Fahrersitz auf und drehte den Zündschlüssel um, um den Motor zu starten. Mit einem kurzen Klicken, einem folgenden Piepsen und aufleuchten der Armaturen, schnurrte der Motor auf. Langsam manövrierte er das Auto aus der Parklücke und als er sich nochmal genau umgesehen hatte um sicher zu gehen, dass die Luft rein war wagte er sich die Hauptstraße zu überqueren. Er hielt sich an Seitenstraßen und Gassen durch die ein normales Durchfahren eigentlich nicht gedacht war, es gab viele so abgelegene Gassen in Chicago, Gassen die Dunkel und Unheimlich waren, die so herabgekommen, schmuddelig wirkten und bei der du Angst hattest hinter jeder Ecke lauerte eine gemeingefährliche, düstere Gestalt. Ein Mülleimer fiel klimpernd zu Boden als das Fahrzeug gerade durch die schmale Passage passte. Irgendwie war ich froh wenn es bald vorbei war. Ich wollte nur noch raus, weg hier und nichts mehr mit diesem Fall zu tun haben. Nach ein paar weiteren Gassen und ruhigen Straßenüberquerungen schien die Luft endgültig rein zu sein. Anscheinend hatte er die Polizei wirklich abgehängt.
Er parkte das Auto in irgendeiner Seitenstraße von Chicago. Ich hatte keine Ahnung wo aber so wie es hier aussah, befanden wir uns durchaus noch im Loop Viertel. Das konnte ich sagen anhand der riesigen Gebäude, denn im Loop, das Zentrumviertel Chicagos protze so nur von großen Bauden.
Erleichtert atmete der Hintermann aus und klopfte seinem Vordermann dann auf die Schulter „Man das war knapp!“
Er lachte dann erleichtert und ließ sich im Sitz wieder zurück fallen „Ehrlich Alter ich dachte erst wir gehen sowas von drauf aber dann. Du hältst was man über dich sagt, du bist dein Geld wert!“
Der Kerl mit dem Mantel stieg nun aus, der auf der Rückbank tat es ihm gleich, während ich noch sitzen blieb und ihnen skeptisch nach sah. Machten sie sich jetzt einfach aus dem Staub? Sie schlugen beide die Autotür zu und so konnte ich ihr Gespräch nur noch gedämpft durch die Autoscheiben vernehmen. Manchmal sprachen sie so leise, dass ich es nicht verstand, zumindest taten sie dies beim Beginn des Gespräches, als sich dann ihre Stimmen aber hoben konnte ich doch das Gespräch etwas verfolgen.
„Nein das tun wir nicht.“ wiedersprach der Kerl mit der Käppi harsch.
„Was wenn sie uns verrät?!“ fauchte der andere.
Er schüttelte jedoch den Kopf „Das wird sie nicht, außerdem weiß sie auch nichts relevantes.“
„Scheiße Mann, ich riskier nicht mein Arsch darauf dass sie die Klappe hält!“
Sein gegenüber ging ein paar Schritte auf ihn zu und sprach mit ruhiger aber dennoch eindringlicher Stimme, gar schon bedrohlich „Mein Auftrag, meine Regeln! Lass das meine Sorge sein, ist das klar?“
Der andere grummelte nur und überlegte wie er reagieren sollte ehe er kurz drohend den Finger hob „Ich schwör dir wehe sie macht uns Ärger.“
Ich sah noch wie er eine Rolle Geld aus seiner Jackentasche zog und dem Mantelträger überreichte. Der nickte nur dankend und dann ging der andere. Nun war nur noch er da. Leicht seufzend lehnte er sich an die Motorhaube und schob seine Hände in seine Manteltaschen. Er zog wieder sein Handy hervor und schien nun zu telefonieren. Er klang wirklich wütend und aufgebracht. Aufgrund seines lauteren Tonfalls konnte ich auch dies mithören aber wirklich mehr verstehen worum es hier ging tat ich nicht.
„Gott verdammt Jordi! Das nächste mal erledigst du deine scheiß Aufträge selbst ehe du sie mir wieder anhängst!“
Eine weile Stille, natürlich konnte ich nicht hören was derjenige an der anderen Leitung sagte. Etwas interessieren tat es mich schon aber andererseits wollte ich wirklich nur aus der Sache rausgehalten werden. Ich hatte mit der Szene nichts zu tun und ich wollte auch nichts mit irgendjemand von denen zu tun haben. Mir wäre es daher auch lieber gewesen, wenn das heute nicht passiert wäre.
„Ja, ja ich weiß. Aber das nächste mal schwör ich dir, dass du fällig bist wenn du noch einmal mit so etwas ankommst.“
Wieder eine weile Pause.
„Ja bin unterwegs…“ er stoppte kurz und sah über die Schulter kurz nach hinten zu mir ins Auto „…hab noch was zu erledigen, dauert aber nicht lange.“
Ich schluckte etwas schwer. Wollte er mich nun doch entsorgen? Zum schweigen bringen, dass ich ihnen auch ja keinen Ärger machen konnte?
Er legte auf, schob sein Handy wieder in die Manteltasche und stieg dann zu mir wieder ins Fahrzeug ein. Er atmete tief ein, legte die Hände ans Lenkrad und schien zu überlegen. Irgendwie lag etwas Schweres im Raum, als würde ihm wahrlich schwerfallen was er nun vorhatte. Ich war mir immer noch unsicher ob er mich wirklich einfach entsorgen würde, mitsamt dem Fahrzeug vielleicht oder er mir schlicht eine Kugel in den Kopf jagt und meine Leiche nur verschwinden lässt.
„Also das ganze tut mir leid.“ begann er in einem doch sehr freundlichen Ton und nun war ich mir sicher, dass es ihm schlicht schwer gefallen war wie er am besten das Gespräch anfing, was er am besten zu mir sagte.
Ich schnaubte nur verächtlich, denn er brauchte nun nicht auf netten, besorgten Beschützer zu machen. Das konnte ich auch nicht gebrauchen, jedenfalls nicht von einem wie ihm.
„Also wie wär´s, ich bring dich noch nach Hause?“ fragte er dann und sah zu mir rüber.
Ich starrte in seine Augen, mehr von seinem Gesicht sah ich ja ohnehin nicht aber ich versuchte aus ihnen schlau zu werden. Was genau ich von ihnen wissen wollte wusste ich nicht, vermutlich ob ich ihm trauen konnte.
„Damit jemand wie du weiß wo ich wohne?“ fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.
„Das weiß ich ohnehin schon.“
Ich starrte ihn ungläubig an dann fiel es mir aber wieder ein. Er war ja ein Hacker, klar war es für jemand wie ihn ein leichtes herauszufinden wo ich wohnte aber bluffte er nicht nur? Klar er konnte es herausfinden wenn er wollte aber er sagte er wüsste es schon. Ich glaubte kaum, dass er sich schon mal die Mühe gemacht hatte meine Adresse herauszufinden, wozu und mit welchen Bewegründen? Er war ein Hacker aber Hellseher war er gewiss nicht. Vielleicht wollte er mich nur weiter einschüchtern, damit ich auch wirklich die Klappe hielt.
Er schien aber sofort meine Skepsis zu bemerken und nahm mir diese gerne „Mad Mile, Canfield Ave. In einem Apartment, fünfter Stock.“
Ich starrte ihn einfach nur an. Woher wusste er das, wieso wusste er wo ich wohnte? Wann hatte er sich diese Informationen besorgt? Ich war überrascht und schockiert zu gleich.
„Also?“ fragte er nach.
Ich verschränkte nur die Arme und drückte mich nahezu in meinen Sitz wie ein beleidigtes Kind.
„Tu was du nicht lassen kannst.“ grummelte ich nur, denn was hätte ich sonst sagen sollen?
Er wusste ohnehin wo ich wohnte also gab es keinen Grund mich nicht von ihm nach Hause bringen zu lassen. Ich wollte einfach nur Heim. Ich hätte genauso gut zwar auch selbst fahren können denn Führerschein besaß ich, immerhin war ich 30 Jahre alt aber nach der ganzen Aktion war mir nicht zum fahren zu mute, erstrecht nicht nach dem wie das Auto danach aussah. Außenspiegel alle beide ab, Dellen und Kratzer die im schwarzen Lack der einst so schönen Audi Limousine prangten.
Die Fahrt über wechselten wir kein Wort, anscheinend wusste er nicht was er mit mir noch groß erzählen sollte genauso wenig wie ich wusste was ich zu ihm hätte sagen sollen, davon abgesehen hatte ich eigentlich auch gar keine Lust mich mit ihm zu unterhalten. Die Stimmung wirkte deutlich angespannt, die Luft knisterte förmlich und alles in allem wirkte das ganze fast wie ein Streit zwischen Vater und Tochter. Zumindest könnte man es so auslegen wenn man das so sah wie ich mit verschränkten, beleidigten Armen im Sitz saß und er immer mal wieder unsicher zu mir rüber sah. Sein Blick wirkte bemitleidend und entschuldigend, irgendwie auch besorgt aber er schien eben dennoch nicht zu wissen was er hätte sagen sollen. Er hatte auch recht, er hätte nichts sagen können zumindest wüsste ich nicht was er hätte sagen sollen, dass ich dies ihm verzieh. Die Sache war für uns beide abgehakt, mehr war aus dieser Situation nicht zu machen.
Das Auto wurde langsamer und letztendlich hielten wir in meiner Straße, ein paar wenige Häuser von meinem entfernt in einer eher ruhigen Gegend im Distrikt Mad Mile, eins der sechs Distrikte Chicagos und wie ich empfand die Mad Mile eines der eher schlimmsten. Es war das reichste Viertel hier in Chicago, moderne und teure Gebäude, reiche Leute, teure Boutiquen und überall am Straßenrand standen die teuren Karossen der reichen und schönen wie man so schön sagte. Auch das teuerste und berühmteste Hotel war hier in der Mad Mile zu finden, das Merlaut. Aufgrund das mein Bruder einen guten Job hatte bei Blume hatte er ein Apartment hier bekommen. Meine Eltern hatten früher im ruhigen Distrikt des Parker Squares ein Haus gehabt. Ich hatte diesen ländlicheren Ort viel mehr gemocht, es war ruhiger, schöner und atmosphärischer gewesen aber meine Eltern sind vor ein paar Jahren ins Ausland ausgewandert und haben das Haus verkauft, während mein Bruder und ich in ein Apartment gezogen sind. Ich fühlte mich in der verlogenen, gehobenen Klasse nicht so sonderlich wohl, denn hier kam mir immer alles so kalt und abgedroschen vor. Einfach keine Wärme war hier zu finden so wie ich es vom Parker Square kannte. Dort war das Großstadtleben nicht so wie in der Innenstadt, eben im Loop Viertel oder der Mad Mile. Der Parker Square war voll mit schönen Familienhäusern und Gärten, nicht mit den meterhohen Bürogebäuden und Einkaufsmalls. Ich mochte Chicagos Innenstadt, ich fuhr gerne ins Loop Viertel aber leben täte ich eigentlich lieber an einem ruhigeren Ort und vor allem nicht in der Mad Mile.
Er öffnete die Tür und stieg aus. Mit einem Klicken löste ich meinen Gurt und stieg ebenfalls aus. Er kam um das Auto herum zu mir gelaufen, die Hände wieder in seiner Manteltasche vergraben und den Blick mehr gegen Boden gerichtet, aufgrund seiner Käppi konnte ich so wieder nichts von seinem Gesicht sehen.
„Also..ähm…“ begann er und zog dann ein paar Geldscheine aus seinem Mantel die er mir hin hob „Für die Reparatur des Autos und als allgemeine Entschädigung.“
Ich sah verdutzt zu ihm, denn wer oder was war der Typ? Er war doch ein Hacker, anscheinend ein Krimineller, vielleicht gar ein Fixer immerhin hatten sie etwas von einem Auftrag geredet aber welcher Krimineller gab jemanden wie mir Geld? Ich meine Fixer waren dafür bekannt, dass sie praktisch die Arbeit für andere Kriminelle wieder fixten. Daher kam auch das Wort Fixer, sie fixten eben Dinge für andere Kriminelle. Aber eben drum ließen sich Fixer auch gut bezahlen und gerade solche Leute oder Leute mit viel Geld waren doch geizig. Das war nicht normal für Typen wie er die in solchen Milieus unterwegs und tätig waren. Das war wirklich seltsam…
Ich duckte mich ein wenig, wollte irgendwie in seine Augen sehen, er bemerkte meinen Versuch weswegen er leicht den Kopf hob und seine Augen preisgab. Er hielt mir noch immer das Geld hin, sah mich vielsagend an, während ich es zögernd entgegen nahm.
„Sag einfach nichts.“ sagte er abschließend, schob seine Hand wieder in die Tasche und ging dann einfach.
Er lief den Gehweg entlang, während ich ihm einfach verdutzt nachsah. Der Typ war seltsam und mysteriös und ich wusste nicht was von beidem er mehr war. Ich sah ihm nach bis er um die nächste Ecke verschwand und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich schüttelte nur den Kopf darüber und entschied endlich nach Hause zu gehen. Der Tag war lang und stressig gewesen, mein Bruder machte sich sicher schon Sorgen.
Ich öffnete also die Eingangstür und lief die Stufen hoch in den fünften Stock. Kaum hatte ich einmal geklingelt wurde mir in Windeseile schon die Tür geöffnet. Mein älterer Bruder stand vor mir, er sah mich erst überrascht an aber dann fiel er mir schon um den Hals. Seine Augen glitzerten leicht vor Tränen und er schien unendlich erleichtert.
„Kiara, Gott sei Dank es geht dir gut!“ sagte er voller Erleichterung und klang dabei irgendwie auch entschuldigend, als gäbe er sich eine gewisse Schuld an der ganzen Sache.
Ich gab ihm aber nicht die Schuld, so etwas konnte niemand erahnen und ich wollte die ganze Sache einfach nur vergessen. Wollte nicht in etwas hineingeraten nur weil ich Typen wie die versuchte zu verpfeifen, denn gegen Typen wie die konnte man nicht gewinnen, den Entschluss hatte ich nun gefasst und ich würde ihn erst später vielleicht überdecken aber das wusste ich für den Moment noch nicht.
Warnung:
Die Geschichte enthält kleine Spoiler da sie nach den Geschehnissen von Watch Dogs spielt, also wer das Spiel noch nicht durch hat oder es noch spielen/let´s play schauen möchte, sollte hiermit gewarnt sein.
Ansonsten have fun mit Kapitel 1 ;)
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Langsam kam das Fahrzeug zum Stillstand. Mein Bruder wirkte wie immer ein wenig hektisch und gestresst obwohl er heute einen freien Tag hatte. Aber es war wie üblich.
„Bin gleich wieder da.“ sagte er flüchtig zu mir und stieg dann schon aus dem Auto.
Immer wenn er das sagte, dann würde er erstrecht lange brauchen. Seufzend lehnte ich mich also im Beifahrersitz zurück und sah aus der Windschutzscheibe. Der Autoschlüssel steckte noch, der Radio lief somit noch, während ich mich umsah.
Wie üblich war reges Treiben in Chicago. Jede Menge Passanten die an unserem parkenden Fahrzeug vorbeizogen. Viele in großer Eile, andere vollbepackt mit Einkaufstüten und vor allem die größte Mehrheit mit dem Handy beschäftigt. Belächelnd, fast schon spottend betrachtete ich den digitalen Großstadtdschungel, sah in die sorglosen Gesichter der Passanten die nichts ahnend auf ihrem Handy SMS verschickten und telefonierten. Sie alle hatten ja gar keine Ahnung. Für sie war das Netzwerk eine Freude, eine Bereicherung des Lebens und heutzutage gar nicht mehr wegzudenken, für andere wiederrum war es eine Tür in eine neue Welt, ein Spielplatz der anderen Art. Ich gehörte weder in das eine Metier noch in das andere, ich beobachtete beides nur kritisch, was nicht zuletzt auch an meinem Bruder lag.
Mein Blick schwenkte rüber zu dem großen Gebäude vor welches unser Auto parkte und welches vor kurzem mein Bruder betreten hatte. Eins der vielen riesigen Gebäude Chicagos. Die riesige Glasfront glänzte einwandfrei als würde jeden Tag jemand dort die Fenster putzen, höchst wahrscheinlich war dem sogar auch so. Ein großer Bürokomplex. Ich konnte mir nur vorstellen wie es drinnen aussah aber sicherlich genauso steril und akkurat wie es von außen wirkte. Der Eingang mit einem Sicherheitscode versehen, dahinter konnte man dann schon die Information, die riesige Eingangshalle und die Security vermuten auch wenn man durch das spezielle Glas nicht ins Gebäude hineinsehen konnten sondern von drinnen eben nur nach draußen. Neben dem Eingang das große sechseckige Symbol, mit der sechskantigen Blume darin an die Fensterscheibe geklebt. Blume Corporation. Die bekannteste Firma Chicagos, die Firma die in hohen Tönen gelobt wurde, die Firma die das ctOS erfunden hatte und den Leuten in Chicago mit ihrem System größte Sicherheit und Diskretion versprach. Wie bereits erwähnt war das ein zweischneidiges Schwert, auf der anderen Seite stand eben die Gegenpartei, die Szene der Hacker und Fixer die mit Blume und dem ctOS neue Geschäfte gewittert hatten. Die moderne Mafia. Die meisten Leute verschlossen ihre Augen, sagten, dass sie das alles nicht wirklich glaubten aber vermutlich wollten sie es einfach nur nicht wahrhaben und verschlossen deswegen Augen und Ohren. Ja, ich hatte geglaubt ich hatte eine gewisse Ahnung davon aber wie ich später feststellte, hatte selbst ich keine Ahnung von dem Ausmaß hinter den Kulissen. Im heutigen Zeitalter werden eben mit Daten gedielt.
Ich ließ meinen Blick wieder schweifen, beobachtete wieder die Leute die an mir vorbeizogen oder die Autos die zu meiner rechten an mir vorbei fuhren. Wie immer war in einer Großstadt viel los. Jede Menge Trubel wie man es nicht anders erwartet. Ich seufzte als das Beobachten allmählich langweilig wurde. Ich hatte gewusst, dass er lange brauchen würde, dabei hatte er gesagt er hatte nur ein paar Dokumente auf dem Schreibtisch vergessen die er unbedingt bräuchte. Es war immer so, dass wenn er sagte es dauert nicht lange, dass es gerade dann lange dauerte.
Ich begann also etwas am Radio herum zu spielen, suchte die Sender nach gescheiter Musik durch aber in erster Linie versuchte ich einfach nur irgendeine Beschäftigung zu finden. Wenn ich eins nicht ausstehen konnte, dann war es zu warten und dabei Langeweile zu haben. Zu gegeben in manchen Punkten war ich vielleicht ein etwas ungeduldiger Mensch. Bald schon hatte ich aber auch sämtliche Sender durchwühlt und ließ mich nur neuerlich in den Beifahrersitz zurück fallen. Ein kurzer Blick zum Eingang des Gebäudes verriet mir, dass sich dort nichts tat, keine Tür die sich öffnete und meinen älteren Bruder preisgeben würde. Vermutlich quatschte er wieder mit irgendeinem Kollegen, es war doch eine längere Angelegenheit wie er gesagt hatte oder der Chef ist ihm über den Weg gelaufen und hat noch ein plötzliches Anliegen. Irgendwie so etwas ist es immer oder so ähnlich.
Als jedoch gedämpft durch die Scheibe etwas mehr Trubel und Aufruhr zu hören war sah ich verwundert auf. Ich regte den Hals und sah um mich, konnte aber noch nicht wirklich ausmachen woher die Aufruhr kam. Vermutlich war es aber ohnehin nur ein Passant der sich aufregte weil irgendeiner wieder zu schnell fährt oder Skateboarder sowie Fahrradfahrer etwas unvorsichtig auf dem Bürgersteig entlang düsten. Ich wollte gerade in den Rückspiegel sehen als zur Fahrerseite, ich eine Passantin erblickte die etwas verärgert zur Seite sprang. Kurz darauf rückte schon ein Mann in mein Sichtfeld der es ziemlich eilig hatte und der anscheinend vor Eile auch irgendwelche Passanten anrempelte oder ihnen nur Millimeter knapp auswich ehe er sie gänzlich umgerannt hätte.
Ich war gerade dabei den Gedanken zu beginnen was für eine seltsame, zwielichtige Gestalt der Kerl doch war als er abrupt stoppte und er zu mir sah. Ich wusste nicht genau ob er zu mir sah, seine Augen konnte ich nicht sehen aufgrund der Käppi die er bis tief ins Gesicht gezogen hatte aber deutlich war dennoch, dass er in meine Richtung sah. Von einer auf die nächste Sekunde streckte er schon die Hand aus und riss die Autotür auf. Im ersten Moment war ich geschockt und konnte gar nicht realisieren was nun abging. Ich konnte diese Dreistigkeit schlichtweg nicht fassen und brauchte daher eine ganze Weile ehe ich kapierte, dass das gerade wirklich passierte!
Der Typ riss die Autotür auf und stieg einfach ein.
„Jetzt komm endlich!“ rief er in deutlich gereizten Tonfall und ehe ich mich versah öffnete sich auch die Hintertür und ein weiterer Kerl stieg fluchend ein „Scheiße Mann, scheiße!“
Er klang wesentlich nervöser und aufgebrachter. Mit einem lauten Knall zogen sie beide die Autotür zu, während ich nur zwischen den zwei Typen hin und her sah. Das war nicht deren ihr ernst? Wer waren diese zwei Bastarde, sich zu erdreisten am helllichten Tag, mitten in Chicago ein Auto zu klauen in dem sogar noch jemand drinnen saß?! Ich war echt sprachlos.
„Hey, was soll der Mist?!“ brüllte ich mit einem mal los und konnte es echt immer noch nicht fassen.
Ich meine, mal ehrlich wer stielt hier und jetzt ein Fahrzeug?!
Die zwei Kerle beachteten mich nicht mal, es wirkte gar so als wäre ich einfach gar nicht für sie da aber vermutlich hatte das mehr damit zu tun, dass sie ganz andere Probleme hatten als mich.
„Scheiße Mann, ich hab doch gesagt das geht nicht gut!“ brüllte der auf der Rückbank panisch und sah ständig um sich.
„Jetzt halt doch mal die Klappe! Ich sagte ich mach das schon!“ gab der andere etwas genervt zurück während er das Auto startete und der Motor mit einem brummen ansprang.
„Sie haben gesagt du seist der beste Fahrer!“ jammerte der andere wieder und es klang gar mehr wie eine Hoffnung mit leichter Verzweiflung und Ungläubigkeit darin.
„Bin ich auch.“ antwortete er nur schlicht.
„Dann bring uns hier gefälligst raus!“ rief der auf der Rückbank wieder panisch, während er weiterhin immer nervös um sich sah und nicht still sitzen konnte.
„Kannst du jetzt mal ruhig sein und einfach nur das tun was ich sage?!“
Ich wusste echt nicht was abging und im Grunde war es mir auch vollkommend egal was die zwei ausgefressen hatten, was für ein Problem sie hatten aber nicht egal war, dass sie gerade unser Auto stahlen mitsamt mir!
„Das ist Diebstahl und Entführung!“ rief ich und hoffte endlich mal Aufmerksamkeit zu bekommen.
Aber erneut gab es keine Aufmerksamkeit für mich, denn im Rückspiegel leuchteten blaue Sirenen auf. Polizei kam um die Kurve gebrettert mit blinkenden Lampen und den Sirenen an.
„Oh Fuck, gib Gas Mann!“ schrie der Kerl hinter mir und lehnte sich zwischen Beifahrer und Fahrersitz zu uns nach vorne.
Der andere Kerl trat sofort aufs Gas und rauschte mit quietschenden Reifen los. Ich rutschte aufgrund der ruppigen Fahrweise in meinem Sitz umher, während ich gar nicht mehr wusste was ich eigentlich tun sollte. Aufmerksamkeit schenkte man mir nicht, das Lenkrad konnte ich ihm nicht entreißen ohne Gefahr zu laufen, dass wir einen Unfall dann machten und mein Handy zücken war ebenso Sinnfrei, denn die Polizei war schon an uns oder eher ihnen dran.
Da ich nichts anderes zu tun hatte, sah ich mir die zwei Typen etwas genauer an. Der Fahrer war definitiv eine zwielichtige Gestalt mit seinem vermummten auftreten, klar war er wollte kein Risiko laufen erkannt zu werden. Die schwarze Baseballkappe die er trug und tief ins Gesicht gezogen hatte und für sein nicht mehr jugendliches Alter wohl eher untypisch war. Dazu diesen graumelierten Schal den er bis über die Nasenspitze gezogen hatte und ein mir unbekanntes hellgraues Symbol vorne zierte. Unter seiner Käppi kamen braune Haare zum Vorschein. Durch sein vermummtes auftreten, blieben nur seine Augen frei, auf die ich von der Seite nun einen Blick erhaschen konnte. Tiefgründige grüne Augen, eigentlich sehr hübsche Augen. Ein tiefes, leuchtendes grün die nahezu einen stechenden Farbklecks und Kontrast zu seiner sonst so dunklen und mysteriösen Kleidung ergaben. Diese Augen waren so zielgerichtet, so kalt und doch voller Wärme. Ich war mir nicht sicher aber irgendwie war ich irritiert von diesen Augen. Ich war mir unsicher aber irgendwie erkannte ich darin Tiefgründigkeit, eine Geschichte, Trauer und Wut. Vielleicht irrte ich mich auch, denn egal wie er war ein Krimineller!
Des weiteren trug er einen braunen Mantel, soweit ich das sah die Innenseite davon Orange. Darunter einen grauen Strickcardigan mit hohem Kragen und langen Ärmeln mit Daumenlöchern. Dazu eine schlichte dunkelblaue Jeans die ihre besten Tage auch schon hinter sich hat. Der nervöse Typ auf der Rückbank wirkte nicht ganz so mysteriös aber dennoch erkannte man auf den ersten Blick aus welcher abgedroschenen Szenerie er kam. Kurze, schwarze Haare und dazu dunkle Kleidung. Die schwarze, leicht zerschlissene Lederjacke die mit Nieten bestückt war, darunter ein schlichtes, schwarzes Shirt und ebenfalls dunkle abgetragene Jeans. In seinen braunen Augen las ich die Nervosität heraus die sein ganzer Körper ohnehin schon ausstrahlte. Eigentlich hatte ich gedacht das Typen wie er die in solch einer Szenerie unterwegs waren auch locker mit den jeweiligen Situationen umgingen aber vielleicht war er auch einfach nur ein Neueinsteiger. Zumindest sah ich auch erst jetzt, dass er einen Aktenkoffer fest umklammert hielt. Vielleicht kamen sie gerade von einem Banküberfall?
Ich wurde als nächstes aber schon wieder durch meinen Sitz geschleudert und nahezu an meine Fensterscheibe gedrückt als der vermummte Typ driftend in die nächste Kurve schlidderte aufgrund zu hoher Geschwindigkeit. Als ich geradeaus sah, weiteten sich meine Augen als er gerade Wegs quer schliddernd über eine Großkreuzung rauschte. Es hupte lautstark, es quietschten die Reifen von Fahrzeugen die eine Vollbremsung hinlegen mussten und knapp hinter uns krachten zwei Fahrzeuge ineinander. Viel mehr Sorgen machten mir aber die Fahrzeuge vor uns denn wir schlidderten mehr auf die zweispurige Gegenfahrbahn und nahmen halb noch den Randstein des Bürgersteigs mit. Ich sah mich schon frontal mit eins der Autos die dort standen kollidieren, sah die entsetzten großen Gesichter der Leute in den Autos die wohl dasselbe erahnten wie ich. Sie starrten einfach nur geschockt. Einer der in der dritten Reihe mit seinem Auto stand, stieg gar panisch aus und versuchte wenigstens sich zu retten. Der Typ neben mir war verrückt, denn als ich zu ihm sah konnte ich keinen einzigen Gesichtszug an Panik erkennen. Der Typ war so ruhig und locker wie bei einer Tasse Kaffee.
„Oh Mist!“ schrie auch der Typ hinter mir und krallte sich nahezu in die Sitze vor sich sonst wäre er auf der Rückbank gänzlich hin und her gepurzelt denn er war nicht angeschnallt.
Ich hatte keine Ahnung wie der Kerl es geschafft hatte, entweder er hatte verdammt Glück oder er hatte schon verdammt viel Erfahrung und war wirklich einfach nur ein ausgesprochener guter und präziser Fahrer. Irgendwie schaffte er es unser Fahrzeug direkt zwischen die zwei Reihen wartenden Autos an der Ampel zu bugsieren. Es kratzte, quietschte und schepperte dennoch als sich unsere Seitenspiegel verabschiedeten und der Lack rechts und links an den anderen Autos vorbeischrammte. Kein Schaden der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigte und aufgrund der Enge ohnehin nicht anders möglich gewesen wäre aber aufgrund dessen, dass es das Fahrzeug meines Bruders war, dass gerade von einem Fremden verunstaltet wurde, war es nichts was ich akzeptieren wollte.
Mit einem Ruck zog er schnell das Fahrzeug wieder rüber auf die richtige Fahrbahn und raste weiter durch die Straße. Ich sah kurz nach hinten zur nun chaotischen Kreuzung und erblickte wie einige der Polizeiautos tatsächlich Schwierigkeiten hatten sich an dem Chaos vorbei zu arbeiten. Dennoch noch weitaus genug schafften es schnell an dem Chaos vorbei und blieben hartnäckig an uns dran.
„Die sind immer noch an uns dran! Wir müssen diese scheiß Bullen loswerden!“ keifte der auf der Rückbank.
„Das weiß ich auch.“ gab der andere nur wieder schlicht zurück.
Er begann mit einer Hand in seiner linken Manteltasche zu kramen und gerade als ich mich fragte, was das überhaupt sollte, zog er schon ein silbernes Smartphone hervor. Breites, großes Touchscreen und wirkte wie nagelneu. Der Kerl war echt durchgeknallt, denn was bitte wollte er nun mit dem Handy? Unterstützung anfordern von irgendwelchen weiteren kriminellen Gangheinis? Jedenfalls hatte er sich auf das Fahren zu konzentrieren, erstrecht mit dem Tempo mit dem wir unterwegs waren. Aber er verschwendete kaum einen Blick auf das Handy, flüchtig sah er aus dem Augenwinkel mal auf das Display und tippte darauf herum. Er schien auswendig zu wissen wohin er wollte, was er suchte. Ich erkannte wie seine Augen vom Display in den Rückspiegel huschten, wie er wieder geradeaus sah und dann wieder auf den Rückspiegel sah. Er hatte was vor, er plante etwas aber ich hatte nicht mal annähernd eine Ahnung von dem was er vorhatte, von dem was ich gleich sehen würde und von dem selbst ich doch etwas überrascht war.
Vor uns lag die nächste Kreuzung, die Ampeln warn auf rot und dennoch hielt er mit einem Karacho auf die Kreuzung zu. Der Kerl würde uns noch umbringen. Ich glaubte aber in seinen Augen ein Grinsen sehen zu können, seinen Mund sah ich ja nicht. Sein Blick huschte immer wieder zwischen Rückspiegel und Frontscheibe, das Handy immer noch in Händen und den Daumen bereit.
Die Polizei war dicht hinter uns, rief immer mal wieder mit Lautsprechern uns zu, wir sollten endlich anhalten und uns stellen.
Ein simpler Fingerwisch auf seinem Handy und im Blickwinkel sah ich wie im selben Moment die Ampel von rot auf grün schaltete, nicht nur das, wie sich herausstellte schaltete sich die Komplette Kreuzung auf grün. Die Autos fuhren nichts ahnen an ehe sie realisierten, dass irgendwie die gesamte Kreuzung anfuhr und wohl grün hatte. Es hupte und quietschte wieder, während unser Fahrzeug sich gerade so durch das aufbauende Chaos schlängelte und erneut einige Autos tuschierte. Hinter uns quietschte es lauter, kurz darauf ein Krachen und die Polizei war mit den Autos kollidiert die von allen Straßenseiten mitten die Kreuzung nun blockierten. Ein ganzes Knäul an Autos hatte sich da gesammelt und ein durchkommen war absolut unmöglich. Die Straße war dicht. Der Kerl hatte den rechten Zeitpunkt abgepasst wann er die Ampeln auf grün stellen musste, so dass er gerade noch mit dem Fahrzeug durch die Mitte sich schlängeln konnte ehe sich alles zufuhr und hängte so gleichzeitig die Polizei ab die ich nahezu laut fluchen hörte.
Etwas überrascht sah ich zu dem Kerl der mich keines Blickes würdigte, obwohl ich sicher war, dass er im Blickwinkel sehen musste, dass ich ihn ansah. Er war ein Hacker, das stand nun fest und so wie ich das sah noch dazu ein ziemlich guter und talentierter. Ich hatte ja schon davon gehört, auch von dem was mein Bruder gesagt hatte, dass es einige Leute gab die ziemlich gut im hacken waren. Ich betrachtete das ganze System daher auch nicht so sorglos wie die Mehrheit der Bürger Chicagos aber das er mit einem simplen Fingerwisch auf seinem Smartphone solch ein Ausmaß anrichten konnte war selbst mir neu. Daten stehlen, in andre Netzwerke eindringen, das war mir klar, das hatte ich selbst schon gesehen immerhin war mein Bruder ebenfalls erfahren in dem Gebiet, kein Wunder er arbeitete immerhin bei Blume Corporations und hatte Erfahrung auf dem Gebiet Informatik. Dennoch von dem Ausmaß und dem Talent dieses Kerls war selbst ich überrascht und schockiert.
„Wuhu!“ schrie der Hintermann „Das war krass! Alter, du hast sie abgehängt, das war ultra genial! Diese Scheißdrecks Bullen.“
„Noch sind wir nicht in Sicherheit, die Freude ist zu früh.“ holte er seinen Mitfahrer wieder auf den Teppich „Die werden versuchen uns mit dem ctOS Scanne zu erwischen.“
Der Typ schien echt Ahnung zu haben, nicht nur das, er schien sich auch mit dem ctOS auszukennen. Vielleicht gehörte er zu einen der Organisationen die gegen Blume vorgehen, zu einer dieser mysteriösen Hacker Gruppen die mit Botschaften immer mal wieder in den Nachrichten auftauchten und vor der Anfälligkeit des ctOS warnten. Immerhin fungierte die ganze Stadt mit dem System, praktisch alles war mit den ctOS Servern verbunden und jedes kleinste Teil wurde damit gesteuert. Vielleicht war er aber auch einfach jemand anderes.
„Verflucht! Was machen wir da jetzt?“ grummelte der andere wieder und schlug leicht gegen meinen Sitz vor Wut, anscheinend hatte er wirklich gehofft es wäre endlich vorbei.
„Wir versuchen unterzutauchen. Wenn ich den Motor ausschalte, dann seid ihr still und haltet euch in Deckung ist das klar?“ wies der Mann mit der Käppi an.
„Oh scheiße Mann, was wenn sie uns trotzdem finden?“ bekam der andere schon wieder kalte Füße.
„Mach einfach was ich sage und bewahre ruhe.“ wies er noch mal deutlich an und er hatte derweil auch Tempo heraus genommen, fügte sich fast nahtlos in den Stadtverkehr nun ein.
„Einen Teufel werde ich tun!“ mischte ich mich endlich mal wieder ein, denn was glaubte er denn wer er war?
Erwartete er ernsthaft, dass ich einfach tat was er sagte, nachdem er mit mir und meines Bruders Auto davon gefahren war? Erwartete er da ernsthaft, dass ich da seinen Anweisungen folgte und verhinderte, dass diese zwei Mistkerle festgenommen wurden?
„Zwing mich nicht dir zu drohen.“ gab er seufzend zurück und drehte zum ersten mal den Kopf zu mir.
„Das ist schon eine Drohung.“ korrigierte ich trotzig.
„Hör zu, wir wollen kein Ärger und du bestimmt auch nicht. Niemand will Ärger, also ziehen wir die Sache einfach gemeinsam durch und danach verschwinden wir. Du wirst nie weder von einem von uns hören, dir passiert nichts und alles ist gut.“ begann er mit einer ruhigen Tonlage aber ich sah das ganze nicht so.
Nichts war gut, selbst wenn sie mir nichts taten sah ich schon aus Prinzip nicht ein zwei Kriminellen zu helfen, davon abgesehen würde die Polizei Fragen stellen. Sie würden anhand des Nummernschildes wissen, dass es das Fahrzeug meines Bruders war, sie würden also zu uns kommen und nachfragen. Sie würden herausfinden, dass ich mit in diesem Fahrzeug saß und dann sollte ich für zwei wildfremde, durchgeknallte Vollidioten den Kopf hinhalten? Ganz sicher nicht.
„Die Polizei wird mir Fragen stellen!“ erklärte ich wütend und verschränkte die Arme.
„Du hast uns nicht erkannt, nichts gesehen und du weißt einfach von nichts.“ mischte sich der Mitfahrer nun ein und zum ersten mal klang er nicht mehr so nervös.
Ich sah nur trotzigen zwischen den beiden hin und her und ich hatte immer noch nicht vor die beiden zu decken. Unser Fahrzeug bog nun in eine ruhige Seitengasse ein, in der Ferne hörten man wieder Sirenen. Die Verstärkung der Polizei war anscheinend da und sie suchten nun nach uns. Sofort stieg wieder die Nervosität des Hintermanns, während der Fahrer wie die ganze Zeit locker blieb. Wir folgten der schmalen Gasse, hinaus auf einen kleinen Parkplatz, dort parkten wir. Er schaltete den Motor aus und ich wollte augenblicklich die Tür aufreißen aber ich war ein Ticken zu spät gewesen. Er hatte damit gerechnet und schon alle Türen verriegelt. Ich warf ihm nur einen dunklen Blick zu.
„Ich sag es dir noch einmal, mach keinen Ärger und du bekommst auch keinen Ärger.“
Verdammt, ich stand wahrlich mit dem Rücken an der Wand. Ich wusste wie so Typen waren, mit denen war nicht zu Spaßen und daher sollte man sich mit denen auch nicht anlegen. Sie würden dich finden und sie würden dich kriegen. Vor allen Dingen Leute wie er, Leute die zu den Hackern und Fixer gehörten, Leute die im Schatten Chicagos ihr Unwesen trieben.
Ich biss mir daher auf die Lippen und solang sie ihr Wort hielten und mich dann in Ruhe lassen würden befand ich es als besser zu tun was sie sagten um weiteren unnötigen Ärger zu umgehen. Im Grunde ging es mich nichts an, ich musste nicht die Heldin spielen und keinen Gerechtigkeitssinn raushängen lassen. Außerdem was hätte ich der Polizei schon hilfreiches über die zwei Typen sagen können? Eine Personenbeschreibung von dem Hintermann? Ja, es ging gegen mein Ego solche Drecksäcke davon kommen zu lassen aber andererseits war ich nicht lebensmüde und der Kerl hatte recht, das hier war es nicht wert Ärger mit Typen wie denen anzufangen, denn als normal sterblicher ziehst du gegen Typen wie die immer den kürzeren.
Zur Bestätigung, dass ich kooperativ war rückte ich in meinem Sitz tiefer und hielt mich geduckt. Er nickte mir zu und verhielt sich nun auch ruhig, ebenso wie der Hintermann. Die Sirenen kamen näher und auf der gegenüberliegenden Fahrbahn fuhr ein Streifenwagen vorbei. Sofort wurde der Kerl hinter uns wieder unruhig.
„Einfach ruhig bleiben. Unauffällig verhalten.“
Das war leichter gesagt als getan wenn ich mich zumindest in ihre Lage versetzte, dann wäre ich auch total nervös und hätte schiss dass sie mich kriegen würden. Der Streifenwagen fuhr allerdings an uns vorbei, er schien nicht zu ahnen, dass Flüchtlinge sich einfach auf einen Parkplatz stellten und wartete, zumal wir gut verdeckt waren hinter den Bäumen und Büschen, der hohen Randmauer die den Parkplatz einzäunte und zwischen all den anderen parkenden Autos. Wir mussten auch gut verdeckt sein denn ein solch zerkratztes Fahrzeug ganz ohne Seitenspiegel würde eigentlich jedem sofort ins Auge stechen. Kaum war der Streifenwagen weg, richtete sich der Typ wieder im Fahrersitz auf und drehte den Zündschlüssel um, um den Motor zu starten. Mit einem kurzen Klicken, einem folgenden Piepsen und aufleuchten der Armaturen, schnurrte der Motor auf. Langsam manövrierte er das Auto aus der Parklücke und als er sich nochmal genau umgesehen hatte um sicher zu gehen, dass die Luft rein war wagte er sich die Hauptstraße zu überqueren. Er hielt sich an Seitenstraßen und Gassen durch die ein normales Durchfahren eigentlich nicht gedacht war, es gab viele so abgelegene Gassen in Chicago, Gassen die Dunkel und Unheimlich waren, die so herabgekommen, schmuddelig wirkten und bei der du Angst hattest hinter jeder Ecke lauerte eine gemeingefährliche, düstere Gestalt. Ein Mülleimer fiel klimpernd zu Boden als das Fahrzeug gerade durch die schmale Passage passte. Irgendwie war ich froh wenn es bald vorbei war. Ich wollte nur noch raus, weg hier und nichts mehr mit diesem Fall zu tun haben. Nach ein paar weiteren Gassen und ruhigen Straßenüberquerungen schien die Luft endgültig rein zu sein. Anscheinend hatte er die Polizei wirklich abgehängt.
Er parkte das Auto in irgendeiner Seitenstraße von Chicago. Ich hatte keine Ahnung wo aber so wie es hier aussah, befanden wir uns durchaus noch im Loop Viertel. Das konnte ich sagen anhand der riesigen Gebäude, denn im Loop, das Zentrumviertel Chicagos protze so nur von großen Bauden.
Erleichtert atmete der Hintermann aus und klopfte seinem Vordermann dann auf die Schulter „Man das war knapp!“
Er lachte dann erleichtert und ließ sich im Sitz wieder zurück fallen „Ehrlich Alter ich dachte erst wir gehen sowas von drauf aber dann. Du hältst was man über dich sagt, du bist dein Geld wert!“
Der Kerl mit dem Mantel stieg nun aus, der auf der Rückbank tat es ihm gleich, während ich noch sitzen blieb und ihnen skeptisch nach sah. Machten sie sich jetzt einfach aus dem Staub? Sie schlugen beide die Autotür zu und so konnte ich ihr Gespräch nur noch gedämpft durch die Autoscheiben vernehmen. Manchmal sprachen sie so leise, dass ich es nicht verstand, zumindest taten sie dies beim Beginn des Gespräches, als sich dann ihre Stimmen aber hoben konnte ich doch das Gespräch etwas verfolgen.
„Nein das tun wir nicht.“ wiedersprach der Kerl mit der Käppi harsch.
„Was wenn sie uns verrät?!“ fauchte der andere.
Er schüttelte jedoch den Kopf „Das wird sie nicht, außerdem weiß sie auch nichts relevantes.“
„Scheiße Mann, ich riskier nicht mein Arsch darauf dass sie die Klappe hält!“
Sein gegenüber ging ein paar Schritte auf ihn zu und sprach mit ruhiger aber dennoch eindringlicher Stimme, gar schon bedrohlich „Mein Auftrag, meine Regeln! Lass das meine Sorge sein, ist das klar?“
Der andere grummelte nur und überlegte wie er reagieren sollte ehe er kurz drohend den Finger hob „Ich schwör dir wehe sie macht uns Ärger.“
Ich sah noch wie er eine Rolle Geld aus seiner Jackentasche zog und dem Mantelträger überreichte. Der nickte nur dankend und dann ging der andere. Nun war nur noch er da. Leicht seufzend lehnte er sich an die Motorhaube und schob seine Hände in seine Manteltaschen. Er zog wieder sein Handy hervor und schien nun zu telefonieren. Er klang wirklich wütend und aufgebracht. Aufgrund seines lauteren Tonfalls konnte ich auch dies mithören aber wirklich mehr verstehen worum es hier ging tat ich nicht.
„Gott verdammt Jordi! Das nächste mal erledigst du deine scheiß Aufträge selbst ehe du sie mir wieder anhängst!“
Eine weile Stille, natürlich konnte ich nicht hören was derjenige an der anderen Leitung sagte. Etwas interessieren tat es mich schon aber andererseits wollte ich wirklich nur aus der Sache rausgehalten werden. Ich hatte mit der Szene nichts zu tun und ich wollte auch nichts mit irgendjemand von denen zu tun haben. Mir wäre es daher auch lieber gewesen, wenn das heute nicht passiert wäre.
„Ja, ja ich weiß. Aber das nächste mal schwör ich dir, dass du fällig bist wenn du noch einmal mit so etwas ankommst.“
Wieder eine weile Pause.
„Ja bin unterwegs…“ er stoppte kurz und sah über die Schulter kurz nach hinten zu mir ins Auto „…hab noch was zu erledigen, dauert aber nicht lange.“
Ich schluckte etwas schwer. Wollte er mich nun doch entsorgen? Zum schweigen bringen, dass ich ihnen auch ja keinen Ärger machen konnte?
Er legte auf, schob sein Handy wieder in die Manteltasche und stieg dann zu mir wieder ins Fahrzeug ein. Er atmete tief ein, legte die Hände ans Lenkrad und schien zu überlegen. Irgendwie lag etwas Schweres im Raum, als würde ihm wahrlich schwerfallen was er nun vorhatte. Ich war mir immer noch unsicher ob er mich wirklich einfach entsorgen würde, mitsamt dem Fahrzeug vielleicht oder er mir schlicht eine Kugel in den Kopf jagt und meine Leiche nur verschwinden lässt.
„Also das ganze tut mir leid.“ begann er in einem doch sehr freundlichen Ton und nun war ich mir sicher, dass es ihm schlicht schwer gefallen war wie er am besten das Gespräch anfing, was er am besten zu mir sagte.
Ich schnaubte nur verächtlich, denn er brauchte nun nicht auf netten, besorgten Beschützer zu machen. Das konnte ich auch nicht gebrauchen, jedenfalls nicht von einem wie ihm.
„Also wie wär´s, ich bring dich noch nach Hause?“ fragte er dann und sah zu mir rüber.
Ich starrte in seine Augen, mehr von seinem Gesicht sah ich ja ohnehin nicht aber ich versuchte aus ihnen schlau zu werden. Was genau ich von ihnen wissen wollte wusste ich nicht, vermutlich ob ich ihm trauen konnte.
„Damit jemand wie du weiß wo ich wohne?“ fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.
„Das weiß ich ohnehin schon.“
Ich starrte ihn ungläubig an dann fiel es mir aber wieder ein. Er war ja ein Hacker, klar war es für jemand wie ihn ein leichtes herauszufinden wo ich wohnte aber bluffte er nicht nur? Klar er konnte es herausfinden wenn er wollte aber er sagte er wüsste es schon. Ich glaubte kaum, dass er sich schon mal die Mühe gemacht hatte meine Adresse herauszufinden, wozu und mit welchen Bewegründen? Er war ein Hacker aber Hellseher war er gewiss nicht. Vielleicht wollte er mich nur weiter einschüchtern, damit ich auch wirklich die Klappe hielt.
Er schien aber sofort meine Skepsis zu bemerken und nahm mir diese gerne „Mad Mile, Canfield Ave. In einem Apartment, fünfter Stock.“
Ich starrte ihn einfach nur an. Woher wusste er das, wieso wusste er wo ich wohnte? Wann hatte er sich diese Informationen besorgt? Ich war überrascht und schockiert zu gleich.
„Also?“ fragte er nach.
Ich verschränkte nur die Arme und drückte mich nahezu in meinen Sitz wie ein beleidigtes Kind.
„Tu was du nicht lassen kannst.“ grummelte ich nur, denn was hätte ich sonst sagen sollen?
Er wusste ohnehin wo ich wohnte also gab es keinen Grund mich nicht von ihm nach Hause bringen zu lassen. Ich wollte einfach nur Heim. Ich hätte genauso gut zwar auch selbst fahren können denn Führerschein besaß ich, immerhin war ich 30 Jahre alt aber nach der ganzen Aktion war mir nicht zum fahren zu mute, erstrecht nicht nach dem wie das Auto danach aussah. Außenspiegel alle beide ab, Dellen und Kratzer die im schwarzen Lack der einst so schönen Audi Limousine prangten.
Die Fahrt über wechselten wir kein Wort, anscheinend wusste er nicht was er mit mir noch groß erzählen sollte genauso wenig wie ich wusste was ich zu ihm hätte sagen sollen, davon abgesehen hatte ich eigentlich auch gar keine Lust mich mit ihm zu unterhalten. Die Stimmung wirkte deutlich angespannt, die Luft knisterte förmlich und alles in allem wirkte das ganze fast wie ein Streit zwischen Vater und Tochter. Zumindest könnte man es so auslegen wenn man das so sah wie ich mit verschränkten, beleidigten Armen im Sitz saß und er immer mal wieder unsicher zu mir rüber sah. Sein Blick wirkte bemitleidend und entschuldigend, irgendwie auch besorgt aber er schien eben dennoch nicht zu wissen was er hätte sagen sollen. Er hatte auch recht, er hätte nichts sagen können zumindest wüsste ich nicht was er hätte sagen sollen, dass ich dies ihm verzieh. Die Sache war für uns beide abgehakt, mehr war aus dieser Situation nicht zu machen.
Das Auto wurde langsamer und letztendlich hielten wir in meiner Straße, ein paar wenige Häuser von meinem entfernt in einer eher ruhigen Gegend im Distrikt Mad Mile, eins der sechs Distrikte Chicagos und wie ich empfand die Mad Mile eines der eher schlimmsten. Es war das reichste Viertel hier in Chicago, moderne und teure Gebäude, reiche Leute, teure Boutiquen und überall am Straßenrand standen die teuren Karossen der reichen und schönen wie man so schön sagte. Auch das teuerste und berühmteste Hotel war hier in der Mad Mile zu finden, das Merlaut. Aufgrund das mein Bruder einen guten Job hatte bei Blume hatte er ein Apartment hier bekommen. Meine Eltern hatten früher im ruhigen Distrikt des Parker Squares ein Haus gehabt. Ich hatte diesen ländlicheren Ort viel mehr gemocht, es war ruhiger, schöner und atmosphärischer gewesen aber meine Eltern sind vor ein paar Jahren ins Ausland ausgewandert und haben das Haus verkauft, während mein Bruder und ich in ein Apartment gezogen sind. Ich fühlte mich in der verlogenen, gehobenen Klasse nicht so sonderlich wohl, denn hier kam mir immer alles so kalt und abgedroschen vor. Einfach keine Wärme war hier zu finden so wie ich es vom Parker Square kannte. Dort war das Großstadtleben nicht so wie in der Innenstadt, eben im Loop Viertel oder der Mad Mile. Der Parker Square war voll mit schönen Familienhäusern und Gärten, nicht mit den meterhohen Bürogebäuden und Einkaufsmalls. Ich mochte Chicagos Innenstadt, ich fuhr gerne ins Loop Viertel aber leben täte ich eigentlich lieber an einem ruhigeren Ort und vor allem nicht in der Mad Mile.
Er öffnete die Tür und stieg aus. Mit einem Klicken löste ich meinen Gurt und stieg ebenfalls aus. Er kam um das Auto herum zu mir gelaufen, die Hände wieder in seiner Manteltasche vergraben und den Blick mehr gegen Boden gerichtet, aufgrund seiner Käppi konnte ich so wieder nichts von seinem Gesicht sehen.
„Also..ähm…“ begann er und zog dann ein paar Geldscheine aus seinem Mantel die er mir hin hob „Für die Reparatur des Autos und als allgemeine Entschädigung.“
Ich sah verdutzt zu ihm, denn wer oder was war der Typ? Er war doch ein Hacker, anscheinend ein Krimineller, vielleicht gar ein Fixer immerhin hatten sie etwas von einem Auftrag geredet aber welcher Krimineller gab jemanden wie mir Geld? Ich meine Fixer waren dafür bekannt, dass sie praktisch die Arbeit für andere Kriminelle wieder fixten. Daher kam auch das Wort Fixer, sie fixten eben Dinge für andere Kriminelle. Aber eben drum ließen sich Fixer auch gut bezahlen und gerade solche Leute oder Leute mit viel Geld waren doch geizig. Das war nicht normal für Typen wie er die in solchen Milieus unterwegs und tätig waren. Das war wirklich seltsam…
Ich duckte mich ein wenig, wollte irgendwie in seine Augen sehen, er bemerkte meinen Versuch weswegen er leicht den Kopf hob und seine Augen preisgab. Er hielt mir noch immer das Geld hin, sah mich vielsagend an, während ich es zögernd entgegen nahm.
„Sag einfach nichts.“ sagte er abschließend, schob seine Hand wieder in die Tasche und ging dann einfach.
Er lief den Gehweg entlang, während ich ihm einfach verdutzt nachsah. Der Typ war seltsam und mysteriös und ich wusste nicht was von beidem er mehr war. Ich sah ihm nach bis er um die nächste Ecke verschwand und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich schüttelte nur den Kopf darüber und entschied endlich nach Hause zu gehen. Der Tag war lang und stressig gewesen, mein Bruder machte sich sicher schon Sorgen.
Ich öffnete also die Eingangstür und lief die Stufen hoch in den fünften Stock. Kaum hatte ich einmal geklingelt wurde mir in Windeseile schon die Tür geöffnet. Mein älterer Bruder stand vor mir, er sah mich erst überrascht an aber dann fiel er mir schon um den Hals. Seine Augen glitzerten leicht vor Tränen und er schien unendlich erleichtert.
„Kiara, Gott sei Dank es geht dir gut!“ sagte er voller Erleichterung und klang dabei irgendwie auch entschuldigend, als gäbe er sich eine gewisse Schuld an der ganzen Sache.
Ich gab ihm aber nicht die Schuld, so etwas konnte niemand erahnen und ich wollte die ganze Sache einfach nur vergessen. Wollte nicht in etwas hineingeraten nur weil ich Typen wie die versuchte zu verpfeifen, denn gegen Typen wie die konnte man nicht gewinnen, den Entschluss hatte ich nun gefasst und ich würde ihn erst später vielleicht überdecken aber das wusste ich für den Moment noch nicht.