Nichts mehr zu retten.
von Neonschwarz
Kurzbeschreibung
"Der letzte auf der Liste ist Olli. Ich will seinen Segen. Und mit genügend Welpenblick und Anspielungen auf meine beschissene Kindheit, meine beschissene Jugend, meine halbbeschissene Zeit in der Schwebe zwischen alt genug und noch nicht alt genug wird er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen und mir das Beste wünschen." [komplett überarbeitet in 2022]
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P18 / Gen
Jan Böhmermann
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
OC (Own Character)
Olli Schulz
07.02.2015
19.05.2015
121
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01.05.2015
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Joko
„Sind wir nicht zu alt um uns zu langweilen?“, ich zerknautsche eines von Klaas Sofakissen.
„Würdest du das lassen?“, es ist weniger eine Bitte als ein Befehl, „die Bezüge sind empfindlich.
„Wo steckt Ida?“, Olli legt unauffällig das Kissen zur Seite, nach dem er gegriffen hat und klopft es sachte in Form.
„Beruflich in Frankfurt“, sonst säße ich nicht hier und würde mir von meinem besten Freund sagen lassen, seine Kissenbezüge seien empfindlich. Isa kauft keine empfindlichen Dinge. Sie kauft ihre Einrichtung zu 87% auf Mitternachtsflohmärkten, Mädchenflohmärkten, Abenteuerflohmärkten ... Ihre Küchenuhr hat die Form einer Eule und keiner der Teller, die sie besitzt, passen zusammen.
„Wie wärs, wenn wir diese Wohnung verlassen und uns auf die Suche nach einer Frau für Olli machen“, schlage ich vor, „so schwer kann das nicht sein. Du siehst gut aus. Für dein Alter.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Kompliment von dir kriegen will“, er beäugt mich kritisch.
„Ich meine, die Idee ist nicht schlecht. Du musst mal unter Menschen, Olli“, nickt Klaas zustimmend.
„Es war so klar, dass ihr euch wieder verbündet. Leni wäre auf meiner Seite.“
„Nein, wäre sie nicht“, widerspreche ich. Er zuckt mit den Schultern. Leni würde sagen, dass es nicht so schwer sein kann, eine Frau zu finden, die es mit Olli aushält. Sie würde sagen: lasst uns in einen Plattenladen gehen und abwarten.
„Und wo bitte wollt ihr suchen?“, fragt Olli misstrauisch. Ich warte nur darauf, dass Klaas mit dem obligatorischen „man sucht nicht nach der Liebe, man wird von ihr gefunden“-Grundsatz um die Ecke kommt, aber er hält sich geschlossen. Ich meine, der Zug ist höchstwahrscheinlich abgefahren. Die Liebe hat ihn gefunden und dann zerstört. Uns alle ein bisschen.
„Nächste Woche ist Weihnachten, Freunde“, verkündet Klaas, „und ich brauche noch einen Baum.“
„Seit wann brauchst du einen eigenen Baum? Kapselst du dich ab, Heufer? Wir feiern Weihnachten traditionell“, erinnert ihn Olli eingeschnappt. Jaja, traditionell feiern wir im Hause Schulz, was mir erneut vor Augen führt, wie abhängig wir voneinander sind.
„Und, hast du schon einen Baum?“, fragt Klaas lauernd.
„Natürlich nicht. Maria, Josef und Jesus haben all meine Pläne durchkreuzt“, erwidert Olli beleidigt.
Weihnachten mit Jan. Eine Premiere. Und wenn alles nach Plan läuft, dann auch Weihnachten mit Baby. Felix erstes Weihnachtsfest. Das nicht ohne Baum stattfinden wird.
„Dann los. Wir kaufen einen Baum“, schlage ich vor, „und dieses Jahr einen vernünftigen. Nicht wieder den kleinsten, traurigsten Baum auf dem Platz.“
Da niemand einen besseren Vorschlag hat, machen wir uns auf den Weg. Ich weiß jetzt schon, dass Leni sauer wird, wenn sie erfährt, dass wir ohne sie losgegangen sind um einen Tannenbaum in den dritten Stock zu schleppen, aber eine im achten Monat schwangere Frau, deren Stimmung besser sein könnte, dürfte bei dieser Aktion eher hinderlich sein.
„Es sieht nicht nach weißer Weihnacht aus“, murrt Olli bedauernd, „glaubt ihr, Felix wird zwischen den Jahren geboren?“
„In der ruhigsten Zeit des Jahres?“, erwidert Klaas, „nicht bei den Eltern.“
„Stimmt“, findet Olli.
„Außerdem, weiße Weihnachten zu Zeiten des Klimawandels?“, gebe ich zu bedenken, „vielleicht wartet er auch bis ins nächste Jahr, damit seine Eltern noch Zeit haben, ein paar Vorsätze zu fassen.“
„Oh, wie zum Beispiel: kein Kind entwenden?“, schlägt Olli vor, „und auf keinen Fall die Radiosendung aufgeben, an der Olli dranhängt, der das Geld ein bisschen dringender braucht.“
„Fang nicht wieder mit dem Rauchen an“, ich gebe mir Mühe, Lenis Stimme zu imitieren, „und verlier nicht deinen Job.“
„Keine weitere Hochzeit“, sagt Klaas und klingt dabei zum Verwechseln nach Jan. Olli und ich sehen ihn an.
„Denkst du echt, Jan würde Leni einen Antrag machen?“, frage ich vorsichtig. Nicht, das mir dieser Gedanke nicht auch schon gekommen wäre. Als Paar sind sie kompliziert genug. Ich will mir nicht ausmalen, was passiert, wenn sie verheiratet wären. Diesen Rosenkrieg möchte ich nicht miterleben.
„Ich glaube nicht, dass er diesen Fehler zweimal macht“, sagt Olli, „und außerdem ist Leni doch gar nicht der Typ für die Ehe. Hat sie oft genug gesagt.“
„Eben“, sagt Klaas, „die beiden werden nicht heiraten.“
Ich ahne, dass ihm das Thema auf die Laune schlagen könnte, also bemühe ich mich um einen Themenwechsel. Seine Trennung von Marie? Keine gute Idee. Die neue Wohnung, die sich die beiden gerade ansehen? Eine noch schlechtere Idee. Scheiße. Ist nicht Klaas schönste Vorweihnachtszeit.
„Olli, wie hoch sind deine Zimmerdecken? Drei Meter?“
„Ach, da reicht Augenmaß“, entscheidet Olli, „aber mit dem Schmücken müssen wir auf Leni warten. Ich würde mich im Moment lieber nicht mit ihr anlegen. Sie ist unberechenbar.“
„Und das ist neu?“, frage ich verwundert.
„Sie könnte sich als Kugel verkleiden“, sagt Klaas.
Wir lachen.
Neben dem nächsten Supermarkt befindet sich unser Stamm-Weihnachtsbaum-Verkauf. Und es gibt ein zufriedenstellendes Angebot an großen, kleinen, hässlichen und schönen Bäumen. Leni hat immer Mitleid mit dem kleinsten und hässlichsten Baum am Platz, weshalb wir jedes Jahr genau diesen nehmen und versuchen, wenigstens mit viel Schmuck noch etwas zu retten.
„Ihr wisst, welchen Baum wir nehmen müssen“, sagt Klaas und deutet auf einen am Zaun festgebundenen Zwerg, der mir gerade bis zur Brust reicht.
„Für den muss man sich ja schämen“, protestiert Olli, „muss das sein? Sie ist nicht hier. Sie wird nie erfahren, dass er existiert.“
„Willst du das Risiko wirklich eingehen?“, frage ich. Olli sieht verunsichert aus.
Klaas besteht darauf das wir genau diesen Baum kaufen und ich bin erstaunt, dass man ihn uns nicht einfach schenkt. Der Verkäufer jedenfalls ist sehr überrascht von unserer ungewöhnlichen Wahl.
„Sind Sie sicher?“, fragt er, „wir haben eine Menge besserer Bäume.“
„Es muss dieser sein“, Olli lässt sich nicht beirren.
„Nun gut“, sagt der Mann, „dann sollen Sie ihn auch kriegen. Wäre sowieso nur geschreddert worden.“
Wenig später schultert Olli den Baum und wir verlassen den Parkplatz.
„Brauchst du Hilfe?“, fragt Klaas.
„Der wiegt doch nichts“, sagt Olli.
„Lass dich nicht aufhalten“, winke ich ab.
Olli dreht sich zu uns um und Klaas reißt noch die Arme hoch, um ihn zu warnen, aber es ist schon zu spät. Die Spitze unserer kleinen Krüppeltanne erwischt eine Frau, die gerade dabei ist, in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln zu kramen, am Kopf.