Fragmente
von rebelyell
Kurzbeschreibung
A/T'P - Nach dem Vorfall auf der Seleya findet T'Pol sich in einem kulturellen Konflikt wieder: Folgt sie dem traditionellen Weg ihres Volkes oder lässt sie sich von ihrem Pfad ablenken? Manchmal führen kleine Änderungen in der Routine zu einem vollkommen anderen Schicksal. Handlungszeitraum: Staffel 3 Impulse - Twilight
GeschichteAngst, Sci-Fi / P18 / Gen
Jonathan Archer
T'Pol
05.01.2015
05.03.2018
8
31.382
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05.01.2015
6.176
A/N: Auf die Gefahr hin, dass dies ein wirklich großer Fehler ist, habe ich beschlossen, aus ST: ENT meine ganz persönliche Spielwiese zu machen. So viel Potential und so wenig dramaturgisches Können auf einmal habe ich selten gesehen... Die Story findet statt ab der Folge "Impulse" - wie es sich meiner Meinung nach hätte entwickeln sollen... Archer/T'Pol
Der kalten Sternenflotteneinrichtung zum Trotz tünchte die einzelne Meditationskerze den Raum in ein warmes beruhigendes Licht, das normalerweise ihren Geist die nötige Balance finden ließ, die sie dringend nötig hatte.
Der Tag war besonders anstrengend gewesen. Sie konnte die Unruhen der Mannschaft durchaus verstehen - aus logischer Sichtweise. Der Planet wurde angegriffen und da, wo kurz vorher noch sieben Millionen Menschen gelebt hatten, klaffte nun eine kilometerlange Narbe verbrannter Erde. Die Liste der Vermissten hatte kein Ende nehmen wollen. Es stand noch immer nicht fest, wer als vermisst galt und wie viele Menschen dem Anschlag tatsächlich zum Opfer gefallen waren. Die Menschen waren nicht mehr bedeutend. Ob ein Opfer mehr oder tausend. Es handelte sich nur noch um Zahlen.
Die Ruhe der Kerzenflamme war ihr einziger Halt, sich nicht dem Strom der Gefühle hinzugeben. Anfangs fand sie es leicht, ihre innere Mitte wiederzufinden, die einsame Wüste, in der sie ihre eigenen Gefühle unterdrücken und sorgfältig verstecken konnte. Denn das war die Art ihres Volkes. Sie war die Einzige ihrer Art auf diesem Schiff. Das wollte sie nicht als Anreiz betrachten, ihre Kultur zu vergessen.
Der Captain sah dies ein.
Sofern es der Schichtplan zuließ, gab er ihr den Abend frei, um zu meditieren - besonders nach aufwühlenden Ereignissen.
Es stand ihr nicht zu.
Er sollte sie wie jedes andere Crewmitglied behandeln. Dieses Mal musste er es sogar als Befehl formulieren.
Seine Sturheit verwirrte sie.
Sie litt noch immer an den Nachwirkungen des Trellium D, dem sie ungeschützt auf der Seleya ausgeliefert war. Drei Tage lang hatte sie auf der Krankenstation verbracht. Drei Tage, an denen ihre mentale Barriere zerschlagen war, und sie sich mit allen Gefühlswellen konfrontiert sah.
Es war eine Mischung aus Wut und Angst.
Zorn, der sich in seiner unterschiedlichsten Form ganz gleich welcher Ursache doch dem Strom anglich und in eine Richtung gelenkt wurde - das eigentliche Ziel der Mission: Die Waffe der Xindi zu finden.
Und doch erschien ihr der Zorn der Crew auf so divergente Weise. Jeder an Bord hatte seinen ganz persönlichen Grund, zum Erfolg der Mission beizutragen. Der Tod eines Verwandten oder eines Freundes. Den Verlust von Nachbarn. Ein Stück Geschichte war ausgelöscht und regte den nationalen Patriotismus in so vielen Leuten, ob sie nun aus der zerstörten Gegend stammten oder nicht.
Doch eine bestimmte Person machte ihr besonders… Sorgen. Bei der Erkenntnis dieser Tatsache zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Besorgnis war ein Gefühl, dessen sie sich unbedingt loslösen musste.
»Phlox an Sub-Commander T'Pol«, ertönte es aus dem internen Lautsprecher.
Sie atmete tief durch. Ihre Balance würde sie heute Nacht nicht mehr finden. Die letzten fünf Minuten hatte sie ohnehin nur damit verbracht, in die Flamme zu starren. Also nahm sie das Gespräch an ihrem Schreibtisch an: »T'Pol hier. Sprechen Sie.«
»Bitte kommen Sie auf die Krankenstation. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.«
»Verstanden. Ich bin unterwegs.«
Das kam ihr seltsam vor. Sie hatte Phlox das letzte Mal erst an diesem Morgen gesehen. Wenn es sich um etwas handelte, das ihre Genesung betraf, hatte das sicherlich auch bis zur nächsten Frühschicht Zeit.
»Ah, da sind Sie ja, Sub Commander!« Phlox begrüßte sie wie üblich mit einem überschwänglichen Lächeln und einem Geräusch, das er für gewöhnlich hinter beinahe jeden Satz von sich gab und sich wie ein Schluckauf klang.
»Was gibt es, Doktor?« fragte sie ohne Umschweife und fühlte die letzten geifernden Krallen von Wut und Argwohn in sich aufwallen.
Phlox führte noch schnell einen Scan bei einem Crewman durch, während er sprach: »Ich werde mich gleich um Sie kümmern, Sub Commander. Setzen Sie sich doch schon mal.«
Stoisch blieb sie stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn es Phlox störte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Keine Sorge, Ensign Cromwell. Sie werden sich morgen wieder besser fühlen. Es handelt sich nur um eine Verbrennung zweiten Grades. Damit werden wir spielend fertig.« Er watschelte von einer Konsole zur anderen und hatte mit wenigen Handgriffen eine Injektion zusammengestellt. »Damit werden Sie sich besser fühlen. Und ich möchte Sie vor Ihrer nächsten Schicht untersuchen.« Das Hypospray zischte als er es dem Einsign in den Hals injizierte. »Das wär's dann.«
Cromwell nickte nur knapp und verließ die Krankenstation während er sich misstrauisch den Hals rieb.
T'Pol schaute ihm schweigend nach.
»Gut, dass Sie so schnell Zeit finden konnten, Sub-Commander. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen.« Er wies auf eine Ecke der Krankenstation, in die er sich normalerweise für seine Schreibarbeit zurückzog. »Aber zuerst einmal: Wie fühlen Sie sich?« fragte er sie. Der Denobulaner verzichtete dabei auf einen Handscanner.
»Es überkommt mich hin und wieder ein Unwohlsein und ich habe Schwierigkeiten, mich auf meine Meditation zu konzentrieren. Hat Ihr Anliegen etwas mit dem Heilprozess zu tun?«
»Ich glaube, bei den Nebenwirkungen kann ich Ihnen nicht helfen. Die Auswirkungen von Trellium-D auf die vulkanische Physiologie ist nur schlecht belegt. Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich mit Ihnen sprechen möchte. Es geht genau genommen um das Wohlbefinden des Captains. Wie Ihnen aufgefallen sein wird, hat er sich seit Beginn der Mission sehr zurückgezogen. Ich bin habe zwar einen Doktortitel in Psychologie, allerdings liegt mein Spezialgebiet bei meiner eigenen Gattung. Die Menschen haben da eine durchaus vielschichtigere Psyche als wir Denobulaner. Vor allem verstehe ich nicht, warum die Menschen erpicht darauf sind, ihre körperlichen Wunden heilen zu lassen, aber die einwandfreie Funktionalität ihres geistigen Zustands am liebsten verschweigen möchten.«
»Es ist durchaus verständlich, dass nicht jeder über diese Angelegenheiten sprechen möchte. Es könnte sich hierbei um eine kulturelle Manifestation handeln«, wandte sie ein.
»Wirklich unnötig. Aber ich komme dagegen einfach nicht an. Egal, wie oft ich die Crewmitglieder auf ihre Probleme hinweise. Sie wollen sie einfach nicht sehen.«
»Und ein solches Verhalten haben Sie beim Captain festgestellt?« hakte sie nach.
»Das habe ich in der Tat. Es wird Ihnen schlecht entgangen sein, dass er sich den Druck der Mission sehr zu Herzen nimmt.«
»Wenn man bedenkt, dass das Wohlbefinden seines Planeten davon abhängt, ist es verständlich, dass er sich auf diesen Aspekt konzentriert.«
»Das bezweifele ich keineswegs. Allerdings werden Sie mir zustimmen, dass sich die Crew ein Beispiel am Captain nehmen wird. Und wenn dies der Fall ist, werde ich mehr Patienten zu behandeln haben, obwohl die Mission keinen Schritt dem Erfolg näher ist.«
Sie konnte nur mit Mühe die Bilder unterdrücken, die sie wie im Fieberwahn verfolgten. Vor einigen Tagen hatte sie beinahe ihren Captain erschossen. Eine Handlung, die ihr zu dem Zeitpunkt äußerst notwendig erschien. Sie schämte sich dafür, obwohl ihr dieses Gefühl völlig unlogisch vorkam. Am Ende war sie froh, dass es nur wenige Zeugen gab, die sie in ihrem Zustand gesehen hatten.
»Was schlagen Sie vor?« fragte sie nach einigen Augenblicken.
Der Denobulaner bedachte sie mit einem musternden Blick. »Wie Ihnen aufgefallen sein wird, ist der Captain ein sehr verschlossener Mensch. Die Crewmitglieder gehen mit ihren Problemen zu ihrem Vorgesetzten, oder sie kommen zu mir. Die Führungsoffiziere können mit ihren Angelegenheiten zum Captain gehen oder zu einem gleichrangigen Kollegen. Die Anzahl derer, denen man sich anvertrauen kann, mindert sich je höher man in der Rangfolge steht. Und der Captain steht nun mal an oberster Stelle.«
»Der Captain pflegt eine recht enge Beziehung mit Commander Tucker…«
»Ja, aber es gibt gewisse Dinge, mit der der Captain seine Freundschaft zu Commander Tucker nicht belasten möchte, wie mir scheint. Außerdem hat der Commander bei dem Angriff auf Florida seine kleine Schwester verloren. Ich fürchte, dass Commander Tucker als Vertrauensperson für den Captain diesbezüglich nicht in Frage kommt. Außerdem ist Commander Tucker einige Jahre jünger als der Captain. Er mag sich mit Warpantrieben auskennen, aber es fehlt ihm eine gewisse emotionale Reife, um dem Captain eine Stütze zu sein.«
Das Gespräch fing an, ihren dünnen Geduldsfaden anzunagen.
»Haben Sie mit dem Captain schon darüber gesprochen?« T'Pol ahnte bereits, in welche Richtung das Gespräch führen würde.
»Ich habe es angedeutet, aber er blockt jedes Mal ab. Ich könnte ihn natürlich des Kommandos entheben, sofern ich Anzeichen von irrationalem Verhalten erkennen würde. Aber ich bevorzuge es lieber, das Problem anders anzugehen und es nicht zu verschlimmern. Der Captain vertraut Ihnen, Sub-Commander.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich weiß, dass Sie als Vulkanierin Wert darauf legen, ihr Privatleben vom Dienst abzugrenzen. Bei den Menschen ist das ebenso der Fall. Nur bei Captain Archer werde ich das Gefühl nicht los, dass er sein Privatleben gänzlich zugunsten der Mission zurückstellt. Anfangs mag die Methode funktionieren, aber auf Dauer wird es nicht gut gehen. Wir sind uns also einig, dass die Mission mit dem gesundheitlichen Zustand des Captains steht und fällt. Gehe ich richtig von der Annahme aus?«
»Gewiss.«
»Wie ich bereits erwähnte, vertraut Ihnen der Captain. Es wird bestimmt nicht leicht, ihn zum reden zu bekommen. Vielleicht reicht nur ein kleines Gespräch oder eine gemeinsame sportliche Aktivität, aber der Captain benötigt eine Person, mit der er reden kann.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich dem Captain behilflich sein kann? Er hegt gewisse Vorurteile uns Vulkaniern gegenüber.«
»Das mag auf die meisten Vertreter ihres Volkes zutreffen, aber nicht auf Sie.« Er bemerkte ihre Zurückhaltung. »Ich verlange von Ihnen keine psychoanalytische Auswertung seines Zustandes. Es reicht, wenn Sie ihm das Gefühl geben, über seine Probleme mit jemandem reden zu können.«
Sie zögerte und suchte offensichtlich nach einem Grund, mit dem sie sich aus dieser Pflicht herauswinden konnte.
Phlox sah sich in der Not ein Argument nachzulegen: »Ich habe mit dem Chefkoch gesprochen. Der Captain lässt neuerdings Mahlzeiten aus. Er war heute weder in der Messe noch hat er sich etwas von seinem Steward bringen lassen. Das sollte - wie sagen die Menschen doch gleich? - das Eis brechen.«
Der Chefkoch hat nicht schlecht gestaunt, als sie die Bestellung aufgab. Es war eindeutig, dass die Mahlzeit nicht für sie bestimmt war. Trotzdem stellte er keine Fragen und sie ihm keinen Hinweis, für wen die Mahlzeit tatsächlich bestimmt war.
Angewidert hielt sie das Tablett weit von sich weg. Obwohl der Teller abgedeckt war, drang der Geruch der tierischen Produkte aus allen Seiten hervor. Statt die Nase zu rümpfen, schob sie nur ihre Augenbrauen zusammen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie selten sie mit Captain Archer in letzter Zeit zusammen gegessen hatte. Auch wenn der Geruch für ihre empfindliche Nase übelkeitserregend war, hatte sie sich irgendwie daran gewöhnt. Noch vor zwei Jahren hatte sie die Gesellschaft von Menschen bei einem Essen um alles im Universum gemieden. Jetzt verband sie mit dem Duft von Fleisch die vielen Gespräche, die sie mit ihm während des Essens geführt hatte.
Noch so eine Eigenart der Menschen: Sie redeten unerlässlich beim Essen. Ein unangemessenes Verhalten unter ihresgleichen.
Doch auch daran hatte sie sich gewöhnt.
Schneller als sie es erwartet hätte, erreichte sie sein Quartier, und zögerte zunächst. Vielleicht hatte er sich längst schlafen gelegt? Oder er war mit etwas beschäftigt, bei dem er nicht gestört werden wollte.
Es half nichts. Das Essen wurde kalt und je länger sie zögerte, umso schwieriger würde ihr die Entscheidung fallen.
Sie betätigte den Türsummer.
Keine Reaktion.
Noch einmal.
Wieder nichts.
Er schlief wohl tatsächlich schon.
Als sie sich anschickte zu gehen, glitt die Tür auf und dahinter stand ein leicht desorientierter Captain mit zerzauster Frisur, bekleidet nur mit einer Jogginghose. Sie starrte perplex auf seine Brustbehaarung. Obwohl sie mit ihm schon viel Zeit in der Dekonterminierungskammer verbracht hatte, verstörte sie der Anblick immer noch. Diesmal war er nicht schnell genug, um ihre Reaktion mit einem bornierten Kommentar zu quittieren. Stattdessen blinzelte er mit zusammengekniffenen Augen.
»Sub Commander?« fragte er und kämpfte ein Gähnen in der Kehle runter. Hinter ihm brannte nur das kleine Nachtlicht über seinem großen Bett.
»Wie es aussieht, störe ich Sie. Entschuldigen Sie mich, Captain…« Sie wollte auf dem Absatz kehrt machen.
»Bleiben Sie stehen, Sub-Commander. Ich kann sowieso nicht schlafen.« Er drehte sich um und wartete erst gar nicht darauf, dass sie ihm etwas erwiderte.
»Also… was kann ich für Sie tun?« rief er aus dem dunklen Quartier hinaus.
Er hatte ihr keine exquisite Erlaubnis erteilt, dennoch trat sie ein und schloss die Tür hinter sich.
»Ich habe bemerkt, dass Sie immer seltener essen. Deswegen habe ich Ihnen etwas mitgebracht«, sagte sie und stellte die abgedeckte Schale auf seinem Schreibtisch ab. Er kramte ein graues Hemd unter seiner Bettdecke hervor und zog es sich mit schwerfälliger Mühe über den Kopf. Mit der Hand versuchte er seine zerwühlten Haare zu bändigen - mit mäßigem Erfolg. Er rieb sich die Augen und den Nasenrücken. Es war offensichtlich, dass sie ihn geweckt hatte, auch wenn er es nicht zugeben wollte.
»Sie kommen zu meinem Quartier um…« Er suchte blinzelnd nach der Uhrenanzeige auf der Konsole über seinem Bett. »2339, nur um für mein leibliches Wohl zu sorgen? Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber mir ist nicht nach essen zumute.«
Mit Widerstand hatte sie gerechnet. Sie machte sich also den schläfrigen Zustand ihres Captains zu Nutze.
»Ich habe mir dem Chefkoch gesprochen. Dies wäre Ihre erste Mahlzeit heute«, sagte sie.
»T'Pol…« wollte Archer einwerfen.
»Sie müssen etwas essen!« sprach sie unbeirrt weiter.
Er starrte sie perplex an. Seine Augen glänzten plötzlich klar. »Gibt es einen Grund, warum ich unter Ihrer Beobachtung stehe, Sub Commander?«
T'Pol blinzelte nicht während sie in ihrer besten Vulkanier Manier ihre Antwort preisgab: »Als Ihr Erster Offizier gehört es zu meinen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass der Captain jederzeit zu hundert Prozent einsatzfähig ist. Darunter verstehe ich ebenfalls, darauf zu achten, dass Sie Ihre Ernährung nicht vernachlässigen. Vulkanier können bis zu zehn Tagen ohne Nahrung, Wasser oder Schlaf auskommen, bevor wir erste Anzeichen von motorischen Beeinträchtigungen zeigen. Das menschliche Gehirn lässt bereits nach einem Tag ohne Nahrung oder Schlaf um 54% an Effizienz nach. Wenn Sie also weiterhin fasten, werden Ihnen früher oder später Fehler unterlaufen mit gravierenden Auswirkungen.«
Archer kratzte sich verlegen den Nacken. »Hören Sie, Sub Commander, ich fühle mich überaus geehrt, dass Sie sich…«
»Der Chefkoch hat Ihnen sein Spezial Steak mit Champignon Sauce zubereitet.« Sie hob beiläufig den Deckel. Der würzige Geruch rief sofort den kleinen Beagle aufs Programm. Schwanz wedelnd und winselnd tapste Porthos unruhig auf seinem Kissen herum. T'Pol ignorierte den Vierbeiner. »Sie sollten es nicht kalt werden lassen. Der Koch wird sich persönlich angegriffen fühlen, sollten Sie das Gericht zurückgehen lassen. Möchten Sie es sich mit dem Koch verscherzen?«
Er antwortete ihr nicht verbal. Sein Magen erledigte das ganz von allein. Geschlagen und seines Stolzes ein wenig beraubt, ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder und begann zu essen. Wenn auch recht langsam.
»Werden Sie die ganze Zeit da stehen und mich anstarren?«
»Ich werde so lange bleiben, bis ich sicher sein kann, dass Sie Ihre Mahlzeit beenden werden.« Sie lehnte sich total atypisch gegen die Wand und hob skeptisch eine Augenbraue.
»Wenn dem so ist… Setzen Sie sich doch. Sie machen mich sonst nervös«, sagte er mit vollem Mund. Zögernd starrte sie auf das mit Büchern und Reporten belagerte Sofa und ließ sich schließlich auf dem zerwühlten Bett nieder.
»Es tut mir leid, wenn mein Quartier ihren vulkanischen Sinn für Ordnung beleidigt. Ich komme in letzter Zeit nicht sehr oft zum aufräumen.« Was sie viel mehr störte, war seine schlechte Angewohnheit mit dem Besteck zu gestikulieren während er sprach und gleichzeitig kaute.
»Vielleicht sollten Sie sich die Zeit nehmen. Ein wacher Geist kann nur in einer geordneten Umgebung seine Leistungsfähigkeit entwickeln«, schlug sie naserümpfend vor.
»Sie sind doch nicht zu mir gekommen, um meine Ernährungsgewohnheit und meine Unordnung zu begutachten?« fragte er misstrauisch. Von dem Steak war schon fast nichts mehr auf dem Teller. Porthos winselte unerlässlich in der Hoffnung, doch noch ein Stückchen abzubekommen.
»Sie sagten, dass Sie schlecht schlafen können?«
Bei dieser Frage hielt er inne. Die Muskeln seines Unterkiefers spannten sich sichtbar an. Nach einer Weile legte er das Besteck ab und wandte sich ihr zu. »Ja, das sagte ich… Wollen Sie mir etwa auch eine dieser Pressurlektionen erteilen wie Commander Tucker?«
Sie war offenkundig verblüfft. Dass sie Trip tägliche Neuropressuren verabreichte, hatte sie sonst niemandem erzählt. Nur Trip und der Doktor wussten darüber Bescheid. Der Rest der Crew fand es lediglich merkwürdig, dass der Commander regelmäßig ihr Quartier aufsuchte. »Woher wissen Sie das?«
»Ich wäre ein schlechter Captain, wenn ich nicht wüsste, was auf meinem Schiff passiert.« Ein sieghaftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht bis zu seinen Augen aus. Und wieder massierte er sich den Nacken - beinahe etwas verlegen. »Außerdem haben Sie einen bleibenden Eindruck bei Trip hinterlassen.«
»Commander Tucker ist leicht zu begeistern. Außerdem dienen die Sitzungen lediglich dazu, ihm das Einschlafen zu erleichtern.« Sie sah sich in der Not, sich verteidigen zu müssen, obwohl sie in der Planung ihrer privaten Abendstunden nichts verwerfliches fand.
Captain Archer hatte schließlich Mitleid mit seinem winselnden Hund und stellte die Schale auf dem Boden ab. Manierlich setzte Porthos sich auf und wartete auf sein Zeichen. Erst als sein Herrchen ihm die Erlaubnis gab, machte sich der kleine Hund sabbernd über das restliche Steak her. »Lassen Sie sich nicht von mir ärgern, T'Pol. Ich mein es nicht so.«
»Vulkanier verspüren keinen Ärger«, verteidigte sie sich erneut, obwohl beide wussten, dass dies absolut nicht der Wahrheit entsprach. Er ließ ihr diese kleine irreführende Verallgemeinerung.
»Wie kommen Sie zurecht?« fragte er schließlich.
Zuerst mied sie seinen Blick und schaute sich um, doch er konnte den panischen Prozess hinter ihren Augen deutlich erkennen.
»Ich habe Schwierigkeiten zu meditieren«, gab sie endlich zu und merkte gar nicht, wie schnell sie die Rollen getauscht hatten. »Dr. Phlox meint, dass es einige Zeit dauern wird, ehe ich meine Emotionen wieder ganz unter Kontrolle bekommen werde. Deswegen ist es wichtig, dass zumindest einer von uns in gefährlichen Situationen einen klaren Kopf bewahren kann.«
»Ich fürchte, dazu reicht ein einziges Essen nicht aus. Aber es tut gut, dass sich jemand Sorgen um mich macht. Nein, behalten Sie sich ihre 'Vulkanier machen dieses nicht und fühlen jenes nicht' Aussagen. Wir Menschen färben auf Sie ab.« Er lächelte offenherzig. Bis jetzt war es ihr gar nicht aufgefallen, wie sehr sie sein unbeschwertes Lachen vermisst hatte.
Sie ergriff die Gelegenheit, denn sie wusste, dass sich seine Laune schnell wieder verfinstern würde. Und er würde wieder über seinen Plänen brüten, ohne jemanden an sich heran zu lassen. »Wenn wir wieder auf der Erde sind… wenn der Angriff abgewendet ist… was werden Sie dann machen?«
»Darüber werde ich erst nachdenken, wenn es soweit ist. Bis dahin kann ich es mir nicht leisten, über private Pläne nachzudenken.«
Mit dieser profanen Antwort wollte sie sich nicht zufrieden geben. »Jeder hier an Bord hat einen Anreiz, einen Grund, warum er zur Erde zurückkehren sollte. Was ist mit ihrer Familie? Ihren Freunden? Auf Sie wartet doch bestimmt eine … Partnerin?«
Wieder erntete sie Verblüffung. Archer brauchte einen Moment, um seine Antwort abzuwägen. »Von meiner Familie lebt keiner mehr.«
»Haben Sie keine Verwandten mehr?« wunderte sie sich. Auch wenn sie keine Geschwister hatte und ihr Vater längst von ihnen gegangen war, so hatte sie trotzdem noch entfernte Cousins und Cousinen, Tanten, Onkel, zweiten, dritten oder vierten Grades. Vulkanier legten nicht viel Wert auf zur Schaustellung von Zuneigung, doch sie besaßen einen außerordentlich geprägten Sinn für Familienzugehörigkeit.
»Meine Mutter starb als ich noch ein Kind war. Ich habe keine Geschwister und auch sonst keine anderen Verwandten mehr.« Er betrachtete seinen Hund wie dieser den Teller nun schon zum dritten Mal prüfend leer leckte. »Was den anderen Teil ihrer Frage betrifft: Es wartet niemand auf mich. Was ist mit Ihnen? Um es mit Ihren Worten zu verfassen: Wer wartet auf Sie?«
»Ich habe eine große Familie. Meine Mutter lehrt an der Akademie von ShiKahr, und einige meiner Cousins arbeiten an der wissenschaftlichen Einrichtung des Oberkommandos. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand aus meiner Familie auf mich wartet.«
»Warum das? Sie haben doch viel geleistet. Da wäre es doch nur logisch, Sie gebührend zu empfangen und zu feiern«, wunderte Archer sich, wobei er den Kopf schief legte und eine Hand auf sein Knie stemmte.
Sie zögerte und suchte nach einem Weg, ihren Stand mit weniger ausschmückenden Worten zu umschreiben. Schließlich sprach sie: »Wenn sie mich gebührend empfangen würden, dann eher mit ihrer Abwesenheit. Ich habe mich meinen Befehlen widersetzt und mein Offizierspatent niedergelegt. Sie dürften auf meine Rückkehr nach dieser Mission mit Ablehnung reagieren. In ihren Augen habe ich Schande über das Familienansehen gebracht.«
Archer wischte sich mit der Servierte über den Mund und legte sie ab. »Sie haben viel riskiert, obwohl man Ihnen einen guten Posten auf Vulkan angeboten hat. Wieso?«
»Der Posten, den man mir anbot, diente nur dazu, mich in die vulkanische Gesellschaft zu reintegrieren. Es stand nicht offen auf dem Plan, aber ich vermute, dass man mir zusätzlich das Kolinahr nahegelegt hätte ohne mir eine Wahl zu lassen.«
»Das Kolinahr…? Das Ritual, sich Ihrer Emotionen zu entledigen?«
»Und um unerwünschte Erinnerungen zu unterdrücken…«
»Man wollte Sie dazu zwingen, uns zu vergessen!« unterbrach er sie als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.
»So könnte man es in der Tat auslegen.«
Eine unangenehme Stille legte sich über sie.
Der Captain fuhr sich mit der Hand über das müde Gesicht. »Wieso sollten sie Sie dazu zwingen, so etwas zu tun?« fragte er schließlich.
T'Pol merkte, dass sich ihr Vorhaben umgekehrt hatte. Sie wollte, dass er sich ihr öffnete. Stattdessen fand sie sich in der Lage wieder, über sich selbst zu reden. Aber er unterhielt sich mit ihr, außerhalb der Dienstzeit und nicht über die Mission oder die Xindi. Das war ein gutes Zeichen.
»Ich bin mir nicht sicher, es ist nur eine Vermutung meinerseits. Wir unterziehen uns der Prozedur des Kolinahr in regelmäßigen Abständen. Der Prozess kann sich dabei über mehrere Jahre erstrecken. Viele scheitern bei der Vollendung des Rituals.«
»Das Ritual, das man mit Ihnen durchgeführt hat, um Ihre Erinnerung an Jossen zu nehmen…?«
»Das ist das Fullara. Es unterscheidet sich vom Kolinahr. Beim Fullara Ritual löschen die Gol-Meister eine spezielle akute Erinnerung und damit verbundene Gefühle aus. Das Kolinahr erstreckt sich über eine größere Spanne und konzentriert sich nicht auf ein einziges Ereignis. Mein letztes Kolinahr liegt mehrere Jahrzehnte zurück, und ich sehe keinen Grund, warum es gerade jetzt nötig sein sollte.«
»Das erklärt, warum Sie den Posten auf Vulkan nicht annehmen wollten, aber nicht, warum Sie bei uns an Bord geblieben sind.«
»Es gibt auf der Erde ein Sprichwort, Captain: Reiss niemals ein eingespieltes Team auseinander. Wir sind ein eingespieltes Team. Das Schiff bei dieser riskanten Mission zu verlassen wäre äußerst unlogisch für uns beide.«
»Obwohl wir einen ruppigen Anfang hatten…«, murmelte der Captain verlegen. »Sie haben auf meine Frage nicht geantwortet«, entschied er sich schließlich, das Thema wieder umzulenken.
»Captain?« fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Ob auf Sie jemand wartet? Ein Partner? Ich habe gelesen, dass auf Vulkan hauptsächlich arrangierte Ehen gibt.«
»Was das betrifft, so wartet keiner auf mich.«
Jetzt war es an Archer seine Augenbraue skeptisch hochzuziehen.
T'Pol sprach weiter: »Ich war bis vor einem Jahr verlobt. Die Familie meines Verlobten drängte darauf, mich nach Vulkan zurück zu holen und die Eheschließung zu vollziehen. Ich war ihrer Meinung nach schon zu lange Vulkan fern geblieben, und sie äußerten Bedenken, dass unsere Ehe nicht mehr mit Ehre und Ansehen begleitet würde, wenn ich noch länger die Gesellschaft der Menschen bevorzugte.«
»Wann war das?«
»Zirka sechs Monate nachdem die Enterprise das Dock zum ersten Mal verlassen hatte.«
»Verzeihen Sie mir, aber sofern ich mich erinnern kann, haben wir in der Zeit Vulkan kein einziges Mal angesteuert.«
»Ganz recht… Ich habe meine Verlobung gelöst«, offenbarte sie ihm. »Ich empfand den Zeitpunkt als unangemessen und verfrüht. Auf Vulkan wird von einem Ehepaar erwartet, dass sie das erste Jahr zusammen auf Vulkan verbringen.«
»Aber Sie lieben ihn… Ich meine, Sie sind ihm doch zugetan, oder etwa nicht?« schickte er sich zur schnellen Korrektur.
»Ich bin ihm viermal in meinem Leben begegnet.« Sie bemerkte, dass er sie genauso entrüstet ansah wie Trip vor einem Jahr als sie ihm von ihrem Dilemma berichtete. Schnell fügte sie hinzu: »Es wird angenommen, dass sich im Laufe der Zeit Loyalität und Ehrgefühl für den Partner entwickeln.«
Er saß ihr nachdenklich gegenüber. Noch vor über einem Jahr hätte er spätestens jetzt eine abwertende Bemerkung über ihr Volk und ihre Kultur gemacht. Wie sehr sich doch die Zeiten geändert hatten, dachte er. Statt Häme und vorpubertären Kommentaren sagte er schließlich: »Ich kann Ihre Familie verstehen - gewissermaßen - dass sie Enttäuschung Ihrem Verhalten nachtragen. Es war sicher nicht das, was Ihre Eltern im Sinn für Ihr Leben hatten. Und doch fühle ich mich ein wenig egoistisch, weil ich froh bin, dass Sie sich für die Enterprise entschieden haben. Auch wenn Sie deswegen jetzt keine Uniform mehr tragen können.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
»Das war die einzig logische Entscheidung, Captain.«
Porthos schien auf einmal ein großes Interesse an ihr zu haben. Der kleine Hund schnüffelte an ihren Schuhen und schaute mit der Rute wedelnd zu ihr auf. Offensichtlich erwartete er ein freundliches Tätscheln oder ein kurzes Ohrenkraulen.
»Komm her, mein Junge«, beendete der Captain die Fraternisierungsversuche seines Hundes. Der Beagle sprang auf Archers Schoß und ließ sich genüsslich den Bauch kraulen.
»Ich hoffe, das Essen hat Ihnen geschmeckt?« fragte sie.
»Ja, danke dafür. Wenn wir nicht gegenseitig aufeinander acht geben, ist unsere Mission zum scheitern verurteilt.« Er runzelte die Stirn. »Diese Pressursache… funktioniert die?«
»Sie dient zur geistigen und körperlichen Entspannung. Es ist ein höchst… privater… Akt.«
Er bemerkte, dass ihr das Thema unangenehm war. Trotzdem war seine Zunge schneller als sein Gehirn. »Also Sie und Trip, hm?«
»Captain?« Hatte sie sich getäuscht oder schwang tatsächlich eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme, während er es mit einem Lächeln zu überdecken versuchte?
»Ach, im Grunde genommen geht es mich auch gar nichts an, solange Sie Ihre Arbeit verrichten…«
»Es ist nicht das, was Sie denken!« protestierte sie. »Ich habe auf Drängen von Dr. Phlox dem Commander die Neuropressur angeboten. Er konnte nicht schlafen und der Doktor befürchtete, dass das Schlafmittel bald keine Wirkung mehr haben würde. Commander Tucker und ich haben uns… arrangiert… obwohl er sehr ungeduldig und impulsiv sein kann.«
»T'Pol, ich habe nichts dagegen, wenn sie sich… näher kommen…«
»Aber dem ist nicht so!« unterbrach sie ihn forsch.
Er starrte sie prüfend an, entschied sich dann doch, das Thema fallen zu lassen. Was sie in ihrer Freizeit unternahm, war wirklich nicht sein Belang.
»Die vulkanische Medizin kennt allerdings auch eine andere Methode, Entspannung zu finden. Meditation könnte Ihnen durchaus helfen, eine Balance zu erlangen zwischen Geist und Körper.«
Er lachte wieder verlegen. »Ich hatte noch nie die Geduld zum meditieren…«
»Vielleicht ist gerade jetzt die beste Gelegenheit damit anzufangen«, schlug sie ihm vor, doch er schien nicht davon begeistert zu sein. »Ich könnte Sie instruieren… Sie sollten der Praxis eine Chance geben. Wenn es Ihnen dann immer noch nicht zusagt, werde ich es nie wieder erwähnen.«
Er schaute sie immer noch zweifelnd an, obwohl T'Pol glaubte, einen Schimmer Hoffnung in seinen Augen entdecken zu können. Sie hatte ihn für einen Durst nach Wissen und Abenteuer bewundert, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollte. Genau das fehlte ihm jetzt. Dieser Funken unschuldigen Glaubens an das Gute im Universum.
»Also gut… wann fangen wir an?« fragte er sich schließlich. Ohne ein 'ja' hätte er sie ohnehin nicht loswerden können.
»Morgen Abend? 2100? Ich transferiere Ihnen einen Anleitungstext, den sie bis dahin gelesen haben sollten«, schlug sie vor.
»Beeinträchtigt das nicht Ihren eigenen Meditationsplan?«
»Ich kann danach noch für mich selbst meditieren. Vulkanier kommen mit weniger Schlaf aus als Menschen.«
Er hatte die Arme verschränkt, lachte leise mit gesenktem Kinn und schüttelte den Kopf.
»Captain?« fragte sie verwundert.
Als wenn er sich ihrer erst wieder bewusst wurde, fuhr er sich mit der flachen Hand über das Gesicht.
»Hätten Sie mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich mich von Ihnen dazu überreden lasse, mit Ihnen zu meditieren, dann hätte ich Sie wohl für verrückt erklärt.«
»Über diese anfängliche Hürde sind Sie gut hinweg gekommen.«
Er schwieg einen Moment als würde er ihre Worte genau abwägen.
»Also 2100, hier? Oder in Ihrem Quartier?«
Sie schaute kurz zu Porthos, der auf seinem Kissen den Bauch nach oben streckte und schlief. »In meinem Quartier haben wir mehr Platz und weniger… Ablenkung.«
»Also gut… Dann sehen wir uns morgen?« Er rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen.
Sie ließ seinen Kommentar unbeantwortet. Die Menschen hatten eine seltsame Ausdrucksweise. Sie sahen sich schließlich täglich. Auf einem kleinen Schiff wie die Enterprise war es beinahe unmöglich, sich nicht mindestens einmal über den Weg zu laufen. Dank Trip wusste sie aber, was der Captain ihr zu sagen versuchte.
»Ziehen Sie ihr Shirt aus und legen Sie sich auf den Bauch«, wies sie ihn an als sie aufgestanden war.
Archer blinzelte. »Bitte was?!«
»Hemd ausziehen und auf den Bauch legen.« Sie deutete aufs Bett und ihr Blick ließ keine Widerrede zu.
»T'Pol…«
»Captain, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Probleme beim Einschlafen hätten, oder habe ich das missverstanden?«
»Ein wenig… ja… Aber das geht vorbei«, wandte Archer nervös ein.
»Captain, Sie vertrauen mir, und wir haben schon oft zusammen in der Dekontaminierung verbracht. Wenn ich Ihnen jetzt helfe, werden Sie sich morgen besser beim meditieren konzentrieren können.«
Er starrte sie entsetzt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, es ihm anzubieten. Er schien immer noch Bedenken zu haben über sie und ihr Volk. Sie seufzte innerlich auf. Hatte sie ihre Freundschaft etwa falsch eingeschätzt? Er sagte, dass er ihr gegenüber keine Vorurteile mehr hatte, aber bedeutungslose Worte ließen sich schnell über die Lippen bringen.
»Also gut…« Er zog sich das Hemd über den Kopf und kam ihrer Aufforderung nach, wenn auch sehr zögerlich. »Aber nicht kitzeln!«
Sie kniff die Augenbrauen zusammen. »Nichts liegt mir ferner als das.« Vulkanier waren nicht kitzelig. Erst bei den Neuropressursitzungen mit Commander Tucker wurde ihr dieses seltsame menschliche Phänomen bewusst. »Nein, nicht die Arme unter den Kopf… Strecken Sie sie zur Seite weg. Ja, genau so.« Er zuckte als ihre Finger an seiner Wirbelsäule hinauf wanderten, wie eine geisterhafte zarte Berührung. »Entspannen Sie sich.«
Er ließ sie gewähren und schloss die Augen. Mit gekonntem Griff drückte sie mit Daumen und Zeigefinger auf die —- Knoten zwischen seinen Schulterblättern. Sie musste sich dabei konzentrieren. Menschen waren an dieser Stelle empfindsamer als Vulkanier. »Atmen Sie tief ein und dann lange aus, bis Sie das Gefühl haben, keine Luft mehr in den Lungen zu haben.«
Sein Brustkorb hob sich. In dem schummrigen Licht zeichneten sich seine Muskeln scharf ab. Ungleich Commander Tuckers beinahe jugendlichem Körperbaus, war der Oberkörper des Captains gezeichnet von Narben und kantigen Knochen. Es war tatsächlich an der Zeit, dass er sich regelmäßig ernährte. Und trotz allem empfand sie seinen Körperbau ästhetisch ansprechend, beinahe vulkanisch geprägt. Ihre Fingerspitzen kribbelten und sie sah sich kurz in ihren Gedanken versunken.
»Ausatmen.« Sie drückte mit ihrem Körpergewicht auf die zwei Knoten und spürte es unter ihren Fingerspitzen knacken.
Er stöhnte leise auf, biss sich jedoch zugleich auf die Unterlippe, um weitere Geräusche zu unterdrücken.
Im Gegensatz zu Trip war Archer ein stiller Patient. Das gab ihr die Gelegenheit, sich besser zu konzentrieren. Sie war nicht sicher, ob er wusste, dass Vulkanier Berührungstelepathen waren. In diesem Gebiet war sie ohnehin unerfahren, was sie aber nicht davon abhielt, es trotzdem zu versuchen. Trip schrie immer gleich auf, wenn es ansatzweise unangenehm wurde. Daran hatte sie sich mehr oder weniger gewöhnt. Doch beim Captain war sie unsicher. T'Pol wollte ihm keine Schmerzen bereiten. Wenn die Posituren falsch ausgeübt wurden, konnte es durchaus schlechte Nebenwirkungen nach sich ziehen bis hin zu dauerhaften Schäden. Das wollte sie unbedingt vermeiden.
Während ihre Daumen seine Wirbelsäule hinunterfuhren und bei jedem Pressurpunkt kurz innehielten, griff sie mit ihren Gedanken nach der Oberfläche seines Bewusstseins. Es war kein Scannen seiner Gedanken oder gar eine Bewusstseinsverschmelzung, mehr ein leichtes Berühren wie ein Flüstern. Sie konnte seine Gedanken nicht hören oder beeinflussen. Es diente lediglich dazu, ein Unwohlsein seinerseits zu vermeiden.
Sie konzentrierte sich. Das menschliche Bewusstsein war untrainiert. Allein schon eine knappe Berührung reichte aus, um Gedanken und Gefühle des anderen aufzuschnappen. T'Pol hatte sich sehr zurücknehmen müssen an Bord mit lauter Menschen als Kameraden. Doch beim Captain war das anders. Sie horchte nach seinem Bewusstsein, empfing aber nichts. Es rauschte in ihren Ohren je mehr sie sich anstrengte.
»Haben Sie in Ihrer Laufbahn ein mentales Training absolviert?« Nichts lag ihr ferner als ein belangloser Plausch, doch sie brauchte Gewissheit.
»Mentales Training? Inwiefern?« fragte er verwundert und die Worte kamen undeutlich über seine Lippen.
»Konzentrationstraining vielleicht oder andere Übungen zur Förderung der Fokussierung auf höheren Ebenen?«
»Jeder Kadett muss einen IQ Test bestehen und auch einen Konzentrationstest… Man muss Aufgaben lösen und wird dabei allen möglichen störenden Geräuschen und all so was ausgesetzt. Meinen Sie das?« Seine Atmung hatte einen langsamen Rhythmus erlangt.
»Ja, so etwas in der Art.« Wieder spürte sie ein Kribbeln in den Fingerspitzen und sie versuchte, seine oberste Bewusstseinsebene zu ergründen, doch da war wieder nichts. Nur ein Rauschen, in dem ihre eigenen Gedanken untergingen.
»Ist das wichtig?« wollte er wissen.
Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem Rauschen zu lösen. »Es erleichtert mir eine Einschätzung Ihrer Fähigkeiten. Waren Sie gut in diesen Tests?«
»Ich lobe mich nur selten gerne selbst, aber ich war einer der Klassenbesten darin.«
Vielleicht war das die Antwort.
Seine tiefe Atmung verriet ihr, dass er im Begriff war einzuschlafen. Das Kribbeln in ihren Fingern wurde stärker, aber nicht unangenehm. Obwohl sie die Positur scheinbar mit dem passenden Druck ausübte, versuchte sie erneut sein Bewusstsein wahrzunehmen. Sie fand es in einer Art warmen Lichts, pulsierend und… sie suchte nach einem passenden Wort, denn das, was sie im Sinn hatte, wollte nicht zu dem Bild passen, das sie vom Captain hatte.
Sein Bewusstsein war dunkel, nur diese einzige Lichtquelle zeigte ihr, dass sie ihn erreicht hatte. Entweder besaß er einen überaus disziplinierten Geist für einen Menschen, oder er versuchte, etwas krampfhaft vor ihr zu verbergen. T'Pol kannte Archer als sehr privaten Mann, der seine Gedanken nicht mit jedem teilte und besonders seine Gefühle vor anderen verborgen hielt. Eine Eigenschaft, die sie besonders an ihm zu schätzen gelernt hatte. Während die anderen Führungsoffiziere immer wieder versuchten, sie zu diesem oder jenem zu überreden, hielt Captain Archer stets einen persönlichen Abstand zu ihr ein. Er brachte sie zwar immer dazu, sich Neuem nicht zu verschließen, aber er überredete sie zu nichts, was sie nicht wollte.
Ihre Hände wanderten zu den nächsten Pressurpunkten in der Höhe seines Kreuzes. Eine empfindsame Stelle bei Menschen, wie sie es bei Commander Tucker herausgefunden hatte. Es musste sich um eine allgemein menschliche Schwäche handeln, denn auch Archer zuckte überrascht zusammen als sie Druck auf den Punkten ausübte. Genau in dem Augenblick eröffnete sich ihr ein Spalt zu seinem Bewusstsein. Das warme Licht, das sie rauschend umgab, entfaltete sich zu einer Gewalt, die sie an die Wüstenstürme auf ihrer Heimat erinnerten. Es war kein Gedanke an sich. Er wusste seine Gedanken gut zu verstecken. T'Pol nahm sich vor, ihn dazu irgendwann einmal beiläufig zu befragen. Es war mehr ein Gefühl, das sie wie ein Feuerregen überspülte und sich direkt in ihrem Schoß ausbreitete noch bevor sie ihr Bewusstsein davor verschließen konnte. Die prickelnde Wucht, mit der dieses primitive Gefühl einherging, versetzte sie beinahe in einen Rauschzustand, dem sie nicht gewachsen war.
»T'Pol?«
Seine Stimme wusch den Sturm wieder fort. Er blickte sie fragend an. »Ist alles in Ordnung?«
Da bemerkte sie, dass sie mitten in ihrer Bewegung aufgehört hatte. »Fühlen Sie sich besser?« fragte sie anstatt zu antworten. Sie wollte ihn nicht belügen also war ein Themenwechsel ihre einzige Möglichkeit. Dabei wusste sie genau, was er gerade in diesem Augenblick fühlte. So sehr ihr Instinkt darauf beharrte zu bleiben, schrie ihr Verstand sie an, möglichst schnell so viel Abstand zu ihm zu gewinnen wie es nur irgend möglich war.
»Es geht mir bestens. Danke!« Archer seufzte als sie ihre Hände wieder in ihren Schoß legte.
»Morgen Abend, 2100. Seien Sie pünktlich, Captain.« Doch das tiefe Atmen verriet ihr, dass er eingeschlafen war. Sie rückte näher auf, um sein Gesicht in dem fahlen Licht zu betrachten. Die harten Züge wichen dem entspannten Ausdruck des Schlafes. Er wirkte wieder wie vor zwei Jahren. Jung und aufgeschlossen. Immer bereit ein Abenteuer zu entdecken. So hatte sie ihn in Erinnerung. Und nur der Schlaf war imstande, ihm diese Mimik zu entlocken.
T'Pol rang das Bedürfnis hinunter, sein Haar zu berühren. Stattdessen deckte sie ihn zu und löschte das Licht.
»Gute Nacht, Jonathan«, sagte sie leise, obwohl er sie nicht mehr hören konnte, und verließ sein Quartier.
Fragmente
Kapitel 1 - Zerschlagen
Der kalten Sternenflotteneinrichtung zum Trotz tünchte die einzelne Meditationskerze den Raum in ein warmes beruhigendes Licht, das normalerweise ihren Geist die nötige Balance finden ließ, die sie dringend nötig hatte.
Der Tag war besonders anstrengend gewesen. Sie konnte die Unruhen der Mannschaft durchaus verstehen - aus logischer Sichtweise. Der Planet wurde angegriffen und da, wo kurz vorher noch sieben Millionen Menschen gelebt hatten, klaffte nun eine kilometerlange Narbe verbrannter Erde. Die Liste der Vermissten hatte kein Ende nehmen wollen. Es stand noch immer nicht fest, wer als vermisst galt und wie viele Menschen dem Anschlag tatsächlich zum Opfer gefallen waren. Die Menschen waren nicht mehr bedeutend. Ob ein Opfer mehr oder tausend. Es handelte sich nur noch um Zahlen.
Die Ruhe der Kerzenflamme war ihr einziger Halt, sich nicht dem Strom der Gefühle hinzugeben. Anfangs fand sie es leicht, ihre innere Mitte wiederzufinden, die einsame Wüste, in der sie ihre eigenen Gefühle unterdrücken und sorgfältig verstecken konnte. Denn das war die Art ihres Volkes. Sie war die Einzige ihrer Art auf diesem Schiff. Das wollte sie nicht als Anreiz betrachten, ihre Kultur zu vergessen.
Der Captain sah dies ein.
Sofern es der Schichtplan zuließ, gab er ihr den Abend frei, um zu meditieren - besonders nach aufwühlenden Ereignissen.
Es stand ihr nicht zu.
Er sollte sie wie jedes andere Crewmitglied behandeln. Dieses Mal musste er es sogar als Befehl formulieren.
Seine Sturheit verwirrte sie.
Sie litt noch immer an den Nachwirkungen des Trellium D, dem sie ungeschützt auf der Seleya ausgeliefert war. Drei Tage lang hatte sie auf der Krankenstation verbracht. Drei Tage, an denen ihre mentale Barriere zerschlagen war, und sie sich mit allen Gefühlswellen konfrontiert sah.
Es war eine Mischung aus Wut und Angst.
Zorn, der sich in seiner unterschiedlichsten Form ganz gleich welcher Ursache doch dem Strom anglich und in eine Richtung gelenkt wurde - das eigentliche Ziel der Mission: Die Waffe der Xindi zu finden.
Und doch erschien ihr der Zorn der Crew auf so divergente Weise. Jeder an Bord hatte seinen ganz persönlichen Grund, zum Erfolg der Mission beizutragen. Der Tod eines Verwandten oder eines Freundes. Den Verlust von Nachbarn. Ein Stück Geschichte war ausgelöscht und regte den nationalen Patriotismus in so vielen Leuten, ob sie nun aus der zerstörten Gegend stammten oder nicht.
Doch eine bestimmte Person machte ihr besonders… Sorgen. Bei der Erkenntnis dieser Tatsache zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Besorgnis war ein Gefühl, dessen sie sich unbedingt loslösen musste.
»Phlox an Sub-Commander T'Pol«, ertönte es aus dem internen Lautsprecher.
Sie atmete tief durch. Ihre Balance würde sie heute Nacht nicht mehr finden. Die letzten fünf Minuten hatte sie ohnehin nur damit verbracht, in die Flamme zu starren. Also nahm sie das Gespräch an ihrem Schreibtisch an: »T'Pol hier. Sprechen Sie.«
»Bitte kommen Sie auf die Krankenstation. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.«
»Verstanden. Ich bin unterwegs.«
Das kam ihr seltsam vor. Sie hatte Phlox das letzte Mal erst an diesem Morgen gesehen. Wenn es sich um etwas handelte, das ihre Genesung betraf, hatte das sicherlich auch bis zur nächsten Frühschicht Zeit.
* * *
»Ah, da sind Sie ja, Sub Commander!« Phlox begrüßte sie wie üblich mit einem überschwänglichen Lächeln und einem Geräusch, das er für gewöhnlich hinter beinahe jeden Satz von sich gab und sich wie ein Schluckauf klang.
»Was gibt es, Doktor?« fragte sie ohne Umschweife und fühlte die letzten geifernden Krallen von Wut und Argwohn in sich aufwallen.
Phlox führte noch schnell einen Scan bei einem Crewman durch, während er sprach: »Ich werde mich gleich um Sie kümmern, Sub Commander. Setzen Sie sich doch schon mal.«
Stoisch blieb sie stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn es Phlox störte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Keine Sorge, Ensign Cromwell. Sie werden sich morgen wieder besser fühlen. Es handelt sich nur um eine Verbrennung zweiten Grades. Damit werden wir spielend fertig.« Er watschelte von einer Konsole zur anderen und hatte mit wenigen Handgriffen eine Injektion zusammengestellt. »Damit werden Sie sich besser fühlen. Und ich möchte Sie vor Ihrer nächsten Schicht untersuchen.« Das Hypospray zischte als er es dem Einsign in den Hals injizierte. »Das wär's dann.«
Cromwell nickte nur knapp und verließ die Krankenstation während er sich misstrauisch den Hals rieb.
T'Pol schaute ihm schweigend nach.
»Gut, dass Sie so schnell Zeit finden konnten, Sub-Commander. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen.« Er wies auf eine Ecke der Krankenstation, in die er sich normalerweise für seine Schreibarbeit zurückzog. »Aber zuerst einmal: Wie fühlen Sie sich?« fragte er sie. Der Denobulaner verzichtete dabei auf einen Handscanner.
»Es überkommt mich hin und wieder ein Unwohlsein und ich habe Schwierigkeiten, mich auf meine Meditation zu konzentrieren. Hat Ihr Anliegen etwas mit dem Heilprozess zu tun?«
»Ich glaube, bei den Nebenwirkungen kann ich Ihnen nicht helfen. Die Auswirkungen von Trellium-D auf die vulkanische Physiologie ist nur schlecht belegt. Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich mit Ihnen sprechen möchte. Es geht genau genommen um das Wohlbefinden des Captains. Wie Ihnen aufgefallen sein wird, hat er sich seit Beginn der Mission sehr zurückgezogen. Ich bin habe zwar einen Doktortitel in Psychologie, allerdings liegt mein Spezialgebiet bei meiner eigenen Gattung. Die Menschen haben da eine durchaus vielschichtigere Psyche als wir Denobulaner. Vor allem verstehe ich nicht, warum die Menschen erpicht darauf sind, ihre körperlichen Wunden heilen zu lassen, aber die einwandfreie Funktionalität ihres geistigen Zustands am liebsten verschweigen möchten.«
»Es ist durchaus verständlich, dass nicht jeder über diese Angelegenheiten sprechen möchte. Es könnte sich hierbei um eine kulturelle Manifestation handeln«, wandte sie ein.
»Wirklich unnötig. Aber ich komme dagegen einfach nicht an. Egal, wie oft ich die Crewmitglieder auf ihre Probleme hinweise. Sie wollen sie einfach nicht sehen.«
»Und ein solches Verhalten haben Sie beim Captain festgestellt?« hakte sie nach.
»Das habe ich in der Tat. Es wird Ihnen schlecht entgangen sein, dass er sich den Druck der Mission sehr zu Herzen nimmt.«
»Wenn man bedenkt, dass das Wohlbefinden seines Planeten davon abhängt, ist es verständlich, dass er sich auf diesen Aspekt konzentriert.«
»Das bezweifele ich keineswegs. Allerdings werden Sie mir zustimmen, dass sich die Crew ein Beispiel am Captain nehmen wird. Und wenn dies der Fall ist, werde ich mehr Patienten zu behandeln haben, obwohl die Mission keinen Schritt dem Erfolg näher ist.«
Sie konnte nur mit Mühe die Bilder unterdrücken, die sie wie im Fieberwahn verfolgten. Vor einigen Tagen hatte sie beinahe ihren Captain erschossen. Eine Handlung, die ihr zu dem Zeitpunkt äußerst notwendig erschien. Sie schämte sich dafür, obwohl ihr dieses Gefühl völlig unlogisch vorkam. Am Ende war sie froh, dass es nur wenige Zeugen gab, die sie in ihrem Zustand gesehen hatten.
»Was schlagen Sie vor?« fragte sie nach einigen Augenblicken.
Der Denobulaner bedachte sie mit einem musternden Blick. »Wie Ihnen aufgefallen sein wird, ist der Captain ein sehr verschlossener Mensch. Die Crewmitglieder gehen mit ihren Problemen zu ihrem Vorgesetzten, oder sie kommen zu mir. Die Führungsoffiziere können mit ihren Angelegenheiten zum Captain gehen oder zu einem gleichrangigen Kollegen. Die Anzahl derer, denen man sich anvertrauen kann, mindert sich je höher man in der Rangfolge steht. Und der Captain steht nun mal an oberster Stelle.«
»Der Captain pflegt eine recht enge Beziehung mit Commander Tucker…«
»Ja, aber es gibt gewisse Dinge, mit der der Captain seine Freundschaft zu Commander Tucker nicht belasten möchte, wie mir scheint. Außerdem hat der Commander bei dem Angriff auf Florida seine kleine Schwester verloren. Ich fürchte, dass Commander Tucker als Vertrauensperson für den Captain diesbezüglich nicht in Frage kommt. Außerdem ist Commander Tucker einige Jahre jünger als der Captain. Er mag sich mit Warpantrieben auskennen, aber es fehlt ihm eine gewisse emotionale Reife, um dem Captain eine Stütze zu sein.«
Das Gespräch fing an, ihren dünnen Geduldsfaden anzunagen.
»Haben Sie mit dem Captain schon darüber gesprochen?« T'Pol ahnte bereits, in welche Richtung das Gespräch führen würde.
»Ich habe es angedeutet, aber er blockt jedes Mal ab. Ich könnte ihn natürlich des Kommandos entheben, sofern ich Anzeichen von irrationalem Verhalten erkennen würde. Aber ich bevorzuge es lieber, das Problem anders anzugehen und es nicht zu verschlimmern. Der Captain vertraut Ihnen, Sub-Commander.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich weiß, dass Sie als Vulkanierin Wert darauf legen, ihr Privatleben vom Dienst abzugrenzen. Bei den Menschen ist das ebenso der Fall. Nur bei Captain Archer werde ich das Gefühl nicht los, dass er sein Privatleben gänzlich zugunsten der Mission zurückstellt. Anfangs mag die Methode funktionieren, aber auf Dauer wird es nicht gut gehen. Wir sind uns also einig, dass die Mission mit dem gesundheitlichen Zustand des Captains steht und fällt. Gehe ich richtig von der Annahme aus?«
»Gewiss.«
»Wie ich bereits erwähnte, vertraut Ihnen der Captain. Es wird bestimmt nicht leicht, ihn zum reden zu bekommen. Vielleicht reicht nur ein kleines Gespräch oder eine gemeinsame sportliche Aktivität, aber der Captain benötigt eine Person, mit der er reden kann.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich dem Captain behilflich sein kann? Er hegt gewisse Vorurteile uns Vulkaniern gegenüber.«
»Das mag auf die meisten Vertreter ihres Volkes zutreffen, aber nicht auf Sie.« Er bemerkte ihre Zurückhaltung. »Ich verlange von Ihnen keine psychoanalytische Auswertung seines Zustandes. Es reicht, wenn Sie ihm das Gefühl geben, über seine Probleme mit jemandem reden zu können.«
Sie zögerte und suchte offensichtlich nach einem Grund, mit dem sie sich aus dieser Pflicht herauswinden konnte.
Phlox sah sich in der Not ein Argument nachzulegen: »Ich habe mit dem Chefkoch gesprochen. Der Captain lässt neuerdings Mahlzeiten aus. Er war heute weder in der Messe noch hat er sich etwas von seinem Steward bringen lassen. Das sollte - wie sagen die Menschen doch gleich? - das Eis brechen.«
* * *
Der Chefkoch hat nicht schlecht gestaunt, als sie die Bestellung aufgab. Es war eindeutig, dass die Mahlzeit nicht für sie bestimmt war. Trotzdem stellte er keine Fragen und sie ihm keinen Hinweis, für wen die Mahlzeit tatsächlich bestimmt war.
Angewidert hielt sie das Tablett weit von sich weg. Obwohl der Teller abgedeckt war, drang der Geruch der tierischen Produkte aus allen Seiten hervor. Statt die Nase zu rümpfen, schob sie nur ihre Augenbrauen zusammen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie selten sie mit Captain Archer in letzter Zeit zusammen gegessen hatte. Auch wenn der Geruch für ihre empfindliche Nase übelkeitserregend war, hatte sie sich irgendwie daran gewöhnt. Noch vor zwei Jahren hatte sie die Gesellschaft von Menschen bei einem Essen um alles im Universum gemieden. Jetzt verband sie mit dem Duft von Fleisch die vielen Gespräche, die sie mit ihm während des Essens geführt hatte.
Noch so eine Eigenart der Menschen: Sie redeten unerlässlich beim Essen. Ein unangemessenes Verhalten unter ihresgleichen.
Doch auch daran hatte sie sich gewöhnt.
Schneller als sie es erwartet hätte, erreichte sie sein Quartier, und zögerte zunächst. Vielleicht hatte er sich längst schlafen gelegt? Oder er war mit etwas beschäftigt, bei dem er nicht gestört werden wollte.
Es half nichts. Das Essen wurde kalt und je länger sie zögerte, umso schwieriger würde ihr die Entscheidung fallen.
Sie betätigte den Türsummer.
Keine Reaktion.
Noch einmal.
Wieder nichts.
Er schlief wohl tatsächlich schon.
Als sie sich anschickte zu gehen, glitt die Tür auf und dahinter stand ein leicht desorientierter Captain mit zerzauster Frisur, bekleidet nur mit einer Jogginghose. Sie starrte perplex auf seine Brustbehaarung. Obwohl sie mit ihm schon viel Zeit in der Dekonterminierungskammer verbracht hatte, verstörte sie der Anblick immer noch. Diesmal war er nicht schnell genug, um ihre Reaktion mit einem bornierten Kommentar zu quittieren. Stattdessen blinzelte er mit zusammengekniffenen Augen.
»Sub Commander?« fragte er und kämpfte ein Gähnen in der Kehle runter. Hinter ihm brannte nur das kleine Nachtlicht über seinem großen Bett.
»Wie es aussieht, störe ich Sie. Entschuldigen Sie mich, Captain…« Sie wollte auf dem Absatz kehrt machen.
»Bleiben Sie stehen, Sub-Commander. Ich kann sowieso nicht schlafen.« Er drehte sich um und wartete erst gar nicht darauf, dass sie ihm etwas erwiderte.
»Also… was kann ich für Sie tun?« rief er aus dem dunklen Quartier hinaus.
Er hatte ihr keine exquisite Erlaubnis erteilt, dennoch trat sie ein und schloss die Tür hinter sich.
»Ich habe bemerkt, dass Sie immer seltener essen. Deswegen habe ich Ihnen etwas mitgebracht«, sagte sie und stellte die abgedeckte Schale auf seinem Schreibtisch ab. Er kramte ein graues Hemd unter seiner Bettdecke hervor und zog es sich mit schwerfälliger Mühe über den Kopf. Mit der Hand versuchte er seine zerwühlten Haare zu bändigen - mit mäßigem Erfolg. Er rieb sich die Augen und den Nasenrücken. Es war offensichtlich, dass sie ihn geweckt hatte, auch wenn er es nicht zugeben wollte.
»Sie kommen zu meinem Quartier um…« Er suchte blinzelnd nach der Uhrenanzeige auf der Konsole über seinem Bett. »2339, nur um für mein leibliches Wohl zu sorgen? Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber mir ist nicht nach essen zumute.«
Mit Widerstand hatte sie gerechnet. Sie machte sich also den schläfrigen Zustand ihres Captains zu Nutze.
»Ich habe mir dem Chefkoch gesprochen. Dies wäre Ihre erste Mahlzeit heute«, sagte sie.
»T'Pol…« wollte Archer einwerfen.
»Sie müssen etwas essen!« sprach sie unbeirrt weiter.
Er starrte sie perplex an. Seine Augen glänzten plötzlich klar. »Gibt es einen Grund, warum ich unter Ihrer Beobachtung stehe, Sub Commander?«
T'Pol blinzelte nicht während sie in ihrer besten Vulkanier Manier ihre Antwort preisgab: »Als Ihr Erster Offizier gehört es zu meinen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass der Captain jederzeit zu hundert Prozent einsatzfähig ist. Darunter verstehe ich ebenfalls, darauf zu achten, dass Sie Ihre Ernährung nicht vernachlässigen. Vulkanier können bis zu zehn Tagen ohne Nahrung, Wasser oder Schlaf auskommen, bevor wir erste Anzeichen von motorischen Beeinträchtigungen zeigen. Das menschliche Gehirn lässt bereits nach einem Tag ohne Nahrung oder Schlaf um 54% an Effizienz nach. Wenn Sie also weiterhin fasten, werden Ihnen früher oder später Fehler unterlaufen mit gravierenden Auswirkungen.«
Archer kratzte sich verlegen den Nacken. »Hören Sie, Sub Commander, ich fühle mich überaus geehrt, dass Sie sich…«
»Der Chefkoch hat Ihnen sein Spezial Steak mit Champignon Sauce zubereitet.« Sie hob beiläufig den Deckel. Der würzige Geruch rief sofort den kleinen Beagle aufs Programm. Schwanz wedelnd und winselnd tapste Porthos unruhig auf seinem Kissen herum. T'Pol ignorierte den Vierbeiner. »Sie sollten es nicht kalt werden lassen. Der Koch wird sich persönlich angegriffen fühlen, sollten Sie das Gericht zurückgehen lassen. Möchten Sie es sich mit dem Koch verscherzen?«
Er antwortete ihr nicht verbal. Sein Magen erledigte das ganz von allein. Geschlagen und seines Stolzes ein wenig beraubt, ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder und begann zu essen. Wenn auch recht langsam.
»Werden Sie die ganze Zeit da stehen und mich anstarren?«
»Ich werde so lange bleiben, bis ich sicher sein kann, dass Sie Ihre Mahlzeit beenden werden.« Sie lehnte sich total atypisch gegen die Wand und hob skeptisch eine Augenbraue.
»Wenn dem so ist… Setzen Sie sich doch. Sie machen mich sonst nervös«, sagte er mit vollem Mund. Zögernd starrte sie auf das mit Büchern und Reporten belagerte Sofa und ließ sich schließlich auf dem zerwühlten Bett nieder.
»Es tut mir leid, wenn mein Quartier ihren vulkanischen Sinn für Ordnung beleidigt. Ich komme in letzter Zeit nicht sehr oft zum aufräumen.« Was sie viel mehr störte, war seine schlechte Angewohnheit mit dem Besteck zu gestikulieren während er sprach und gleichzeitig kaute.
»Vielleicht sollten Sie sich die Zeit nehmen. Ein wacher Geist kann nur in einer geordneten Umgebung seine Leistungsfähigkeit entwickeln«, schlug sie naserümpfend vor.
»Sie sind doch nicht zu mir gekommen, um meine Ernährungsgewohnheit und meine Unordnung zu begutachten?« fragte er misstrauisch. Von dem Steak war schon fast nichts mehr auf dem Teller. Porthos winselte unerlässlich in der Hoffnung, doch noch ein Stückchen abzubekommen.
»Sie sagten, dass Sie schlecht schlafen können?«
Bei dieser Frage hielt er inne. Die Muskeln seines Unterkiefers spannten sich sichtbar an. Nach einer Weile legte er das Besteck ab und wandte sich ihr zu. »Ja, das sagte ich… Wollen Sie mir etwa auch eine dieser Pressurlektionen erteilen wie Commander Tucker?«
Sie war offenkundig verblüfft. Dass sie Trip tägliche Neuropressuren verabreichte, hatte sie sonst niemandem erzählt. Nur Trip und der Doktor wussten darüber Bescheid. Der Rest der Crew fand es lediglich merkwürdig, dass der Commander regelmäßig ihr Quartier aufsuchte. »Woher wissen Sie das?«
»Ich wäre ein schlechter Captain, wenn ich nicht wüsste, was auf meinem Schiff passiert.« Ein sieghaftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht bis zu seinen Augen aus. Und wieder massierte er sich den Nacken - beinahe etwas verlegen. »Außerdem haben Sie einen bleibenden Eindruck bei Trip hinterlassen.«
»Commander Tucker ist leicht zu begeistern. Außerdem dienen die Sitzungen lediglich dazu, ihm das Einschlafen zu erleichtern.« Sie sah sich in der Not, sich verteidigen zu müssen, obwohl sie in der Planung ihrer privaten Abendstunden nichts verwerfliches fand.
Captain Archer hatte schließlich Mitleid mit seinem winselnden Hund und stellte die Schale auf dem Boden ab. Manierlich setzte Porthos sich auf und wartete auf sein Zeichen. Erst als sein Herrchen ihm die Erlaubnis gab, machte sich der kleine Hund sabbernd über das restliche Steak her. »Lassen Sie sich nicht von mir ärgern, T'Pol. Ich mein es nicht so.«
»Vulkanier verspüren keinen Ärger«, verteidigte sie sich erneut, obwohl beide wussten, dass dies absolut nicht der Wahrheit entsprach. Er ließ ihr diese kleine irreführende Verallgemeinerung.
»Wie kommen Sie zurecht?« fragte er schließlich.
Zuerst mied sie seinen Blick und schaute sich um, doch er konnte den panischen Prozess hinter ihren Augen deutlich erkennen.
»Ich habe Schwierigkeiten zu meditieren«, gab sie endlich zu und merkte gar nicht, wie schnell sie die Rollen getauscht hatten. »Dr. Phlox meint, dass es einige Zeit dauern wird, ehe ich meine Emotionen wieder ganz unter Kontrolle bekommen werde. Deswegen ist es wichtig, dass zumindest einer von uns in gefährlichen Situationen einen klaren Kopf bewahren kann.«
»Ich fürchte, dazu reicht ein einziges Essen nicht aus. Aber es tut gut, dass sich jemand Sorgen um mich macht. Nein, behalten Sie sich ihre 'Vulkanier machen dieses nicht und fühlen jenes nicht' Aussagen. Wir Menschen färben auf Sie ab.« Er lächelte offenherzig. Bis jetzt war es ihr gar nicht aufgefallen, wie sehr sie sein unbeschwertes Lachen vermisst hatte.
Sie ergriff die Gelegenheit, denn sie wusste, dass sich seine Laune schnell wieder verfinstern würde. Und er würde wieder über seinen Plänen brüten, ohne jemanden an sich heran zu lassen. »Wenn wir wieder auf der Erde sind… wenn der Angriff abgewendet ist… was werden Sie dann machen?«
»Darüber werde ich erst nachdenken, wenn es soweit ist. Bis dahin kann ich es mir nicht leisten, über private Pläne nachzudenken.«
Mit dieser profanen Antwort wollte sie sich nicht zufrieden geben. »Jeder hier an Bord hat einen Anreiz, einen Grund, warum er zur Erde zurückkehren sollte. Was ist mit ihrer Familie? Ihren Freunden? Auf Sie wartet doch bestimmt eine … Partnerin?«
Wieder erntete sie Verblüffung. Archer brauchte einen Moment, um seine Antwort abzuwägen. »Von meiner Familie lebt keiner mehr.«
»Haben Sie keine Verwandten mehr?« wunderte sie sich. Auch wenn sie keine Geschwister hatte und ihr Vater längst von ihnen gegangen war, so hatte sie trotzdem noch entfernte Cousins und Cousinen, Tanten, Onkel, zweiten, dritten oder vierten Grades. Vulkanier legten nicht viel Wert auf zur Schaustellung von Zuneigung, doch sie besaßen einen außerordentlich geprägten Sinn für Familienzugehörigkeit.
»Meine Mutter starb als ich noch ein Kind war. Ich habe keine Geschwister und auch sonst keine anderen Verwandten mehr.« Er betrachtete seinen Hund wie dieser den Teller nun schon zum dritten Mal prüfend leer leckte. »Was den anderen Teil ihrer Frage betrifft: Es wartet niemand auf mich. Was ist mit Ihnen? Um es mit Ihren Worten zu verfassen: Wer wartet auf Sie?«
»Ich habe eine große Familie. Meine Mutter lehrt an der Akademie von ShiKahr, und einige meiner Cousins arbeiten an der wissenschaftlichen Einrichtung des Oberkommandos. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand aus meiner Familie auf mich wartet.«
»Warum das? Sie haben doch viel geleistet. Da wäre es doch nur logisch, Sie gebührend zu empfangen und zu feiern«, wunderte Archer sich, wobei er den Kopf schief legte und eine Hand auf sein Knie stemmte.
Sie zögerte und suchte nach einem Weg, ihren Stand mit weniger ausschmückenden Worten zu umschreiben. Schließlich sprach sie: »Wenn sie mich gebührend empfangen würden, dann eher mit ihrer Abwesenheit. Ich habe mich meinen Befehlen widersetzt und mein Offizierspatent niedergelegt. Sie dürften auf meine Rückkehr nach dieser Mission mit Ablehnung reagieren. In ihren Augen habe ich Schande über das Familienansehen gebracht.«
Archer wischte sich mit der Servierte über den Mund und legte sie ab. »Sie haben viel riskiert, obwohl man Ihnen einen guten Posten auf Vulkan angeboten hat. Wieso?«
»Der Posten, den man mir anbot, diente nur dazu, mich in die vulkanische Gesellschaft zu reintegrieren. Es stand nicht offen auf dem Plan, aber ich vermute, dass man mir zusätzlich das Kolinahr nahegelegt hätte ohne mir eine Wahl zu lassen.«
»Das Kolinahr…? Das Ritual, sich Ihrer Emotionen zu entledigen?«
»Und um unerwünschte Erinnerungen zu unterdrücken…«
»Man wollte Sie dazu zwingen, uns zu vergessen!« unterbrach er sie als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.
»So könnte man es in der Tat auslegen.«
Eine unangenehme Stille legte sich über sie.
Der Captain fuhr sich mit der Hand über das müde Gesicht. »Wieso sollten sie Sie dazu zwingen, so etwas zu tun?« fragte er schließlich.
T'Pol merkte, dass sich ihr Vorhaben umgekehrt hatte. Sie wollte, dass er sich ihr öffnete. Stattdessen fand sie sich in der Lage wieder, über sich selbst zu reden. Aber er unterhielt sich mit ihr, außerhalb der Dienstzeit und nicht über die Mission oder die Xindi. Das war ein gutes Zeichen.
»Ich bin mir nicht sicher, es ist nur eine Vermutung meinerseits. Wir unterziehen uns der Prozedur des Kolinahr in regelmäßigen Abständen. Der Prozess kann sich dabei über mehrere Jahre erstrecken. Viele scheitern bei der Vollendung des Rituals.«
»Das Ritual, das man mit Ihnen durchgeführt hat, um Ihre Erinnerung an Jossen zu nehmen…?«
»Das ist das Fullara. Es unterscheidet sich vom Kolinahr. Beim Fullara Ritual löschen die Gol-Meister eine spezielle akute Erinnerung und damit verbundene Gefühle aus. Das Kolinahr erstreckt sich über eine größere Spanne und konzentriert sich nicht auf ein einziges Ereignis. Mein letztes Kolinahr liegt mehrere Jahrzehnte zurück, und ich sehe keinen Grund, warum es gerade jetzt nötig sein sollte.«
»Das erklärt, warum Sie den Posten auf Vulkan nicht annehmen wollten, aber nicht, warum Sie bei uns an Bord geblieben sind.«
»Es gibt auf der Erde ein Sprichwort, Captain: Reiss niemals ein eingespieltes Team auseinander. Wir sind ein eingespieltes Team. Das Schiff bei dieser riskanten Mission zu verlassen wäre äußerst unlogisch für uns beide.«
»Obwohl wir einen ruppigen Anfang hatten…«, murmelte der Captain verlegen. »Sie haben auf meine Frage nicht geantwortet«, entschied er sich schließlich, das Thema wieder umzulenken.
»Captain?« fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Ob auf Sie jemand wartet? Ein Partner? Ich habe gelesen, dass auf Vulkan hauptsächlich arrangierte Ehen gibt.«
»Was das betrifft, so wartet keiner auf mich.«
Jetzt war es an Archer seine Augenbraue skeptisch hochzuziehen.
T'Pol sprach weiter: »Ich war bis vor einem Jahr verlobt. Die Familie meines Verlobten drängte darauf, mich nach Vulkan zurück zu holen und die Eheschließung zu vollziehen. Ich war ihrer Meinung nach schon zu lange Vulkan fern geblieben, und sie äußerten Bedenken, dass unsere Ehe nicht mehr mit Ehre und Ansehen begleitet würde, wenn ich noch länger die Gesellschaft der Menschen bevorzugte.«
»Wann war das?«
»Zirka sechs Monate nachdem die Enterprise das Dock zum ersten Mal verlassen hatte.«
»Verzeihen Sie mir, aber sofern ich mich erinnern kann, haben wir in der Zeit Vulkan kein einziges Mal angesteuert.«
»Ganz recht… Ich habe meine Verlobung gelöst«, offenbarte sie ihm. »Ich empfand den Zeitpunkt als unangemessen und verfrüht. Auf Vulkan wird von einem Ehepaar erwartet, dass sie das erste Jahr zusammen auf Vulkan verbringen.«
»Aber Sie lieben ihn… Ich meine, Sie sind ihm doch zugetan, oder etwa nicht?« schickte er sich zur schnellen Korrektur.
»Ich bin ihm viermal in meinem Leben begegnet.« Sie bemerkte, dass er sie genauso entrüstet ansah wie Trip vor einem Jahr als sie ihm von ihrem Dilemma berichtete. Schnell fügte sie hinzu: »Es wird angenommen, dass sich im Laufe der Zeit Loyalität und Ehrgefühl für den Partner entwickeln.«
Er saß ihr nachdenklich gegenüber. Noch vor über einem Jahr hätte er spätestens jetzt eine abwertende Bemerkung über ihr Volk und ihre Kultur gemacht. Wie sehr sich doch die Zeiten geändert hatten, dachte er. Statt Häme und vorpubertären Kommentaren sagte er schließlich: »Ich kann Ihre Familie verstehen - gewissermaßen - dass sie Enttäuschung Ihrem Verhalten nachtragen. Es war sicher nicht das, was Ihre Eltern im Sinn für Ihr Leben hatten. Und doch fühle ich mich ein wenig egoistisch, weil ich froh bin, dass Sie sich für die Enterprise entschieden haben. Auch wenn Sie deswegen jetzt keine Uniform mehr tragen können.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
»Das war die einzig logische Entscheidung, Captain.«
Porthos schien auf einmal ein großes Interesse an ihr zu haben. Der kleine Hund schnüffelte an ihren Schuhen und schaute mit der Rute wedelnd zu ihr auf. Offensichtlich erwartete er ein freundliches Tätscheln oder ein kurzes Ohrenkraulen.
»Komm her, mein Junge«, beendete der Captain die Fraternisierungsversuche seines Hundes. Der Beagle sprang auf Archers Schoß und ließ sich genüsslich den Bauch kraulen.
»Ich hoffe, das Essen hat Ihnen geschmeckt?« fragte sie.
»Ja, danke dafür. Wenn wir nicht gegenseitig aufeinander acht geben, ist unsere Mission zum scheitern verurteilt.« Er runzelte die Stirn. »Diese Pressursache… funktioniert die?«
»Sie dient zur geistigen und körperlichen Entspannung. Es ist ein höchst… privater… Akt.«
Er bemerkte, dass ihr das Thema unangenehm war. Trotzdem war seine Zunge schneller als sein Gehirn. »Also Sie und Trip, hm?«
»Captain?« Hatte sie sich getäuscht oder schwang tatsächlich eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme, während er es mit einem Lächeln zu überdecken versuchte?
»Ach, im Grunde genommen geht es mich auch gar nichts an, solange Sie Ihre Arbeit verrichten…«
»Es ist nicht das, was Sie denken!« protestierte sie. »Ich habe auf Drängen von Dr. Phlox dem Commander die Neuropressur angeboten. Er konnte nicht schlafen und der Doktor befürchtete, dass das Schlafmittel bald keine Wirkung mehr haben würde. Commander Tucker und ich haben uns… arrangiert… obwohl er sehr ungeduldig und impulsiv sein kann.«
»T'Pol, ich habe nichts dagegen, wenn sie sich… näher kommen…«
»Aber dem ist nicht so!« unterbrach sie ihn forsch.
Er starrte sie prüfend an, entschied sich dann doch, das Thema fallen zu lassen. Was sie in ihrer Freizeit unternahm, war wirklich nicht sein Belang.
»Die vulkanische Medizin kennt allerdings auch eine andere Methode, Entspannung zu finden. Meditation könnte Ihnen durchaus helfen, eine Balance zu erlangen zwischen Geist und Körper.«
Er lachte wieder verlegen. »Ich hatte noch nie die Geduld zum meditieren…«
»Vielleicht ist gerade jetzt die beste Gelegenheit damit anzufangen«, schlug sie ihm vor, doch er schien nicht davon begeistert zu sein. »Ich könnte Sie instruieren… Sie sollten der Praxis eine Chance geben. Wenn es Ihnen dann immer noch nicht zusagt, werde ich es nie wieder erwähnen.«
Er schaute sie immer noch zweifelnd an, obwohl T'Pol glaubte, einen Schimmer Hoffnung in seinen Augen entdecken zu können. Sie hatte ihn für einen Durst nach Wissen und Abenteuer bewundert, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollte. Genau das fehlte ihm jetzt. Dieser Funken unschuldigen Glaubens an das Gute im Universum.
»Also gut… wann fangen wir an?« fragte er sich schließlich. Ohne ein 'ja' hätte er sie ohnehin nicht loswerden können.
»Morgen Abend? 2100? Ich transferiere Ihnen einen Anleitungstext, den sie bis dahin gelesen haben sollten«, schlug sie vor.
»Beeinträchtigt das nicht Ihren eigenen Meditationsplan?«
»Ich kann danach noch für mich selbst meditieren. Vulkanier kommen mit weniger Schlaf aus als Menschen.«
Er hatte die Arme verschränkt, lachte leise mit gesenktem Kinn und schüttelte den Kopf.
»Captain?« fragte sie verwundert.
Als wenn er sich ihrer erst wieder bewusst wurde, fuhr er sich mit der flachen Hand über das Gesicht.
»Hätten Sie mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich mich von Ihnen dazu überreden lasse, mit Ihnen zu meditieren, dann hätte ich Sie wohl für verrückt erklärt.«
»Über diese anfängliche Hürde sind Sie gut hinweg gekommen.«
Er schwieg einen Moment als würde er ihre Worte genau abwägen.
»Also 2100, hier? Oder in Ihrem Quartier?«
Sie schaute kurz zu Porthos, der auf seinem Kissen den Bauch nach oben streckte und schlief. »In meinem Quartier haben wir mehr Platz und weniger… Ablenkung.«
»Also gut… Dann sehen wir uns morgen?« Er rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen.
Sie ließ seinen Kommentar unbeantwortet. Die Menschen hatten eine seltsame Ausdrucksweise. Sie sahen sich schließlich täglich. Auf einem kleinen Schiff wie die Enterprise war es beinahe unmöglich, sich nicht mindestens einmal über den Weg zu laufen. Dank Trip wusste sie aber, was der Captain ihr zu sagen versuchte.
»Ziehen Sie ihr Shirt aus und legen Sie sich auf den Bauch«, wies sie ihn an als sie aufgestanden war.
Archer blinzelte. »Bitte was?!«
»Hemd ausziehen und auf den Bauch legen.« Sie deutete aufs Bett und ihr Blick ließ keine Widerrede zu.
»T'Pol…«
»Captain, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Probleme beim Einschlafen hätten, oder habe ich das missverstanden?«
»Ein wenig… ja… Aber das geht vorbei«, wandte Archer nervös ein.
»Captain, Sie vertrauen mir, und wir haben schon oft zusammen in der Dekontaminierung verbracht. Wenn ich Ihnen jetzt helfe, werden Sie sich morgen besser beim meditieren konzentrieren können.«
Er starrte sie entsetzt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, es ihm anzubieten. Er schien immer noch Bedenken zu haben über sie und ihr Volk. Sie seufzte innerlich auf. Hatte sie ihre Freundschaft etwa falsch eingeschätzt? Er sagte, dass er ihr gegenüber keine Vorurteile mehr hatte, aber bedeutungslose Worte ließen sich schnell über die Lippen bringen.
»Also gut…« Er zog sich das Hemd über den Kopf und kam ihrer Aufforderung nach, wenn auch sehr zögerlich. »Aber nicht kitzeln!«
Sie kniff die Augenbrauen zusammen. »Nichts liegt mir ferner als das.« Vulkanier waren nicht kitzelig. Erst bei den Neuropressursitzungen mit Commander Tucker wurde ihr dieses seltsame menschliche Phänomen bewusst. »Nein, nicht die Arme unter den Kopf… Strecken Sie sie zur Seite weg. Ja, genau so.« Er zuckte als ihre Finger an seiner Wirbelsäule hinauf wanderten, wie eine geisterhafte zarte Berührung. »Entspannen Sie sich.«
Er ließ sie gewähren und schloss die Augen. Mit gekonntem Griff drückte sie mit Daumen und Zeigefinger auf die —- Knoten zwischen seinen Schulterblättern. Sie musste sich dabei konzentrieren. Menschen waren an dieser Stelle empfindsamer als Vulkanier. »Atmen Sie tief ein und dann lange aus, bis Sie das Gefühl haben, keine Luft mehr in den Lungen zu haben.«
Sein Brustkorb hob sich. In dem schummrigen Licht zeichneten sich seine Muskeln scharf ab. Ungleich Commander Tuckers beinahe jugendlichem Körperbaus, war der Oberkörper des Captains gezeichnet von Narben und kantigen Knochen. Es war tatsächlich an der Zeit, dass er sich regelmäßig ernährte. Und trotz allem empfand sie seinen Körperbau ästhetisch ansprechend, beinahe vulkanisch geprägt. Ihre Fingerspitzen kribbelten und sie sah sich kurz in ihren Gedanken versunken.
»Ausatmen.« Sie drückte mit ihrem Körpergewicht auf die zwei Knoten und spürte es unter ihren Fingerspitzen knacken.
Er stöhnte leise auf, biss sich jedoch zugleich auf die Unterlippe, um weitere Geräusche zu unterdrücken.
Im Gegensatz zu Trip war Archer ein stiller Patient. Das gab ihr die Gelegenheit, sich besser zu konzentrieren. Sie war nicht sicher, ob er wusste, dass Vulkanier Berührungstelepathen waren. In diesem Gebiet war sie ohnehin unerfahren, was sie aber nicht davon abhielt, es trotzdem zu versuchen. Trip schrie immer gleich auf, wenn es ansatzweise unangenehm wurde. Daran hatte sie sich mehr oder weniger gewöhnt. Doch beim Captain war sie unsicher. T'Pol wollte ihm keine Schmerzen bereiten. Wenn die Posituren falsch ausgeübt wurden, konnte es durchaus schlechte Nebenwirkungen nach sich ziehen bis hin zu dauerhaften Schäden. Das wollte sie unbedingt vermeiden.
Während ihre Daumen seine Wirbelsäule hinunterfuhren und bei jedem Pressurpunkt kurz innehielten, griff sie mit ihren Gedanken nach der Oberfläche seines Bewusstseins. Es war kein Scannen seiner Gedanken oder gar eine Bewusstseinsverschmelzung, mehr ein leichtes Berühren wie ein Flüstern. Sie konnte seine Gedanken nicht hören oder beeinflussen. Es diente lediglich dazu, ein Unwohlsein seinerseits zu vermeiden.
Sie konzentrierte sich. Das menschliche Bewusstsein war untrainiert. Allein schon eine knappe Berührung reichte aus, um Gedanken und Gefühle des anderen aufzuschnappen. T'Pol hatte sich sehr zurücknehmen müssen an Bord mit lauter Menschen als Kameraden. Doch beim Captain war das anders. Sie horchte nach seinem Bewusstsein, empfing aber nichts. Es rauschte in ihren Ohren je mehr sie sich anstrengte.
»Haben Sie in Ihrer Laufbahn ein mentales Training absolviert?« Nichts lag ihr ferner als ein belangloser Plausch, doch sie brauchte Gewissheit.
»Mentales Training? Inwiefern?« fragte er verwundert und die Worte kamen undeutlich über seine Lippen.
»Konzentrationstraining vielleicht oder andere Übungen zur Förderung der Fokussierung auf höheren Ebenen?«
»Jeder Kadett muss einen IQ Test bestehen und auch einen Konzentrationstest… Man muss Aufgaben lösen und wird dabei allen möglichen störenden Geräuschen und all so was ausgesetzt. Meinen Sie das?« Seine Atmung hatte einen langsamen Rhythmus erlangt.
»Ja, so etwas in der Art.« Wieder spürte sie ein Kribbeln in den Fingerspitzen und sie versuchte, seine oberste Bewusstseinsebene zu ergründen, doch da war wieder nichts. Nur ein Rauschen, in dem ihre eigenen Gedanken untergingen.
»Ist das wichtig?« wollte er wissen.
Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem Rauschen zu lösen. »Es erleichtert mir eine Einschätzung Ihrer Fähigkeiten. Waren Sie gut in diesen Tests?«
»Ich lobe mich nur selten gerne selbst, aber ich war einer der Klassenbesten darin.«
Vielleicht war das die Antwort.
Seine tiefe Atmung verriet ihr, dass er im Begriff war einzuschlafen. Das Kribbeln in ihren Fingern wurde stärker, aber nicht unangenehm. Obwohl sie die Positur scheinbar mit dem passenden Druck ausübte, versuchte sie erneut sein Bewusstsein wahrzunehmen. Sie fand es in einer Art warmen Lichts, pulsierend und… sie suchte nach einem passenden Wort, denn das, was sie im Sinn hatte, wollte nicht zu dem Bild passen, das sie vom Captain hatte.
Sein Bewusstsein war dunkel, nur diese einzige Lichtquelle zeigte ihr, dass sie ihn erreicht hatte. Entweder besaß er einen überaus disziplinierten Geist für einen Menschen, oder er versuchte, etwas krampfhaft vor ihr zu verbergen. T'Pol kannte Archer als sehr privaten Mann, der seine Gedanken nicht mit jedem teilte und besonders seine Gefühle vor anderen verborgen hielt. Eine Eigenschaft, die sie besonders an ihm zu schätzen gelernt hatte. Während die anderen Führungsoffiziere immer wieder versuchten, sie zu diesem oder jenem zu überreden, hielt Captain Archer stets einen persönlichen Abstand zu ihr ein. Er brachte sie zwar immer dazu, sich Neuem nicht zu verschließen, aber er überredete sie zu nichts, was sie nicht wollte.
Ihre Hände wanderten zu den nächsten Pressurpunkten in der Höhe seines Kreuzes. Eine empfindsame Stelle bei Menschen, wie sie es bei Commander Tucker herausgefunden hatte. Es musste sich um eine allgemein menschliche Schwäche handeln, denn auch Archer zuckte überrascht zusammen als sie Druck auf den Punkten ausübte. Genau in dem Augenblick eröffnete sich ihr ein Spalt zu seinem Bewusstsein. Das warme Licht, das sie rauschend umgab, entfaltete sich zu einer Gewalt, die sie an die Wüstenstürme auf ihrer Heimat erinnerten. Es war kein Gedanke an sich. Er wusste seine Gedanken gut zu verstecken. T'Pol nahm sich vor, ihn dazu irgendwann einmal beiläufig zu befragen. Es war mehr ein Gefühl, das sie wie ein Feuerregen überspülte und sich direkt in ihrem Schoß ausbreitete noch bevor sie ihr Bewusstsein davor verschließen konnte. Die prickelnde Wucht, mit der dieses primitive Gefühl einherging, versetzte sie beinahe in einen Rauschzustand, dem sie nicht gewachsen war.
»T'Pol?«
Seine Stimme wusch den Sturm wieder fort. Er blickte sie fragend an. »Ist alles in Ordnung?«
Da bemerkte sie, dass sie mitten in ihrer Bewegung aufgehört hatte. »Fühlen Sie sich besser?« fragte sie anstatt zu antworten. Sie wollte ihn nicht belügen also war ein Themenwechsel ihre einzige Möglichkeit. Dabei wusste sie genau, was er gerade in diesem Augenblick fühlte. So sehr ihr Instinkt darauf beharrte zu bleiben, schrie ihr Verstand sie an, möglichst schnell so viel Abstand zu ihm zu gewinnen wie es nur irgend möglich war.
»Es geht mir bestens. Danke!« Archer seufzte als sie ihre Hände wieder in ihren Schoß legte.
»Morgen Abend, 2100. Seien Sie pünktlich, Captain.« Doch das tiefe Atmen verriet ihr, dass er eingeschlafen war. Sie rückte näher auf, um sein Gesicht in dem fahlen Licht zu betrachten. Die harten Züge wichen dem entspannten Ausdruck des Schlafes. Er wirkte wieder wie vor zwei Jahren. Jung und aufgeschlossen. Immer bereit ein Abenteuer zu entdecken. So hatte sie ihn in Erinnerung. Und nur der Schlaf war imstande, ihm diese Mimik zu entlocken.
T'Pol rang das Bedürfnis hinunter, sein Haar zu berühren. Stattdessen deckte sie ihn zu und löschte das Licht.
»Gute Nacht, Jonathan«, sagte sie leise, obwohl er sie nicht mehr hören konnte, und verließ sein Quartier.