The Flying Doctors- Neuanfang
von Siri Tachi
Kurzbeschreibung
Sam hatte Cooper's Crossing vor 4 Jahren mit Emma zusammen verlassen, kehrt nun aber nach einem schweren Schicksalsschlag zurück. Allerdings ist er nicht überzeugt davon, hier zu finden was er seit her verloren hat, ein zu Hause. Kate und Geoff stehen vor der Frage, ob sie die Familie vergrößern wollen, oder ein Kind und die Arbeit genug sind. Hinzu kommt, die Suche nach einer neuen Schwester gestaltet sich problematisch. Dann hat Kate eine Idee, sie fragt Caileah eine junge Frau, die im Busch aufwuchs und später dorthin zurückkehrte. Skeptisch willigt Caileah am Ende ein, keiner ahnt welche Folgen das haben wird und Kate gesteht Geoff schließlich, dass sie ihm etwas entscheidendes verschwiegen hat.
GeschichteDrama, Familie / P18 / Gen
26.09.2014
29.11.2014
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26.09.2014
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Neuanfang!?
2. Erinnerungen und eine Schulter zum anlehnen
Es war noch früh, als sie am nächsten Tag in die Klinik kam und nichts los. Sie nutzte also die Zeit, um noch mal ihre Tasche zu überprüfen und ein paar zusätzliche Dinge einzupacken. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und nahm sich das Handbuch vor. Sie wusste das Geoff Standish eigentlich recht unkompliziert war und auch, das er die letzten Jahre durch Erfahrung gelernt hatte, das es im Busch nicht immer nach Handbuch lief. Dennoch, sie wollte nicht gleich am ersten Tag auffallen, weil sie sich so gar nicht an irgendwelche Vorgehensweisen richtete.
„Guten Morgen, Sie sind schon hier?“
Sie schaute überrascht auf, als sie Kates Mann vor sich erblickte runzelte sie verwundert die Stirn. „Sie?“ Fragte Caileah und musterte ihn.
Er blickte scheinbar irritiert zurück. Sie seufzte und legte das Handbuch beiseite und legte den Kopf nachdenklich schief. „Naja, beim letzten mal, da war es doch noch du. Ich meine... Sie kennen mich seit meiner Schwestern Ausbildung.“
„Das war auch ein Sie,“ antwortete er und kam ganz in den Raum, „außerdem war das vor acht Jahren.“
Sie stand auf und zuckte die Schultern. „Acht Jahre?“ Fragte sie zurück und nickte. Bei Gott und was in diesen acht Jahren alles passiert ist. Womöglich hätte ich nie in den Busch... nein, nein! Hör auf damit! „Ich bin das Sie nicht gewohnt, vielleicht ist es das. Aber im Busch, da... ist es nicht so formal.“
„Hier auch nicht,“ grinste er und öffnete die Zwischentür. „Also du?“ Fragte er. Caileah nickte dankbar und ging zu ihm, reichte ihm die Hand. „Leah,“ sagte sie bittend er lächelte breit. „Geoff.“
Er hob die Hand und deutete auf ihren Schreibtisch, zu dem Handbuch. „Vergess das Ding, halte dich einfach möglichst an die Hygieneregeln und... improvisiere.“
„Improvisation? Mein zweiter Name,“ grinste sie und ging zurück zu ihrem Schreibtisch, während er in sein Büro ging. Nachdenklich glitt ihr Blick hinaus auf die leere Straße. Sie war sich noch immer nicht sicher, ob das hier richtig war. Es war ihre Arbeit und sie liebte sie, das wollte sie nicht aufgeben, aber war Cooper`s Crossing vielleicht doch noch zu nah an ihrem alten Leben?
„Bist du soweit?“
Sie reagierte nicht und so blieb er in der Tür stehen und drehte sich verwundert herum. „Alles klar?“
Erst jetzt bemerkte er, das sie gar nicht zuhörte, es war als sei seine neue Schwester geistig gar nicht anwesend. Zweifelnd schaute er die junge Frau an. Er war von vorne herein skeptisch gewesen, das es mit ihr hier klappte, doch Kate hatte gemeint, wenn sie in der Buschklinik arbeiten und ganz alleine quer durchs Outback fuhr, um ihre Patienten zu versorgen, dann war sie auch richtig für den R.F.D.S. Er runzelte die Stirn. Tatsächlich hatte er die junge Frau als vorbildliche und engagierte Schwesternschülerin in Erinnerung, die gleich nach der Ausbildung ihrem Verlobten in sein Dorf gefolgt war. Aber er wusste auch, von ihrem kurz vorm Examen abgebrochenem Medizinstudium und dem anschließenden Verschwinden der jungen Frau im Busch.
Das war nun zwei Jahre her und obwohl Raigan ihm gesagt hatte, das sie gut war und er ihr jederzeit gestatten würde das Examen erneut und vollständig abzulegen, so hatte Malcolm Donovan, mit dem sie zum Schluss gearbeitet hatte ein ganz anderes Bild der jungen, lebenslustigen und offenen Frau abgegeben. Von einer angespannten, reizbaren Frau hatte er gesprochen, davon das sie sich nicht hatte konzentrieren können und mitten in einer Röteln- Epidemie einfach alles hatte stehen lassen und verschwunden war, nachdem Tot zweier Kinder der Aborigines. Laut Malcolm hatte er sie danach noch ein, oder zweimal gesehen, abgemagert, blass, jedem sozialen Kontakt aus dem Wege gehend.
Er ging auf sie und ihren Schreibtisch zu. „Leah? He!“
Die Mittzwanzigern fuhr erschrocken zusammen, starrte ihn an und sprang auf. „Entschuldigen Sie, ich... ich war... in Gedanken.“
Er nickte. „Ja-a, das habe ich gesehen. Ich hoffe das passiert nicht während der Arbeit? Ich muss mich voll und ganz darauf verlassen können, das....“
„Wird es nicht,“ antwortete sie, griff sich ihre Tasche, einen Rucksack und bedeutete ihm schon mal vor zu gehen.
Skeptisch verließ er das Büro, doch schon auf dem Korridor hatte Caileah ihn wieder eingeholt. Er musterte sie noch mal kurz. Sie wirkte wieder ganz normal, ein Lächeln im Gesicht, die Augen aufmerksam umher schauend, überhaupt nichts mehr war von dem abwesenden Blick und der fast traurigen Mimik geblieben.
Er entschied nicht zu fragen, verstaute erst seine, dann ihre Taschen im Wagen und setzte sich hinter das Steuer. Am Flughafen war Sam bereits dabei die Nomad zu prüfen und den jüngeren, so vertrautem Piloten dabei zuzusehen vermittelte ihm gleich ein Gefühl der Sicherheit. Er winkte, als Sam innehielt und ihnen zunickte. Geoff hatte gewusst, das Sam zurück war und auch, das er der neue Ersatzpilot war, doch getroffen hatte er ihn noch nicht. Aber D.J. hatte ihn erst heute Morgen noch mal davor gewarnt Emma zu erwähnen. Er hatte erklärt, er wisse nicht wieso, doch Paula, Sams jüngere Schwester habe ausdrücklich darauf hingewiesen und auch, das sie hoffte das er blieb und endlich wieder irgendwo Wurzeln schlug. Geoff seufzte und fragte sich unwillkürlich, ob es tatsächlich klug war ausgerechnet heute mit Sam zu fliegen, wo er sich auch der wirklichen mentalen und psychischen Stärke seiner Schwester nicht sicher war. Zugleich aber fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, das Sam und Emma nicht mehr zusammengehören sollten. Die zwei, das war einfach richtig gewesen. Er schüttelte den Kopf.
„Morgen Geoff,“ grüßte ihn Sam und er nickte rasch, nahm die dargebotene Hand und machte noch einen Schritt näher um Sam in eine freundschaftliche Umarmung zu nehmen. „Morgen, Sam. Tut gut, den Piloten mal wieder wirklich zu kennen.“
„Äh... ich mag mich ja irren, aber... Johnno ist nicht wirklich... neu, oder?“
„Nein, aber er fliegt ja kaum noch, und die ganzen Vertretungen die letzten Wochen,“ schaudernd schüttelte er den Kopf. „Glaub mir, ich fliege lieber mit Lisa Bennett, als mit einigen von denen.“
„Oh... ha,“ Sam hob die Augenbrauen. „So schlimm?“
„Aah, du hast ja keine Ahnung.“
Sam grinste und nickte ihm zu. „In dem Fall, willkommen an Board?“ Fragte der Pilot. Geoff nickte. „Bei dir immer,“ sagte er und schob den Koffer in den Flieger, gleich links hinter die Tür. „Sam, das hier ist Caileah Kelly, aus Hawaii.“
„Hawaii? Das... ist aber ein gutes Stück entfernt.“
Die junge Frau schüttelte den Kopf und reichte Sam die Hand. „Leah,“ sagte sie schlicht und erklärte: „Ich bin hier zu Hause, in Florida geboren, aber im Outback aufgewachsen, weit über acht Jahre. Ehe mein Vater starb und meine Mutter meinte wir müssten in die Zivilisation zurück.“ Sie lachte leise und schüttelte den Kopf. „Mit siebzehn, für die Ausbildung kam ich schon wieder zurück.“
„O-kay?“ Sam musterte sein gegenüber und nickte langsam. Es war die Schwester aus dem Krankenhaus, welche die ältere Schwester zurecht gewiesen hatte und die er am Vorabend im Biergarten gesehen hatte. Aber wäre er nicht sicher gewesen, so hätte er es wohl selbst nicht geglaubt. Diese junge Frau mit ihren hellbraunen Haaren und dem sonnen gebräunten Teint, schien nichts gemein zu haben, mit der bedrückten Frau aus dem Pub. Außerdem fragte er sich jetzt wo sie im Licht und gleich vor ihm stand unwillkürlich wie alt sie wohl war. Sie redete zwar wie jemand der schon ein Leben gelebt hatte und wirkte entschlossen, doch sie schien zugleich so unglaublich jung.
Er schüttelte den Kopf und stieg hinter den beiden in die Nomad. Sie war die neue Schwester, wenn sie blieb, würde er mehr über sie erfahren. Von ihr, den anderen, zumindest aber durch D.J. Genau genommen war er sich sehr sicher, das der ihn, nach der Rückkehr gleich ausfragen würde, was er von der neuen hielt. Nur um ihm gleich im Anschluss zu erklären, was er von ihr hielt. So war es immer gewesen und er hatte keinen Zweifel, das es auch noch heute so war, wo der Grieche längst verheiratet war.
Während des Fluges dachte Geoff erneut über seine Neue nach. Kate hatte ihm gesagt, das die alteingesessenen Farmer, am Rand des Gebietes, das Leah abgefahren war, sich erzählten, das sie einsam und alleine sei, weil das Leben sie verraten habe. Es schien seiner Frau, als wüssten der Alte McKinnon und auch die Rudolphos mehr, doch sie schwiegen und Kate hatte ihm geraten nicht zu fragen, wenn Caileah nicht anfing zu erzählen. Er schloss die Augen und versuchte seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Zur Abwechslung fiel es ihm seit langem mal wieder wirklich leicht, den Gedanken während des Fluges freien Lauf zu lassen, die Maschine lag ruhig in der Luft, der Start war sanft und mit stetigem Aufstieg gewesen. Kein Ruckeln, keine besorgniserregenden Geräusche, kein steiles hinaufziehen der Maschine.
Man weiß erst was man hat, wenn man es misst. In diesem Fall, missen musste.
x.x.x.x.x.x.x.x
Die nächsten Wochen vergingen im Flug und schlussendlich ließ er sich von Paula überreden doch mit ins Pup zu kommen. Immerhin würden sie dort heute ihre Smaragdhochzeit begehen, 55 Jahre Ehe. Er schloss die Augen und blieb vor dem Biergarten stehen, schüttelte den Kopf. „Paula, ich... gehe besser.“ Sagte er leise und drehte sich bereits um, als....
Ein helles, schallendes Lachen erklang und er hielt die Luft an. Es war ein so warmes und herzliches Lachen, so rein. Es erinnerte ihn an Emma, doch nicht zu sehr. Es hatte Ähnlichkeit, doch es war anders. Er schüttelte den Kopf und ging. Den besorgt enttäuschten Blick seiner Schwester sah er nicht mehr.
Zwei Tage später sprach noch immer alles von der Hochzeit und wo immer er konnte wich er den Gesprächen aus und verdrückte sich. Heute aber würde er es wohl aushalten müssen, auf dem Plan stand ein Flug in den Süden, an die Grenze zum Territorium von Broken Hill. Es standen Routineuntersuchungen auf dem Plan. Da er aber mit Annie und Chris fliegen sollte, konnte er sich schon denken worum sich die Gespräche drehen würden. Er seufzte und stieg schon mal ein, als er den Wagen kommen sah. Minuten später aber erlebte er eine Überraschung, als er ergeben die Augen schloss. Los geht’s!
„Hi, Sam? Alles klar?“
Er drehte sich herum und sah direkt in das ruhige Gesicht von Leah. Er lächelte, ohne es recht zu merken und nickte. „Ähm... ist Annie krank?“
„Nein, aber Chris konnte plötzlich nicht, Annie ist krank und Geoff... hat dann mich gefragt ob ich heute nicht ihn und Tom begleite. Probleme?“
„Überhaupt nicht,“ er stand auf und begann den beiden beim Beladen zu helfen. „Sollte ich?“ Fragte er munter. Nein, das war doch gleich viel besser, Tom war eher der Schweigsame und mit Leah verstand er sich. Sie war herrlich unkompliziert und musste nicht stetig alles hinterfragen, Geoff war auch ganz okay in dieser Kombination sowie so.
Doch der Tag endete nicht halb so gut, wie er begonnen hatte.
Kurz vor Ende wurden sie zu einem Unfall zwischen ihrer Position und Cooper`s Crossing gerufen und kaum stieg er aus und folgte den Ärzten zur Straße, da blieb ihm das Herz stehen. Das er die Tasche fallen gelassen hatte und mit den Knien am Boden hockte merkte er erst, als Leah nach ihm rief. Geoff und sie waren gleich bei ihm und doch bemerkte er es gar nicht, er starrte wie betäubt auf das Bild das sich ihm bot, ein Vater mit einem blonden Mädchen im Arm, das Blut überströmt war und ein Mann der fassungslos und rufend zwischen den Wagen stand.
Sein Geist entfernte sich.....
- Emmas Wagen!-
Er rannte los und kam vor dem Wagen zum stehen, da lag sie, am Boden,
„EMMA!“
„EMMA! NEIN! Emma!“
Jemand riss ihn von ihr weg, er musste hilflos und rufend mit ansehen, wie der Arzt sie aufschnitt, die Linien auf dem EKG erstarben.....
…. hinter ihm schrie irgendwer immer wieder es täte ihm Leid, er wollte doch nicht....
Sam begriff was an dieser Stimmer ihn Schaudern ließ, in dem Moment da er begriff, das seine geliebte Frau tot war. Der Kerl war betrunken!
Besorgt sah sie von Geoff zu Sam, der reglos und wie versteinert da hockte. „Eine... Panikattacke?“ Fragte sie besorgt. Der Arzt nickte und drückte ihr einen Beutel in die Hand. „Bleib bei ihm.“
„Was aber... Geoff, was hat er?“
„Ich weiß nicht,“ der Arzt kniff die Augen besorgt zusammen, „Womöglich.... eine Erinnerung? Bleib hier.“
Sie nickte und legte dem Piloten, der meistens dieses gewinnende Lächeln im Gesicht hatte, zumindest für Patienten und Kinder. Es schockierte sie, ihn so zu sehen. Gerade als sie die Hand nach ihm ausstreckte und ihn ansprechen wollte, da hörte sie es....
„Emma....Lily....“
Sie schaute ihn ernst an, sie schluckte. Emma.... Lily.... Der eine Name aber... Emma, er hallte in ihr wieder. Sie kannte ihn. Sie wusste, wer sie war. Doch jetzt.... mit diesem, seinem Blick und dem Schmerz in seiner Stimme, da war sie sich sicher, was immer geschehen war. Wer immer Lily war, Emma hatte er verloren, das war ihr jetzt klar und sie war sich sicher, das es kein zurück mehr für ihn gab. Er konnte nicht, wie so viele hier hofften zurück zu Emma gehen, oder sie zurückgewinnen, denn es gab kein zurück mehr. Sie schluckte und umgriff seine Hände. Sie drückte feste zu und warf einen raschen Blick hinter sich zur Straße. Sie ahnte beim Anblick der fieberhaft arbeitenden Ärzte, dass sie gleich zurückfliegen mussten und das hieß.....Wir brauchen einen Piloten. Sam!
Sie umgriff seine rechte Hand drückte so fest zu, wie sie konnte und kniff ihm in die linke Schulter. Sam zuckte zusammen und sie packte sein Kinn als er blinzelte. „Sam? Ich bin`s Caileah, sieh mich an Sam. Sieh mich an!“
Er wollte sich wegdrehen, sie aber hielt ihn fest, schüttelte den Kopf. „Sam! SAM!“ Sie gab ihm eine kurze Ohrfeige und sein Blick ruckte zu ihr herum. Sie nickte. „Sam, das hier ist nicht Emma. Die Kleine lebt! Sam! Sie leben, alle! Wir... wir müssen ins Krankenhaus, wir....“
Er blinzelte nickte und rappelte sich auf, sie folgte ihm und traute seinem ruhigen Blick keineswegs. Als er zur Nomad zurück lief wirkte es eher wie eine Flucht und sie folgte ihm. Sie beobachtete, wie er das Flugzeug durch checkte und dann flüchtig zur Straße sah.
„Sie leben?“ Fragte er kaum vernehmbar. Sie nickte, alle....
Er atmete durch. „Ich.... ich schaff das.“
Leah nickte und als Geoff kurz darauf kam und fragte ob er fliegen könnte nickte Sam. „Aber nur... diesen Flug.“
Geoff nickte und sah sie durchdringend an. „Bleib vorne,“ raunte er ihr zu und lief zurück zur Straße.
x.x.x.x.x
Im Krankenhaus schoben Geoff und Tom ihre Patientin direkt in den Notfallraum und Kate nahm sich dem Betrunkenen an, während der Kindsvater besorgt auf dem Flur stehenblieb. Sie zögerte jedoch den Ärzten zu folgen, da Sam eben hereingekommen war und vorne in der Teeküche verschwand. Als sie eine der jüngeren Schwestern entdeckte rief Leah nach ihr. „Annie!“ Rief sie befehlend, „Annie, geh und helfe Geoff.“
„Es ist eure Patientin, ich bin gerade am....“
„Das war keine Bitte. Lass das Tablett stehen, das hat Zeit, geh zu Geoff!“ Mahnte sie und lief damit an der jüngeren Schwester vorbei. Am Tresen sah sie auf das abgestellte Tablett und schüttelte den Kopf, nur der Essensplan. Sie fand Sam im Gang, er war bereits dabei wieder zu gehen, wie es schien. Sie vertrat ihm den Weg und schloss hinter sich die Tür. „Sam? Wie geht’s dir jetzt?“
„Es ist nichts, ich... ich mache Schluss für heute und....“
x.x.x.x.x
Er wollte an ihr vorbei, doch sie fasste seinen Arm. Er mochte sie, bisher hatte sie nie derart Fragen gestellt bei denen ihm unwohl wurde, über die er nicht nachdenken wollte. Doch im war in diesem Moment klar das es damit vorbei war. Stumm fragte er sich, ob sie ihm ab jetzt eben so sehr in Anspannung versetzen würde, wann immer sie begann zu fragen, wie es ihm gehe? Er hoffte es nicht, aber er ahnte, das es so sein würde. Und es hatte so gut getan, zumindest einen hier zu wissen, bei dem er nicht das Gefühl haben musste etwas zu verbergen.
Sie kam halb um ihn herum. „Dir geht’s nicht gut,“ sagte sie ruhig und leise.
Er senkte den Kopf. Sam wollte nicht reden. Er wollte nicht reflektieren, oder analysieren was da draußen geschehen war, er wusste es. Er wusste es und im Moment glaubte er wirklich er müsse zerspringen, so schwer und schmerzend schien ihm seine Brust. Schloss er die Augen, so sah er all das, was er die letzten eineinhalb Jahre hatte vergessen wollen und verdrängt hatte. Stumm blieb er stehen, hoffte sie würde gehen, doch er wusste es natürlich besser. Das würde sie nicht, einfach gehen.
„Sam? Es ist.... es ist wegen Emma, nicht?“
Er zuckte zusammen, stieß den Atem aus und griff halt suchend hinter sich, mit feuchten Augen und dem Gefühl keine Luft zu bekommen, sank er in den Stuhl. Sie folgte ihm, kniete sich vor ihn. „Sam?“ Fragte sie sehr leise, „Wer... ist Lily?“
Er hielt die Luft an und schüttelte den Kopf. Geh! In Gottesnamen, bitte, bitte geh!
„Sam? Sam, Emma.... was... ist passiert?“
Gepeinigt schloss er die Augen, kämpfte um das letzte bisschen Selbstkontrolle. Viel war da nicht mehr, er spürte bereits die Tränen, sein rasendes Herz und er saß zusammengesunken auf einem Stuhl. Er ballte die Hände zu Fäusten.
„Sam, bitte... sieh mich an. Ich.... ich weiß wie das ist,“ flüsterte sie und er hörte sie Seufzen.
„Ich weiß... wie es ist... zu verlieren was.... was einem alles bedeutet.“
Der verlorene, schmerzerfüllte Klang ihrer Stimme ließ ihn aufsehen, ganz gegen seinen Willen. Er sah in ein paar tieftraurige braune Augen. Er sah für einen kurzen Augenblick seinen Schmerz, dann war es, als habe sie sich wieder unter Kontrolle. Sie schaute zum Boden, drückte leicht seine Hand, die noch immer zur Faust geballt war. „Sam? Es hilft zu reden, glaub mir. Ich... mir hat Kate mal zugehört, das... weiß niemand.“
Er zuckte zusammen und entzog ihr seine Hand. Er begriff, das er schon jetzt mehr von ihr wusste, als wohl alle anderen hier. Alle, außer Kate. Er musterte sie, fuhr sich durchs Gesicht und nickte stumm. Er wusste, es war blöd, wie sollte sie wissen, was er meinte und... nein, er würde nicht reden, er traute seiner Stimme nicht. Er schloss die Augen.
„Es... war ein Autounfall, nicht?“ Fragte sie leise und er sah sie nicken, als er die Augen wieder öffnete. „Sam ich....“
„Dieser... betrunkene Bastard, er... er ist einfach.... in sie hinein gefahren, sie... sie war sofort....“ Er schüttelte den Kopf und schlug sich weinend die Hände vors Gesicht. In diesem Moment aber war es ihm gleich. Im Geiste sah er seine schwanger, blutende Frau erneut vor sich auf der Straße und dann waren da der Vater und seine Tochter von heute. Er rang nach Atem. Lily! Oh Emma, ….Lily....
„Und... Lily....“ flüsterte er. Sie nahm wieder seine Hände, kaum das sie auf seinen Knien lagen. Für einen langen Augenblick war es still und er wurde wieder ruhiger.
„Lily?“ Fragte sie leise.
Er nickte. „Meine... Tochter.“
„Wie alt war sie?“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht... geboren....“
„Sam!.... oh Sam, das... das.....“
Sie verstummte, stand auf und er spürte plötzlich ihre Arme die sich um ihn schlangen. „Es... wird besser, es dauert, und.... du musst reden, Sam, wirklich.“
Er schüttelte den Kopf.
„Doch,“ flüsterte sie und nickte, kam wieder herum. „Du musst. Wann immer... du reden kannst, oder... musst, du kommst, okay? Egal wann, bitte Sam. Ich.... ich kann nicht auch noch meinen einzigen Freund verlieren.“
Überrascht und verwirrt schaute er auf. Sie lächelte gequält und nickte ihm zu. „Du bist der einzige hier, der nicht über mich redet, der... nicht nur die junge Frau sieht die zweimal abgetaucht und verschwunden ist. Der, der... mich nicht fragt.“
Sie strich ihm locker übers Haar. „Bitte geh nicht Sam.“
Er nickte ganz automatisch. Er hatte wirklich weggehen wollen, mal wieder. Doch die Tatsache, das sie da sein wollte zum reden, ohne Fragen. Das sie ihn ebenso als Freund sah, wie er sie und das Bewusstsein, das sie wirklich zu wissen schien, was in ihm vorging hielten ihn ab. Er stand auf. „Ich... ich muss raus hier.“ Sie nickte, öffnete die Tür, sah sich kurz um und winkte ihm zu.
Doch kaum war er im Flur erschien Tom im Korridor, besorgt schaute er herüber und rief nach ihm. Sam spannte sich an, blieb stehen.
Eine Hand war mit mal in seinem Rücken, er spannte sich noch mehr an, bis....
„Geh Sam! Geh, wir sehen uns,“ flüsterte Leah und die Hand in seinem Rücken drückte ihn Richtung Ausgang. Er begriff, das sie es war, nickte und lief hinaus. Tom rief nach ihm, doch als er Leah nach Tom rufen hörte, da wusste er der Arzt würde beschäftigt sein und gleich hinter der Tür lehnte er sich an die Hauswand, um sich zu sammeln. Noch immer spuckten Bilder der Unfälle durch seinen Geist, nun aber auch ihr Versprechen und ihre Bitte. Sam begann spazieren zu gehen, es war weit nach Mitternacht, als er sein Zimmer im Hotel aufsuchte.
Es klopfte.
„Ja-a?“ Fragte er und sah sich abwartend zur Tür um. Augenblicke später fiel ihm ein, das er schon abgeschlossen hatte, so ging er zurück und schloss wieder auf. Langsam öffnete er einen Spalt. Vor ihm stand eine kleine Person, die ihm gerade den Rücken zugewandt etwas aufhob. Als die Person sich erhob, entdeckte er das es eine Katze war und der Haarschopf der Person ließ auch nur einen Schluss zu. Er schob die Tür ganz auf. „Leah?“ Fragte er verwundert.
Grinsend drehte die jüngere sich um und nickte. „Hi, Sam,“ grüßte sie ihn und stand eine Sekunde später bereits vor ihm. „Wir... naja... wir wollten einfach kurz nach dir sehen.“
Er nickte, nun wieder skeptisch, ob sie nicht doch eine von denen war die ihn ausfragen würden. Sie aber schaute ihn nur fragend an und er entschied, das er es besser jetzt und in Ruhe herausfinden wollte als morgen im Dienst. Sam trat zurück. „Komm rein.“
Leah kam der Aufforderung nach und er schloss die Tür, umrundete sie und griff nach dem rotbraun getigertem Tier. „Wer ist das?“ Fragte er und nahm ihr den schnurrenden Stubentiger ab. „Ich wusste nicht, das Vic und Nancy jetzt Tiere erlauben?“
Sie zuckte grinsend die Achseln. „Die kleine Maus war von Anfang an mit. Sia geb ich nicht her,“ antwortete sie grinsend und setzte sich unaufgefordert auf einen Stuhl. „Aber zu deiner Information, sie wussten es auch nicht, am Anfang. Dann aber... naja... erinnerst du dich an die Maus letzte Woche? Sia hat das Problem gelöst und jetzt... ist sie offiziell geduldet.“
„Du bist also ein geprüfter Mäusefänger, mmh?“
Leah kicherte und schüttelte den Kopf, er musste selbst grinsen als sich das Tier streckte und ihn am Kinn leckte, sie lachte laut los. Überrascht schaute er zu ihr hinüber. Er kannte dieses Lachen, er hatte es im Biergarten gehört, auf der Feier, zu der er nicht gegangen war. Ihre funkelnden Augen jedoch überraschten ihn. Er sah zurück zur Katze. „Ich dachte eigentlich.... das machen nur Hunde? Hast du einen in der Verwandtschaft, mmh?“ Er setzte das Tier ab und nahm auf einem Stuhl Platz, während er seine lachende Bersucherin musterte. Hatte er sich eben noch gesorgt, ein Gespräch könnte in die falsche Richtung gehen, so musste er sich nun einmal mehr eingestehen, das er ihre Gesellschaft allen anderen vorzog. Als sie ihn nun ihrerseits aufmerksam musterte schaute er rasch in eine andere Richtung, er ahnte, was sie herauszufinden gedachte.
Sein Blick glitt nervös an ihr vorbei, zu der Küchenzeile. „Ähm... Tee?“
Sie nickte und er stand auf.
Mit dem Rücken zu ihr und der Katze um seine Beine, fühlte er sich wieder viel sicherer und atmete einige male tief durch. Er ließ sich viel Zeit, um den Tee aufzusetzen, die Tassen, Zucker und alles herauszusuchen. Erst dann stellte er alles langsam auf ein Tablett. „Ist... sie dir einfach gefolgt oder... dachtest du... ich... lasse dich ohne Katze nicht rein?“
„Ich....“
Er drehte sich um, die Hände auf der Ablage. „Die Wahrheit.“
„Vielleicht... etwas von beidem?“ Fragte sie leise zurück.
Sam nickte und trug das Tablett zum Tisch.
„Hättest du?“
„Was hätte ich?“
Sie grinste und beugte sich ein Stück über den Tisch. „Na, mich reingelassen. Ohne Sia?“
„Ich.....,“ brach ab und zuckte die Schultern. „Weiß nicht.“
Sie nickte und lächelte breit. „Siehst du.“
„Ich... hab es überlegt, ich... will nicht reden und du... bist eine Frau, du und Kate, du und Paula, du und Chris, ihr alle redet doch andauernd miteinander.“
„Nicht über alles Sam,“ sagte sie leise und schüttelte den Kopf. „Nicht über alles.“ Sie stand auf setzte sich auf den Boden. Leah schnippte mit dem Finger und ihre Katze sprang zu ihr auf den Schneidersitz, kuschelte sich ein. Fasziniert beobachtete er die zwei. Sie spielte einen Moment lang mit dem Tier als habe sie ihn vergessen. Dann aber blickte sie wieder zu ihm. „Du ahnst ja gar nicht, wie wenig ich meistens mitrede.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es... es gibt Dinge... über die spricht man nicht und.... sie stehen zwischen den Menschen. Das... naja, schafft Distanz und ich... ich mag diese Distanz. Ich meine... du kennst das Gefühl,“ sagte Leah leise, wobei sie weiter mit dem Tier spielte und nicht mehr zu ihm sah. „Das... Gefühl, nicht alles teilen, nicht jedem erzählen zu wollen, was war. Sich und sein Handeln nicht erklären zu müssen....“
Sie seufzte. „Sam?“
„Ja?“ Fragte er überrascht und ihre Blicke begegneten sich, da er aufgesehen hatte. Sie schloss ihre wieder. „Frag mich nicht, ja?“ Bat sie leise, aber mit einem Ton, der deutlich machte, sie würde es nicht zulassen. Er nickte. Sie war ihm im Moment mehr Freundin, als alle anderen hier, die vor allem auch wissen wollten, wieso er wieder hier war, alleine und... so anders. Sam schluckte. „Werde ich nicht,“ sagte er und ihre Blicke trafen sich erneut.
Leah erhob sich, stand auf, ihre Katze im Arm und wünschte ihm eine Gute Nacht, ehe sie zur Tür ging. Sam folgte ihr. „Leah? Danke, für... alles.“
Sie nickte mit einem stummen Lächeln und verschwand auf dem Korridor. Einen Moment lang blickte er ihr nach, dann verriegelte er wieder die Tür.