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Tödliche Aussichten

von Bibi77
Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi, Freundschaft / P12 / Het
Ernst "Stocki" Stockinger OC (Own Character) Peter Höllerer Rex Richard "Richie" Moser
11.09.2014
16.04.2015
29
62.547
13
Alle Kapitel
23 Reviews
Dieses Kapitel
5 Reviews
 
 
11.09.2014 2.079
 
Ein Wort vorweg

Auch auf die Gefahr hin, dass sich keine Serienliebhaber der guten alten Kommissar Rex-Zeiten hier herumtreiben, fange ich jetzt einfach mal an, diese Geschichte online zu stellen. Ich wollte mich schon seit Längerem mal an einen richtigen Krimi wagen und nichts war naheliegender, als diesen Wunsch mit meiner Lieblingsserie aus Kindertagen und den Erinnerungen an zwei Österreichbesuche zu verbinden :). Um meiner Phantasie trotzdem genügend Spielraum zu verschaffen, habe ich das Dorf und seine direkte Umgebung, auf die sich die Handlung konzentriert aber frei erfunden; ebenso die Charaktere, die neben „Richie“ Moser und Co (die selbstverständlich den Machern der Serie/ den Darstellern gehören) noch mitmischen.
Mir ist natürlich klar, dass es mehr als unwahrscheinlich ist, dass unsere Wiener Kommissare alle gleichzeitig Urlaub machen dürfen und den dann auch noch gemeinsam in einer derart abgelegenen Gegend verbringen, aber einer allein wäre eben einfach wie eine Semmel ohne Wurst ;D!

Unbedingt mit erwähnen muss ich außerdem Assra2013, die sich den ganzen Spaß hier mit mir zusammen ausdenkt und von mir genötigt wurde, als Beta-Leserin einzuspringen. Leider sind wir durch Beruf bzw. Studium zeitlich etwas eingeschränkt, aber wir geben uns trotzdem Mühe, regelmäßig neue Kapitel abzuliefern. Vielleicht findet sich im Laufe der Zeit ja doch jemand, der sich über diese Geschichte genauso freut wie Rex über eine fette Wurstsemmel ;)?!
Wir würden uns auch freuen!

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Es war noch früh am Morgen, als die ersten Ausläufer der angekündigten Unwetterfront die Berge erreichten. Seit Bernhard Scheffler in St. Wolfgang aufgebrochen war, wurden durch das Autoradio ununterbrochen Warnungen herausgegeben und Wandertouristen gebeten, ihre Unterkünfte in den betroffenen Regionen vorerst nicht zu verlassen.
Genervt stellte er das Radio aus und warf einen prüfenden Blick gen Himmel.
Die dunklen Wolken verhießen nichts Gutes, aber noch war es ruhig und in den Baumwipfeln der hohen Fichten, die die schmale Bergstraße säumten, regte sich kein Lüftchen. Bernhard Scheffler war zuversichtlich, dass er seinen Auftrag noch vor Gewittereinbruch erfüllt haben würde, zog aber dennoch das Fahrtempo an. Mehr Sorgen als ein bisschen Wind und Regen bereiteten ihm die Schottersteine, die immer wieder klackernd gegen den silbergrauen Lack seines neuen Mercedes prallten und die scharfen Rechtskurven, an deren ungesicherten Außenkanten es steil bergab ging, lieferten ihm ebenfalls Anlass zu ersten Überlegungen bezüglich der bevorstehenden Baumaßnahmen.

Sobald der Vertrag unterschrieben war, musste die Straße dringend verbreitert, asphaltiert und mit Leitplanken versehen werden, um einen sicheren Shuttlebus-Transfer für die Touristen zu gewährleisten. Auch der schmale Bergbach, der durch die Regenfälle der vergangenen Tage erheblich angeschwollen war und im Laufe der Jahre eine tiefe Rinne quer über die Schotterpiste gegraben hatte, musste umgeleitet werden. Die kleine und marode Holzbrücke würde einer größeren Belastung mit Sicherheit nicht mehr lange standhalten... Zudem bestand die Gefahr, dass der Wasserfall, der an dieser Stelle aus dem dichten Bergwald hinaussprudelte, die Straße auf Dauer unterspühlen und unbefahrbar machen würde.
Der Wald selbst schien dagegen weitaus vielversprechender. Erst einmal abgeholzt, würde die freigewordene Fläche viel Potenzial für abwechslungsreiche Skipisten und eine Liftanlage bieten. Die dicken und gerade gewachsenen Fichtenstämme konnte man zudem leicht zu Geld machen.
Alles in allem war die Lage also perfekt geeignet für eine neue Wintersportanlage im großen Stil...

Mit zunehmender Höhe wurde der Wald seitens der Straße zunehmend lichter, bis nur noch vereinzelt kleinere Nadelbäume willkürlich in der Landschaft verstreut wuchsen. Dafür prägten nun ausgedehnte, saftig-grüne Bergwiesen das Bild, hin und wieder durchsetzt von den Farbtupfern blühender Kräuter und bereits vertrockneter Gräser. Die Spalten verwitterter Felsbrocken boten Heimat für unzählige Moose und Flechten und in einer fernen Senke graste eine bunt-gescheckte Rinderherde vor einer Baumgruppe. Rings herum türmten sich die Berge majestätisch bis in den Himmel hinauf, wo ihre Spitzen in den dunkelgrauen Wolkenmassen verschwanden. Dichte Nebenschwaden zogen langsam an den steilen Hängen entlang und verhinderten die Sicht in die darunter liegenden Täler. Es schien, als wäre die Welt dort oben nichts weiter als eine einsame Insel in einem Meer aus Wolken und Dunst.

Was für viele Menschen einer der schönsten Orte auf Erden war, war für Bernhard Scheffler jedoch nichts weiter als eine fremde, unwirkliche und bedrohliche Gegend, die bestenfalls nur dazu geeignet war, noch mehr Geld in die Geschäftskassen zu spühlen.
Er würdigte die atemberaubenden Kulisse keines Blickes, während er zielstrebig auf einen begradigten Schotterplatz fuhr und den Wagen dort abstellte. Die Straße endete hier, auch wenn zwei ausgefahrene Spurrinnen noch weiter hinauf zu einer Hütte führten, die in etwa 200 Metern Entfernung auf einem Hügel stand. Diese Tortur wollte er seiner edlen Luxuskarosse, trotz der schlechten Wetterlage, nicht zumuten.
Kaum hatter den Motor ausgestellt, vernahm er auch schon ein dumpfes Donnergrollen und ein greller Blitz zuckte direkt vor ihm aus dem fast schwarzen Himmel zur Erde nieder. Nur wenige Sekunden später wurden die ersten Regentropfen auf der Windschutzscheibe sichtbar.
Schnell stieg er aus, zog sich seinen schwarzen Sommermantel über den grauen Designeranzug und holte Regenschirm und Aktenkoffer von der Rückbank.
Er kam nicht weit.
Bereits nach wenigen Schritten durch das nasse Gras ergriff eine Sturmböe den Schirm und bog ihn nach oben. Verzweifelt versuchte Bernhard Scheffler im Laufschritt den Schaden zu beheben jedoch ohne Erfolg. Der Wind rüttelte erbarmungslos an dem zierlichen Drahtgestell und zerfetzte den schwarzen Bezug binnen kurzer Zeit. Dennoch ließ Bernhard Scheffler erst locker, als er im Kampf mit dem Sturm in einen frischen Kuhfladen trat. Bei dem Versuch, seinen glänzend polierten Lederschuh mit einem Papiertaschentuch von der stinkenden Masse zu befreien, riss ihm eine erneute Böe schließlich den kaputten Schirm aus der Hand und trieb ihn wie ein Blatt Papier davon.
Fluchend gab der Gepeinigte auf und eilte nun völlig schutzlos durch den strömenden Regen auf die Hütte zu.

Die Kronen der dahinter stehenden Fichten bogen sich rauschend im Wind, der ebenso heftig an den knorrigen Ästen eines dicken Bergahorns zerrte und die Blätter von den Zweigen riss. Wie ein Wächter stand er neben dem alten Gebäude, das seine besten Tage längst hinter sich gelassen hatte. Das dunkle Holz war verwittert und schien schon lange nicht mehr gestrichen worden zu sein. Die Kästen vor dem großen Balkon im Obergeschoss waren kahl und, nicht wie sonst in dieser Region üblich, mit bunten Geranien bepflanzt. Einziger Fensterschmuck waren vergilbte Gardinen und brüchige Läden, die quietschend und klappernd auf und zu schlugen. Die baufälligen Stallungen für das Vieh, die sich nahtlos anschlossen, sowie der rostige Geländewagen ergänzten das heruntergekommene Erscheinungsbild.

Als er endlich die Berghütte erreichte, war Bernhard Scheffler bis auf die Haut durchnässt.
Energisch klopfte er an die alte Holztür, von der bereits die Farbe abblätterte und hoffte auf Einlass.
Niemand reagierte.
Erst beim zweiten Versuch öffnete ihm ein alter, grauhaariger Mann mit Vollbart. Auf einen knorrigen Gehstock gestützt, musterte er den Fremden misstrauisch aus kalten, bereits leicht milchigen Augen heraus. Sein wettergegerbtes, zerfurchtes Gesicht wirkte alles andere als erfreut.
„Grüß Gott“, brummte er.
Seine tiefe Stimme klang heiser und verunsichert.
„Gustav Berger?“, fragte Bernhard Scheffler, nur, um ganz sicher zu gehen.
„Joa, der bin I! Woas wollen's von mir?“
„Mein Name ist Bernhard Scheffler. Ich bin Investmentmanager der „Thalberg und Sohn Holiday Aktiv Resort Tourismus GmbH“ und komme im Auftrag von Herrn Friedrich Thalberg, dem Seniorchef der „Alpina Spaß und Sport“ Hotelkette. Es geht um das Projekt einer neuen Wintersportanlage. Kurz: Ihre Ländereien befinden sich genau auf unserem Plangebiet und wir wollen sie Ihnen gern abkaufen. Da Sie auf unsere schriftlichen Angebote nicht reagiert haben, bin ich nun persönlich zu Ihnen gekommen, um diese Angelegenheit schnellstmöglich zu klären. Ich brauche nur eine Unterschrift....“
Noch während er sprach, verfinsterte sich das Gesicht des Alten zusehends.
„I waaß von nix!“, behauptete er nur und schlug dem ungebetenen Gast kurzerhand die Tür vor der Nase zu.

„Herr Berger?!“, rief Bernhard Scheffler und hämmerte mit der geballten Faust gegen das verwitterte Holz. „Machen Sie auf! Sie können das Projekt sowieso nicht verhindern!“
In diesem Moment durchbrach ein heftiger Donner das eintönige Rauschen des Regens und ließ ihn erschrocken zusammenfahren.
Als er wieder aufsah, blickte er plötzlich direkt in den doppelten Lauf eines Jagdgewehrs.
„Moachen Sie, dass Sie fortkommen und lassen Sie sich nie wieder hier oben blicken, Sie Hoalsabschnaader!“, forderte Gustav Berger und äugte durch das Visier.
Erschrocken ließ Bernhard Scheffler seinen Aktenkoffer fallen und hob beide Hände über den Kopf.
„A-ber Herr Berger! Sein Sie doch vernünftig!“, versuchte er den Alten zu beruhigen, doch dessen Zeigefinger klammerte sich nur noch entschlossener um den Gewehrabzug.
„I hoab g'sagt: 'Nunter von maaner Alm, sonst gibt's a großes Unglück!“, drohte er.
Vorsichtshalber wich Bernhard Scheffler einige Schritte zurück. Er schnaubte ungläubig und fuhr sich mit der Hand über die regennasse Halbglatze.
„Sie sind doch vollkommen verrückt geworden, Herr Berger! Ich will Ihnen doch nur -“

„Joa, Vater! Sag a mal, spinnst'n du jetz völlig?“, rief plötzlich jemand dazwischen.
Sofort ließ Gustav Berger das Gewehr sinken und Bernhard Scheffler atmete erleichtert auf, als er einen Mann in grauer Latzhose und gelber Regenjacke auf sich zulaufen sah.
„Ich nehme an, Sie sind der Sohn von Herrn Berger?“
„Joa, Simon Berger“, stellte sich der Fremde atemlos vor.
Dann streifte er sich die Kapuze von den dichten, dunkelblonden Haaren und reichte Bernhard Scheffler die Hand. Erst wollte er annehmen, doch als er den Schmutz an den kräftigen Fingern bemerkte und Simon Berger in das unrasierte Bauerngesicht sah, zog er seine Hand schnell wieder zurück und beschränkte sich auf ein gekünsteltes Lächeln.
„Verzeihens“, entschuldigte sich der junge Berger und tat so, als hätte er Bernhard Schefflers Abneigung nicht bemerkt. „Der Vater is heut schlecht drauf wegen dem Wetter.“
Er bedachte den Alten mit finsteren Blicken und riss ihm das Gewehr aus der Hand.
„Mit wem ham' mer denn die Ehre?“
Der Angesprochene zwang sich erneut zu einem Lächeln.
„Vielleicht besprechen wir das besser im Haus?“, schlug er vor und warf dem alten Berger einen triumphierenden Blick über den silbrigen Rand seiner zierlichen Brille zu.

Beim Eintreten musste Bernhard Scheffler sich bücken, damit sein Kopf nicht mit dem oberen Türrahmen in Konflikt kam. Seine Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an die Dunkelheit im Inneren der Hütte gwöhnt hatten und was sie sahen, stimmte ihn nicht gerade optimistisch.
Die  knarrenden Dielen auf dem Fußboden waren vollkommen abgetreten; die uralten Möbel ebenso verlebt und von Holzwürmern zerfressen. Die geblümte Tapete an den Wänden stammte vermutlich noch aus den 70ern und war über die Jahre längst vergilbt. Da es keinen elektrischen Strom gab, dienten rostige Petroleumlampen als einzige Lichtquelle und der fehlende Wasserhahn im angrenzenden Kochbereich ließ vermuten, dass nicht einmal ein Wasseranschluss vorhanden war. Zudem roch es modrig und einige dunkle Stellen an den gewölbten Deckenplatten verrieten, dass es bereits des Öfteren hineingeregnte hatte.
Für Bernhard Scheffler war bei diesem Anblick schnell klar, dass dieser baufälligen Hütte nur noch mit einer Abrissbirne zu helfen war.

Ohne Umschweife kam er auch gleich zum Geschäftlichen und erläuterte für Simon Berger noch einmal den Grund seines Besuchs.
„I waaß überhaupt nix von irgendwelchen Schreiben“, behauptete dieser und tauschte mit seinem Vater angespannte Blicke.
„Das macht überhaupt nichts, Herr Berger“, meinte Bernhard Scheffler, der nun wieder ganz in seinem Element und entsprechend gut gelaunt war.
Er öffnete seinen Aktenkoffer.
„Ich habe alles noch einmal schriftlich für Sie vorbereitet und Ihnen den Verkaufsvertrag gleich mitgebracht. Sie müssen nur noch unterschreiben.“
Er legte das Schriftstück vor den Bergers auf den Tisch und reichte ihnen einen Kugelschreiber aus der Bruststasche seines Anzugs.
Als sich keiner der beiden rührte, ließ er das Schreibgerät auf den Vertrag fallen und wartete geduldig.

„Tut mer leid, aber wir verkaufen net“, lehnte Simon Berger schließlich ab.
„Aber Herr Berger!“, protestierte Bernhard Scheffler. „In Ihrer Situation würde ich mir das noch einmal gut überlegen. So ein großzügiges Angebot bekommen Sie nicht wieder. Außerdem habe ich mich bei Ihrer Bank umgehört: Ihr Hof ist hoch verschuldet. Sie wissen also selbst, wie dringend Sie das Geld benötigen. Ich bitte Sie, nehmen Sie den Vertrag an! Wir wollen doch nicht, dass ich Sie erst durch Ihre Bank zwangsenteignen lassen muss, oder?“
Gespannt sah er die beiden Männer an und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass aus ihren Gesichtern plötzlich die pure Verzweiflung sprach.
„Unterschreiben Sie!“, forderte er noch einmal und senkte die Stimme zu einem drohenden Flüstern. „Oder soll ich erst zu härteren Mitteln greifen?“

Stumm sahen Simon und Gustav Berger sich an, während es über ihrer Hütte immer lauter grollte und krachte und die Äste des Bergahorns im Sturm gegen die Fensterscheiben schlugen, bis eine davon mit einem lauten Knall zerbarst und die Scherben klirrend auf den Dielenboden spritzten....
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