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Planet der Affen: Revolution - Heartwarming

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P18 / Gen
08.09.2014
21.09.2017
10
20.860
15
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23 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
08.09.2014 3.295
 
Finally! Ein neues Kapitel. Da ihr alle so lange warten musstet, ist es um so länger!
Als nächstes wird ein kleines Weihnachtsspecial erscheinen. :-)

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Ich trieb meine Stute voran, ohne Rücksichtnahme, getrieben von der Neugierde. Von der Erinnerung, die wie ein Blitz in meinen Geist eingeschlagen hatte. Ich galoppierte die Einkaufsstraße noch für eine ganze Weile entlang, riss dann an den Zügeln und lenkte meine Stute links in eine Seitengasse.

Mir stockte der Atem. Grob zügelte ich meine Stute. Völlig empört über die Schmerzen in ihrem sanften Maul, stieg sie wiehernd auf die Hinterbeine. Im letzten Moment hatte ich mich auf ihrem Rücken halten können. Entschuldigend klopfte ich ihr auf den Hals und wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Folglich widmete ich der Gasse vor mir meine Aufmerksamkeit.
Links und rechts waren hohe Häuserwände, die von Kletterpflanzen verschlungen wurde. Alle Fenster waren schwarz, viele von ihnen im Erdgeschoss eingeschlagen. Die wenigen Fensterblumen waren vertrocknet, leblos hingen ihre Köpfe herab. Mir trieb es die Tränen in die Augen.

Plötzlich hörte ich Hufgeklapper hinter mir. Es war Blue Eyes, der mich eingeholt hatte. Er lenkte seinen Hengst vor meine Stute und sah mich wütend an, seine Nasenflügel bebten. Seine Oberlippe war nach oben gezogen, sodass ich seine scharfen Eckzähne sehen konnte. Er knurrte.

"Was fällt dir ein, einfach so davon zu reiten? Wir müssen zusammen bleiben!"

Seine Handbewegungen verschwammen vor meinen Augen. Ohne etwas auf seine Worte zu erwidern, rutschte ich vom Rücken meines Pferdes. Meinen Rucksack schmiss ich auf den Boden. Anschließend ging ich mit weichen Knien auf einen der Eingänge der vielen Wohnungen im Erdgeschoss zu. Vorsichtig legte ich eine Hand auf die Eingangstür. Sie stand offen, das Schloss war aufgebrochen worden. Auf den einst weißen Stufen, die zum Eingang hinaufführten, waren dunkelrote Flecken zu erkennen. Hatte ihr ein Kampf stattgefunden? Mich erfüllte eine seltsame Taubheit. Vor meinem inneren Auge schwirrten Fetzen von Erinnerungen. Einzelne Bilder, die ich nicht richtig zuordnen konnte. Es waren Erinnerungen aus einer anderen Welt, aus einer anderen Zeit.

Blue Eyes, der ebenfalls von seinem Pferd abgestiegen war, kam zu mir herüber. Er folgte meinem Blick, der allein der Tür vor uns galt. Vorsichtig berührte er mich mit seinen Fingerknöcheln am Arm und der Schleier in meinem Kopf löste sich allmählich auf. Ich wurde mir zunehmend sicherer. Ich kannte diesen Ort. Doch was mich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, war, dass sich die Vertrautheit, die ich damals für diesen Ort empfunden hatte, völlig aufgelöst hatte. Das einzige, was mir blieb, war eine vage Erinnerung, die aus einzelnen Teilen bestand, die erst zusammengesetzt werden mussten. Schließlich drehte ich mich zu Blue Eyes herum. Er sah mich fragend an. Sein Blick sehnte sich nach Antworten, er wollte verstehen.

"Hier wohnten sie ...", antwortete ich endlich. Meine Stimme war ein einziges Flüstern. Blue Eyes blieb still, gab mir Zeit.

"Hier wohnten Freunde von mir. Freunde, die wie eine Familie für mich waren. Vorhin in der Einkaufsstraße hatte ich mich auf einmal erinnern können. Nicht richtig, aber die Straße ... das muss sie sein."

Langsam schob ich die Tür auf, sie knarzte leise unter meiner Berührung. Vor uns erstreckte sich ein dunkler Flur. Vorsichtig, einen Schritt nach dem anderen setzend, ging ich hinein. Blue Eyes folgte mir.

Und dann erschienen mir die uralten Erinnerungen in lebhaften Bildern vor meinen Augen. Ich sah sie vor uns durch den Flur in das Wohnzimmer rennen, das helle Lachen von Kindern hallte in meinem Kopf nach. Ich glaubte den Geruch von Pancakes in meiner Nase zu haben.

"Früher als kleines Mädchen bin ich hier oft zum Spielen vorbeigekommen ...", begann ich gedankenverloren, strich mit meiner Hand über eine staubige Kommode, betrachtete die Bilder an den Wänden, von denen nichts mehr zu erkennen war. Ging anschließend in das Wohnzimmer. Der einst so helle und geräumige Raum war ein einziger Platz des Chaos und der Trauer. Vermutlich waren Verbrecherbanden hier eingedrungen, hatten alle Schränke und Schubladen aufgerissen und die Inhalte durchwühlt. Geschirr lag zerbrochen auf dem alten, staubigen Teppich. Papier lag überall verstreut auf dem Boden. In einer Ecke entdeckte ich eine Puppe. Vorsichtig hob ich sie auf und strich ihr gedankenverloren das Kleidchen glatt.

"Nachdem meine Eltern an der Affengrippe gestorben waren, haben sie mich aufgenommen. Sie wurden zu meiner neuen Familie.“

Eine weitere Erinnerung holte mich ein.

„Wir sind zusammen einkaufen gegangen ..."

In meinem Kopf hörte ich plötzlich aufgeregte Rufe, Schreie, das Weinen von Kindern in meinem Kopf, ein Echo meiner Erinnerung. Nachdem man festgestellt hatte, dass es auch in diesem Stadtteil mehrere unerwartete Todesfälle gab, deren Ursache die Affengrippe gewesen war, waren die Menschen in Panik ausgebrochen. Sie wollten aus der Stadt fliehen, obwohl sie wussten, dass sie gegen die Krankheit keine Chance hatten. Die Affengrippe griff mit unsichtbaren Klauen um sich und schnappte sich einen nach den anderen. Nur wenige hatten das Glück und waren genetisch immun.

Ich war eine der Glücklichen.

Das unaufhaltsame Ausbreiten der Krankheit brachte die gesamte Infrastruktur zum Kippen bis sie letzten Endes vollständig zusammengebrochen war. Lebensmittel, Treibstoffe und viele andere Ressourcen waren knapp geworden. Die Menschen hatten um das nackte Überleben gekämpft. Und wenige von ihnen kämpften vermutlich noch immer.  
Ich erinnerte mich an den Einkauf.

„Als wir aus dem Supermarkt gekommen waren, waren riesige Trucks in die Einkaufsstraße gefahren. Es waren Menschengruppen gewesen, die raubten, ungehindert Amok durch die Stadt liefen. Bewaffnet hatten sie sämtliche Läden überfallen, die Verkäufer bedroht und Menschen, die sich widersetzen wollten, zum Schweigen gebracht. Und eine kleine, unüberlegte Bewegung eines Verkäufers hatte letzten Endes die explosive Situation gesprengt.“

Angestrengt schloss ich die Augen. Mein Kopf schmerzte und ich glaubte, er würde jeden Moment zerspringen.

„Es war eine Schießerei ausgebrochen. Es hatte wenige Sekunden gedauert, bis sie zu reinem Chaos ausgeartet war.“

Die Schüsse, von denen ich geglaubt hatte, dass sie mir das Trommelfell zerrissen, hallten in meinem Gedächtnis so kristallklar wider, sodass ich dachte, sie geschahen just in diesem Moment.

„In dem Chaos hatten wir uns verloren. Ich erinnere mich an die furchtbar ängstliche Stimme einer Frau, die mir zugerufen hatte, dass ich fliehen sollte. Ich war den Worten gefolgt. Blind vor Tränen war ich davon gerannt. Stur geradeaus. Ohne mich umzudrehen.“

Erschöpft setzte ich mich auf den staubigen Boden. Blue Eyes legte mir sorgend eine Hand auf meine Schulter und drückte sie verständnisvoll. Wehmütig suchte er meinen Blick.

"Irgendwann hatten meine Beine vor Müdigkeit nachgegeben. Kraftlos war ich zu Boden gestürzt. Hatte geglaubt, dass es mein Ende war ..."

Mit über den Wangen rollenden Tränen begegnete ich seinen himmelblauen Augen.

"Doch ich wurde gefunden. Gerettet. Kam in euer Dorf." Sanft legte ich ihm eine Hand auf seine Wange. Meine Stimme war kaum noch ein Flüstern. "Und dann traf ich dich. Und deine Familie."

Niemals hatte ich gedacht, dass sich mein Leben so radikal änderte. Doch Veränderung gehörte zum Leben. Das Leben ist Veränderung. Man brauchte nur mehr oder weniger Zeit sich an ein neues, verändertes Leben zu gewöhnen. Und dann würde das vertraute Gefühl von Zuhause zurückkehren. Mit der vertrauten Wärme, die man einst empfunden hatte.

Blue Eyes sah mich lange Zeit schweigend an. Seine blauen Augen glänzten und ich glaubte in ihnen das Spiegelbild meiner zitternden Lippen zu erkennen. Beide seiner Hände schlossen sich um meinen Nacken. Sie waren rau und warm. Angenehme Wärme erfüllte meinen kalten Körper. In seinem Inneren schien Blue Eyes mit den unterschiedlichsten Gefühlen zu kämpfen. Mitleid, Trauer, Verwirrung, Liebe. Ich hörte ihn Luft holen. Er rang um Worte, doch bevor er etwas sagen konnte, lenkte mich das laute Geräusch eines Motors und ein plötzlicher Schatten vor dem trüben Fenster ab.

„Ein Schatten! Da ist jemand!“

Wie aus einer Trance erwacht, rappelte ich mich auf und riss mich aus Blue Eyes vertrauter Berührung. Völlig perplex sah er mich an. Noch im letzten Augenblick bekam er mein Handgelenk zu fassen. Unruhig drehte ich mich zu ihm um.

"Warte! Wir wissen nicht, was dort draußen ist. Könnte gefährlich sein."

"Ich weiß. Aber es könnten Menschen sein, Blue Eyes", flüsterte ich eindringlich. "Vielleicht ist es jemand, der hier gelebt hat. Vielleicht können sie uns sagen, wo die anderen Menschen sind."

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Als Blue Eyes nichts auf meine Worte erwiderte, löste ich mich von ihm, stürzte aus dem Zimmer und rannte hinaus. Mein Herz schlug mir bis zur Kehle. Ich vergaß alles um mich herum. Wenn es wirklich Menschen waren, konnten sie mir vielleicht Hinweise geben. Erzählen, was geschehen war. Kurz bevor ich den Wohnungseingang erreicht hatte, drosselte ich mein Tempo. Ich schlich zur Tür und lugte anschließend vorsichtig um die Ecke.

Es war tatsächlich eine Gruppe fünf junger Männer, die mit einem Truck in der Straße gehalten hatten und die leeren Wohnungen durchsuchten. Sie suchten vermutlich nach Dingen, die nützlich waren und die man noch gebrauchen konnte. Woher waren sie wohl gekommen?

Die zunächst empfundene Enttäuschung, dass es niemand war, den ich kannte, löste sich schnell in Luft auf. Die bloße Freude, nach langer Zeit Menschen zu sehen, verdrängte sie sofort. Ich wäre sofort zu der Gruppe gelaufen, hätte ich nicht noch im letzten Augenblick erkannt, dass jeder von ihnen eine Waffe in den Händen hielt. Doch welchen Grund sollten sie haben, mich zu erschießen? Wer würde eine Frau, die alleine unterwegs war, umbringen wollen? Sie waren meine einzige Chance Informationen zu bekommen.

Also holte ich tief Luft und trat vorsichtig nach draußen. Einen Schritt nach dem anderen setzend. Die Männer schienen in ihre Suche stark vertieft oder ich wohl besonders leise zu sein, denn sie bemerkten mich nicht. Plötzlich knirschte etwas unter meinen Füßen und ihre Köpfe schnellten augenblicklich in die Höhe. Gefolgt von ihren Waffen. Erschrocken hielt ich die Hände hoch. Mein Herz machte einen Satz.

"Bitte ...", sagte ich leise. "Tut mir nichts. Ich bin unbewaffnet. Und allein.“

"Hey, John", rief einer der Männer, der in meiner Nähe stand. Er wirkte sehr dünn, sein Gesicht eingefallen. Unter seinen grünen Augen waren dunkle Ringe zu erkennen. "Hier ist eine Frau! Was sollen wir mit ihr tun? Sie sagt, sie sei allein und unbewaffnet."

Die Blicke der restlichen Männer richteten sich auf einen großen, in schwarz gekleideten Riesen, der auf der Ladefläche des Trucks stand und schwere Kisten verschob. Er war vermutlich der Anführer des Trupps. Seine von der Sonne gebräunten Haut war auf seinen muskulösen nackten Oberarmen mit Narben verziert. Nachdem der eine Mann ihn mit Namen angesprochen hatte, hielt John in seiner Bewegung inne. Anschließend wanderte sein dunkler Blick wanderte in meine Richtung.  Seine braunen Augen musterten mich. Sie funkelten böse und als er sprach, blitzten seine weißen Zähne auf.

"Woher kommst du und was willst du?", knurrte er und mir entging nicht, dass seine Hand die Waffe berührte, die an seinem Gürtel hing. Noch immer hielt ich meine Hände in die Luft. Ich überlegte kurz. Die blanke Wahrheit zu sagen, kam gar nicht erst in Frage.

"Ich habe meine Gruppe verloren und streife seitdem durch die Stadt und suche nach Überlenden. Alleine. Ihr seid die einzigen, die ich seit langer Zeit sehe. Der Stadtteil hier ist wie ausgestorben. Bitte sagt mir. Gibt es noch mehr Überlebende?"

Ich versuchte stark zu klingen und ich hoffte, dass sie das leichte Beben in meiner Stimme nicht wahrnahmen. Die Tatsache, dass ich log und Blue Eyes in der Wohnung neben mir versteckt war und dass ich daher mit ihrem Feind zusammen unterwegs war, ließ mein Herz nervös zittern, sodass ich glaubte, es spränge jeden Moment aus meiner Brust.

“Bitte“, setzte ich erneut an.

"Warum sollten wir dir etwas sagen, Frau ...", sprach wieder der magere Mann vor mir und trat einen Schritt auf mich zu. "Du verheimlichst doch etwas."

"Halt den Mund, Tom", sagte John und warf seinem Kameraden einen dunklen Blick zu.

Anschließend widmete er seine Aufmerksamkeit wieder mir. Er sprang von der Ladefläche und kam ein paar Schritte auf mich zu. Prüfend sah er mich lange Zeit an.

"Es gibt noch mehr Überlebende“, antwortete er schließlich ruhig. Erleichtert atmete ich aus.

“Wo sind sie?“

John lachte leise. „Glaubst du, wir würden dir so etwas so einfach sagen? Seitdem der Krieg vorbei ist, wissen wir nicht, wem wir trauen können. Einige Menschen sind verwirrt. Wissen nicht einmal, auf welcher Seite sie stehen. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob du nicht infiziert bist."

"Ich bin gegen die Affengrippe immun. Sonst wäre ich vermutlich schon längst daran gestorben", antwortete ich. John schien zu überlegen.

"Auf welcher Seite stehst du?“

Ich schwieg einen Moment. „Auf der Seite der Menschen.“

John verzog keine Miene. Ein Schatten von Belustigung huschte über sein Gesicht. Glaubte er mir?

„Du kannst dich uns anschließen.“

Überrascht blickten die anderen vier Männer in Johns Richtung.

„Was hast du vor, John?!“, zischte Tom und die anderen Männer nickten zustimmend. John hob daraufhin eine Hand, woraufhin die anderen schwiegen.

„Wir müssen dir die Augen verbinden. Das verstehst du doch, oder? Wir leben in gefährlichen Zeiten. Wenn wir da sind, schauen wir weiter."

Mir stockte der Atem. Da war sie. Die Möglichkeit zu erfahren, wo die anderen Menschen sind. Andere Menschen zu treffen. Mit ihnen zu reden. Zu erfahren, ob meine Freunde unter ihnen waren.

Doch das finstere Grinsen von John und das böse Funkeln in den anderen Augenpaaren,  ließ meine Hoffnung bröckeln. Es war nicht klug als Frau mit fünf fremden Männern einfach mitzugehen. Ich war nicht nur für sie fremd, sondern sie auch für mich. Vielleicht wollten sie mich in eine Falle locken.

Ich konnte nicht mit ihnen gehen. Nicht mit verbundenen Augen. Nicht jetzt. Nicht unter diesen Umständen.

Meine Gedanken wanderten augenblicklich zu Blue Eyes, der sich hinter den Mauern neben mir verbarg. Ich konnte ihn nicht betrügen. Im Wald, der auf der anderen Seite lag, wartete eine Familie, die darauf hoffte, dass ihre Liebsten wohl auf zurückkehrten. Vor meinem inneren Auge erschien Caesars trauriger, schmerzerfüllter Blick, als wir ihm den Rücken gekehrt hatten.

Fieberhaft suchte ich nach einer Lösung. Nach einer Alternative. John schien meinen Zwiespalt zu bemerken und trat abermals ein paar Schritte auf mich zu. Ich sank meine Arme.

“Na? Was ist? Du wirkst unsicher. Wo ist die Neugierde hin? Dein Wissensdurst, was mit den anderen Menschen ist?“

Ich öffnete den Mund, obwohl ich keinerlei Ahnung hatte, was ich antworten sollte, um mich aus dieser Situation zu retten. Ich wollte zurück nach Hause.

“Ich...“

Plötzlich rissen die Männer allesamt die Augen auf und starrten verängstigt auf etwas, das sich hinter mir befand. Ihre Gesichter wurden kreidebleich. Verwirrt drehte ich mich um und begegnete dem Blick eines erschrockenen Blue Eyes. Innerhalb weniger Sekunden zückten die Männer ihre Waffen und richteten sie auf ihn.

"Scheiße, du hast uns verarscht, Weib! Du bist nicht alleine. Was macht der Affe hier?!", rief Tom laut und tänzelte nervös auf der Stelle.

"Nein ... nein!", versuchte ich ihn zu beruhigen, wedelte beschwichtigend mit den Händen und machte unbemerkt ein paar Schritte auf John zu, der daraufhin seine Waffe sofort von Blue Eyes auf mich richtete. Wie angewurzelt blieb ich stehen. Bewegte mich keinen Millimeter.

"Bitte hört mich an ... Es ist nicht so wie es-"

"Bleibst du wohl stehen, du Mistvieh!", hörte ich Tom panisch rufen und ich drehte mich erschrocken zu Blue Eyes um, der mit starrem Blick ein paar Schritte auf uns zugekommen war. Ich schüttelte mit dem Kopf in seine Richtung, befahl ihm nicht näher zu kommen.

"Mach keine hektischen Bewegungen, Blue Eyes!", signierte ich ihm und bereute die Tat sofort.

"Was hast du ihm gesagt? Du steckst mit dem Affen doch unter einer Decke! Spuck es aus!", donnerte dieses Mal ein Mann mit einem roten, an vielen Stellen zerrissenem Hemd. Daraufhin kam John drohend auf mich zu. Seine Waffe geladen und noch immer auf mich gerichtet.

"Netter Versuch, Kleine. Wolltest unser Versteck herausfinden, um diese Viecher zu uns zu locken. Damit sie uns vernichten! Diese Biester sind an allem Schuld. Das fehlt uns noch, dass sich Menschen und Affen verbünden!"

Scheiße. Die Situation drohte zu eskalieren. Was sollte ich tun? Was konnte ich tun? Meine Stimme war verschwunden. Ich bekam keinen einzigen Ton heraus. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Das harte Pochen meines Herzens schmerzte in meiner Brust. Ich schluckte nervös.

"Hast du plötzlich das Sprechen verlernt? Rede oder …"

John drückte mir das Rohr seiner Waffe an die Kehle.

Hinter mir fauchte es plötzlich und ein greller Schrei erfüllte die Luft. Im Augenwinkel nahm ich einen schwarzen Schatten wahr, der an mir vorbei huschte und zuerst Tom mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden brachte. Starr vor Schock und keuchend blieb der magere Mann liegen. Sofort entwendete Blue Eyes ihm seine Waffe und warf sie in hohem Bogen davon. Daraufhin rannte er zu den anderen beiden Männern, die das Feuer eröffneten, Blue Eyes aber nicht trafen, da er mit unglaublich schnellen und geschickten Bewegungen ihren Schüssen auswich. John war von seiner Schnelligkeit überrascht und abgelenkt, sodass ich die Gelegenheit nutzte, nach seiner Waffe griff und versuchte sie von mir abzuwenden. Ich hätte wissen müssen, dass ich gegen diesen muskulösen Riesen nicht den Hauch einer Chance haben würde. Sein Griff war stählern und ich konnte gegen ihn kaum etwas ausrichten. Ich rangelte mit ihm, trat nach ihm, versuchte verzweifelt ihn zu entwaffnen. Blue Eyes hatte es geschafft den anderen beiden Männern die Waffen abzunehmen. Ängstlich wichen sie vor Blue Eyes zurück, der sie wild anfauchte.

Die Kraft verließ meine Armmuskeln und abermals schien John nichts zu entgehen. Er schien unsere Rangelei endlich Leid zu sein und mit einem wütenden Schrei schlug er mir letztendlich mit der Kante seiner Waffe gegen die Schläfe. Ich schrie auf und sackte keuchend zusammen. Blue Eyes hatte meinen Schrei gehört und drehte sich ruckartig um.

Hämmernder Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus. Vor meinen Augen verschwamm und drehte sich alles. Wie ein Blinder tastete ich mit den Händen über den schmutzigen Boden. Schnitt mich an scharfen Steinen. Versuchte aufzustehen, doch meine Beine waren aus Gummi.

Ich hörte Johns finstere Stimme dumpf an meine Ohren dringen. "Dafür wirst du bezahlen."

Vor meinen Augen wurde die Sicht allmählich wieder klar. Ängstlich sah ich zu Johns steinernem Gesicht auf. Panisch tastete ich meine Hüfte ab und zog einen Dolch heraus, den ich mir unter den Gürtel geschoben hatte. Ohne einen weiteren Gedanken stach ich auf Johns Fuß ein. Wütend vor stechendem Schmerz schrie er auf und ließ seine Waffe fallen. Ohne zu zögern griff ich nach ihr und rollte mich über den Boden von ihm weg. Mit zusammen gebissenen Zähnen hielt sich John den Fuß. Sein Schuh wurde langsam von Blut durchtränkt.

"Du kleine Schlampe ...", keuchte er und humpelte auf mich zu. Seine Augen waren weit aufgerissen und mit Hass erfüllt.

Plötzlich lenkte mich eine ruckartige Bewegung von John ab. Ich erkannte Blue Eyes, der mit unglaublicher Schnelligkeit mit nach oben gezogener Lippe und gebleckten Zähnen auf uns zu raste.

"Nein ...", flüsterte ich. Wollte rufen. Schreien. Wollte Blue Eyes aufhalten. "Nein", sagte ich abermals. Meine Stimme war nur ein Wispern. Ich spürte meinen Körper nicht. Er war taub vor Angst.

Und dann geschah alles ganz schnell.

John drehte sich verwirrt um. Er schien nicht gleich zu begreifen, was vor sich ging. Blue Eyes rannte weiter. Hatte genügend Anlauf genommen, um letztendlich auf ihn zuspringen zu können.  Johns tiefe, dröhnende Stimme erfüllte als wütender Schrei die Luft. Vermischte sich mit Blue Eyes grellem Ruf.

Und auf einmal hallte ein ohrenzerschmetternder Schuss durch die Straße. Das Blut gefror in meinen Adern. Mein Herzschlag setzte aus. Alles war still. Nichts bewegte sich. Geisterstadt.

Und dann schrie ich.
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