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The Purge - Die Säuberung geht weiter

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Horror / P16 / Gen
27.08.2014
28.08.2014
2
3.115
 
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Dieses Kapitel
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27.08.2014 1.744
 
12 Stunden bis zum Ende der Säuberung

Die Sirene und die Ansage hallten noch immer in Becketts Kopf. Immer und immer wieder wiederholte sie sich Wort für Wort. Das Gewicht des Gehörten lastete mit jeder verstreichende Sekunde schwerer auf ihren schmalen Schultern. Zog sie nach unten. Sterben. Es bedeutete, dass sie heute Nacht sterben würde. Wie sollte es auch nicht so laufen? Man sah es doch jedes Jahr in den Nachrichten, dass die Personen, die es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft hatten oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, am nächsten Morgen irgendwo als Leiche in der Stadt lagen. Die Bilder der News vor einem Jahr zuckten vor ihrem inneren Auge vorbei. So viele Tote. Sie hatten überall verstreut in den Straßen gelegen. Manche sahen lediglich aus, als würden sie schlafen, andere hingegen waren so übel zugerichtet, dass sie mehr an einen Klumpen Fleisch beim Schlachter erinnerten. So wollte sie auf keinen Fall enden. Zumindest was das anging, war sich Beckett sicher. Auch wenn es unwahrscheinlich war, dass sie ein Versteck finden konnte, in welchem man sie nicht fand.
Die junge Frau war leider nie die typische Kämpfernatur gewesen. Beziehungsweise nicht auf diese Weise, wie sie bei der Purge verlangt wurde. Beckett hatte in ihrem Leben bereits viel gekämpft. Um geliebte Menschen, um ihr Heim, um Arbeit. Darum, akzeptiert zu werden und Respekt zu erhalten. Doch dieses Kämpfen unterschied sich gewaltig von dem, welches nun von Nöten war. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, bewusst Gewalt gegen eine andere Person zu richten. Geschweige denn sie auch noch zu töten. Meine Gedanken hingen dabei immer an dem, was diese Person hinterließ. Eltern, eine Frau oder einen Mann, Kinder, Freunde. Es wäre einfach nicht fair, eine Person von alle dem fort zu reißen.

Als hätte man einen Schalter umgelegt, waren quietschende Reifen, Schreie, Lärm und immer mehr Schüsse zu hören. Von überall her hallte ein Schuss nach dem Anderen durch die bisher noch menschenleeren Straßen. Beckett saß wie festgewachsen auf dem Bordstein und blickte verloren die Straße auf und ab, das Fahrrad neben sich liegend. Fieberhaft überlegte sie, was genau sie nun tun sollte. Ihr Puls raste und rauschte hinter ihren Ohren,  ihr Blick irrte unruhig zwischen den Wohnhäusern hindurch. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, wenn überhaupt, bis die ersten Purger ihren Weg kreuzen würden. Es galt also so schnell wie möglich zu handeln.
Sie ließ das Fahrrad an Ort und Stelle liegen, sollte sie die Nacht überleben war ihr dieser Verlust herzlich egal und lief los in Richtung Stadtrand. Nur noch ein paar Wohnblocks und Kreuzungen trennten sie von ihrem jetzigen Standpunkt und ihrem Zuhause. Der sicheren Zuflucht. Sie joggte halb, konnte sich jedoch nicht wirklich auf ihre Schritte konzentrieren, da sie ihre Umgebung immer im Auge behalten musste. Die Straße vor ihr schien endlos. Egal wie viele Schritte sie auch machte, die Distanz wurde nicht weniger.
Etliche bange Herzschläge später hatte Beckett die erste Kreuzung von vieren erreicht. Sie blieb in der Mitte stehen und verschnaufte einen Moment. Eigentlich bescheuert, da sie so das perfekte Ziel für nahende Purger darstellte, da man sie bereits von weitem aus sehen konnte. Diesen Fehler bemerkte die junge Frau ein paar Sekunden später auch und sie trat an den Rand der Straße, direkt an einen Vorgarten, in welchem eine dichte Hecke über den Zaun wuchs, an welche sie sich zunächst drückte. Es war alles ruhig. Dann näherte sich ein erstes Geräusch. Ein Schaudern überlief sie, als sie realisierte, dass es Schreie waren, die sich näherten. Schüsse folgten. Gehetzt blickte sich die Brünette um.
Eine Frau rannte die Straße entlang, ein Mann folgte ihr. Dem Schreien und Flehen der Frau war deutlich zu entnehmen, dass es ihr sonst so liebenswerter Ehemann war, der die Waffe auf sie richtete. Und nicht irgendein dahergelaufener Purger. Ein Stich durchzuckte die junge Frau bei der Szene und sie musste unwillkürlich darüber nachdenken, wie es ihr gehen würde, wenn es ihr Mann wäre, der sie in dieser Nacht tot sehen wollte. Sie konnte und wollte nicht darüber nachdenken. Zu grausam und makaber erschien ihr der Gedankengang. Glücklicherweise stand sie so an die Hecke gepresst, dass die vorüberziehenden sie nicht sehen konnten.

Becketts Augen zuckten über die Kreuzung, sie überlegte, ob sie über die Kreuzung huschen konnte, ohne dass der Purger doch noch auf sie aufmerksam wurde, als ein Wagen direkt an ihr vorbei schoss. Sie hatte sich gerade ein paar Schritte von der Hecke entfernt und konnte glücklicherweise mit ein paar stolpernden Schritten ausweichen. Zu ihrer Erleichterung schien der Fahrer keinerlei Interesse an sie zu verschenken und raste weiter die Straße herab. Vermutlich hatte er ihr angesehen, dass sie leichte Beute war und so oder so sterben würde, daher konnte er sie getrost auf offener Straße zurück lassen.
Sie kehrte an die Kecke zurück, atmete ein paar Mal hektisch ein und aus, versuchte das Zittern ihrer Muskeln zu beruhigen und auch ihren Puls ein wenig zu senken. Sie hatte sie gerade wieder etwas beruhigt, als sich Schritte näherten und Becketts Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Irritiert drehte sie sich einmal um die eigene Achse, zunächst unfähig die laufende Person ausfindig zu machen, als ihr Blick endlich sein Ziel fand.
Eine junge Frau, kaum älter als Beckett selbst, stand in einem der Vorgärten und sah reichlich verloren zu ihr herüber. Sie machte nicht den Eindruck, als gehöre sie zu den Purgern, zumindest trug sie keine offensichtliche Waffe bei sich. Nur einen Rucksack, den sie über eine Schulter gehängt hatte, führte sie mit sich. Zahlreiche Gedanken zuckten durch Becketts Kopf. Fragen und noch mehr Fragen. Was suchte sie hier? War sie doch eine Purgerin und suchte nach einem leichten Opfer? Oder war sie schlichtweg eine junge Frau wie sie selbst, die es einfach nicht rechtzeitig nach Hause und damit in Sicherheit geschafft hatte? Wer auch immer sie war, die Brünette hatte nur wenige Augenblicke Zeit abzuwägen, was sie nun tun sollte und wie groß die Gefahr wirklich war. Denn entdeckt hatte man sie bereits, was einen leisen Aufschrei der Fremden mit sich zog, blieb nur eine Frage: Wegrennen, kämpfen oder auf die junge Frau zugehen?

Tausend Gefühle schossen auf Beckett ein. Angst, Panik, Neugierde und gleichzeitig eine paradoxe Ruhe. Das Adrenalin pumpte wie wild durch ihre Adern und schuf damit einen verschobenen Blick auf die aktuelle Situation. So stand sie da, zitternd am ganzen Leib und auch schwitzend und war gleichzeitig gefasst und beängstigend ruhig. Ein Nebeneffekt der ganzen Aufregung.
Sie entschied sich instinktiv für letzteres und trat mit vorsichtigen, langsamen Schritten auf das Mädchen zu, ihre Hände stets im Blick. Je näher Beckett der jungen Frau kam, desto deutlicher konnte sie erkennen, dass die Frau vor ihr verwahrlost aussah. Das Haar hing ihr strähnig ins Gesicht und die Kleidung war schmutzig. Löcher prangten an den Knien und die Schuhe sahen reichlich ausgetreten aus. Auch der Kaputzenpullover wies zahlreiche Flecken auf. Außerdem verbarg die weite Kleidung die sehr schmächtige Figur nicht wirklich. Sie sah nicht aus, als würde sie eine große Gefahr darstellen oder, je nach eventuell vorhandener Waffe, leicht zu überwältigen sein.
Um zu zeigen, dass auch von ihr keinerlei Gefahr ausging und sie der Brünetten vor sich keinen Schaden zufügen wollte, hob Beckett beschwichtigend die Hände. Präsentierte der Fremden die entblößten Handflächen. "Ich will dir nichts tun. Ehrlich nicht. Ich -", sagte sie gerade laut genug, dass die Frau sie hören konnte. Fieberhaft überlegte Beckett, was sie weiter sagen sollte. Welche Methode der Gesprächsführung am Wirkungsvollsten war. Schon seltsam, über was man in Momenten größter Furcht alles nachdachte. Sie hatte genau drei Möglichkeiten: ausweichend antworten und eine Ausrede erfinden, lügen, oder doch gleich die ganze Wahrheit heraus hauen. Denn egal was sie wählte, es diente zu nur einem Zweck: die fremde Frau von ihrer Sicherheit zu überzeugen. Beckett entschied sich für die Wahrheit. Denn was machte es für einen Unterscheid, was sie nun sagte oder nicht, spätestens in ein paar Stunden war sie vermutlich sowieso tot. Da zählte vorher Gesagtes nicht mehr. Sie räusperte sich und richtete das Wort wieder an die Fremde. "Ich habe es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft und nun versuche ich irgendwie lebend dorthin zu gelangen."
Becketts Schritte verlangsamten sich, je näher sie der Frau kam. Schließlich blieb sie in etwa einem Meter Abstand stehen. "Bist du...auch auf der Flucht? Ich meine du bist nicht zum Purgen hier draußen oder? Wenn du nicht auf der Straße bist mit dem Ziel zu töten, könntest du einfach mitkommen. Ich habe Vorkehrungen getroffen, dass wir dort sicher sind..." Sie holte tief Luft und stoppte damit abrupt ihren Redeschwall. Immer wenn sie nervös war und sich ihre Gedanken dabei noch überschlugen, begann sie zu reden. Viel zu reden. Manchmal, so hatte sie das Gefühl, redete sie sich dann sogar um Kopf und Kragen. Die Worte flossen aus ihr wie ein Wasserfall und selten konnte sie es kontrollieren. Auch jetzt hatte sie die Kontrolle darüber verloren. Beckett versuchte es mit einem scheuen Lächeln und suchte den Blick der jungen Frau vor sich. Eine Weile geschah nichts, dann hob die Frau endlich den Kopf und starrte aus wässrig blauen Augen zurück. „Ich…will nicht purgen“, brachte sie stockend hervor und blickte um sich wie ein gehetztes Tier. Na wenigstens waren wir dann schon zu zweit.

„Wie heißt du?“, wollte die Fremde schließlich wissen und schob ihre Hände in die Bauchtasche ihres Pullovers. Eine stinknormale Frage und doch löste sie Erleichterung in mir aus. Kein Mörder wollte wirklich den Namen seines Opfers wissen, oder? „Beckett…Beckett Prescott. Und du?“ „Grace“, murmelte die Brünette. „Einfach nur Grace.“
Beckett atmete tief durch und strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Okay. Grace. Wohnst du hier in der Gegend? Kennst du irgendjemanden, der hier wohnt?“ Die junge Frau schüttelte den Kopf, senkte den Blick wieder in Richtung ihrer Schuhe. Sie wirkte wirklich verloren und ängstlich, rief augenblicklich einen Beschützerinstinkt in Beckett hervor. Gerne hätte sie die Hand nach Grace ausgestreckt und ihr versichert, dass alles gut werden würde, doch in der Purge-Nacht konnte sie dies nicht versprechen.
Unschlüssig standen sie sich gegenüber. Lange durften sie so nicht mehr verweilen, sonst liefen sie Gefahr, von Purgern entdeckt und getötet zu werden. „Wirst du mich wirklich mitnehmen?“ Die Frage von Grace überraschte Beckett und auch wenn sich sämtliche Stimmen in ihrem Kopf dagegen wehrten und laut schrien, ihr signalisierten, dass sie eigentlich Angst hatte und doch nickte die junge Frau. „Ja, das werde ich.“
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