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all of the ghouls come out to play

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
Oz Vessalius Raven (Gilbert Nightray) Xerxes Break
02.08.2014
02.08.2014
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Weil mich Isaac getreten hat, lade ich es jetzt doch hoch.

heeeeeeey.

Lang lang ist's her, was?
Nachdem bei mir die Prüfungen jetzt auch - für's erste - endlich rum sind, könnt ihr euch auf eine Meeeeeenge gefasst machen, ich will diesen Sommer nämlich so richtig viel Schreiben ^_^
Los geht es mit diesem kleinen OneShot hier, der schon seit September letzten Jahres mit 500 Wörtern in meinen Entwürfen rum gammelt, und den ich endlich beendet habe. Was ich hierzu zu sagen habe?
---- Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat es mir einfach so viel Spaß gemacht, das hier zu schreiben, dass ich gar keine Meinung dazu habe, ob es jetzt gut oder schlecht ist *gg*
Kritik ist also willkommen!

& damit höre ich jetzt auch zu Schwafeln und wünsche viel Spaß beim Lesen!
Alles Liebe, Jolly
















I like to keep my issues drawn.

It's always darkest before the dawn.

Shake it out, shake it out, shake it out, shake it out.
Shake it out, shake it out, shake it out, shake it out.

And it's hard to dance with a devil on your back.
So shake him off.


Florence & The Machine – Shakt It Out.









































Mit einem genervten Seufzen kramte Gilbert in der Tasche seines Mantels nach dem Schlüssel zu seiner Wohnung. Mit der anderen Hand hielt er den kleinen Korb so weit weg von sich, wie möglich. Gekonnt ignorierte er das klägliche Maunzen, das unter dem rosafarbenen Stofftuch hervor drang als er die Tür auf stieß und den kleinen Flur betrat.

Schon jetzt verfluchte er sich und seine bescheuerten Ideen.

Unsanft stellte er den Korb auf den Boden, schloss die Haustür hinter sich und hängte sowohl Mantel als auch Hut an den Kleiderständer. Dann ging er langsam in die Hocke, zögerte, und hob schließlich mit zitternden Fingern das Stück Stoff an, das er über den Korb gelegt hatte, gleich, nachdem er die Tierhandlung verlassen hatte.

Ein leuchtendes Paar Augen starrte ihm aufmerksam entgegen.

Schon im nächsten Moment presste er sich gegen die Tür und unterdrückte den aufkeimenden Zwang, aus seiner eigenen Wohnung zu flüchten. Jetzt, wo dieses...dieses Etwas ebenfalls hier war.

Die Katze schien sich allerdings von seinem merkwürdigen Verhalten nicht beirren zu lassen, denn sie legte nur leicht ihren Kopf schief und leckte sich dann die Pfote. Allein der Anblick jagte Gilbert heftige Schauer über den Rücken und für einen Moment hatte er das Gefühl, seine Knie würden ihn nicht mehr tragen können, so heftig zitterte er am ganzen Körper.

Aber dann schluckte er, ballte die Hände zu Fäusten und ging langsam wieder auf den Korb zu. Zwar bemühte er sich, die Katze nicht direkt anzusehen und seinen Blick nur auf den Boden oder das Tuch zu fokussieren, aber er konnte nicht verhindern, dass seine Hände immer noch leicht bebten, als er endlich den Henkel umklammerte und den Korb samt Inhalt auf den kleinen Tisch in seinem Wohnzimmer stellte.

Das kleine Kätzchen fing zufrieden an zu schnurren.

Gilbert hätte sich am liebsten übergeben.

Warum noch mal tat er sich das überhaupt an? … Ach ja. Das Ganze war – wie eigentlich immer - Breaks Schuld.


Hast du Angst? Davor, dass Oz sich verändert? Und dass du allein zurückgelassen wirst...?


Seit ihrem Besuch bei Herzog Barma hallten diese ekelhaften Fragen unaufhörlich in Gilberts Kopf wider, verursachten ihm Kopfschmerzen und ließen seine Gedanken mit rasender Geschwindigkeit hin und her pendeln.

Natürlich hatte er Angst davor, von Oz zurückgelassen zu werden. Natürlich hatte er bemerkt, dass es bereits passiert war.

Oz hatte angefangen, sich zu bewegen, und Gilbert selbst kam einfach nicht voran, egal, wie sehr er sich anstrengte. Oder vielleicht strengte er sich auch einfach nicht genug an, weil er noch mehr Angst davor hatte, sich selbst ebenfalls zu verändern und, wenn sie beide anders waren, was würde dann von seinem Absoluten noch übrig bleiben? Wenn Gilbert ganz ehrlich zu sich war, war er sich nicht sicher, ob sein Schwur von Bestand sein konnte.

Immerhin hatte er ihn schon einmal angezweifelt. Damals, als er sich von den Nightrays hatte adoptieren lassen, da hatte er schon einmal gedacht, sich zu sehr verändert zu haben, um noch an diesem Schwur festhalten zu können, nein, anders; um von Oz verlangen zu können, an diesem Schwur noch festzuhalten.

Er war davon überzeugt gewesen, Oz würde ihn nicht wieder akzeptieren, immerhin hatte er sich so sehr verändert. Aber sein Master hatte daran festgehalten, hatte ihm erlaubt, weiter an seiner Seite zu gehen … was für eine Ironie, dass sich ihre Rollen nun so sehr verändert hatten. Dass es jetzt Gilbert war, der, obwohl er die Erlaubnis dazu hatte, einfach nicht Seite an Seite mit Oz gehen konnte. Der einfach nicht hinterher kam …

Oz bewegte sich auf das Licht zu und Gilbert blieb in den Schatten allein zurück.

Aber das wollte er nicht. Er wollte nicht mehr in der Dunkelheit sitzen und zusehen, wie um ihn herum alles heller und heller wurde, so blendend hell, dass er manchmal das Bedürfnis hatte, die Augen zuzukneifen.

Vielleicht war es ihm nicht möglich, allzu große Schritte zu machen. Vielleicht konnte er sie nicht alle gleich besiegen, die Schatten und die Schwäche in seinem Inneren, aber dann würde er eben klein anfangen.

Seine Gedanken sprangen zurück zu der kleinen Katze auf dem Tisch, als diese ihn schwach anmaunzte. Erschrocken taumelte er ein paar Schritte zurück, bis seine Kniekehlen gegen sein Sofa drückten und er nicht weiter entkommen konnte.

Es war eine bescheuerte Idee gewesen, aber auch das Einzige, das ihm so spontan eingefallen war. Oz' Worte aus Cheshires Dimension waren ihm beim Einkaufen eingefallen …

Sag bloß, du hast deine Katzenphobie immer noch nicht überwunden?!

… hatte sein Master entsetzt geschrien, und obwohl es nicht direkt wie ein Vorwurf klang, hatte Gilbert sich im Nachhinein ein wenig dafür geschämt. Es war aber auch lächerlich, als erwachsener Mann Angst vor diesen kleinen, niedlichen Tieren zu haben, aber … sein Blick flackerte zurück zu dem Kätzchen, das ihn jetzt mit pendelndem Schwanz anstarrte … er zitterte schon wieder. Und war es schon die ganze Zeit über so warm in seiner Wohnung gewesen?

Heftig atmend, als wäre er eben die Treppen zu seiner Wohnung hochgesprintet, drückte sich Gilbert ganz langsam an seinem Sofa entlang, bis er es halb umrundet hatte und ein Fenster kippen konnte – er traute sich nicht, es ganz aufzumachen, aus Angst, die Katze könnte vielleicht aus Neugierde auf das Fensterbrett klettern und auf die Straße fallen. Junge Katzen machten sowas, das hatte Eliot ihm irgendwann einmal erzählt, und obwohl Gilbert diese Tiere nicht sonderlich mochte, wollte er doch auch nicht für den Tod der Kleinen verantwortlich sein.

Er atmete ein paar mal tief durch, sog die frische Herbstluft, die ihm jetzt entgegen schlug, tief ein, bis er sich nicht mehr ganz so wackelig auf den Beinen fühlte.

Und … was nun?

Er hatte es geschafft, die Katze mit in seine Wohnung zu nehmen, was schon mal ein großer Schritt war, davon ausgehend, dass er die Anzahl an Menschen, die in seiner Wohnung waren, vermutlich an einer Hand abzählen konnte. Aber ansonsten … war er an einem Punkt angekommen, der ihn ziemlich ratlos dastehen ließ. Wie genau kurierte man Katzenphobie? Sollte er das Tier anfassen? Es hochnehmen? Mit ihm spielen?

Misstrauisch beäugte er die Katze, die geduldig immer noch zurück starrte, aber er verspürte eher den Drang, sich aus dem Fenster zu werfen, als dieses Tier anzufassen. Gerade in dem Moment, in dem er doch einen Schritt darauf zu machen wollte, sprang die Katze plötzlich aus ihrem Korb heraus und begann auf dem Tisch hin und her zu gehen, bis sie ihren Schwanz bemerkte und augenblicklich begann, sich im Kreis zu drehen, darum bemüht, ihre eigene Schwanzspitze zu fangen.

So erschrocken und in Panik versetzt er von dem plötzlichen Leben, das in die Katze gefahren war, auch war, während er so zusah, wie sich dieser Knäuel aus schwarzem und weißem Fell wild im Kreis drehte, musste Gilbert trotzdem ein ganz klein wenig schmunzeln. Mit diesem Benehmen erinnerte ihn das Tier fast ein wenig an den blöden Hasen. Er war sich sicher, sie würde genauso reagieren, wenn man ihr einen Streifen Stoff auf den Rücken binden würde …

Der Gedanke an Alice tat weh, also verdrängte Gilbert ihn genauso schnell, wie er gekommen war.

Außerdem hatte er immer noch keine Ahnung, was er jetzt mit der Katze tun sollte. Ihm war immer noch nichts eingefallen, nachdem er der Katze weitere drei Minuten dabei zugesehen hatte, wie sie sich im Kreis drehte, nur, um schließlich erschöpft zurück in ihren Korb zu klettern und sich dort schnurrend zu putzen.

Konnte er es als Erfolg ansehen, dass er dabei nicht ohnmächtig geworden war? Oder einen Schreikrampf bekommen hatte? Oder doch aus dem Fenster gehechtet war?

Vermutlich nicht, aber er tat es trotzdem.

Mit einem plötzlichen Anflug von Entschlossenheit rieb er sich einmal über die Augen, dann ging er langsam hinter dem Sofa hervor und umrundete den Tisch so weit wie möglich, bis er die Küchentür erreicht hatte. Vielleicht sollte er sich für den Anfang erst einmal an den Gedanken gewöhnen, dass die Katze in seiner Wohnung war, und sich dann weiter nach oben arbeiten.

Er schloss vorsichtshalber trotzdem die Tür hinter sich, nachdem er in die Küche getreten war, immerhin wollte er keine bösen Überraschungen erleben. Bereits jetzt vollkommen erschöpft lehnte er sich gegen das raue Holz und schloss für drei tiefe Atemzüge die Augen.

Nüchtern betrachtet war es immer noch eine dumme Idee. Und dass dabei der freie Tag verschwendet wurde, den er von Pandora, oder besser gesagt Oz, bekommen hatte, war auch nicht gerade optimal. Eigentlich hatte Gilbert vorgehabt, sich heute um seine Wohnung zu kümmern, zu putzen, die Wäsche zu machen, die Lebensmittel zu inspizieren … aber jetzt war der Tag schon halb vorbei, er war vollkommen erschöpft, und hatte außerdem ein furchteinflößendes Geschöpf in seinem Wohnzimmer. Und wozu das ganze? Einer hirnrissigen Idee entsprungen, laut der er irgendetwas an sich verändern würde? Als ob das ausreichend wäre.

Als ob es genügen würde.

Es würde nie genug sein.

Gilbert selbst würde nie genug sein.

Ist es nie gewesen.

Vielleicht war das auch der Grund, weshalb er es nicht geschafft hatte, Oz zu retten. Weshalb es zehn Jahre gedauert hatte, überhaupt einen Plan auszuarbeiten, der letztendlich vermutlich nicht einmal funktioniert hätte. Nein, Oz hatte sich selbst retten müssen, und er hatte alles nur noch schlimmer gemacht. War hier aufgetaucht, verletzt und beschmutzt, und hatte diesen --- diesen --- diesen Parasiten dabei gehabt, der ihm ganz langsam das Leben aussaugte, während er ihm das Gefühl gab, ihm zu helfen.

Und da war sie. Die Dunkelheit in Gilbert. Die Gedanken, an denen er wirklich hätte arbeiten sollen, anstatt sich eine Katze ins Haus zu holen. Aber sie verursachten ihm Kopfschmerzen und ließen ihn schwindeln und erinnerten ihn an eine Zeit voller Schatten und Dunkelheit und Angst, so viel mehr Angst, als eine Katze jemals in ihm hervorrufen würde, und er wollte sich nicht daran erinnern. Wollte diese Gedanken und diesen Teil von sich in die hinterste Ecke seines Bewusstseins drängen und die Türen zuschlagen.

Er sehnte sich nach der Kälte, die ihn durchflossen hatte, solange er noch nichts weiter zu tun hatte, als im Auftrag Pandoras oder der Nightrays oder Breaks zu töten und seine Hände zu beschmutzen, immer mehr und mehr Blut zu vergießen, ohne sich noch darum zu kümmern. Die Teilnahmslosigkeit von damals, er wollte sie zurück haben.

Manchmal war es einfacher gewesen als Oz noch immer im Abyss gefangen gewesen war. Ihn zu vermissen war so viel leichter, als so zu fühlen, wie er jetzt fühlte.

Es war erbärmlich. Gilbert war erbärmlich. Wie Break immer sagte, er war ein nutzloses Weichei, und die Tatsache, dass so etwas vollkommen Harmloses wie eine Katze ihn dermaßen aus dem Konzept bringen konnte, war nur noch mehr ein Beweis dafür, dass sein Vorgesetzter recht hatte.

Aber Oz akzeptiert mich trotzdem …

… flüsterte eine leise und hauchdünne Stimme in seinem Kopf, die er schnell wieder zum Schweigen brachte. So gut es sich auch anfühlen mochte, an Oz Seite sein zu dürfen, Gilbert war kein Narr. Er wusste sehr wohl, was für eine Frage er sich hier zu stellen hatte: Wenn Oz alles und jeden akzeptierte, was für einen Wert hatte es dann noch, dass er Gilbert akzeptierte?

Die Antwort darauf fürchtete er noch mehr als die Katze in seinem Wohnzimmer.

Gilbert schluchzte, ohne es zu bemerken, aber im nächsten Moment hatte er sich wieder unter Kontrolle. Kurz war er davon fasziniert, wie einfach die sorgfältige Mauer aus Verdrängung und Ignoranz doch zum Einsturz zu bringen war; er hatte nur ein wenig an seiner Katzenphobie gerüttelt und schon hatten sich all die anderen Ängste wie tiefes Wasser in seinem Inneren ausgebreitet. Dabei hatte er doch vorgehabt, erst ein wenig im Seichten umher zu laufen, bis das Schwimmen einfacher wurde …

Mit einem leisen Seufzen stieß er sich von der Tür ab, fuhr sich mit der Hand kurz durch die Haare und sah sich dann zum ersten Mal seit langem wieder in seiner Küche um. Eigentlich gab es nicht wirklich etwas zu tun. Dadurch, dass er so lange nicht mehr hier gewesen war, lag zwar über allem eine feine Staubschicht, aber seinem Ordnungsdrang sei Dank stand weder benutztes Geschirr herum, noch halb gegessene Lebensmittel. Die Küche sah einfach nur leer und verlassen aus.

Entschlossen krempelte sich Gilbert die Ärmel seines Hemdes nach oben, holte einen Eimer aus einem der Schränke und sah zu, wie er sich langsam mit lauwarmem Wasser füllte. Er würde damit anfangen, die Arbeitsplatten, Schränke und den kleinen Tisch abzuwischen, und dann kehren. Das dürfte genügen, und wenn er sich beeilte, konnte er danach noch das Schlafzimmer (das Wohnzimmer würde er auf gar keinen Fall länger als nötig betreten, so lange die Katze noch dort war) aufräumen, bevor Oz ihn abholen würde, damit sie gemeinsam zurück zum Anwesen der Rainsworths fahren konnten.

Es hatte Gilbert gar nicht gefallen, Oz alleine bei Pandora zu lassen, aber da sowohl Break als auch Reim - letzterer war vertrauenswürdiger - ihm versichert hatten, ein Auge auf seinen Master zu haben, hatte er seinen freien Tag schlussendlich doch akzeptiert. Ein wenig Abstand zu allem tat ihm vielleicht auch etwas gut, es gab ihm Zeit zum Nachdenken.

Schon ironisch. Ein Teil von ihm hatte immer das Bedürfnis, sich mit allem auseinander zu setzen, seine Gedanken zu ordnen und zu sortieren, bis sie einen Sinn ergaben, aber ein anderer, weit aus größerer Teil von ihm hatte zu viel Angst davor, sich allem zu stellen. Es kam Gilbert manchmal so vor, als wäre er hin und her gerissen zwischen Kämpfen und Weglaufen, und was sagte es über ihn aus, dass er bis jetzt keine Situation nennen konnte, in der er gekämpft hatte?

Er war ein Feigling.

Ein nutzloser, naiver Feigling, der sich im Licht eines anderen Menschen versteckte, um seine eigene Dunkelheit ignorieren zu können.

So war es doch von Anfang an gewesen, oder nicht?

Von dem Moment an, als er zu den Nightrays gekommen war und Dinge getan hatte, die ihn zitternd und schweißgebadet nachts aufschrecken ließen, weil seine Alpträume zu blutig und seine Hände zu befleckt waren.

Er hatte angefangen, Kompromisse mit sich selbst zu schließen. Sagte sich, er würde nur noch einen weiteren Schritt in die Dunkelheit machen und beim nächsten Mal umdrehen und weg laufen. Nur dass … er niemals umdrehte und niemals weg lief. Und langsam, ohne dass er es überhaupt bemerkt hatte, war er weiter und weiter in die Dunkelheit gedriftet bis das Licht nur noch ein winziger, fragiler Punkt hinter ihm war.

Als er das bemerkt hatte, hatte er die Augen geschlossen und so getan, als würde er das Licht nicht sehen können weil seine Augenlider verschlossen waren.

Seine Hoffnung starb niemals.

Er war sich sicher gewesen, dass, wenn er nur diese Jahre in kompletter Finsternis überleben könnte, wäre Oz' Licht genug um ihn einzuhüllen und ihn endlich zur Umkehr zu bewegen.

Aber stattdessen … stattdessen war dieses leuchtende Strahlen, das seinen Master umgab, jetzt der Grund, warum Gilbert zum ersten Mal so richtig bemerkt hatte, wie weit er eigentlich abgedriftet war, und er begann zu befürchten, dass es vielleicht zu spät war.

Er war gerade damit fertig geworden, den Boden zu kehren, als er ein leises Kratzen hörte. Erst wusste er nicht, wo es her kommen könnte, aber nachdem er es ein zweites Mal gehört hatte, begriff er; es war die kleine Katze, die an der Küchentür kratzte. Sofort lief Gilbert ein Schauer über den Rücken und er musste sich dazu zwingen, nicht auf den Tisch zu springen.

Was jetzt?

Er saß praktisch in der Küche fest. Und der 'Feind' stand vor der Tür, im wahrsten Sinne des Wortes. Was wollte die Katze überhaupt von ihm? Bis jetzt hatte sie sich doch auch nicht bemerkbar gemacht.

Wie aufs Stichwort hörte er ein gedämpftes, klägliches Maunzen, und da dämmerte es ihm.

Sicher hatte sie Hunger!

Natürlich. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sie vor über vier Stunden in der Stadt gekauft hatte, und wer wusste schon, wann sie in der Tierhandlung zum letzten Mal etwas bekommen hatte. Er brauchte sie also nur zu füttern, dann würde sie ihn vermutlich wieder in Ruhe lassen.

Mit dennoch leicht zitternden Händen holte er eine kleine Schüssel aus seinem Vorratsschrank und füllte die Milch, die er in weiser Voraussicht gekauft hatte, hinein. Die nächste Frage war nur, wie er der Katze die Schale geben sollte. Unter gar keinen Umständen würde er dem Tier näher als drei Schritte kommen, aber um ihm überhaupt etwas zu geben, musste er auf jeden Fall erst einmal die Tür öffnen und das war definitiv zu nah.

Ein wenig hilflos und überfordert sah er sich in der Küche um, dann fiel sein Blick auf den Besen, mit dem er eben noch gekehrt hatte, und er seufzte.

Wenn ihn irgendjemand von Pandora so sehen könnte … den mächtigen Raven, wie er auf einem Küchenstuhl kniete und mit einem Besen die Tür öffnete, um eine Katze in seine Küche zu lassen … er wäre für den Rest seines Lebens verspottet worden.

Aber zu Gilberts Glück war er alleine und so konnte niemand diese peinliche Aktion beobachten.

Kaum hatte er die Türklinke mit dem Besenstiel nach unten gedrückt, schwang die Tür einen Spalt weit auf, den physikalischen Gesetzen unterlegen, und die Katze trabte mit hoch erhobenem Schwanz in seine Küche.

Sie sah sich erst ein wenig neugierig um, bedachte Gilbert mit einem kurzen, musternden Blick, und kräuselte dann ihr rosa Näschen, bis sie die Milch roch und auf die Schüssel zu lief, die Gilbert in eine weit entfernte Ecke gestellt hatte. Kaum hatte die Katze angefangen, zu schlabbern und zu schlecken, kletterte Gilbert vorsichtig von dem Stuhl und verließ mit drei großen Schritten die Küche, die Tür hinter sich anlehnend, damit er sie später nicht noch einmal für die Katze öffnen musste.

Ein wenig verloren sah er sich in seinem Wohnzimmer um und kam sich merkwürdig fehl am Platz vor, er hatte noch einiges zu tun, aber irgendwie erschien es ihm auch vollkommen zwecklos. Er atmete ein paar Mal tief durch, um dieses Gefühl abzustreifen, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Es war, als hätte jemand Sand über ihn gekippt, und egal, wie oft er sich auch abwusch, er fand immer wieder ein paar Körnern in seiner Kleidung, seinen Haaren, hinter seinen Ohren und zwischen seinen Wimpern.

Es war wie ein Schatten, der Schatten all der vergangenen Jahre, der ihn verfolgte und wie ein Gewicht auf seine Schultern drückte, in Momenten wie diesen konnte er die Last ganz deutlich spüren, konnte fühlen, wie sie ihn langsamer machte und zurück hielt, als wäre er an einen fixen Punkt gekettet, der ihn, sobald er sich zu weit davon weg entfernen wollte, daran erinnerte, dass er fest gebunden war.

Das blanke Alleinsein, das sich in all den Jahren hier in seiner Wohnung aufgestaut hatte, war plötzlich zu erdrückend für seine Schultern, und die Anwesenheit der kleinen Katze hatte mit einem Mal etwas Tröstliches.

Mit müden, langsamen Schritten bewegte er sich auf sein Sofa zu und ließ sich erschöpft darauf nieder sinken. Er legte sich auf den Bauch, verschränkte die Arme unter seiner Brust und starrte eine Weile nur den Boden an, der Schwere seiner Augenlider nur langsam nachgebend.

Nur für eine Weile … dachte er, während er die Augen endgültig schloss und zuließ, dass die von roten Punkten durchzogene Dunkelheit hinter seinen Lidern über ihm zusammen schlug wie die dünne Wasseroberflächenspannung über einem sinkenden Stein.

Er hatte in der Einsamkeit der Jahre dazwischen ertrinken wollen. Egal, wie sehr er immer gehofft hatte, Oz zurück zu bekommen und diese Einsamkeit hinter sich lassen zu dürfen, da war immer ein Teil von ihm gewesen, der von dieser Last hatte erdrückt werden wollen. Verlieren wollte, das Kämpfen sein lassen wollte, sich einfach nur hinlegen und aufgeben wollte.

Eine lange Zeit hatte er Angst vor diesem Teil gehabt, nicht, weil er sich gewünscht hätte, er würde nicht existieren, sondern weil er wollte, dass er stark genug sein würde, all die anderen Teile von ihm einzuhüllen, diese dummen Teile, die das Hoffen, das Wünschen einfach nicht hatten sein lassen können, wenn er sich doch eigentlich nur ein absolutes Ende herbei gesehnt hatte.

Das war nie passiert, aber selbst jetzt ertappte er sich manchmal bei dem Gedanken, dass es vielleicht besser so gewesen wäre. Vielleicht wäre es besser gewesen, in der Dunkelheit zu verschwinden anstatt zu leben mit all diesen zerbrochenen Teilen und ihren scharfen Kanten, die nie aufhörten, in seine Haut zu schneiden.

Und dann lächelte Oz. Er lächelte und da war ein Licht, das Gilbert die Sonne mit anderen Augen sehen ließ, und all diese Scherben verwandelten sich in schimmerndes Glas, und die Welt war plötzlich wunderschön, weil er wieder ein Teil von ihr war. Gilbert wollte jedes Mal wieder weinen, wenn er es realisierte. Dass Oz zurück war. Dass er wieder hier war und dass er so glücklich war, wieder hier zu sein.

Anstatt also in Einsamkeit, ertrank er in der Farbe von Oz' Augen.

Und er vermutete, dass es das wert war. Den Schmerz, die Angst, die Dunkelheit und die Einsamkeit. Alles. Das war es wert.
















In Gilberts Wohnung aufzutauchen hatte Oz sich irgendwie anders vorgestellt. Irgendwie … cooler. Aus einem Wandschrank springend und ganz lauf 'Buh' rufend. Oder so. Stattdessen musste er unter dem Bett hervorkriechen, Staub in der Nase und nur mit Mühe ein Niesen unterdrückend. Es war eher erniedrigend, deshalb war er ganz froh, als er feststellte, dass sich Gilbert nicht in seinem Schlafzimmer aufhielt.

Immer noch nach frischer Luft lechzend klopfte sich Oz genervt den Staub von den Klamotten. Das hatte er davon, sich auf Breaks Vorschlag eingelassen zu haben. Er hätte ganz gemütlich die Kutsche nehmen können, aber nein. Breaks Angebot war verlockend gewesen, und, zugegeben, es hatte ihnen einiges an Zeit erspart. Trotzdem war es nicht ganz so lustig gewesen, wie Oz es sich vorgestellt hatte, und die Tatsache, dass Break um einiges eleganter unter dem Bett hervor kroch, als Oz es zustande gebracht hatte, machte es nicht besser.

Er beschloss aber, sich davon nicht die Freude verderben zu lassen, Gilbert vielleicht doch noch erschrecken zu können, und schenkte Break deshalb keine weitere Beachtung, sondern lief gleich auf Zehenspitzen zu der geschlossenen Zimmertür. Vorsichtig drückte er sie nur einen kleinen Spalt breit auf und schielte in Gilberts Wohnzimmer hinein, nur, um sie ganz auf zu schwingen, als er seinen Freund schließlich entdeckt hatte.

Es war ein sehr ungewöhnlicher Anblick, der sich ihm bot, als er immer noch leise das Wohnzimmer betrat.

Gilbert lag bäuchlings auf seinem Sofa, friedlich schlafend und das Gesicht auf seine verschränkten Arme gelegt. Auf seinem Rücken hatte sich eine kleine, schwarz-weiße Katze zusammen gerollt, die leise vor sich hin schnurrte und nicht einmal den Kopf hob, als Oz fasziniert von dem Gesamtbild instinktiv ein paar Schritte auf seinen Freund zu machte, bis er fast direkt vor dem Sofa stand und die leisen Atemzüge hören konnte, die den halb geöffneten Mund in einem langsamen Rhythmus passierten

Wie müde musste Gilbert gewesen sein, wenn er am helllichten Nachmittag auf seinem unbequemen Sofa schlief?

Aufmerksam und neugierig betrachtete Oz seinen Freund, die seltene Gelegenheit nutzend.

Die schwarzen, unordentlichen Haare, die ihm in die Stirn fielen, die langen, feinen Wimpern, die kleinen Falten um die Augen herum, die jetzt, auf dem schlafenden Gesicht, nicht mehr ganz so deutlich zu sehen waren. Das scharfe Kinn und der gerade Kiefer, die lange Nase, Gilberts ganzes Gesicht.

Das harte, kantige Gesicht eines erwachsenen Mannes.

Es war dieses Gesicht, das Oz manchmal störte, das es ihm manchmal unmöglich machte, seinen Freund wirklich anzusehen, weil dieses Gesicht so gar nicht zu dem Bild passte, das da immer noch unter der Bezeichnung 'Gilbert' in seinem Gedächtnis gespeichert war.

Die Sorgenfalten und die harten Mundwinkeln und all die Ecken und Kanten, die nicht da gewesen waren, die nicht zu seinem Freund passten, so wie Oz ihn sich vorstellte. Es schien ihm zu früh, zu früh für Gilbert, um zwei Köpfe größer zu sein, zu früh, um Furchen auf der Stirn zu haben und zu früh, um kaum sichtbare Bartstoppeln auf Wangen und Kinn zu tragen, Überbleibsel, die selbst die gründlichste Rasur nicht ganz beseitigen konnte.

Selbst seine Lippen bewegten sich beim Sprechen anders, als sie es früher getan hatten, seine Mimik und Gestik, wie er sich bewegte, und wie er aß und wie er aufstand und wie er das oberste Regal mühelos erreichen konnte, manchmal war das unerträglich schmerzhaft für Oz.

Aber im Schlaf … im Schlaf verwischten all die Linien und Kanten, die scharfen Ecken und die harten Züge, die tiefen Falten und Furchen.

Im Schlaf konnte Oz die Spuren des kleinen, schüchternen Jungen auf Gilberts Gesicht wiedererkennen, und das Lächeln, das nie ganz verblasst war. Und es war immer noch 'Gilbert'.

„Pass bloß auf“, säuselte Break, der so plötzlich neben Oz aufgetaucht war, dass er erschrocken zusammenzuckte und nur ganz knapp noch einen Schrei zurückhalten konnte. Irritiert sah er auf, und sein Blick traf Breaks, der unverschämt provozierend zurück zwinkerte.

„Pass bloß auf, dass du ihn nicht zurück lässt ~“, kicherte er und wickelte sich parallel dazu einen Lolly aus. Spott klebte an seinen Mundwinkeln, aber in seinen Augen war etwas, das fast als Anteilnahme gelten könnte, wenn es sich hier nicht um Break handeln würde.

Wortlos flackerte Oz' Blick zurück zu der kleinen Katze auf Gilberts Rücken, und ein stlzes Lächeln hob seine Mundwinkel an, als er sich vorstellte, was genau Gilbert mit seinem freien Nachmittag angestellt hatte.

Und zum ersten Mal, seit er ihn kannte, wusste Oz, dass Break sich mit seiner Warnung irrte.

Gilbert zurück lassen?

Von wegen.

Er musste ihn erst mal einholen.


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