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Planänderung

Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P18 / MaleSlash
30.07.2014
25.12.2014
31
103.814
117
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30.07.2014 3.140
 
VII


ahnungslos




Schlagartig wird mir bewusst, dass ich genau das gerade vorhatte. Ich sollte dem Typen danken, der das gerufen hat, denn ich komme wieder zur Besinnung.
Adrian gibt sich unbeeindruckt, starrt mich mit verschränkten Armen an. Ich drehe mich um. Ich muss raus hier.
Nur komme ich nicht weit, denn kurz vor dem Ausgang hält Adrian mich zurück. Hätte nicht gedacht, dass diese feinen Hände dermaßen zupacken können. Aua!
Ich verziehe keine Miene, auch wenn ich schon jetzt die Druckstellen sich verfärben spüre. So kann ich meine Gefühle wenigstens etwas kanalisieren.

»Jetzt bleib doch mal stehen! Was genau ist dein Problem?«, zischt er mich an.
Ich wirbele herum. »Ich habe kein Problem«, erwidere ich so trocken, wie es mir dank der aufgewühlten Gefühle möglich ist.
Adrian zieht mich in eine Ecke.
»Aha«, erwidert er ebenso nüchtern. »Deshalb lässt du dich volllaufen, machst mich grundlos an und lieferst eine Szene, vor der jeder Hollywood-Regisseur vor Neid erblassen würde. Ich verstehe, wenn dir der Stress gerade über den Kopf wächst, aber wenn du nicht mit mir weggehen willst, dann sag das doch vorher.«
»Das ist ja das Problem«, erwidere ich.
»Ich verstehe nicht.« Natürlich nicht. Wie auch?
»Ich wollte mit dir weggehen. Nur mit dir.« Hört sich das unverfänglich an? Ich hoffe.
»Aber wir sind doch alleine weg, wir ... Olli? Was zur Hölle willst du mir sagen?« So viel. Alles und...
»Nichts. Es geht nicht. Verstehst du? Es darf nicht sein, also ist alles in Ordnung.« Ich kann mir ja selbst nicht glauben.
Adrian schüttelt den Kopf und fuchtelt mit den Händen herum. »Herrgott! Langsam habe ich den Eindruck, ich bin derjenige, der getrunken hat. Ich verstehe kein Wort. Stört es dich, dass ich mich mit anderen Männern abgebe?«
Ich schaffe lediglich ein Nicken zur Antwort.
»Okay, dann lass ich das künftig, wenn wir weg sind«, erwidert er leichthin. Scheint ihm nicht sonderlich schwer zu fallen.
»Nein.«
»Was denn nun?«
Ich atme tief durch. Ich habe schon viel zu viel gesagt, aber ich kann ihn jetzt wohl nicht mit der offenen Frage stehen lassen. Ich senke meinen Blick, bevor ich leise erwidere: »Nicht nur, wenn wir zusammen weg sind.«
Adrian senkt seinen Kopf ebenfalls, um mich anzusehen. »Du willst, dass ich mich gar nicht mit Männern treffe?«, fragt er ungläubig. Ich deute ein Nicken an und schaue schnell zur Seite.
»Olli, ich dachte, du kämst damit klar.« Klingt er enttäuscht? Nein, eher verletzt. Das ist das Letzte, was ich will. Ich schaue ihm fest in die Augen. »Tue ich doch auch.«
Mit skeptischem Blick wartet er wohl auf weitere Ausführungen.
»Verdammt! Ich hab schon viel zu viel gesagt. Vergiss es. Ich hab zu viel getrunken. Du hast recht. Lassen wir das Thema.« Ich sehe mich nach dem Ausgang um, doch wieder hält er mich fest. Sanfter dieses Mal.
»Wenn du mir noch sagst, welches das wäre?« Dass deine Hand gerade die Haut an meinem Oberarm verbrennt? Oh, Mann! Seit wann bin ich so kitschig?

»Nichts. Lass mich einfach.« Ich gehe einen Schritt zurück und bedenke nicht, dass ich dabei in den Strom der Eintretenden trete. Irgend so ein Riese rempelt mich an, ich stolpere nach vorn und jetzt bin ich für einen Augenblick froh, dass Adrian mich noch immer festhält. Als ich merke, dass ich jetzt aber nah bei ihm stehe, also wirklich nah, Körper an Körper, zieht sich mein Herz krampfartig zusammen. Es fühlt sich so gut an und ich werde das nie haben können. Scheiße!

»Hey! Ist schon gut. Alles okay«, flüstert Adrian ganz dicht bei mir. Ich gebe sicher ein jämmerliches Bild ab, wie ich hier an ihn gedrängt stehe, mit den Tränen kämpfe und zittere, als hätte plötzlich arktische Kälte aufgezogen.
»Nichts ist in Ordnung«, erwidere ich brüchig. »Es ist eine einzige Katastrophe.«
»Was?« Ich lese es mehr von seinen Lippen, als es zu hören. Seine Lippen, die - ach, scheiß drauf! Bevor mein Verstand wieder die Oberhand gewinnt, presse ich verzweifelt meinen Mund auf seinen.


Ich bin im Himmel! Oder in der Hölle! Was auch immer. Das hier ist mit Abstand das Geilste, das ich je in meinem Leben gefühlt habe! Adrians Lippen sind wunderbar weich, üben genau den richtigen Druck aus. Mein Herz rast, wie es das selbst nach einem Sprint nicht tut- und das will in meinem Fall schon etwas heißen. Meine Muskeln arbeiten mit Hochspannung und gleichzeitig fühle ich mich so schwach auf den Beinen, dass ich froh bin, dass Adrian mich festhält und an sich drückt. Ich könnte heulen vor Glück. Wieso habe ich früher so etwas nie gefühlt? Dabei ist es doch ganz einfach. Ich muss nur einen Mann küssen und ...
Abrupt reiße ich mich von Adrian los, was ihn kurz wanken lässt. Was zur Hölle habe ich getan? Bin ich denn von allen guten Geistern verlassen?
»Was ...?«, fragt Adrian sehr treffend.
»Scheiße!« Wie dämlich kann ein Mensch eigentlich sein? Ich stolpere rückwärts, überhöre die Proteste derer, die ich versehentlich anschubse, heiße die kühle Luft vor der Tür willkommen und renne los.
»Olli!«, höre ich ihn mir hinterher rufen.
Er soll mich in Ruhe lassen.
Zwei Ecken weiter merke ich, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin. Na, großartig! Zudem höre ich Adrian immer noch rufen und seine näherkommenden Schritte.
Nein! Nein! Nein! Geh weg!
Ich flüchte um die nächste Ecke. Ein Hauseingang. Wie in einem schlechten Actionfilm rüttle ich an der Tür. Natürlich geht sie nicht auf. Aber wenn ich mich dagegen presse und nur flach atme, bemerkt er mich vielleicht nicht.

Ich sollte nie in Erwägung ziehen, James Bonds Nachfolger zu werden, denn keine zehn Sekunden später steht Adrian vor mir. Ich atme immer noch heftig. Das mit dem Joggen ist vielleicht grundsätzlich doch keine so üble Idee.
»Verdammt Olli! Warum läufst du weg?«
Adrian hingegen ist kaum außer Atem.
»Es geht nicht. Verstehst du? Es geht nicht. Es ... geh doch einfach. Bitte!« Ich drehe meinen Kopf weg und schließe die Augen, in der Hoffnung, er ist wieder weg, wenn ich sie wieder öffne. Ist er nicht. Stattdessen steht er jetzt neben mir auf dem Sims, der schon für mich alleine recht schmal ist.
»Nein, ich werde jetzt ganz bestimmt nicht gehen. Du bist doch völlig durcheinander. Ich hatte ja keine Ahnung.«
Hör doch endlich auf, so beschissen verständnisvoll zu sein!
»Die hat keiner und das soll auch so bleiben«, entgegne ich. »Oh, Gott! Das darf nicht wahr sein! Das geht einfach nicht! Mein Onkel! Meine Oma! Nein! Nein! Nein!«
Warum wurde die Zeitmaschine noch nicht erfunden? Ich muss die letzten Minuten ungeschehen machen, auch wenn es der beste Moment meines Lebens war. Ich habe hineingeschaut in die Büchse der Pandora. Aber mit ganz viel Kraft schaffe ich es unter Umständen, den Deckel wieder fest drauf zu drücken.
»Hey! Jetzt beruhig dich doch erst einmal. Von mir erfährt niemand etwas, okay? Versprochen.« Er sieht ehrlich aus. Ich kann nur nicken und hoffen.
»Soll ich dich nach Hause bringen?« Ich schlucke und nicke erneut.


Die nächsten zwei Wochen sehe ich Adrian nicht, beabsichtigt meinerseits.
Als er mich zurückgefahren hatte, haben wir kein Wort geredet. Ich habe einfach die ganze Zeit gebetet, dass es endlich vorbei ist. War es dann ja auch. Als wir vor meiner Haustür gehalten haben, habe ich mich brav bedankt. Er hat ziemlich blöd geguckt, aber ich wollte nur noch raus aus diesem Auto, weg von der Versuchung.
Am Sonntag hatte er mir noch eine SMS geschrieben, dass ich mir keine Gedanken machen solle. Na, der ist lustig! Außerdem meinte er, er sei immer für mich da.
Mir wäre lieber, er wäre richtig sauer auf mich. Damit könnte ich definitiv besser umgehen.
Zu Mittag esse ich jetzt immer in der Praxis. Frau Ehrenreich habe ich erzählt, dass das weniger stressig sei und wir so vielleicht in der Mittagspause dringende Fragen klären könnten. Mein Onkel ist nämlich immer noch krank. Die dritte Woche in Folge. Ich mache mir allmählich ernsthaft Sorgen, wenn auch unberechtigt, zumindest laut Frau Ehrenreich. Na, die muss es ja wissen.
Holger fand es zwar merkwürdig, dass ich unser Montagsessen abgesagt habe, hat aber das mit dem Stress in der Praxis ebenfalls geschluckt.

Am darauffolgenden Samstag bekomme ich eine SMS von Adrian: ›Kommst du heute?‹ Dahinter zwei kleine Bildchen von einem Kochtopf und einem Löffel.
Und wie ich will! Aber es geht einfach nicht. Ich kann nicht wieder auf ›Freundschaft‹ umschalten, nicht nachdem ich ihn ... nicht nach dem, was letzten Samstag passiert ist. Alles in mir zieht sich zusammen, als ich ihm antworte: ›Geht nicht. Sorry‹
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: ›Schade‹.
Nur dieses eine Wort. Ich schlucke und starre auf das Display, wo ich doch viel lieber schreien und heulen und zu ihm rennen würde. Aber vermutlich bekäme Petra einen Herzinfarkt, wenn ich plötzlich anfinge, hier herumzubrüllen.
Ich zucke zusammen, als mein Handy erneut vibriert.
›Bitte, Olli. Lass das nicht unsere Freundschaft zerstören. Ich will dich keinesfalls bedrängen, nur ... du fehlst mir.‹
Wie bitte? Der kann doch nicht einfach so etwas schreiben! Oder ist das auf unsere Freundschaft bezogen? Ganz sicher, wenn er das im Satz davor erwähnt. Ich will ihn doch auch nicht verlieren, aber manchmal verläuft das Leben eben nicht so, wie man es sich wünscht. Das hat er doch selbst gesagt. Man kann nicht immer nur glücklich sein.


Offenbar verbreite ich eine äußerst schlechte Laune, zumindest rügt mich Oma am Sonntag erst dafür, bevor sie vor Sorge fast platzt. Ich schaffe es zwar, sie zu beruhigen, so richtig glauben tut sie mir aber nicht. Dazu weiß sie auch nichts von Herberts Krankheit und ich werde mich hüten, auch nur ein Wort zu sagen. Das ist seine Sache. Mit mir redet er schließlich auch nicht.
Ich überrede Frau Ehrenreich, ein paar mehr Termine von Herbert bei mir zwischen zu quetschen, in der Hoffnung, der Stress lenkt mich ab.
Bringt nichts. Langsam glaube ich, jede verschissene Minute an Adrian denken zu müssen. Immer, wenn ich mir vornehme, es nicht mehr zu tun, wird es schlimmer. Wie mit den rosa Elefanten.

Ich versuche sogar, diese Seite von mir komplett zu ignorieren, was letztendlich darin gipfelt, dass ich erst eine gute Woche ›enthaltsam‹ lebe, um mir schließlich am Donnerstagmorgen unter der Dusche dermaßen schnell und hart einen runter zu holen, dass es beinahe schon wehtut. Viel ernüchternder ist aber, dass ich dabei an Adrian denke. An seine Augen, sein Lächeln, seinen Geruch, an diesen beschissenen, besten Kuss meines Lebens. Anschließend stehe ich, ganz gegen meine Art, noch zehn weitere Minuten unter dem Wasserstrahl und versuche mich selbst zu belügen, dass ich nicht heule, solange ich unter der Dusche stehe und man das auch dem Wasser aus der Leitung zuschieben kann.

Bianca bombardiert mich regelrecht mit Nachrichten. SMS und Anrufe, die ich nicht entgegen nehme, weshalb sie mir die Mailbox vollquatscht. Offenbar empfand sie den Abend nicht als totale Katastrophe und ich komme mir schäbig vor, mich nicht zu melden. Es ist alles so sinnlos. Ich kann schlecht etwas mit ihr anfangen, wenn ich jetzt weiß, wie es sich anfühlen kann. Vermutlich sollte ich nur lange genug warten, bis dieses Gefühl verblasst ist.
Ganz drücken vor einer Aussprache mit Bianca kann ich mich aber nicht, weil Sonja mich am Donnerstagabend ziemlich sauer anruft.
»Sag mal, was ist denn bei dir los? Warum meldest du dich nicht bei Bianca? Ich dachte ja, du seist einfach nur schüchtern, deshalb hab ich ihr auch gesagt, sie solle sich bei dir melden.«
»Hey! Ähm ... Naja, ich glaube, es hat nicht so wirklich gefunkt«, versuche ich zu erklären.
»Aha. Und das kannst du ihr nicht sagen, oder was? Oliver, sie macht sich ernsthaft Hoffnungen.«
Ich schlucke. Habe ich ihr denn dazu Anlass gegeben?
»Ich ... ruf sie an.«
Das scheint sie zu besänftigen. »Okay. Sag mal, ist alles in Ordnung bei dir?«
Ich kann das verzweifelte Lachen noch gerade so aufhalten. »Ne, nicht wirklich.« Wir schweigen beide einige Momente, bevor ich fortfahre: »Mein Onkel ist wohl etwas heftiger krank. Genaues sagt er mir aber nicht. Zumindest bin ich seit drei Wochen allein in der Praxis.«
»Oh, je! Okay, ich verstehe. Aber ihr habt doch eine Sprechstundenhilfe, oder?«
Jetzt lache ich wirklich kurz. »Ja. Frau Ehrenreich. Die übrigens wohl schon seit Längerem eine heimliche Beziehung mit meinem Onkel führt.«
»Nein!« Jetzt lacht sie ebenfalls. »Erzähl.«


Das Telefonat mit Bianca verläuft relativ ruhig. Sonja muss ihr von Janina erzählt haben. Zumindest hat sie, als ich meinte, dass ich noch Gefühle für jemand anderen hätte, erwidert, sie wisse, wie es sei, wenn man noch an dem Ex hängt.
Ich habe es vermieden, sie zu berichtigen. Zumal sie wohl ganz froh war, nicht die ›Übergangsfrau‹ zu werden.


Da der Vorsatz, die andere Seite von mir zu ignorieren ja heute Morgen sein jähes Ende gefunden hat, beschließe ich, dass ich auch schauen könnte, was Rudi so macht. Nicht, dass ich glaube, dass er mir großartig helfen kann. Ablenkung allein reicht mir schon. Zum Glück ist er ebenfalls online.

Rudi: ›Hey! Na, warst ja lang nicht mehr da. Hast wohl deine Zeit anderweitig verbracht, was? ;-) So eine geheime Beziehung kann manchmal ganz schön Zeit fressen, ich weiß.‹

Lasse: ›Ne, das hat sich erledigt.‹

Rudi: ›Schade. Das hatte sich so angehört, als sei es eventuell etwas Ernstes.‹

Lasse: ›Ja, ne. Ach, ich weiß doch auch nicht.‹

Rudi: ›Vielleicht solltest du es herausfinden.‹

Lasse: ›Ich weiß nicht. Ich hab ihn ziemlich vor den Kopf gestoßen.‹

Rudi: ›Ach, so etwas passiert. Glaub mir, ich sprech aus Erfahrung. Aber wenn ihm auch etwas an dir liegt, dann ist es noch nicht vorbei. Habt ihr noch Kontakt?‹

Lasse: ›Nein, eigentlich nicht. Aber wir haben gemeinsame Freunde. Da wird sich das eine oder andere Aufeinandertreffen auf Dauer nicht vermeiden lassen.‹

Wenn ich da alleine schon an Holgers Geburtstag übernächsten Samstag denke ...

Rudi: ›Red mit ihm.‹

Lasse: ›Das sagst du so leicht.‹

Rudi: ›Nein, das tue ich nicht. Zumal ich mich gerade selbst vor einer Aussprache drücke.‹

Ich seufze. Er hat ja recht. Ich muss mit Adrian reden, denn ich gehe davon aus, dass er zu Holgers Geburtstag kommen wird. Vor allem, da er sich schon die ganze Zeit darauf freut, Sonja wieder zu sehen.

Rudi: ›Was hältst du von einem Pakt? Wir gehen beide dieses Wochenende unser Problem an.‹

Lasse: ›Okay, aber nicht hinterher sagen, du hättest es getan, obwohl es nicht so ist.‹

Rudi: ›Nein, wenn du es auch nicht tust.‹

Lasse: ›Versprochen.‹


Okay, ja, ich weiß, ich hab gesagt, ich würde mein Problem dieses Wochenende angehen, aber ganz ehrlich? Ich weiß nicht, wie. Und auch, wenn ich das ungern zugebe: Ich bin ein elendiger Feigling. Warum sonst sitze ich an einem Samstagnachmittag zu Hause und habe mich immer noch nicht bei Adrian gemeldet? Ich habe nicht einmal geputzt, obwohl ich das immer samstags tue.
Adrian hat sich übrigens auch nicht mehr bei mir gemeldet. Schätze, er hat verstanden, dass der Kochunterricht beendet ist. Ich werd ihm einfach im Laufe der Woche eine SMS schreiben und bitten, sich auf der Feier nächste Woche nichts anmerken zu lassen.
Wir müssen da ja nicht miteinander reden. Meine Güte! Wir hatten früher auch nichts miteinander zu tun. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Es ist kurz nach fünf, als es klingelt. Ich tippe mal auf Petra, die mich bitten möchte, ihre Wasserkiste hochzutragen. Doch als ich öffne, steht Adrian vor mir. Mit zwei Tüten, die recht vollgepackt aussehen. Ich sehe Porree und eine Zucchini. Mehr kann ich nicht erkennen, weil er sich bereits an mir vorbei schiebt.
»Äh ...«, bringe ich geistreich hervor und folge ihm in meine Küche.
»Ich hoffe, du hast Reis da. Den hab ich nämlich nicht besorgt. Wo hast du Messer und ein Schneidebrett?«
Ruhig reiht Adrian seine Einkäufe auf meiner Arbeitsplatte auf. Ich schaffe es nicht, ihm zu antworten. Dazu bin ich viel zu sehr damit beschäftigt, zu atmen und nicht tot umzufallen.
»Ah, da«, hat er die benötigten Utensilien gefunden.
»Na, komm schon her«, sieht er über seine Schulter und ich stolpere ein paar Schritte vorwärts.
Jetzt, wo ich näher bin, kann ich auch erkennen, dass er keinesfalls so gelassen ist, wie er sich gibt. Er zittert ein wenig und sein Blick ist unruhig.
»Den brauchen wir auch gleich«, hält er einen Bratenwender hoch. Wenn die Situation anders wäre, würde ich jetzt einen Scherz machen und ihn fragen, ob er mich damit versohlen möchte. Ist sie aber nicht.

Stattdessen räuspere ich mich und frage: »Warum bist du hier?«
Adrian schiebt geschäftig die Zutaten hin und her. »Aus zwei Gründen. Erstens: Du musst wirklich kochen lernen. Ich habe von Holger und von Sonja unabhängig voneinander gehört, dass das, was du fabrizierst, zum Davonlaufen ist.«
Na, danke auch!
»Zweitens: Ich mag dich viel zu sehr, als dass ich gewillt bin, den Kontakt zu dir abbrechen zu lassen.«
Einfach so? Denkt er, wir können zurückspulen? Alles auf Anfang?
»Aber was ist mit ...?«, lasse ich die Frage unvollendet.
»Hey, keine Angst. Ich war zwar überrascht, aber ich versichere dir, ich habe nicht zum ersten Mal einen Mann geküsst.«
Ich merke, wie ich rot anlaufe. Wie kann er das so leichtfertig sagen?
»Ich schon«, rutscht es mir heraus, bevor ich es aufhalten kann. »Also, von mir aus.«
Adrian lächelt, nickt dann. »Hab ich mir schon gedacht.«
»War ich so schlecht?« Was frage ich denn da? Ich bin doch keine vierzehn mehr!
»Oh, Gott, nein! Im Gegenteil! Nur deine Reaktion danach war recht eindeutig.«
Okay, klar. Moment, was heißt denn bitte ›im Gegenteil‹? Nein, weg mit dem Gedanken! Hör auf zu bollern, verräterisches Herz!

»Jetzt mal aus der Retrospektive betrachtet: Wie fandest du es?«
Das fragt er doch jetzt nicht ernsthaft? Er ... das ... Ich sehe die Hintertür, die er mir bietet. ›War nicht meins. Sorry, nichts gegen dich.‹ Etwas in der Art könnte ich sagen und alles wäre wieder in Ordnung. Theoretisch.
Verstand, Logikzentrum und Familienloyalität reißen an mir, öffnen diese Hintertür und versuchen, mich mit vereinten Kräften hindurch zu schubsen. Mein Herz übertölpelt sie alle, indem es meine Motorik aktiviert, direkt auf Adrian zu, weg von dieser blöden Tür. Sein Adamsapfel hüpft, als er mehrmals schluckt. Ich starre auf seine Lippen. Adrian bewegt sich keinen Millimeter. Anscheinend wartet er darauf, dass ich etwas unternehme. Kurz blicke ich auf, sehe ihm in die Augen, um sicher zu gehen, dass ich nichts tue, was er nicht will. Sieht nicht so aus. Er ist lediglich angespannt. Seine Gesichtsmuskeln, seine Arme, vermutlich auch noch andere Bereiche, die sich momentan meinem Sichtfeld entziehen.
Mein Herz schlägt immer schneller. Ich will das nicht. Doch der Gedanke an seine Lippen auf meinen vor zwei Wochen, entlarvt mich als Lügner. Und wie ich das hier will! Die Familienloyalität hebt noch einmal mahnend den Finger, bevor ich meinen Mund auf seinen presse. Vielleicht etwas zu hart, aber das ist mir so etwas von egal. Adrian seufzt. Irgendetwas fällt herunter. Ich tippe auf den Bratenwender. Dann schlingen sich Adrians Arme um mich und mein Körper schmiegt von selbst an ihn.
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