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Schatten der Vergangenheit - Zwanzig Jahre

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
27.07.2014
01.02.2018
8
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27.07.2014 3.164
 
2.
Dreizehn Monate zuvor

Der Weißhaarige trat so leise er konnte hinter die junge Frau, die konzentriert an einem Tisch lehnte und die Fotos betrachtete, die sie darauf verteilt hatte.
"Hallo, Arashi-chan", hauchte er ihr von hinten ins rechte Ohr.
Mit einem Quieken fuhr sie zusammen. Zugleich wirbelte sie herum, ihre Rechte in Sailorkraft gehüllt und in der Lage, damit Stahl zu zerschneiden, wurde aber vom Weißhaarigen gebremst.
"Langsam, langsam", rief er lachend. "Willst du mich umbringen?"
Die Energie um ihre Hand erlosch, und nun nutzte sie beide Hände, um sie zu Fäusten geballt auf seine Brust zu trommeln. "Aki-chan, du blöder Kerl! Was musst du mich so erschrecken?"
Der General des SilverMilleniums ließ den Wutausbruch lächelnd über sich ergehen. Er dauerte auch nicht sehr lange. Nach ein paar Sekunden hatte sie sich beruhigt. Oder sich die Fäuste an seiner Sailorrüstung wund geschlagen. Oder beides. "Was machst du überhaupt hier?" Sie beäugte ihn misstrauisch. "Und wie bist du hier rein gekommen?"
Hier, das war das One Police Plaza, die offizielle Zentrale des New York Police Departments. Akira Torah deutete auf den Besucherausweis, der an seiner linken Brusttasche befestigt war. "Ich bin ganz offiziell hier, keine Sorge. Außerdem hast du mich gerufen."
"Das ist nicht ganz richtig. Ich habe Ami-chan gerufen. Oder Makoto-sama. Aber nicht dich. Du solltest nur kommen, wenn die beiden keine Zeit haben."
"Und das ist leider der Fall, Arashi-chan", sagte er in bedauerndem Tonfall.
"Das glaubst du doch selbst nicht", erwiderte sie schroff, konnte aber ein leichtes Zucken der Mundwinkel nicht unterdrücken.
"Um ehrlich zu sein - nein. Ich habe mein liebes Frauchen und meine gute Freundin Makoto darum gebeten, zu meinen Gunsten zurückzutreten, nachdem du gerufen hast. Weil mich der Fall interessiert. Was also haben wir hier?"
Die junge Frau, seit zehn Jahren Bureau Chief des Departments of Sailorforce Crime, nickte in Richtung der Bilder hinter sich auf dem Tisch. "Wenn du versprichst, brav zu sein, nehme ich deine Hilfe an, Aki-chan. Und brav bedeutet, dass du den Kriminellen, solltest du ihn fangen, an mein Department übergibst, damit die Justiz ihren Lauf nehmen kann."
"Und wenn er..."
"Aki-chan!"
"Aber was, wenn er..."
"Aki-chan?"
"Wieso...?"
"Aki-chan, soll ich mit Ami-chan reden, oder kriegen wir beide das so geregelt?"
Akira Torah seufzte schwer. "Also gut. Wir gehen den normalen Justiz-Weg."
"Danke", erwiderte sie frostig. Sie wandte sich wieder dem Tisch mit den Fotos zu.
"Allerdings hat es Miss Storm damals nicht geschadet, dass ich den Justiz-Weg für sie so weit es ging zurecht gebogen habe...", sagte er gedehnt.
Ein Schauder ging über den Rücken der jungen Frau. "Das war jetzt nicht fair", murrte sie.
"Ich sage ja nur, dass wir uns eventuell, und nur eventuell eine Tür aufhalten sollten. Falls dein neuer Fall auch nur ein klein wenig mit einem jungen Mädchen zu tun hat, das vor zwanzig Jahren mit schmalen Schultern, aber riesigem Herzen versucht hat, New York City zu beschützen."
"Du bist unfair", tadelte sie. "Als ich mich damals in mein enges Latex-Kostüm gezwängt habe und mit meinen Blitzkräften gegen normale Bösewichte und Sailorkraft-Kriminelle gekämpft habe, war ich noch ein naives Kind."
"Ja, aber ein naives Kind mit großen Ambitionen. Und schau dir an, wo du jetzt bist. Du hast den vierthöchsten Job in der Polizei von New York", sagte er lächelnd. "Und du kämpfst jetzt ganz offiziell gegen Sailorkraft-Kriminelle. Mit deinem eigenen Department.
Außerdem mochte ich dein enges Latex-Kostüm. Vor allem den gelben Blitz, der sich endlos über das ganze himmelblaue Kostüm gezogen hat, und..."
"Ist ja schon gut", seufzte sie. "Unser Sailorkraft-Verbrecher ist zwar nur ein ordinärer Verbrecher, aber meinetwegen. Wir haben eine Resozialisierungrechtsprechung, keine Racherechtsprechung. Und bisher hat er nur Sachwerte beschädigt, aber niemanden verletzt."
"Darf ich mir die Fotos ansehen, Chief Blasvätter?"
"Bitte. Sei mein Gast." Sie rückte ein Stück zur Seite und ließ den General ebenfalls an den Tisch.

"Victoria, Sie können jetzt jede Sekunde mit Ihrem Gast aus dem SilverMillenium rechnen", kam es von der Tür. Der ältere Herr mit den grauen Schläfen und der Halbglatze sah von seinem Papier nicht auf, während er eintrat. "Der Flieger aus Tokio ist gerade gelandet."
"Der Gast ist schon da, Commissioner White", stellte sie trocken fest.
"Hallo, James", sagte Akira freundlich.
Der große Schwarze sah überrascht auf und musste lächeln. Nein, breit grinsen traf es eher. "Akira, alter Haudegen!" Die beiden drückten einander auf europäische Art die Hand. "Dich hat man geschickt?"
"Oh, ich habe mich selbst geschickt. Weil der Fall interessant klingt. Ich habe bereits mit Miss Storm verhandelt, aber sie will den normalen Justiz-Weg gehen..."
"Aki-chan!", beschwerte sie sich.
"Erstmal müssen wir ihn haben. Und ich als Erster gebe es zu: Selten so einen dreisten Hund wie diesen erlebt. Zudem hat er das Department of Sailorforce Crime schon dreimal auflaufen lassen. Aber wenn du es schaffst, ihn zu bändigen, verspreche ich, dass ich tue, was ich kann. Aber schaff ihn mir vom Hals."
"Erst mal müssen wir ihn haben. Arashi-chan, was verbricht denn unser Meisterdieb denn so grandioses?"
"Hört, hört, Arashi-chan", sagte der Commissioner grinsend, was ihm aber einen bösen Blick seiner besten Department-Leiterin einbrachte. Also verlegte er das Grinsen nach innen und beschloss, das Reizen der Superheldin Miss Storm Akira Torah zu überlassen.
"In erster Linie ist er ein Dieb. Er stiehlt Juwelen, Gold, Platin, manchmal auch Silber. Ab und an versucht er, sich ein paar Milliarden Dollar auf eigene Konten zu überweisen, aber diese Form des Diebstahls funktioniert nicht mehr, seit es keine unabhängigen, unkontrollierbaren Steuerparadiese mehr gibt. Das Buchgeld haben wir bis auf den letzten Cent zurückgeholt. Allerdings konnte er die Zinsen behalten, und das wurmt uns schon ein wenig."
"Er dürfte also recht üppig leben, was?"
"Bei zwei Millionen Dollar an verdienten Zinsen aufs Tagesgeld eher schon", warf White ein. "Das Problem mit ihm ist, dass er sich äußerst bedeckt hält. Er prasst nicht, er prahlt nicht. Und weil er immer eine Sailorrüstung trägt, haben wir nur Schätzwerte zur Körpergröße, zum Gewicht und einen groben Blick auf seine Statur. Der Rest ebenso wie die Gesichtskonturen werden für Kameras von der Sailorkraft verwischt. Wenn er so einfach zu identifizieren gewesen wäre, hätte Victoria nie um Amtshilfe gebeten."
"Verstehe", murmelte Akira. "Ist er so eine schlaue Beute?"
"Er ist mehr so etwas wie ein politischer Aktivist. Versucht einen auf Robin Hood zu machen und seine Diamanten zu versilbern, um damit die Armen zu unterstützen. Aber Arme in dem Sinne gibt es ja nicht mehr seit der Serenity-Intervention vor siebzehn Jahren. Darum steckt er viel Geld in soziale Projekte, Sportvereine, Kinderhorte und dergleichen. Einen Teil können wir beweisen und zurückholen, aber nicht alles. Und nein, bei der guten Finanzlage der Stadt New York müssen wir kein schlechtes Gewissen haben, den Vereinen das Geld wieder wegzunehmen", fügte Chief Blasvätter hinzu. "Außerdem verbreitet er Pamphleths per Flugblatt oder über Webseiten, in denen er zum Widerstand gegen Serenity aufruft."
Akira runzelte die Stirn. "Ein Werkzeug der alten Machtelite des Geldadels?"
"Hätten wir auch gedacht, gäbe es da nicht seinen einzigen Akt von Körperverletzung." Sie deutete auf ein Bild, das einen sichtlich lädierten Mittvierziger mit militärisch kurzem Blondschnitt zeigte. "Der sogenannte Colonel, ein ehemaliger Soldat mit schwachen Sailorkräften, seit Jahren als Söldner unterwegs. Soweit wir wissen, versucht er im Untergrund eine Armee an Sailorkraft-Begabten aufzubauen. Für den großen Tag X. Tja, so sah er aus, nachdem er versucht hat, unseren Kandidaten zu rekrutieren."
"Hm", machte Akira. "Und wie nennt er sich?"
"Was?"
"Na, unter welchem Namen begeht er seine Verbrechen und vollbringt seine Wohltaten?"
Die Chief und ihr Vorgesetzter wechselten einen kurzen Blick. "Freiheitskämpfer", sagte sie, das deutsche Wort ungewohnt und mit starkem Brooklyner Dialekt aussprechend.
"Freiheitskämpfer?", fragte Akira erstaunt. Ihm, der in Deutschland geboren worden war, ging das Wort wesentlich leichter von den Lippen. Ein Grinsen stahl sich auf seine Züge. "Das könnte Spaß machen."
"Akira, du weißt, ich bin dein Freund, aber wenn du...", begann der Commissioner.
"Kriege ich freie Hand? Natürlich unter permanenter Kontrolle und Mitwirkung des Departments of Sailorforce Crime und ihres Bureau Chiefs."
White runzelte die Stirn. "Wie schlimm willst du es machen?"
"Oh, es hat sich schon einmal gelohnt, erinnerst du dich?", schmunzelte er.
"Lass mich da bitte aus dem Spiel. Ich war eine Superheldin, keine Revoluzzerin", brummte Blasvätter schroff.
"Im Gegenteil. Du musst mitspielen. An vorderster Linie."
White hob die Rechte. "Wie schlimm willst du es machen?"
Akira Torah lächelte sardonisch. "Die Sachbeschädigung wird sich in Grenzen halten, versprochen."
"Du hast freie Hand."
"Danke, James."
"Ich weiß schon, warum ich Ami-chan oder Makoto-sama haben wollte", seufzte die junge Chief. "Und verdammt, Aki-chan, wir bereden alles vorher. Jedes Detail. Jede Kleinigkeit. Sogar die Zahl deiner Atemzüge."
"Dies ist deine Stadt, und ich bin der Gast", erwiderte der General des SilverMilleniums jovial.
"Warum glaube ich, dass du mir ausgewichen bist und ich gar keine Antwort habe?", seufzte sie.
Allerdings war es zu spät. Wenn ein General erst einmal Witterung seiner Beute aufgenommen hatte, war er normalerweise nur von seiner Ehefrau zu stoppen. Und die war im fernen Crystal Tokio und nicht hier.
***
"Mama?"
Ami Mizuno sah auf. Für einen Augenblick schien sie verwirrt, obwohl sie ja eine Frau war, und damit multitaskingfähig. Aber es dauerte eben seine Zeit, aus den verschiedenen medizinischen Berichten, die sie zum Thema Viren und Epidemieprävention studiert hatte, wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren. "Was ist denn, mein Schatz?"
Alita Mizuno kam vollends ins Büro ihrer Mutter, jener Frau, die den Platz als Rektorin des Medizinressorts der SilverMilleniums-Universität bereits seit seiner Gründung inne hatte - und hervorragende Arbeit ablieferte. "Mama, weißt du, was..."
"Ist es wegen Papa?"
"Nein, es ist nur..."
"Ist es wegen Papa?"
Das junge Mädchen mit den typisch blauschwarzen Mizuno-Haaren und der kecken weiblonden Strähne im Pony wand sich kurz, bevor sie resignierte und zu Boden sah. "Ja."
"Du willst nicht nach New York?"
"Ich kann nicht!", sagte sie hastig. "Ich weiß nicht, wie Papa sich das vorstellt, aber wir stehen kurz vor den Halbsemesterprüfungen, und selbst wenn wir die laxen Regeln der SilverMillenium-Highschool zu Grunde legen oder das Tutorium durch einen Lehrer für fünf Schüler, ich habe einen Rang und einen Ruf zu verteidigen. Immerhin bin ich deine Tochter, und du hast in deiner Zeit als Schülerin in achtzig Prozent deiner Tests den Landesvergleich gewonnen..." Alita wurde immer stiller, als sie die Miene ihrer Mutter sah. "Nein?"
Ami Mizuno zog eine recht mürrische Miene. "So, so. Meine Tochter schlägt also die Chance aus, mitten im Semester nach New York zu fliegen und dort sogar im Auftrag des SilverMilleniums eine Mission zu erfüllen, die ihre Reputation im Palast erheblich beeinflussen könnte - positiv beeinflussen."
"Aber Mama, ich habe hier meine Aufgabe, meine Freunde, mein Leben, und ich kann Onii-chan doch nicht alleine lassen, und... Und... Und..."
Ami nahm die goldgerandete Lesebrille ab, die sie beim Studieren zu tragen pflegte. Das archaische Gestell hatte keine Gläser und erfüllte keinen Zweck, außer ihr ein Gefühl von Fokussierung zu schenken. "Weißt du, was das Beste ist, das mir je im Leben passiert ist? Ich meine abgesehen von euch dreien."
"Papa?", riet sie.
"Fast." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ohne das Beste wäre ich ihm allerdings nie begegnet, also hängt das schon zusammen. Nein, das Beste, was mir passiert ist, das war, als sich Usagi für mich interessiert hat." Sie sah die Verwunderung im Gesicht ihrer Tochter. "Serenity. Ich spreche von der Zeit, bevor sie diesen Namen angenommen hat."
"Natürlich hat sie sich für dich interessiert, Mama. Du bist die Majestät des Merkur. Es war Schicksal, dass Ihr euch getroffen habt, und..."
"Papperlapapp. Dass wir uns getroffen haben, mag Schicksal gewesen sein, nicht aber, warum wir uns getroffen haben. Komm, setz dich, Schatz."
Gehorsam nahm Alita vor dem Schreibtisch ihrer Mutter Platz. Hier hatte sie schon oft gesessen, meist zusammen mit Roman und Kenji, um sich nach einem ihrer berüchtigten Streiche bei Mama darüber auszuheulen, wie gemein und streng ihr Vater doch war. Nur, um in der Hälfte der Fälle von Mutter auch noch eine Strafe aufgebrummt zu kriegen. Dementsprechend unkomfortabel fühlte sie sich auf diesem Besuchersessel.
"Weißt du, bevor Usagi, also Serenity, sich für mich interessiert hat, war ich bereits die Beste an meiner Schule, eine von fünf landesweit, die sich die Top-Ränge der Landeswertung teilten und ein anerkanntes Genie mit einem damaligen Intelligenzquotienten von einhundertdreiundachtzig. Ich war also vier Fünftel intelligenter als ein durchschnittlicher Schüler meiner Schule. Da ich bei diesen Test zu schludern pflegte, um nicht noch nerdiger zu sein, kannst du das ruhig auf zweihundert aufrunden."
"Aha", machte Alita. Ihr eigener Intelligenztest, bei dem sie nicht geschludert hatte, hatte auch bei zweihundert und ein bisschen gelegen - knapp unter ihrem Onii-chan, das musste so sein.
"Aber ich hatte keine Freunde. Ich kam aus gutem Hause und war zudem Musterschülerin. Und Mutter, meine Mutter, war da auch keine Hilfe. Sie war sehr klassenbewusst und impfte mir immer ein, mich auf mein Studium zu konzentrieren, weil leben würde ich später können. Deine Oma hatte unrecht."
"Ah, ja", murmelte Alita. Das erklärte zumindest das nicht ganz unproblematische Verhältnis zu Professor Mizuno, ihrer Oma. Die kam super mit Akira aus und himmelte ihre drei Enkel an, aber mit der eigenen Tochter geriet sie schnell in die Flicken.
"Erst Usagi änderte das. Manche sagen, sie hat sich mir nur genähert, weil ich die Majestät des Merkurs war, andere wiederum, dass sie nur von mit tutoriert werden wollte, denn zu der Zeit hatte sie miserable Noten."
"Wundert mich jetzt nicht", nuschelte Alita.
"Das ist ja auch die Wahrheit. Ihre Stärken liegen nicht im studieren. Sie ist groß, größer als wir alle", sinnierte ihre Mutter mit einem verträumten Ausdruck in den Augen. "Jedenfalls, unterstell ihr, was du willst, eines ist sie nicht: Unehrlich zu ihren Freunden. In dem Moment, als sie sich mir näherte und mich anlächelte, da wusste ich, dass sie zu mir stehen würde, selbst wenn die Welt zusammenbrechen würde. Usagi ist eine von den Menschen, die für einen völlig Fremden alles geben würden, selbst das letzte Hemd - und für ihre Freunde tut sie noch viel mehr. Usagi wurde meine erste Freundin, und wegen ihr lernte ich nicht nur, wie ich die Youmas bekämpfen und vernichten konnte, die damals vom Dunklen Königreich auf uns gehetzt wurden, nicht nur die Schrecken und Gefahren von Kampf und Krieg, sondern die wirklich wichtigen Dinge."
"Zu überleben?"
"Zu leben, mein Spatz. Spaß zu haben. Freundschaften zu schließen. Zu vertrauen. Zu verteidigen, was ich hatte. Was wir hatten. Wir alle hätten nie so lange, so oft und so ausdauernd kämpfen können, wenn das, wofür wir gekämpft haben, nicht so wertvoll gewesen wäre. Usagi hat mein Leben gerettet. Nein, sie hat mir ein Leben gegeben. Weil sie mir ermöglicht hat, über meinen Tellerrand hinaus zu schauen. Weil sie mir erlaubt hat, mehr zu sein als eine Studiermaschine, die irgendwann einmal ein Studium anfängt, Ärztin wird und nur für ihren Beruf lebt. Du magst jetzt vielleicht denken, das wäre ohnehin der Fall gewesen, weil sie die Prinzessin des SilverMilleniums ist, und ich die Majestät des Merkurs. Aber ohne Usagi, ihre Liebe und Freundschaft, wäre ich nie für sie gestorben. Für sie, die Welt, für alle. Mehrfach. Wieder und wieder."
"Aber du lebst doch noch", wandte Alita ein.
"Ich lebe wieder, das ist ein Unterschied." Ami Mizuno schmunzelte. "Und daran ist dein Vater nicht ganz unschuldig. Zumindest bei meinen letzten beiden Wiedergeburten."
"Ich kenne die Geschichte", sagte Alita.
"Ja, du kennst sie. Aber das ist hier nicht der springende Punkt."
Das Mädchen runzelte die Stirn. "Und was ist der springende Punkt, Mama?"
"Der springende Punkt ist, dass du nicht vergessen solltest zu leben. Und zwar so viel und so gut wie möglich. Das Leben ist mehr als zu studieren und gute Noten zu bekommen, selbst an einer Schule, die nach dem Leitlinien der Millennier betrieben wird und extrem gut betreut, was einmal unsere Zukunft ist. Du musst jeden Tag dazu bereit sein, über den Tellerrand zu blicken, Tochter. So wie Kenji. Nimm neue Dinge mit, wann immer du die Möglichkeit dazu hast." Ein spöttischer Zug ging um ihre Lippen. "Und unterschätze mal nicht die Kampferfahrung, die du machen kannst."
"Nun...", begann Alita vorsichtig. "Kampferfahrung ist etwas sehr seltenes. Das macht sie wertvoll. Soll ich also wirklich auf eine Woche Schule verzichten, um Papa in New York zu helfen?"
"Das ist nicht meine Entscheidung, Schatz."
Alita seufzte. So leicht machte ihre Mutter es ihr dann doch nicht. Also gab sie sich einen Ruck. "Wenn Papa ruft, wird es anstrengend, fordernd, gefährlich und beängstigend. Aber bisher habe ich noch immer was gelernt. Ja, ich gehe nach New York."
"Ist gut, Schatz. Dann pack deine Sachen." Ami lächelte ihre Tochter noch einmal an, dann widmete sie sich wieder den Berichten.
Alita verstand das. So kannte sie ihre Mutter, die berühmte Forscherin, die zudem SailorMerkur war und damals im Krieg nicht nur das Land, sondern die ganze Welt gerettet hatte. Alle respektierten  und liebten und bewunderten sie. Alita war da keine Ausnahme. Und sie konnte sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen, geschweige denn zu wenig Elternliebe. Nur, wenn Ami Mizuno studierte, dann war sie weit, weit weg, in ihrer eigenen Welt. Entsprechend leise erhob sich Alita und schickte sich an, möglichst lautlos den Raum zu verlassen.
"Alita?"
"Ja, Mama?"
"Du gehst direkt über die Tunnelpassage nach New York. Das spart dir einen ganzen Tag."
"Ja, Mama." Sie schloss die Tür hinter sich. Heiliger Mist, ihre Mutter hatte das alles gewusst, geplant und ihre Abreise bereits arrangiert. Hut ab vor SailorMerkur.
***
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