Unter Druck
von - Leela -
Kurzbeschreibung
Schlechte Stimmung in der Redaktion: Die Druckerpresse ist ausgefallen, und Ralph steht schier vorm Explodieren. Können seine Freunde ihm helfen, oder endet alles gar noch in einem Familiendrama?
KurzgeschichteFamilie / P12 / Gen
Annie Ringtail
Bert Raccoon
Melissa Raccoon
Ralph Raccoon
02.07.2014
02.07.2014
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2.238
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02.07.2014
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Als Annie nach der Berufsschule zu ihren Eltern in die Redaktion kam, stolperte sie direkt ins Chaos. Auf dem Boden verteilte sich Werkzeug, Ralph stand kurz vorm Explodieren und fluchte ohne Unterlaß vor sich hin, und Bert und Melissa standen hilflos im Raum, während sie die Szene beobachteten. „Was ist denn hier los?“ erkundigte sich das Raccoonmädchen.
„Die Presse hat den Geist aufgegeben.“ erklärte Melissa.
„Und das, wo heute die aktuelle Ausgabe in Druck muß!“ Ralph trat herzhaft gegen die Maschine.
„Äh, ich bezweifle, daß es davon besser wird, Dad!“ meinte Annie trocken.
„Manchmal hilft’s!“ kommentierte Ralph trotzig.
Annie stellte ihre Tasche ab und ging zu Ralph herüber. „Laß mich mal nachsehen.“
„Danke, Schätzchen, aber hier muß ein Profi ran.“ behauptete Ralph.
Annie sah ihn perplex an. „Hallo? Ich verstehe etwas von Technik! Schon vergessen?“
„Das stimmt!“ warf Bert ein. „Sie hat sogar mal eine Druckerpresse gebaut!“
„Das hier ist aber keine Miniaturpresse für ein Schulprojekt!“ widersprach Ralph.
Jetzt wurde Annie zunehmend ärgerlich. „Ich mache eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker!“ erinnerte sie.
„Aber das hier ist kein Auto!“ hielt Ralph angespannt dagegen.
„Und was spricht dagegen, daß ich es mir einfach mal ansehe und vielleicht den Fehler finde?“ Allein ihr Tonfall verdeutlichte, daß sie sich schon in der Ehre angegriffen fühlte.
Ralph verdrehte die Augen. „Bitte! Wenn du meinst, daß du es besser kannst!“
Melissa biß die Zähne zusammen. Es brodelte so, daß sie nicht sicher war, wie lange es noch dauern würde, bis es zwischen Ralph und Annie eskalierte.
„Ich sage nicht, daß ich es besser kann!“ gab sie gereizt zurück. „Alles, was ich dir anbiete ist eine Chance! Wenn du die nicht nutzen willst, bitte! Dann sag‘ es mir, dann gehe ich wieder! Aber jammere nicht rum, wenn es etwas ist, was ich hätte finden können!“
Bert sah Melissa erstaunt an. Sein Blick sprach für sich: Noch nie hatte er Annie so mit Ralph reden gehört. Aber er konnte es verstehen. Ralph hatte auch die beiden den Vormittag über schon ganz schön auf die Probe gestellt. Der Chefredakteur der immergrünen Zeitung konnte unausstehlich werden, wenn es um sein »Baby« ging, und anscheinend machte er da auch vor seiner Tochter nicht halt; auch wenn er »lediglich« versuchte, sie aus der Angelegenheit herauszuhalten. In Annies Fall kam das allerdings einem Schlag unter die Gürtellinie gleich, denn der Faible für Technik, den das Mädchen innehatte, kam nicht von ungefähr.
Ralph schien zumindest zu registrieren, daß ihre Argumentation nicht aus der Luft gegriffen war und wandte ein: „Na schön, dann schau es dir mal an. – Ich telefoniere inzwischen mal mit dem Reparaturservice.“
„Meinetwegen. Hoffen wir mal, das der Anruf umsonst ist!“ kommentierte Annie. Damit wandte sie sich der Druckmaschine zu, um sich ein Bild zu machen.
„Äh, Ralph…“ meinte Bert vorsichtig. „Willst du mit dem Anruf nicht vielleicht warten, bis Annie sich die Maschine angesehen hat?“
„Das kostet Zeit, Bert!“ hielt Ralph dagegen. „Wertvolle Zeit!“
Bert machte eine hilflose Geste. „Aber was ist, wenn Annie den Fehler findet?“
„Bert hat Recht, Schatz!“ unterstützte Melissa ihn. „In dem Fall müßtest du der Firma das Ausfallgeld für nichts und wieder nichts bezahlen. Auf die paar Minuten kommt es doch nun auch nicht mehr an.“
Ralph stöhnte auf und verdrehte die Augen. „Meinetwegen! Mann, warum kann Schaeffer auch ausgerechnet heute nicht in seinem Café abkömmlich sein?“
„Vielleicht, damit deine Tochter sich mal unter Beweis stellen kann!“ lächelte Melissa, die Annie dabei beobachtete, wie sie die Maschine in Augenschein nahm. Gerade unterzog das Mädchen die Presse einem schnallen allgemeinen optischen Check, bevor sie sich die Sache im Detail ansah.
„Die Walzen habe ich schon überprüft!“ warf Ralph ein.
„Glaube ich dir. Das interessiert mich allerdings gerade nicht.“ erwiderte sie und schaute unbeirrt weiter.
„Bei den Druckplatten kann nichts sein. Die habe ich mir bereits genauestens angeschaut.“
„Schön! Dann kann ich dir das ja gleich bestätigen!“
Ralph ging zu ihr herüber. „Wenn du nach den Zahnrädern schauen willst, dann mußt du…“
Annie drehte sich zu ihm um, und ihr Blick traf ihn wie ein Speer. „Laß mich in Ruhe arbeiten, verstanden?“
Melissa und Bert zuckten zusammen. Solch einen Ton hatten sie von Annie erst recht noch nie gehört, schon gar nicht gegenüber Ralph – obwohl sie auch das gerade verstehen konnten.
Selbst Ralph war zusammengezuckt. „Ich will ja nur helfen! Du mußt dir ja nicht anschauen, was ich bereits geprüft habe!“ entgegnete er, und konnte nicht verhindern, daß seine Stimme angenervt klang.
„Das ist aber der tiefere Sinn dahinter, Schatz.“ warf Melissa sanft ein. „Wenn jemand neutral drüberschaut, sieht er vielleicht etwas, was jemand anderes vorher nicht gesehen hat!“
„Willst du mir etwa sagen, ich arbeite nicht sorgfältig genug?“ fuhr Ralph auf.
„Was? Nein!“ gab Melissa erschrocken zurück. „Das hat damit doch nichts zu tun!“
Annie schien gerade ein wenig erleichtert, daß sich das Gespräch von ihr wegverlagert hatte, denn so hatte sie einen kurzen Augenblick, in dem sie sich in Ruhe einen Überblick verschaffen konnte, obwohl das Mädchen trotzdem unter Anspannung stand, in der Erwartung, daß der Effekt nicht lange anhalten würde.
Ralph lief aufgeregt durch den Raum. So unruhig hatte man den Raccoon mit dem weißen Schal lange nicht mehr gesehen.
„Du könntest in der Zwischenzeit doch etwas effektives machen!“ schlug Melissa vor. „Schreib doch schon mal einen Artikel wei…“
„Willst du mich veralbern, Melissa?“ unterbrach er sie aufgebracht. „Wie kann ich an einem Artikel weiterschreiben, wenn die Druckerpresse hinüber ist? Ich will hoffen, daß sie sich überhaupt, und möglichst noch rechtzeitig, reparieren läßt! So schnell kriegen wir keine neue!“
„Na und?“ fuhr Melissa nun auch auf. „Dann bleibt eine Ausgabe eben mal aus! Die Leser werden das schon verkraften!“
„Ach ja? Und wenn ich schon! Ich verkrafte das aber nicht!“ gab Ralph zurück. „Anscheinend habt ihr den Ernst der Lage nicht richtig begriffen! Das hier geht immerhin uns alle etwas an!“
Bert machte eine abwehrende Geste. „Ich glaube, ich gehe mal besser! Ich muß noch ein neues Thema für »Berts Abenteuer-Tip« finden.“ Damit verschwand er schnell aus der Redaktion, bevor er noch in Ralphs Zorn involviert werden konnte.
Melissa sah ihm tief durchatmend nach. Die letzte seelische Unterstützung war gerade zur Redaktionstür hinausgeschlüpft.
Ralph wandte sich nervös wieder zu Annie um, die sich mittlerweile ein gutes Stück vorgearbeitet hatte. „Die Riemen sind gerade erst ausgetauscht worden. Damit kann eigentlich nichts sein!“
„Ralph! Laß sie einfach in Ruhe gucken!“ wandte Melissa vehement ein.
Ralph machte eine genervte Geste. „Ich sehe aber den Sinn darin nicht! Das kostet nur Zeit!“
Annie versuchte, Ralph zu ignorieren und sich nicht stören zu lassen; das ganze ging solange gut, bis er erneut zu ihr herüberging. „Wenn du schon hier noch mal gucken willst, dann mußt du…“
Das Mädchen hob die Hände in einer resignierenden Geste. „Das war’s. Ich passe!“ Damit wandte sie sich um und ging in den Raum zurück.
„Ich hab‘ doch gesagt, das hat keinen Sinn!“ murmelte Ralph. Entgegen seiner Idee, den Reparaturdienst anzurufen, setzte er nun allerdings noch einmal selbst alles daran, den Fehler im System zu finden. Es dauerte nicht lange, bis das in neuer Flucherei endete.
Annie gesellte sich indes an die Seite ihrer Mutter. „Mom, schaff Daddy hier raus!“ erklärte sie leise, angespannt.
Melissa hielt kurz inne, befürwortete den Gedanken allerdings, da sie selbst schon mehr als nur angenervt war. „Ich versuch’s!“ versprach sie und atmete durch, als wäre sie noch nicht sicher, daß ihr das gelingen würde. Sie ging zu Ralph herüber, der kurz davor stand, mit Werkzeug um sich zu werfen und umfaßte ihn sanft. „Wie wäre es, wenn du mal Pause machst, Liebling? Mit einem Moment Ruhe dazwischen geht es nachher vielleicht besser!“
„Melissa, ich muß die Maschine wieder in Gang kriegen! Sonst kriege ich gar keine Ruhe!“ beharrte Ralph. „Wir kriegen die nächste Ausgabe sonst nicht rechtzeitig in Druck!“
„Ich weiß, aber wenn du dich so unter Druck setzt, wird es doch erst recht nichts! Komm, laß uns zusammen bei Schaeffer etwas essen gehen, und dann sortierst du dich neu und schaust es dir anschließend noch mal in Ruhe an.“
„Na gut.“ lenkte er schließlich ein. Er drehte sich zu seiner Tochter um, die mittlerweile unbeteiligt auf dem Boden lag und in den Comics der letzten Ausgabe las. „Willst du mit, Annie?“
„Nö, hab‘ keine Lust!“ erwiderte sie nebenbei.
Ralph sah sie betroffen an, und Melissa konnte in seinem Blick lesen, wie in einem Buch; die stille Frage, ob sie nun eingeschnappt war. „Komm, laß sie!“ schaltete sie sich ein, bevor Ralph darauf reagieren konnte und schob ihn bereits zur Tür.
„Gut, dann bis später!“ erwiderte er, und zumindest jetzt war seiner Stimme wieder ganz die väterliche Zuneigung anzumerken. Melissa war sich sogar nicht einmal ganz sicher, ob vielleicht ein bißchen Schuldbewußtsein mit darin lag, oder ob Ralph sich lediglich mittlerweile soweit wieder abreagiert hatte, daß Annie ihren alten Stellenwert wieder bei ihm eingenommen hatte.
„Ja, bis dann!“ erwiderte das Mädchen schlicht. Annie wartete, bis die beiden gegangen waren, dann sprang sie auf und vergewisserte sich, daß sie allein war. Sie atmete tief in Erleichterung durch, dann verschaffte sie sich einen erneuten Überblick. Nun ganz in Ruhe checkte sie die Maschine noch einmal Schritt für Schritt durch.
Als Ralph und Melissa zurückkamen, lag Annie wieder auf dem Boden und las in einer Kolumne von »Frag‘ Bert«. Zuerst fiel Ralph nicht einmal etwas Besonderes auf und er stöhnte nur auf ob der Arbeit, die noch vor ihm lag; dann stutzte er, als er feststellte, wie sauber der Boden der Redaktion aussah. „Du hast aufgeräumt…“
„Ja! Wurde mir so beigebracht, nach getaner Arbeit.“ kommentierte Annie.
„Das ist ja lieb, aber… Ich war ja noch gar nicht fertig…“ begann Ralph hilflos, ließ den Satz aber mit einem Seufzen auslaufen. „Okay, schauen wir mal, ob ich die Presse jetzt in Gang kriege.“
„Läuft!“ meinte Annie nur nebenbei, während sie auf die Seite mit Sophias Klatschspalte umblätterte.
Melissa verschränkte die Arme und beobachtete Ralph mit einem forschenden Lächeln.
Der Chefredakteur hielt sichtlich verwirrt inne. „Wie…“
Annie faltete die Zeitung zusammen und ging zum Schreibtisch, um sie dort wieder abzulegen. „Ich habe sie repariert!“ Sie lehnte sich betont lässig gegen den Tisch und sah Ralph tiefgründig an.
Der mußte erst seine Sprachlosigkeit überwinden. „Aber…“
Annie machte eine wohlwollende Pfotenbewegung. „Alles fertig! Probier sie aus!“
Deutlich benebelt kam er dem Hinweis nach. Zuerst etwas unsicher, dann deutlich überrascht stellte er fest, daß die Maschine schnurrte wie ein Kätzchen. „Aber wieso… Ich meine, ich habe den ganzen Vormittag damit zugebracht…“
„Bist du wenigstens zufrieden mit dem Ergebnis?“ Die Frage war ehrlich gemeint; kein Unterton in Annies Stimme deutete auf den vergangenen Ärger hin.
„Ja, aber ich kenne die Maschine in- und auswendig!“ brachte er hilflos hervor. „Wieso findest du den Fehler, und ich nicht?“
„Du warst viel zu hektisch, Dad!“ brachte Annie es auf den Punkt. „Du hast dich selbst schon so verrückt gemacht, daß es gar nicht funktionieren konnte. Ich habe dir gesagt, daß ich etwas von Technik verstehe, aber du hast mich ja auch nicht in Ruhe schauen lassen und hast uns alle verrückt gemacht. Also mußte Mom dich etwas aus dem Verkehr ziehen, damit ich mir die Maschine mal in Ruhe ansehen kann. Es war eigentlich nicht mal so eine große Sache. Es hatte sich Papier in der unteren Ausgabe verkeilt und dadurch das ganze System blockiert. Dadurch war der Fehler nicht so einfach zu finden. Wenn man die Presse aber mit System checkt, kommt man irgendwann automatisch dahin. Ich habe das Papier entfernt, noch mal etwas nachgeölt, und jetzt sollte sie eigentlich wieder einwandfrei laufen.“
„Öhm, ich… weiß nicht, was ich sagen soll…“ brachte Ralph überfordert heraus.
„Wie wäre es mit »Entschuldigung« und »Danke«?“ schlug Melissa lächelnd vor.
Annie grinste. „Ach was. Ich freue mich nur, daß es geklappt hat. – Meine Lehrerin wäre stolz auf mich!“ erwiderte sie, nichtsdestotrotz merkte man ihrer Stimme doch eine gewisse provozierende Erwartungshaltung an. Sie forderte Ralph sehr wohl genau das ab, was Melissa vorgeschlagen hatte. Melissa hoffte, daß Ralph die leichte Provokation bemerkt hatte und nicht auf die Idee kam, das zu übergehen.
Ob er es wirklich bemerkt hatte oder nicht, konnte sie nicht einmal ganz genau ausmachen, denn Ralph schien ehrlich betroffen. Er sah beschämt zu Boden. „Nicht nur deine Lehrerin. Ich bin verdammt stolz auf dich. Dafür bin ich alles andere als stolz auf mich. Ich habe mich so idiotisch benommen.“ Er machte eine hilflose Geste. „Es tut mir so leid.“ Er sah sie mit einer stillen Hoffnung im Blick an und machte eine einladende Geste.
Annie lächelte und nahm die Umarmung gerne an.
„Danke, Engelchen, vor allem dafür, daß du nicht aufgegeben und mir trotzdem noch eine Chance gegeben hast.“
„Na klar habe ich das!“ erwiderte sie zu seiner Beruhigung, und sah ihn dann mit einem süffisanten Schmunzeln an. „Wie hätte ich dir sonst unter Beweis stellen sollen, was für eine geniale Tochter du hast?“
Melissa konnte sich kaum noch halten bei dem perplexen Gesichtsausdruck ihres Mannes, dann aber konnte auch er sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Okay! Das war verdient!“ räumte er ein. Dann sah er seine beiden Frauen - nun wesentlich aufgeräumter als den vergangenen Tag über - an. „Wie sieht es aus? Wir müssen eine Ausgabe in Druck bringen!“
„Na, dann würde ich sagen, fangen wir an!“ meinte Melissa.
Als wäre das das Stichwort gewesen, machten sich Ralph und Melissa an die Arbeit, und Annie half nach Kräften mit. Und so endete der Tag, der so angespannt in der Redaktion begonnen hatte, doch noch voller Harmonie.
„Die Presse hat den Geist aufgegeben.“ erklärte Melissa.
„Und das, wo heute die aktuelle Ausgabe in Druck muß!“ Ralph trat herzhaft gegen die Maschine.
„Äh, ich bezweifle, daß es davon besser wird, Dad!“ meinte Annie trocken.
„Manchmal hilft’s!“ kommentierte Ralph trotzig.
Annie stellte ihre Tasche ab und ging zu Ralph herüber. „Laß mich mal nachsehen.“
„Danke, Schätzchen, aber hier muß ein Profi ran.“ behauptete Ralph.
Annie sah ihn perplex an. „Hallo? Ich verstehe etwas von Technik! Schon vergessen?“
„Das stimmt!“ warf Bert ein. „Sie hat sogar mal eine Druckerpresse gebaut!“
„Das hier ist aber keine Miniaturpresse für ein Schulprojekt!“ widersprach Ralph.
Jetzt wurde Annie zunehmend ärgerlich. „Ich mache eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker!“ erinnerte sie.
„Aber das hier ist kein Auto!“ hielt Ralph angespannt dagegen.
„Und was spricht dagegen, daß ich es mir einfach mal ansehe und vielleicht den Fehler finde?“ Allein ihr Tonfall verdeutlichte, daß sie sich schon in der Ehre angegriffen fühlte.
Ralph verdrehte die Augen. „Bitte! Wenn du meinst, daß du es besser kannst!“
Melissa biß die Zähne zusammen. Es brodelte so, daß sie nicht sicher war, wie lange es noch dauern würde, bis es zwischen Ralph und Annie eskalierte.
„Ich sage nicht, daß ich es besser kann!“ gab sie gereizt zurück. „Alles, was ich dir anbiete ist eine Chance! Wenn du die nicht nutzen willst, bitte! Dann sag‘ es mir, dann gehe ich wieder! Aber jammere nicht rum, wenn es etwas ist, was ich hätte finden können!“
Bert sah Melissa erstaunt an. Sein Blick sprach für sich: Noch nie hatte er Annie so mit Ralph reden gehört. Aber er konnte es verstehen. Ralph hatte auch die beiden den Vormittag über schon ganz schön auf die Probe gestellt. Der Chefredakteur der immergrünen Zeitung konnte unausstehlich werden, wenn es um sein »Baby« ging, und anscheinend machte er da auch vor seiner Tochter nicht halt; auch wenn er »lediglich« versuchte, sie aus der Angelegenheit herauszuhalten. In Annies Fall kam das allerdings einem Schlag unter die Gürtellinie gleich, denn der Faible für Technik, den das Mädchen innehatte, kam nicht von ungefähr.
Ralph schien zumindest zu registrieren, daß ihre Argumentation nicht aus der Luft gegriffen war und wandte ein: „Na schön, dann schau es dir mal an. – Ich telefoniere inzwischen mal mit dem Reparaturservice.“
„Meinetwegen. Hoffen wir mal, das der Anruf umsonst ist!“ kommentierte Annie. Damit wandte sie sich der Druckmaschine zu, um sich ein Bild zu machen.
„Äh, Ralph…“ meinte Bert vorsichtig. „Willst du mit dem Anruf nicht vielleicht warten, bis Annie sich die Maschine angesehen hat?“
„Das kostet Zeit, Bert!“ hielt Ralph dagegen. „Wertvolle Zeit!“
Bert machte eine hilflose Geste. „Aber was ist, wenn Annie den Fehler findet?“
„Bert hat Recht, Schatz!“ unterstützte Melissa ihn. „In dem Fall müßtest du der Firma das Ausfallgeld für nichts und wieder nichts bezahlen. Auf die paar Minuten kommt es doch nun auch nicht mehr an.“
Ralph stöhnte auf und verdrehte die Augen. „Meinetwegen! Mann, warum kann Schaeffer auch ausgerechnet heute nicht in seinem Café abkömmlich sein?“
„Vielleicht, damit deine Tochter sich mal unter Beweis stellen kann!“ lächelte Melissa, die Annie dabei beobachtete, wie sie die Maschine in Augenschein nahm. Gerade unterzog das Mädchen die Presse einem schnallen allgemeinen optischen Check, bevor sie sich die Sache im Detail ansah.
„Die Walzen habe ich schon überprüft!“ warf Ralph ein.
„Glaube ich dir. Das interessiert mich allerdings gerade nicht.“ erwiderte sie und schaute unbeirrt weiter.
„Bei den Druckplatten kann nichts sein. Die habe ich mir bereits genauestens angeschaut.“
„Schön! Dann kann ich dir das ja gleich bestätigen!“
Ralph ging zu ihr herüber. „Wenn du nach den Zahnrädern schauen willst, dann mußt du…“
Annie drehte sich zu ihm um, und ihr Blick traf ihn wie ein Speer. „Laß mich in Ruhe arbeiten, verstanden?“
Melissa und Bert zuckten zusammen. Solch einen Ton hatten sie von Annie erst recht noch nie gehört, schon gar nicht gegenüber Ralph – obwohl sie auch das gerade verstehen konnten.
Selbst Ralph war zusammengezuckt. „Ich will ja nur helfen! Du mußt dir ja nicht anschauen, was ich bereits geprüft habe!“ entgegnete er, und konnte nicht verhindern, daß seine Stimme angenervt klang.
„Das ist aber der tiefere Sinn dahinter, Schatz.“ warf Melissa sanft ein. „Wenn jemand neutral drüberschaut, sieht er vielleicht etwas, was jemand anderes vorher nicht gesehen hat!“
„Willst du mir etwa sagen, ich arbeite nicht sorgfältig genug?“ fuhr Ralph auf.
„Was? Nein!“ gab Melissa erschrocken zurück. „Das hat damit doch nichts zu tun!“
Annie schien gerade ein wenig erleichtert, daß sich das Gespräch von ihr wegverlagert hatte, denn so hatte sie einen kurzen Augenblick, in dem sie sich in Ruhe einen Überblick verschaffen konnte, obwohl das Mädchen trotzdem unter Anspannung stand, in der Erwartung, daß der Effekt nicht lange anhalten würde.
Ralph lief aufgeregt durch den Raum. So unruhig hatte man den Raccoon mit dem weißen Schal lange nicht mehr gesehen.
„Du könntest in der Zwischenzeit doch etwas effektives machen!“ schlug Melissa vor. „Schreib doch schon mal einen Artikel wei…“
„Willst du mich veralbern, Melissa?“ unterbrach er sie aufgebracht. „Wie kann ich an einem Artikel weiterschreiben, wenn die Druckerpresse hinüber ist? Ich will hoffen, daß sie sich überhaupt, und möglichst noch rechtzeitig, reparieren läßt! So schnell kriegen wir keine neue!“
„Na und?“ fuhr Melissa nun auch auf. „Dann bleibt eine Ausgabe eben mal aus! Die Leser werden das schon verkraften!“
„Ach ja? Und wenn ich schon! Ich verkrafte das aber nicht!“ gab Ralph zurück. „Anscheinend habt ihr den Ernst der Lage nicht richtig begriffen! Das hier geht immerhin uns alle etwas an!“
Bert machte eine abwehrende Geste. „Ich glaube, ich gehe mal besser! Ich muß noch ein neues Thema für »Berts Abenteuer-Tip« finden.“ Damit verschwand er schnell aus der Redaktion, bevor er noch in Ralphs Zorn involviert werden konnte.
Melissa sah ihm tief durchatmend nach. Die letzte seelische Unterstützung war gerade zur Redaktionstür hinausgeschlüpft.
Ralph wandte sich nervös wieder zu Annie um, die sich mittlerweile ein gutes Stück vorgearbeitet hatte. „Die Riemen sind gerade erst ausgetauscht worden. Damit kann eigentlich nichts sein!“
„Ralph! Laß sie einfach in Ruhe gucken!“ wandte Melissa vehement ein.
Ralph machte eine genervte Geste. „Ich sehe aber den Sinn darin nicht! Das kostet nur Zeit!“
Annie versuchte, Ralph zu ignorieren und sich nicht stören zu lassen; das ganze ging solange gut, bis er erneut zu ihr herüberging. „Wenn du schon hier noch mal gucken willst, dann mußt du…“
Das Mädchen hob die Hände in einer resignierenden Geste. „Das war’s. Ich passe!“ Damit wandte sie sich um und ging in den Raum zurück.
„Ich hab‘ doch gesagt, das hat keinen Sinn!“ murmelte Ralph. Entgegen seiner Idee, den Reparaturdienst anzurufen, setzte er nun allerdings noch einmal selbst alles daran, den Fehler im System zu finden. Es dauerte nicht lange, bis das in neuer Flucherei endete.
Annie gesellte sich indes an die Seite ihrer Mutter. „Mom, schaff Daddy hier raus!“ erklärte sie leise, angespannt.
Melissa hielt kurz inne, befürwortete den Gedanken allerdings, da sie selbst schon mehr als nur angenervt war. „Ich versuch’s!“ versprach sie und atmete durch, als wäre sie noch nicht sicher, daß ihr das gelingen würde. Sie ging zu Ralph herüber, der kurz davor stand, mit Werkzeug um sich zu werfen und umfaßte ihn sanft. „Wie wäre es, wenn du mal Pause machst, Liebling? Mit einem Moment Ruhe dazwischen geht es nachher vielleicht besser!“
„Melissa, ich muß die Maschine wieder in Gang kriegen! Sonst kriege ich gar keine Ruhe!“ beharrte Ralph. „Wir kriegen die nächste Ausgabe sonst nicht rechtzeitig in Druck!“
„Ich weiß, aber wenn du dich so unter Druck setzt, wird es doch erst recht nichts! Komm, laß uns zusammen bei Schaeffer etwas essen gehen, und dann sortierst du dich neu und schaust es dir anschließend noch mal in Ruhe an.“
„Na gut.“ lenkte er schließlich ein. Er drehte sich zu seiner Tochter um, die mittlerweile unbeteiligt auf dem Boden lag und in den Comics der letzten Ausgabe las. „Willst du mit, Annie?“
„Nö, hab‘ keine Lust!“ erwiderte sie nebenbei.
Ralph sah sie betroffen an, und Melissa konnte in seinem Blick lesen, wie in einem Buch; die stille Frage, ob sie nun eingeschnappt war. „Komm, laß sie!“ schaltete sie sich ein, bevor Ralph darauf reagieren konnte und schob ihn bereits zur Tür.
„Gut, dann bis später!“ erwiderte er, und zumindest jetzt war seiner Stimme wieder ganz die väterliche Zuneigung anzumerken. Melissa war sich sogar nicht einmal ganz sicher, ob vielleicht ein bißchen Schuldbewußtsein mit darin lag, oder ob Ralph sich lediglich mittlerweile soweit wieder abreagiert hatte, daß Annie ihren alten Stellenwert wieder bei ihm eingenommen hatte.
„Ja, bis dann!“ erwiderte das Mädchen schlicht. Annie wartete, bis die beiden gegangen waren, dann sprang sie auf und vergewisserte sich, daß sie allein war. Sie atmete tief in Erleichterung durch, dann verschaffte sie sich einen erneuten Überblick. Nun ganz in Ruhe checkte sie die Maschine noch einmal Schritt für Schritt durch.
Als Ralph und Melissa zurückkamen, lag Annie wieder auf dem Boden und las in einer Kolumne von »Frag‘ Bert«. Zuerst fiel Ralph nicht einmal etwas Besonderes auf und er stöhnte nur auf ob der Arbeit, die noch vor ihm lag; dann stutzte er, als er feststellte, wie sauber der Boden der Redaktion aussah. „Du hast aufgeräumt…“
„Ja! Wurde mir so beigebracht, nach getaner Arbeit.“ kommentierte Annie.
„Das ist ja lieb, aber… Ich war ja noch gar nicht fertig…“ begann Ralph hilflos, ließ den Satz aber mit einem Seufzen auslaufen. „Okay, schauen wir mal, ob ich die Presse jetzt in Gang kriege.“
„Läuft!“ meinte Annie nur nebenbei, während sie auf die Seite mit Sophias Klatschspalte umblätterte.
Melissa verschränkte die Arme und beobachtete Ralph mit einem forschenden Lächeln.
Der Chefredakteur hielt sichtlich verwirrt inne. „Wie…“
Annie faltete die Zeitung zusammen und ging zum Schreibtisch, um sie dort wieder abzulegen. „Ich habe sie repariert!“ Sie lehnte sich betont lässig gegen den Tisch und sah Ralph tiefgründig an.
Der mußte erst seine Sprachlosigkeit überwinden. „Aber…“
Annie machte eine wohlwollende Pfotenbewegung. „Alles fertig! Probier sie aus!“
Deutlich benebelt kam er dem Hinweis nach. Zuerst etwas unsicher, dann deutlich überrascht stellte er fest, daß die Maschine schnurrte wie ein Kätzchen. „Aber wieso… Ich meine, ich habe den ganzen Vormittag damit zugebracht…“
„Bist du wenigstens zufrieden mit dem Ergebnis?“ Die Frage war ehrlich gemeint; kein Unterton in Annies Stimme deutete auf den vergangenen Ärger hin.
„Ja, aber ich kenne die Maschine in- und auswendig!“ brachte er hilflos hervor. „Wieso findest du den Fehler, und ich nicht?“
„Du warst viel zu hektisch, Dad!“ brachte Annie es auf den Punkt. „Du hast dich selbst schon so verrückt gemacht, daß es gar nicht funktionieren konnte. Ich habe dir gesagt, daß ich etwas von Technik verstehe, aber du hast mich ja auch nicht in Ruhe schauen lassen und hast uns alle verrückt gemacht. Also mußte Mom dich etwas aus dem Verkehr ziehen, damit ich mir die Maschine mal in Ruhe ansehen kann. Es war eigentlich nicht mal so eine große Sache. Es hatte sich Papier in der unteren Ausgabe verkeilt und dadurch das ganze System blockiert. Dadurch war der Fehler nicht so einfach zu finden. Wenn man die Presse aber mit System checkt, kommt man irgendwann automatisch dahin. Ich habe das Papier entfernt, noch mal etwas nachgeölt, und jetzt sollte sie eigentlich wieder einwandfrei laufen.“
„Öhm, ich… weiß nicht, was ich sagen soll…“ brachte Ralph überfordert heraus.
„Wie wäre es mit »Entschuldigung« und »Danke«?“ schlug Melissa lächelnd vor.
Annie grinste. „Ach was. Ich freue mich nur, daß es geklappt hat. – Meine Lehrerin wäre stolz auf mich!“ erwiderte sie, nichtsdestotrotz merkte man ihrer Stimme doch eine gewisse provozierende Erwartungshaltung an. Sie forderte Ralph sehr wohl genau das ab, was Melissa vorgeschlagen hatte. Melissa hoffte, daß Ralph die leichte Provokation bemerkt hatte und nicht auf die Idee kam, das zu übergehen.
Ob er es wirklich bemerkt hatte oder nicht, konnte sie nicht einmal ganz genau ausmachen, denn Ralph schien ehrlich betroffen. Er sah beschämt zu Boden. „Nicht nur deine Lehrerin. Ich bin verdammt stolz auf dich. Dafür bin ich alles andere als stolz auf mich. Ich habe mich so idiotisch benommen.“ Er machte eine hilflose Geste. „Es tut mir so leid.“ Er sah sie mit einer stillen Hoffnung im Blick an und machte eine einladende Geste.
Annie lächelte und nahm die Umarmung gerne an.
„Danke, Engelchen, vor allem dafür, daß du nicht aufgegeben und mir trotzdem noch eine Chance gegeben hast.“
„Na klar habe ich das!“ erwiderte sie zu seiner Beruhigung, und sah ihn dann mit einem süffisanten Schmunzeln an. „Wie hätte ich dir sonst unter Beweis stellen sollen, was für eine geniale Tochter du hast?“
Melissa konnte sich kaum noch halten bei dem perplexen Gesichtsausdruck ihres Mannes, dann aber konnte auch er sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Okay! Das war verdient!“ räumte er ein. Dann sah er seine beiden Frauen - nun wesentlich aufgeräumter als den vergangenen Tag über - an. „Wie sieht es aus? Wir müssen eine Ausgabe in Druck bringen!“
„Na, dann würde ich sagen, fangen wir an!“ meinte Melissa.
Als wäre das das Stichwort gewesen, machten sich Ralph und Melissa an die Arbeit, und Annie half nach Kräften mit. Und so endete der Tag, der so angespannt in der Redaktion begonnen hatte, doch noch voller Harmonie.