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Fortsetzung von Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Schmerz/Trost / P12 / Gen
01.07.2014
22.07.2014
6
5.098
 
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01.07.2014 1.018
 
Ich fühlte mich wie eine Hülle, die keinen Inhalt mehr besaß. Die Leere in mir war auch nach 2 1/2 Monaten nach seinem Tod nicht zu füllen. Es war genau 73 Tage her, dass Augustus Waters Herz aufhörte zu schlagen. Als sein Lächeln ein letzte Mal über seine wunderschönen Lippen ging. 73 Tage lang bewegte sich meine Welt weiter ohne ihren Dreh- und Angelpunkt. Die Realität ging an mir vorbei, ich nahm sie und meine Umwelt kaum wahr.

Jeden Morgen stand ich gegen 9 auf und schlürfte in die Küche. Jeden Morgen stand auf dem Tisch eine Schüssel Müsli, doch ich wollte nichts essen, mein Appetit war nicht vorhanden. Trotzdem aß ich ein paar Löffel, meiner Mutter zu liebe. Mein Vater saß immer nur da und sagte nichts. Ich glaubte, er hätte so vieles sagen wollen, aber wusste genau, dass ich nicht zuhören würde. Sie sagten mir immer dasselbe. Das Leben gehe weiter, Augustus hätte nicht gewollt, dass es mir wegen ihm so schlecht geht. Als ob sie wüssten was er gewollt hätte. Wahrscheinlich hatten sie recht, doch ich wollte traurig sein. Es war für mich unmöglich auch nur daran zu denken ein Lächeln auf den Lippen zu haben, ohne dass es Augustus geschenkt werden konnte.

"Wo willst du hin, Schatz?", fragte mich meine Mom. "Zu Augustus", antwortete ich kurz und verschwand aus der Tür. Ich hiefte meinen kleinen Koffer mit dem Gerät, dass mich am Leben hielt ins Auto und danach mich. Dreimal musste ich tief ein und aus atmen, bis ich den Motor anließ. Ich legte meine Hände ans Lenkrad und starrte gerade aus. Hier in der Ausfahrt hatte er damals gestanden, als er in einem hässlichen Tanktop eines holländischen Basketballspielers stand. Selbst wenn das Teil hässlich war, an ihm sah es gut aus. An ihm sah immer alles gut aus. Er nahm mich zu einem Piknik mit und dort sagte er mir dann, dass wir nach Amsterdam fliegen würden. Ich strich eine Träne fort, die meine Wange hinunter lief. Dann legte ich den Gang ein und fuhr los.

Der Weg zum Friedhof fühlte sich jedes mal an, wie der Weg direkt in die Hölle. Je näher ich ihm kam, desto unglücklicher wurde ich. Als ich schließlich geparkt hatte blieb ich eine Weile im Auto sitzen. Die Sonne schien ins Auto und ich spürte ihre Wärme. Es beruhigte mich ein wenig. Ich schaltete das Radio an und schloss die Augen. Es lief gerade ein Lied, dass ich nicht kannte. Ich hörte es schweigend an und versuchte mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal Musik gehört hatte. Es erschreckte mich wenig, dass es mindestens 75 Tage her sein musste.

Ich stieg schließlich aus und ging in den Blumenladen des Friedhofes. Die Frau am Tresen kannte mich bereits und lächelte mir zu. Ich schenkte ihr ein schwaches Lächeln und sah mich dann um. So viele Sträuße, doch alle nicht schön genug für Augustus. Dann entdeckte ich orangefarbene Tulpen und kaufte sie ohne zu zögern. "Eine Gute Wahl und passend zum Wetter", meinte die Verkäuferin. Ich entgegnete nichts und verschwand ohne ein Wort nachdem ich bezahlt hatte. Meinen Koffer in der einen und den Strauß Tulpen in der anderen Hand betrat ich den Friedhof. Ich lief an unzähligen Gräbern vorbei. Einige wurden seit Monaten, vielleicht sogar seit Jahren nicht mehr gepflegt. Es machte mich traurig diese Gräber zu sehen. Die Menschen, die darin lagen waren bestimmt keine schlechten Menschen und trotzdem fühlte sich keiner verantwortlich deren letzte Ruhestätte zu ehren. Ich lief an einem Wiesengrab vorbei und dachte darüber nach wie ich später begrabt werden wollte. Doch bevor ich die Gedanken weiter ausmalen konnte stand ich vor Augustus Waters letzter Ruhestätte.

Ich kniete mich davor und legte die Tulpen ab. Vor seinem Grabstein stand ein Bild von ihm auf dem er lachte. Seine Augen leuchteten. So kannte ich ihn. Kurz blickte ich in alle Richtungen um mich, dann setzte ich mich vor sein Grab. Dort lagen noch weiße Rosen von seinen Eltern und zahlreiche Kerzen. Ich zündete die an, die bereits erloschen waren, griff dann in meine Tasche und zog eine Schachtel mit Zigaretten raus. Eine steckte ich mir zwischen die Zähne, die andere legte ich vor Augustus Bild.

"Sie meinen, ich sollte doch mal wieder zu der Selbsthilfegruppe gehen", sprach ich zu ihm. "Aber das kann ich nicht. Nicht mehr. Ich möchte nicht hören, wie du am Ende der Liste aufgesagt wirst." Ich nahm die Zigarette wieder aus dem Mund und sah auf sie hinunter. "Die Ärzte meinten, ich würde gerade gesundheitlich so gut drauf sein wie seit Wochen nicht mehr. Welch eine Ironie, oder? Ich fühle mich als wäre ich innerlich gestorben, als wäre was mit dir.. Aber meinem Körper geht es blendend." Ich blickte weiter auf die Zigarette, dachte darüber nach sie einfach entgegen meiner Prinzipien anzuzünden und meine Lunge damit entgültig zu killen.

Meine Augen wanderten wieder zu Augustus. "Du fehlst mir, Geliebter", flüsterte ich und ließ die Tränen einfach laufen. Eine ganze Weile sagte ich nichts, sondern starrte nur auf meine Hände. Augustus hätte wirklich nicht gewollt, dass ich wegen ihm so am Ende wäre. Aber ich hätte auch nicht gewollt, dass er vor mir sterben würde. Ich hatte nie in Erwägung gezogen, dass ich ihn überleben würde.
"Isaac hat all deine restlichen Pokale von deinen Eltern bekommen. Du kannst dir nicht vorstellen wie glücklich er war." Dieses Mal musste ich lächeln ohne, dass es gezwungen war. "Er denkt, du wärst immer bei ihm und passt auf ihn auf. Ich find die Vorstellung schön. Ich habe auch schon oft drüber nachgedacht, ob du gar nicht weg bist. Manchmal denke ich zu merken, wie du über mich wachst. Mich beruhigst, wenn ich mich in den Schlaf weine."

Ich spürte die Hitze der Mittagssonne. Es musste mittlerweile gegen 11 Uhr sein und ich merkte, wie es mir schwerer fiel zu atmen. Ich stand auf und sah zu ihm hinunter. "Ich liebe dich. Okay?"
"Okay", sagte eine bekannte Stimmer hinter mir.
 
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