The Miracle of Friendship
von - Leela -
Kurzbeschreibung
Was passiert, wenn man Dinge tut, von denen man die Finger lassen soll? Man findet neue Freunde…
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P12 / Gen
Bert Raccoon
Cedric Sneer
23.05.2014
23.05.2014
1
7.211
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23.05.2014
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Dieses kleine Werk wurde geschrieben für den Wettbewerb »Sprachlos«.
Ich bin gespannt, ob es Leser gibt, die sich in der Geschichte leichter tun als Bert. ^^
Allgemeiner Hinweis zum Wettbewerb: Ich richte mich grundsätzlich nach alter Rechtschreibung. (Und, ja: Auch hier durchgängig, soweit möglich! ^^)
Und nun wünsche ich allen viel Spaß beim Lesen! ^^
Wenn Bert bei Cedric übernachtete, wurde es immer ein aufregendes Erlebnis, denn der Phantasie des Raccoons und des Aardvarks waren keine Grenzen gesetzt. Insbesondere der des Raccoons, denn Bert schaffte es, sich Welten und Abenteuer so plastisch auszumalen, daß die beiden Freunde anschließend dachten, wirklich dort gewesen zu sein und die Abenteuer erlebt zu haben.
Cedric war ein wenig bodenständiger als sein Freund, und verlor bei ihren Träumereien auch nie ganz die Wirklichkeit aus dem Blick, doch der Aardvark mit der Brille verblüffte dafür auf einem anderen Gebiet. Er war eines der hochbegabten Kinder gewesen, die schon in der Grundschule den ersten Preis im Wissenschaftswettbewerb gewonnen hatten, und die Leidenschaft der Forschung und des Erfindergeistes hatten ihn nie losgelassen. Auf diese Weise verblüffte er seine Freunde eins ums andere Mal, wenn er ihnen eine seiner Erfindungen vorstellte, und so manches Mal wünschte sich Bert, er könne auch so etwas bewerkstelligen wie sein Kamerad.
Ralph hatte es einmal sehr schön auf den Punkt gebracht, als Bert einmal mehr über Cedrics Genialität nachsinniert hatte, und sich wünschte, ein wenig mehr wie er zu sein. „Ihr ergänzt euch doch prima!“ hatte sein Jugendfreund gesagt. „Ihr seid beide kreativ, nur auf unterschiedlichen Gebieten: Cedric ist es mehr in der Realität, und du bist es mehr virtuell. Überleg‘ mal, was ihr zusammen alles erreichen könntet!“
Ja, und Ralph hatte Recht. Das hatte Bert erst da so richtig für sich realisiert. Seitdem war zwar die latente Wehmut nicht ganz verflogen, jedes Mal wenn sein bester Freund ihm stolz eine neue Erfindung präsentierte, aber er fühlte sich nicht mehr so nutzlos dabei, und so belastete es ihn nicht mehr allzu sehr, sondern ließ ihn vielmehr Stolz für seinen Kameraden fühlen.
Als Bert an diesem Abend bei seinem Freund ankam, nahm Cedric ihn mit in die Tiefe unter das Sneeranwesen. „Ich muß dir unbedingt etwas zeigen!“ hatte der junge Aardvark ihm aufgeregt mitgeteilt und ihn zu einer Tür in einem Teil des riesigen Hauses geführt, den Bert bislang noch nicht kannte. Mittlerweile - so dachte er - gab es nicht mehr viele Bereiche, die Cedric ihm noch nicht gezeigt hatte – um so aufgeregter wurde jetzt, als die beiden Freunde in ihm unbekannte Gefilde des großen Hauses vordrangen. Die Tür führte in einen Kellerraum, den der Raccoon noch nie zu sehen bekommen hatte. Es ging eine große Wendeltreppe hinunter, die schon bald dafür sorgte, daß der abenteuerlustige Waschbär die Orientierung verlor. Das sanfte Licht der Laternen, die in regelmäßigen Abständen für Licht sorgten, begleitete sie, bis sich die Wände abrupt zu den Seiten teilten, und sie in einen großen und sehr hohen, runden Raum gelangten, in welchem sie von einem hellen Laborlicht empfangen wurden. Während der rosafarbene Aardvark bereits in die Mitte des Raumes ging, blieb Bert entgeistert im Zugang stehen und schnappte sprachlos nach Luft. Ehrfürchtig sah er an der riesigen Rakete hoch, die das Zentrum des Raumes dominierte und brachte kein Wort mehr heraus.
Cedric drehte sich schmunzelnd zu Bert um. „Na, was ist? Willst du sie dir mal aus der Nähe ansehen?“
Bert riß sich aus seiner Starre, und nachdem er die ersten Eindrücke bewältigt hatte, gewann sein Abenteurergeist wieder die Oberhand. „Na, klar!“ rief er und beeilte sich, hinter seinem Freund herzukommen.
Der Erfinder ging bereits weiter zu einem Schaltpult, das auf einer Plattform montiert war, welche man außen an der Rakete hochfahren lassen konnte. Als Bert sich zu ihm stellte, betätigte der Aardvark einen Schalter, und die beiden Freunde sahen die Rakete in gemäßigter Geschwindigkeit vertikal an sich vorbeiziehen. „Das ist mein neuestes Projekt!“ erklärte er, während der Waschbär nur mit staunend offenstehendem Mund und weit aufgerissenen Augen auf die Rakete vor sich sah. „Ich habe es dir bislang noch nicht gezeigt, weil ich nicht wußte, ob es so funktioniert, wie ich es mir vorstelle. Aber jetzt ist sie praktisch fertig.“
„Fertig? Das heißt, wir könnten einen Testflug machen?“ rief Bert. Der sehnsuchtsvolle Blick des Raccoons bohrte sich förmlich in das Selbst des Wissenschaftlers, als er sich zu seinem Freund umwandte.
Der Aardvark lachte. „Theoretisch schon! Aber ich will sie vorher noch einmal von Grund auf durchchecken, damit ich weiß, daß alles in Ordnung ist, und nichts schiefgehen kann.“
„Ich will dabei sein, Cedric! Bitte sag‘ mir sofort Bescheid, wenn du losfliegst, ich will unbedingt bei dem Testflug dabei sein!“ flehte Bert.
„Keine Sorge!“ beruhigte sein Freund ihn. „Du bist der erste, der sie ausprobieren darf. Deswegen zeige ich sie dir ja!“ Sie waren bei der oberen Luke angekommen, die offenbar in die Steuerkabine der Rakete führte, und Cedric betätigte einen Schalter, der das Schott aufgleiten ließ.
Der Raccoon in dem roten Pullover folgte ihm mit vor Aufregung rasendem Puls in die kleine Kabine. Vor einem kompliziert anmutenden Schaltpult, über dem ein großer Bildschirm installiert war, standen zwei bequem aussehende, drehbare Sessel, die fest auf den Boden montiert waren.
„Die Kabine ist so angelegt, daß sie sich drehen kann.“ erklärte Cedric. „Dadurch paßt sie sich immer der Gravitation an. Wenn du außerhalb der Reichweite eines Gravitationsfeldes bis, aktiviert sich das raketeneigene Gravitationsfeld. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, daß du immer den Boden unter den Füßen hast.“
„Faszinierend…“ brachte Bert überwältigt heraus, und nahm auf eine Geste seines Freundes hin auf einem der Sessel Platz.
Stolz begann Cedric, ihm die einzelnen Funktionen zu erläutern. Bert folgte den Erklärungen interessiert und stellte fest, daß das Schaltpult doch gar nicht so kompliziert war, wie es zu Beginn ausgesehen hatte. Man mußte nur wissen, wozu die Schalter und Knöpfe, Hebel und Leuchten gut waren. „Und bevor man startet, muß man auf diesen Knopf drücken!“ schloß Cedric seine kleine Exkursion. „Damit wird nämlich die große Kuppel über uns geöffnet!“
Die Freunde sahen sich an und wechselten ein Schmunzeln.
Cedric sah zur Uhr. „Es ist schon spät. Ich würde sagen, laß uns jetzt schlafen gehen. Wir können uns morgen eventuell noch mal genauere Details ansehen.“ Damit besiegelte der Erfinder das Ende des Rundgangs und ging wieder hinaus auf die Plattform der Hebebühne. Bert folgte ihm wehmütig, und als sie schließlich den großen Raum verließen, warf er der Rakete einen sehnsüchtigen Blick nach, bis sie schließlich die Wendeltreppe wieder emporstiegen, um sich in Cedrics Zimmer zur Nacht fertigzumachen.
Während Cedric bereits schlief, lag Bert noch wach und konnte nicht schlafen. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah an die von schwachem Mondlicht erhellte Zimmerdecke. Seit Cedric ihm die Rakete gezeigt hatte, meldete sich sein latent immer vorhandenes Fernweh mit einer solchen Wucht zu Wort, daß es fast schmerzte. Er konnte einfach nicht abwarten, bis Cedric irgendwann fertig war, er mußte jetzt zu den Sternen aufbrechen! Aber Cedric hatte gesagt, daß er die Rakete noch einigen Tests unterziehen wollte…
‚Keine Sorge! Du bist der erste, der sie ausprobieren darf. Deswegen zeige ich sie dir ja!‘ Die Worte seines Freundes hallten in seinem Bewußtsein nach und schoben sich wieder in den Vordergrund. Cedric hatte nicht gesagt, daß er ihn als erster »begleiten« durfte, er hatte gesagt, er durfte die Rakete als erster »ausprobieren«. Okay, er war sich sicher, es war von dem Aardvark nur unglücklich ausgedrückt - insbesondere wenn man bedachte, daß Cedric seinen Freund bestens kannte - doch wörtlich genommen war das eine Einladung, der Bert nicht widerstehen konnte. Und Cedric hatte gesagt, die Rakete sei fertig! Warum also sollte er es nicht gleich tun?
Er richtete sich auf und sah zu seinem schlafenden Kumpel herüber. Kurz haderte er noch mit sich, dann stand er auf und schlich aus dem Zimmer. Während er versuchte, sich auf dem dunklen Gang zu orientieren und sich bemühte, den Weg zu der Tür in das kleine Forschungszentrum der Sneervilla zurückzufinden, beschlichen ihn leise Zweifel, ob es richtig war, was er tat. Als er jedoch vor der Tür stand, war die Neugierde größer, und so schaute er schnell nach links und rechts, um sich zu vergewissern, daß ihn keiner bemerkte, dann huschte er in den Wendelgang und lief die Stufen so schnell es ging hinab.
Durch die große Kuppel fiel Sternenlicht und Mondschein und tauchte alles in ein unwirkliches Licht. Andächtig blieb der Raccoon vor der gewaltigen, silbrig schimmernden Rakete stehen. ‚Ich kann nicht glauben, daß ich gleich wirklich in einer riesigen Rakete zu den Sternen fliegen werde…‘ Er schluckte kurz, angesichts seines Vorhabens, dann rief er sich alles in Erinnerung, was Cedric ihm am frühen Abend gezeigt hatte. Er fuhr auf der Hebebühne bis ganz nach oben zu der Einstiegsluke, betätigte den Schalter, der die Tür öffnete und huschte in die Kabine. Die Tür schloß sich genauso lautlos, wie sie sich geöffnet hatte, und der Raccoon sah sich schnell im Cockpit um, um sich alle Funktionen in Erinnerung zu rufen.
Nachdem er die Liste im Geiste durchgegangen war, hielt er noch einmal inne und sah gedankenverloren vor sich. Es war eine Sache, sich das Abenteuer groß auszumalen; aber eine andere, das nun wirklich durchzuziehen. Auf dem großen Monitor vor sich starrte ihm sein schemenhaftes Spiegelbild entgegen; das gelbe »B« auf seinem roten Pullover, spiegelverkehrt gedreht, stach etwas hervor und hatte etwas mit dem Leuchten der Sterne gemeinsam. Ob es dieser Gedanke war, der die Zweifel des Raccoons endgültig wegwischte, vermochte er nicht zu sagen, doch an die Stelle der Unsicherheit trat nun seine alte Entschlossenheit, und er betätigte den großen Knopf, der das Kuppeldach dazu brachte, sich zu öffnen.
Glücklicherweise ging auch das sehr lautlos vonstatten. Bert war sich dennoch nicht sicher, ob der Start selber ebenfalls so unbemerkt bleiben würde. Doch das nahm er jetzt in Kauf. Wenn er jetzt den Starthebel betätigte, würde ihn ohnehin niemand mehr aufhalten können! Den Entschluß gefaßt schaltete er das Bedienfeld ein, so wie Cedric es ihm gezeigt hatte, und zog den Starthebel herunter.
Ein Rumoren ging durch die Rakete, und einen Augenblick später wurde Bert in seinen Sessel gedrückt, von dem er erst jetzt registrierte, warum er seine eigentümliche Form hatte, denn er paßte sich seinem Körper genau an, so daß die Wucht des Starts abgefedert wurde.
Auf dem Monitor zog der dunkle Nachthimmel in Schemen vorbei, bis die Rakete aus der Erdatmosphäre in den Weltraum übertrat. Sterne rauschten an Bert vorbei, und die anfängliche Panik ging in den Rausch des Abenteuers über. Er war im Weltraum, wirklich und tatsächlich. Dies war keine seiner Phantasien, dies war eine unwiderlegbare Reise zu den Sternen!
Der Rausch der Sterne hielt genau so lange an, bis sich auf dem Monitor ein Himmelskörper direkt in der Flugbahn der Rakete zeigte.
Bert schnappte nach Luft und versuchte sich zu erinnern, wie er die Rakete lenken konnte, doch von einem Augenblick zum anderen war sein Gehirn von der Panik wie leergefegt, und er erinnerte sich nicht einmal mehr an die grundlegendsten Funktionen, die Cedric ihm gezeigt hatte. Nur ein Impuls war wie automatisiert in seinem Kopf auf »ausführen« geschaltet; und so setzte er all seine Kraft in einen einzigen, scharfen Bremsvorgang.
Die Rakete trat gerade in die Atmosphäre des großen Himmelskörpers ein, der so etwas wie ein Mond sein mochte. Bert vermochte den Aufprall nicht mehr zu verhindern – allein eines bewirkte er durch den Bremsvorgang; daß die Rakete nicht allzu hart auf dem Boden aufschlug. Die spitze Schnauze der Rakete bohrte sich in den Boden, und Bert beglückwünschte seinen Freund dazu, daß er die Kabine so gebaut hatte, daß sie sich immer waagerecht mit dem Boden nach unten ausrichtete; andernfalls hätte er spätestens jetzt den Fußboden über sich gehabt.
Benommen rappelte sich der Raccoon mit dem grauen Fell vom Boden auf. Dann sah er sich verzagt um. In dem Schaltpult zischte es alarmierend, als hätte es einen Kurzschluß gegeben, und die Schieflage, in der sich die Rakete laut der Anzeige auf dem Monitor befinden mußte, verhieß auch nichts Gutes. In was für einen Schlamassel hatte er sich da nur wieder reinmanövriert…?
Er zog sich am Schaltpult hoch und aktivierte die Außenkameras. Zumindest gaben diese eine Ansicht der Umgebung wieder. Es sah trostlos aus, genau, wie man sich eine Mondlandschaft eben vorstellte: Öde, verwaist, im Umkreis von einigen Kilometern kein Zeichen von Leben, geschweige denn Aussicht auf Proviant oder Wasser. „Na, herzlichen Glückwunsch.“ kommentierte Bert und mochte noch gar nicht daran denken, daß er ja keine Ahnung hatte, wie man eine solche Rakete reparierte. Er blendete das Anzeigefenster auf dem Monitor ein, auf dem die wichtigsten Daten über die Umgebung angegeben wurden und atmete durch. Zumindest gab es hier eine Atmosphäre, in der ein Lebewesen von seiner Sorte überleben konnte. Ob das nun Segen oder Fluch war, würde sich zeigen müssen…
Bert war bereits eine knappe Stunde gewandert, auf der Suche nach irgend etwas, das ihm auf diesem trostlosen Himmelskörper Hoffnung verlieh. Doch bislang hatte er nichts entdeckt, außer trister, staubiger Einöde. Er achtete darauf, in einem Radius zu bleiben, von dem aus er seine Rakete immer im Blick behielt. Er war sich sicher, hatte er sie einmal aus den Augen verloren, würde er nicht mehr zu ihr zurückfinden. Er schaute rechts und links, wandte den Blick zu Boden und in den Himmel und sah immer wieder zurück, doch es war, als wäre es egal, in welche Richtung er sah, das Bild änderte sich nicht. Einen Augenblick blieb er stehen und sah zu den Sternen hinauf, die hier in ganz unbekannten Konstellationen zu ihm herunterstrahlten, und er fragte sich, ob einer davon wohl die Erde sein mochte. Er seufzte tief und setzte seinen Weg fort. Sein Blick haftete verzagt am Boden. Dieser Planet - oder was auch immer dies für ein Himmelskörper war - würde wohl in den nächsten Tagen zu seinem Grab werden…
Er sah sich zu seiner rechten um, um sicherzugehen, die Rakete nicht aus den Augen zu verlieren und stellte beruhigt fest, daß sie noch in Sichtweite war. Als er den Blick daraufhin automatisch zur anderen Seite wandte, ohne etwas Spektakuläres zu erwarten, stutzte er allerdings, und kurz darauf stockte ihm der Atem. Dort, nicht weiter entfernt als seine eigene Rakete, offenbarte sich ihm noch eine, und sie schien ebenfalls Schaden genommen zu haben… Die Form war seiner eigenen Rakete nicht ganz unähnlich, doch schimmerte diese in einem sternengoldenen Ton. Er gönnte sich nur einen Moment der Überraschung, dann lief er zu der fremden Rakete herüber, die auf dem Rücken lag, als wäre dem Piloten gerade noch eine Notlandung gelungen.
Als er näher kam, hörte er bereits ein Fluchen, allerdings offenkundig in einer fremden Sprache, die er nicht kannte. Er ging ein Stück um die Rakete herum, bis er zu einer geöffneten Einstiegsluke kam, an der nun provisorisch eine Leiter gelehnt war. „Hallo?“ machte er sich bemerkbar.
Von der anderen Seite kam daraufhin jemand um die Rakete herum, um nach dem unvermittelten Gast zu sehen. Deutliches Erstaunen spiegelte sich in dem Blick des anderen Gestrandeten, der sicher nicht mit einem anderen Besucher auf diesem verlassenen Eckchen des Universums gerechnet hätte.
Bert hielt verblüfft inne, als er den anderen Piloten sah. Vor sich sah er einen weiteren Waschbären, ungefähr von seiner Größe, doch er hatte grünes Fell. Auf seinem buschigen Schwanz wechselten sich in den markanten Streifen ein dunkles Flaschengrün mit einem hellen Moosgrün ab, und um die dunkelgrüne Maske, die das Gesicht des Raccoons zeichnete, stand das Fell etwas zerzaust in einem mittleren grün ab. Er trug sogar einen grünen Pullover, der vom Schnitt her seinem sehr ähnelte, und auf dem ein violettes »T« prangte. Bert schnappte innerlich nach Luft. War das vor ihm tatsächlich ein außerirdischer Raccoon; möglicherweise sogar vom Planeten Mars?
Beide Piloten mußten erst einmal ihrer Überraschung Herr werden, als sie einander gegenüberstanden, dann besann sich der andere Astronaut und fragte: „Rew tsib ud?“
Bert sah ihn groß an. „Es tut mir leid, ich verstehe dich nicht!“ erklärte er, und registrierte erst dann, wie unsinnig diese Mitteilung war, da sein Gegenüber ihn vermutlich genausowenig verstehen würde. Dies bestätigte sich auch in dem ratlosen Blick, den er von dem anderen zugeworfen bekam. Der Raccoon von der Erde schaltete um und zeigte auf sich. „Ich heiße Bert!“ sagte er langsam. Dann zeigte er auf seinen Gesprächspartner: „Wie heißt du?“
Der grüne Raccoon überlegte kurz und versuchte, aus dem Gesagten schlau zu werden. Dann deutete er auf sich und sagte: „Treb!“
Bert kniff leicht die Augen zusammen. „Ist das den Name?“ Er sah auf das »T« auf dem Pullover des anderen und kombinierte. „Ja, das wird es sein. Treb!“
Treb lächelte. Er zeigte auf seine Rakete. „Chi etszum nednalton. Eniem Etekar tsi tgidäscheb!“
Bert fuchtelte mit den Händen. „Warte, das ist viel zu schnell! Ich habe kein Wort verstanden!“
Treb sah ihn überfordert an. Er schaute etwas frustriert. Dann deutete er noch mal auf seine Flugmaschine. „Etekar! Tgidäscheb!“
Bert machte eine hilflose Geste.
Der andere Raccoon stöhnte unverhohlen auf und ließ Bert einfach stehen, um sich wieder an die Reparatur seiner Maschine zu machen.
„Hey, warte…“ Schnell lief Bert ihm nach. Auch wenn die Verständigung zwischen den beiden deutlich hakte; der grüne Raccoon war der einzige weit und breit, der dem Raccoon von der Erde so etwas wie Zivilisation vermittelte.
Treb hatte sich bereits wieder an die Arbeit gemacht und werkelte an dem Inneren seiner Rakete.
„Deine Rakete ist also auch abgestürzt…“ stellte Bert fest.
„Tsedrüw ud chim tztej ettib netiebra nessal? Chi ethcöm neseid netmadrevtog Tro os dlab eiw chilgöm nessalrev!“ grummelte Treb ohne sich auch nur zu ihm umzudrehen.
Bert warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Hatte der andere Raccoon ihm gerade etwas erklärt, ihn beleidigt oder ihn verspottet? Nein, letztes sicher nicht, denn dafür hätte der außerirdische Raccoon verstehen müssen, was er gesagt hatte, und das glaubte er nach den jüngsten Erfahrungen nicht. Er kniete sich zu Treb und schaute ihm auf die Finger. Der andere Raccoon arbeitete sehr zielstrebig an den Verkabelungen. Offenbar wußte er genau, was er tat; etwas, was Bert in gleicher Situation nicht von sich hätte behaupten können. „Ähm, Treb…“ begann er kleinlaut. „Ich könnte deine Hilfe gebrauchen…“
Es mußte Berts Tonfall gewesen sein, der den grünen Waschbären in seiner Arbeit innehalten ließ. Treb richtete sich auf und sah in das verlegene und hilfesuchende Gesicht seines unbeabsichtigten Kameraden. Nachdenklich sah er Bert an. „Chon lam masgnal ettib!“
Bert biß die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl, als würden sie keinen Schritt weiterkommen. Er versuchte es, indem er seine Worte mit Gesten untermalte. „Meine…“ Hier deutete er auf sich, dann zeigte er auf Trebs Weltraumflugmaschine. „… Rakete… ist abgestürzt!“ Mit der rechten Hand zeigte er einen Sturzflug an, der auf seiner linken Handfläche endete, welche die Planetenoberfläche darstellen sollte. Wieder deutete er auf sich. „Ich…“ Dann zeigte er auf die Schaltungen, an denen Treb arbeitete und schüttelte den Kopf. „… kann sie nicht reparieren!“
In Trebs Miene spiegelte sich Verwirrung. „Enied Etekar tah eniek Negnutlasch?“
Bert hielt kurz inne und dachte einen Augenblick in ihrer Konversation zurück. Ein Wort in Trebs Satz hatte er tatsächlich verstanden! Aber es brachte ihn nicht weiter… „Meine Rakete…“ Er zeigte erst wieder auf sich, dann auf Trebs Rakete. „… ist kaputt!“ Er scherte die Hände auseinander in der Hoffnung, daß zumindest die Zeichensprache auf Trebs Planeten so funktionierte wie bei ihm.
Treb nickte. „Enied Etekar tsi tgidäscheb. Sad ebah chi neffirgeb!“
Bert hielt mit einer Geste ein. Ein Wort hatte sich schon wieder wiederholt. „T…däscheb?“
„Tgidäscheb!“ Treb wiederholte Berts Geste und scherte die Hände auseinander.
„Ja!“ freute sich Bert. „Genau!“ Dann machte er eine hilflose Geste und sah Treb verzweifelt an. „Ich weiß nicht, wie man sie repariert.“
Treb überlegte, und schien dann zu kombinieren. „Tschuarb ud Eflih?“ Als Bert ihn hilflos ansah, atmete der grüne Raccoon durch und fragte langsam, während er mit Gesten untermalte: „Los chi…“ Hier deutete er auf sich, dann zuerst auf Bert und gleich darauf auf seine Rakete: „… eis rim lam nehesna?“ Beim letzten Wort zeigte er auf seine Augen.
Bert kombinierte schnell. „Du willst sie dir ansehen? Das wäre klasse!“ Er zeigte ein strahlendes Lächeln.
Anscheinend reichte das weit mehr als Antwort als seine Worte, denn Treb stand auf und packte seinen Werkzeugkoffer zusammen. „Ow tgeil enied Etekar?“ erkundigte er sich.
Bert grübelte. Treb wollte irgend etwas über seine Rakete wissen, so viel hatte er verstanden, aber was?
Treb merkte etwas angespannt, daß Bert einmal wieder kein Wort verstanden hatte und machte eine umfassende Geste, mit der er die Umgebung einschloß und sah ihn fragend an.
„Ah, du willst wissen, wo sie ist!“ kombinierte Bert. Er atmete ein wenig erleichtert durch, gab Treb einen Wink und ging voraus. Der fremde Astronaut folgte dem grauen Raccoon durch die steinige Wüste. Nach einigen Metern konnten sie in der Ferne Berts Rakete - oder vielmehr war es ja eigentlich Cedrics Rakete - ausmachen. Sie gingen ein ganzes Stück schweigend. Was hätten sie auch schon groß für eine Konversation anfangen können? Sie konnten die Sprache des anderen ja ohnehin nicht verstehen. Irgendwann hielt Bert es nicht mehr aus und fragte: „Du kennst dich sehr gut mit Raketen aus, oder?“
Treb sah ihn mit einem Blick an, in dem man sich die Fragezeichen spiegeln sehen konnte.
Bert atmete verzagt durch und sah vor sich auf den Boden. „Ach, vergiß es.“
Treb musterte ihn von der Seite und schmunzelte plötzlich leicht. „Chiltnegie tsib ud nie znag retten lrek.“
Bert sah ihn nachdenklich an. Zwar hatte er kein Wort verstanden, aber es klang zumindest freundlich, was der andere Raccoon ihm gesagt hatte.
„Ud tsah eniek Gnunha nov Netekar, redo?“ stellte Treb fest. Er ignorierte Berts überforderten Blick und sinnierte: „Uaneg eiw niem Lepmuk Cirdec!“ Er warf Bert einen kurzen Seitenblick zu, als er erklärte: „Cirdec tsi nie Remuärt, reba niek Rekinchet. Ud tsrennire chim nie ginew na nhi.“
Bert mußte gegen seinen Willen schmunzeln. Obwohl er nicht einmal annähernd den Sinn von Trebs Worten erfassen konnte, hörte sich die fremde Sprache lustig, faszinierend und auf geheimnisvolle Weise wunderschön an. Er hoffte inständig, daß Treb sich nicht gerade auf seine Kosten lustig machte, ohne daß er es bemerkte.
Gerade kamen sie bei der Rakete an, und Bert zeigte Treb das Dilemma, was sich darin ausdrückte, daß er bei dem riesigen Geschoß stehenblieb und hilflos die Arme hob.
„Szal lam nehes…!“ sagte Treb mehr zu sich selbst und ging prüfend um die Rakete herum. In seinem Blick spiegelte sich Anerkennung. „Sad tsi enie rhes enösch Tiebra!“ sagte er, während er mit der Hand über den Rumpf fuhr.
Bert wußte zwar nicht, was der grüne Raccoon gerade gesagt hatte, trotzdem meinte er erklärend: „Mein Freund Cedric hat sie gebaut. Er ist ein Genie. Ich weiß, ich hätte sie nicht nehmen dürfen. Er wollte sie noch testen, bevor wir sie zum ersten Mal ausprobieren.“
Treb ging unter dem schräg aufragenden Rumpf durch auf die andere Seite und kletterte in das Innere der Kabine. Bert folgte ihm und blieb im Eingang stehen, während Treb sich genau umsah, mit den Fingern über die Armaturen strich und die Innenausstattung bestaunte. Der außerirdische Raccoon sah ihn fragend an. „Tbig se novad chon rhem fua menied Netenalp? Eniem tsi nie Pytotorp!“ Schon während er sprach, wurde ihm bewußt, daß Bert seine Frage gar nicht verstehen würde und schaltete einen gedanklichen Gang runter, zeigte in die Richtung, in der seine Rakete lag, und dann zeigte er mit den Fingern »eine« an. Dann deutete er auf Berts Rakete und sah ihn fragend an.
„Du willst wissen, wie viele es davon gibt?“ schlußfolgerte Bert. Er lächelte und zeigte ebenfalls »eine« mit den Fingern an.
Die beiden Raccoons grinsten. Dann wurde Treb jedoch wieder ernst. „Szal snu negnafna!“ Damit sah er sich das System im Cockpit an und begann, das Schaltpult auseinanderzubauen.
Bert sah sich das Geschehen mit ein wenig gemischten Gefühlen an. ‚Hoffentlich weiß er auch, was er tut…‘ schoß es ihm durch den Sinn. Würde er mit der ihm fremden Technik überhaupt zurechtkommen?
Treb sah sich das Gewirr aus Schaltungen und Kabeln genau an, drehte sich dann aber mit fragendem Blick zu Bert um. „Tbig se gilläfuz Enälptlasch rüf enied Etekar?“
Bert hob die Schultern und schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, daß er Treb nicht verstanden hatte, ohne zu wissen, daß er im gleichen Atemzuge auch dessen Frage damit präzise beantwortet hatte.
Der grüne Raccoon seufzte tief und verdrehte leicht die Augen. „An, Chi edrew sad nosch neffasch!“ Damit krabbelte er halb in das Schaltpult, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Bert langweilte sich. Er konnte nicht effektiv helfen - er konnte ja nicht einmal Anweisungen entgegennehmen - und er konnte nicht einschätzen, wie lange Treb brauchen würde, geschweige denn, ob der andere Raccoon ihm überhaupt würde helfen können. Er konnte ja nicht einmal das Ausmaß der Beschädigungen beurteilen, und immerhin konnte es gut möglich sein, daß sich die Technologie seines Planeten grundlegend von der Technologie von Trebs Heimatwelt unterschied. Er beschloß, Treb arbeiten zu lassen und sprang zurück auf den Boden. Gedankenverloren ging er ein Stück. Was für eine seltsame Fügung des Schicksals, daß er hier ausgerechnet zu dieser Zeit mit dem anderen Raccoon zusammengeführt worden war.
Während er in Gedanken versunken ziellos nahe der Rakete umherwanderte, dachte er darüber nach, was er in dieser kurzen Zeit alles über Treb gelernt hatte. Der andere Raccoon schien sich gut mit Technik auszukennen, gut genug zumindest, um eine Rakete zu reparieren. Damit war er ihm schon mal deutlich im Vorteil. Daraus ließ sich schließen, daß seine Rakete eine Fehlfunktion gehabt haben mußte, denn sicher wäre Treb nicht so wie er nur aus reinem Ungeschick auf diesem Gestirn aufgeschlagen. Das zeigte sich vor allem daran, daß Trebs Rakete nicht mit der Schnauze voran auf dem Planeten gelandet war, so wie seine. Außerdem war Treb ein freundlicher, hilfsbereiter und sympathischer Raccoon, mit dem man bestimmt eine Menge Spaß haben konnte. Wenn man ihn nur verstehen würde… Bert atmete durch und sah frustriert in den Himmel. Wie gerne wäre er Trebs Freund geworden. Doch war das überhaupt möglich, unter den Umständen?
Er sah sich zu seiner Rakete um und versank in andere Gedanken. Würde Treb es schaffen, Cedrics Rakete zu reparieren? ‚Was mache ich, wenn es ihm nicht gelingt?‘ fuhr es ihm durch den Sinn. ‚Wenn er mit der Technologie nicht klarkommt, oder der Schaden zu groß ist?‘ Ein ungutes Gefühl stellte sich in seiner Magengegend ein. Würde er dann auf diesem Planeten, Asteroiden, Mond oder Irgendwas festsitzen, bis er einen einsamen, grauenvollen Tod starb? ‚Ob Treb mich wohl in dem Fall mit auf seinen Planeten nehmen würde?‘ dachte Bert bei sich. In Gedanken malte er es sich lustig aus, auf einem Planeten zu landen, wo alle so sprachen wie sein neuer Kamerad. Im nächsten Moment dachte er daran, wie anstrengend es werden würde, wenn er niemanden verstand. Aber andererseits könnte er dann die Sprache ja auch lernen, und vielleicht könnten sie dann doch noch Freunde werden!
Eine Weile ließ er sich in den Gedanken fallen, dann ging er langsam zur Rakete zurück. Vielleicht konnte Treb ihn auch einfach nur auf der Erde absetzen, wenn er seine eigene Rakete wieder flotthatte und sich auf den Rückweg zu seinem Planeten machte.
Als er zurück in die Kabine kam, arbeitete Treb noch immer im Inneren des Schaltpultes. Einen Augenblick später schob sich der außerirdische Raccoon wieder daraus hervor und sah Bert an. „Os, eid Negnudnibrev neheg redeiw. Chi etszum nie nechszib nereisivorpmi, osla ies ettib gitchisrov!“ Er sah in Berts ausdruckslosen Blick und schüttelte kurz den Kopf, als er sich daran erinnerte, daß er es anders angehen mußte. Er überlegte kurz, wie er Bert verständlich machen konnte, was er von ihm wollte. Er zeigte auf das Innenleben und hob einen Daumen. Anschließend streckte er die Hand aus und wackelte leicht damit, um anzuzeigen, daß etwas nur vage war. Daraufhin deutete er erst auf Bert, und spreizte dann die Finger an den Händen und senkte sie in einer sachten Geste.
Bert beobachtete die Gesten seines Gastes aufmerksam und hoffte, daß seine Interpretationen mit den Bedeutungen, die der grüne Raccoon meinte, übereinstimmten. Er nickte.
„Rhes tug! Dnu tztej nehes riw snu ned nereszuä Nedasch na.“ Damit stand er auf, schloß die Abdeckung des Pultes wieder und sprang aus der Luke zu Boden.
Bert folgte ihm zu der Schnauze der Rakete, die sich ein Stück in den Boden gebohrt hatte. Der Aufprall hatte einiges an Schaden an der Karosserie verursacht, und dabei auch einige Relais, die in der Spitze verbaut worden waren, in Mitleidenschaft gezogen. Man konnte es unter der leicht aufgebogenen Platte sehen, die ein aufgedrucktes Symbol enthielt, als Hinweis darauf, daß sich darunter eine Relaisschaltung verbarg.
Treb sah sich den Schaden nachdenklich an. Dann kniete er sich hin und durchsuchte sein Werkzeug. Als er ein passendes gefunden hatte, begann er, die Abdeckplatte zu lösen.
Bert beobachtete ihn fasziniert, fühlte sich aber wieder so nutzlos dabei, daß er nichts mit sich anzufangen wußte.
In dem Moment winkte Treb ihn zu sich. „Mok lam reh!“
Verunsichert ging Bert zu ihm herüber.
Treb deutete auf die etwas eingedrückte Verkleidungsplatte, von welcher er gerade die Schrauben löste. Dann machte er mit den Händen eine kippende Bewegung, zeigte auf Bert, und dann an die Seite der Raketenschnauze.
Bert schnappte nach Luft, als er verstand. Treb wollte, daß er ihm die Verkleidung abnahm und beiseite stellte! Er nickte eifrig, froh, endlich etwas Effektives tun zu können.
Treb bedeutete Bert, mit den Händen gegen die Platte zu halten, während er die Schrauben löste. Der graue Raccoon kam der Aufforderung sofort nach, und Treb fuhr in seiner Arbeit fort. Sorgsam legte er die Schrauben in ein Fach seines Werkzeugkoffers, dann kippten sie gemeinsam die Verkleidung zurück, und Bert nahm sie sofort an sich, um sie an den Teil des Rumpfes zu stellen, der in den Boden hineinragte.
Treb sah sich derweil bereits die Platine hinter der Abdeckplatte an. Bert gesellte sich neugierig wieder zu ihm und bemerkte staunend, was alles unter den schweren Metallplatten verbaut war. Sein neuer Kamerad ging testend mit den Fingern über die Platine und kontrollierte einige Kabel und Steckverbindungen. Er sah etwas besorgt aus. „Yako, sad theis tchin os tug sua…“ murmelte er mehr für sich.
Bert sah ihn verhalten an. „Was heißt das? War das jetzt etwas Positives?“
Treb mußte die latente Sorge in Berts Worten bemerkt haben, denn er atmete leicht durch, bevor er sich zu dem Erdenraccoon umwandte, und ihn etwas ratlos ansah. Er zeigte auf das Element, das er sich gerade angesehen hatte und erklärte langsam: „Eid Enitalp tsi tgidäscheb.“ Er schloß seine Worte mit der bereits bekannten Geste, die andeutete, daß etwas kaputt war.
Bert, der das letzte Wort deutlich verstanden hatte, fuhr entsetzt zusammen. „Sag doch sowas nicht!“
Treb deutete auf das defekte Element und ließ die Finger umeinander kreisen. „Eis szum tschuategsua nedrew.“ Er sah Bert ernst an. „Tbig se ni red Etekar enie Enitalpztasre?“ fragte er, während er zuerst in das Innere der Rakete deutete, dann auf die Platine und anschließend mit den Fingern die Zahl Zwei anzeigte.
Diesmal hatte Bert ihn genau verstanden, trotzdem hob er die Schultern, um zu signalisieren, daß er es nicht wußte.
Treb verzog verstehend den Mund. Er versank in Gedanken und sprach mehr zu sich: „Eseid Enitalp tsi gitchiw…“ Er sah Bert fragend an und deutete erst auf sich, dann auf die Kabine der Rakete und zum Schluß auf seine Augen, während er fragte: „Frad chi chim nennird lam nehesmu?“
Bert nickte. „Ja, gerne!“ Er registrierte nicht einmal, wie gut er Treb mittlerweile verstand, obwohl sie noch immer nicht die Sprache des anderen verstanden.
Treb ging zurück und verschwand im Inneren der Kabine, während Bert sorgenvoll auf dem Boden zurückblieb. Vielleicht wurde es ja tatsächlich eine der beiden Varianten, die er sich vorhin ausgemalt hatte, in denen Treb ihn entweder bis zur Erde, oder sogar zu seinem Planeten mitnahm… Aus der Kabine tönten mittlerweile verschiedene Geräusche, die Bert nicht zuordnen konnte, und so folgte er dem anderen doch und zog er sich neugierig auf den Boden des Cockpits hoch. Treb durchwühlte gerade einige Schubladen, die an der Rückwand der Kabine eingelassen waren, und hielt nach kurzer Suche freudig inne. „Rhes tug!“
„Hast du etwas gefunden?“ fragte Bert hoffnungsvoll, so daß der andere Raccoon unvermittelt zusammenzuckte.
Treb drehte sich mit einem Lächeln zu Bert um und zeigte die Platine, die er gefunden hatte. „Eid etlos nessap. Riw nessüm eis run nleschewsua!“ Er kreiste den Finger, um Bert zu signalisieren, daß sie das Element würden austauschen müssen.
Bert atmete erleichtert durch, und schon machten sich die beiden zusammen auf den Weg zurück zu dem defekten Element.
Treb begann nun, die alte, beschädigte Platine auszubauen. Es mußten Steckverbindungen gelöst, Schrauben entfernt und Klammern losgemacht werden, dann gab der Techniker Bert das alte Stück und ließ sich von ihm die neue Platine geben. Er paßte sie in die Halteklammern ein, dann zeigte er Bert etwas. Er nahm ein Kabel, an dem eine Steckverbindung zu sehen war und deutete zuerst auf das Kabel selbst, dann auf eine Markierung bei dem Gegenstück der Steckverbindung. „Eid Nebraf dnis schitnedi.“ Ihm fiel gerade etwas auf und deutete zusätzlich auf Berts Pullover.
Bert begriff. „Ah, du meinst, beide sind rot, und gehören deswegen zusammen!“ Er nickte zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
Treb zeigte nun auf einen Pfeil, der auf einer Seite der Steckverbindung angedeutet war und zeigte nach oben.
„Und der Pfeil muß immer nach oben zeigen. Verstanden!“ freute sich Bert.
Treb zeigte auf die Kabel, dann auf Bert, und schon machten sie sich gemeinschaftlich an die Arbeit. Bert steckte die Kabelverbindungen wieder zusammen, und Treb schraubte die Schrauben wieder ein. Zum Schluß kontrollierte Treb noch einmal alles und nickte schließlich zufrieden. Er schaute zu der demolierten Abdeckplatte und wechselte mit Bert einen Blick. Ohne weitere Absprache hoben sie die Platte gemeinsam an, und während Bert sie wieder an ihren Platz drückte, schraubte Treb sie fest. Nicht ganz glücklich betrachtete er das Resultat an der Ecke, die aufgebogen war und somit keinen Schutz für die Platine versprach. Mit einem Hammer versuchte er, nachzuarbeiten, und schaffte es so zumindest, die Platte so weit zurückzubiegen, daß sie die Öffnung notdürftig schloß. Er betrachtete das Werk etwas mißmutig. „Tchin nösch, reba netles!“ kommentierte er, ohne daß er für Bert eine Erklärung lieferte. Dann drehte er sich zu dem grauen Raccoon um. „Os, sad sraw! Ud tsnak tztej chan Esuah netrats!“ Er machte mit einer Hand eine einladende Bewegung, die Bert anzeigte, daß er jetzt starten konnte.
Bert lächelte. „Danke!“ erwiderte er erleichtert. Dann zeigte er in die Richtung, in der Trebs Rakete lag. „Aber was ist jetzt mit deiner Rakete?“ fragte er, während er zuerst auf Treb, und dann auf die Rakete zeigte. „Kann ich dir dabei helfen?“ Er deutete auf sich, dann wieder auf Treb, dann machte er eine Handbewegung, die er gebraucht hatte, um die Abdeckplatte festzuhalten, um Treb zu verdeutlichen, daß er ihm helfen wollte.
Treb verstand ihn sofort und lächelte ebenfalls. „Sad eräw lot!“ Da er vermutete, daß Bert nicht so viel mit der Bemerkung würde anfangen können, gab er ihm einen Wink in die Richtung der anderen Rakete, und die beiden Raccoons liefen gemeinsam los.
Auf dem Rückweg war Bert schon um einiges mutiger geworden. Jetzt, da er den Dreh langsam raushatte, glaubte er fest daran, daß eine Kommunikation mit dem anderen Raccoon möglich war. Treb schien es ähnlich zu gehen, denn er wirkte ebenfalls um einiges entspannter, als noch zu dem Zeitpunkt, als sie sich zuerst begegnet waren.
Bert zeigte, während sie gingen, auf sich und dann auf den Boden. „Ich komme von der Erde!“ Er betonte den Namen seines Heimatplaneten. Dann deutete er auf Treb. „Von welchem Planeten kommst du?“
Treb zeigte in den Himmel. „Chi enhow fua med Netenalp Arret!“ Auch er betonte den Namen seiner Heimat.
„Arret?“ wiederholte Bert.
Treb nickte. Er zeigte zu Boden. „Fua Arret,“ erklärte er verschwörerisch und legte die zusammengepreßten Hände an den Kopf, während er mit den Augen klimperte, „… tbig se eschbüh nechdäm, dnu nie sellot Leips sneman Labesab!“ Er deutete mit den Händen einen imaginären Schlag mit einem Stock an.
Bert lachte. Die Gesten konnte er auch interpretieren, ohne daß er die Sprache verstand. „Ja, so ist es auf der Erde auch!“ sagte er mit einem Nicken.
„Tsah ud enie Nidnuerf?“ wollte Treb wissen und wiederholte, nachdem er auf den Raccoon gezeigt hatte, die Geste, mit der er die Mädchen beschrieben hatte.
Bert überlegte kurz, ob er richtig verstand. „Ob ich eine Freundin habe?“ Er atmete durch. „Ich wünschte es wäre so…“
Diesmal war es keine Geste, sondern der Tonfall, der Treb vermittelte, was Bert ihm gerade für eine Antwort gegeben hatte. Betroffen und etwas schuldbewußt sah er seinen Kameraden an. „Se tut rim diel. Chi etlow chid tchin nereimirped.“ sagte er, während er in einer freundschaftlichen Geste seine Pfote tröstend auf Berts Schulter legte.
„Es ist schon gut.“ erwiderte Bert und lächelte leicht.
Treb lächelte ebenfalls. Gerade kamen sie bei seiner Rakete an, und so wurde ihre Aufmerksamkeit erst einmal auf etwas anderes gelenkt. Wie zuvor schon bei Berts Rakete machten sie sich gemeinsam ans Werk, und Treb zeigte Bert, was er tun sollte. Die Verständigung zwischen den beiden klappte immer besser. Trotz der sprachlichen Differenzen waren sie bald schon ein eingespieltes Team, und so wurden sie schnell mit der Arbeit fertig, und hatten eine Menge Spaß zusammen.
Nach getaner Arbeit knieten sie auf dem Boden und sahen sich gedankenvoll an. Beide signalisierten, daß sie sich noch nicht trennen mochten.
Plötzlich sprang Treb auf und bedeutete Bert mit einer Geste, ihm zu folgen. Als der Raccoon von der Erde seinem Partner von Arret folgte, beobachtete er, wie der in einem Fach an der Rückseite des Cockpits wühlte und sich schließlich zu ihm umdrehte. Der außerirdische Raccoon zeigte Bert euphorisch ein Glas.
Bert sah genauer hin und las auf dem Etikett: »Rettubszundre«. Etwas verunsichert erwiderte er den Blick des anderen. „Okay… Und was ist das?“ Verständnislos hob er die Schultern.
Etwas in seiner Euphorie gebremst erklärte Treb: „Sad tsi sad etseb, saw se fua Arret tbig. Ud tszum se tgnidebnu nereiborp!“ Wie zur Erklärung leckte sich Treb demonstrativ über die Schnauze. Dann öffnete er das Glas, und in dem Moment waren Worte überflüssig, als ein markanter Duft Bert in die Nase stieg, und ein freudiges Jubeln herausforderte. „Erdnußbutter!“
Treb grinste nun auch und sprang mit dem Glas zu Bert auf den Boden. Gemeinsam lehnten sie sich an den Rumpf der Rakete, und Treb gab Bert einen der beiden Löffel, die er mitgebracht hatte. So verbrachten sie gemeinsam eine Weile zusammen auf dem trostlosen Gestirn, arretianische Erdnußbutter genießend und in dem wundervollen Bewußtsein, in der Zeit hier einen neuen Freund gefunden zu haben.
Nachdem sie das Glas geleert hatten, saßen sie noch einen Moment zusammen und sahen in den Himmel. Die Sternenkonstellation hatte sich ein wenig verändert, aber das war nicht der einzige Grund, der ihnen zeigte, daß sich ihre Wege nun würden trennen müssen. Etwas wehmütig wechselten die beiden Raccoons einen Blick.
„Tja, das war’s dann wohl…“ meinte Bert traurig.
Treb schwieg, dann stand er auf und holte etwas anderes aus dem Cockpit seiner Rakete – einen kleinen Block und einen Stift. Er schrieb etwas auf und gab Bert den Zettel. „Nnew ud chim lam nechuseb tsetchöm, nad mok rehreih!“ erklärte er und untermalte seine Worte mit Gesten, mit denen er erst auf Bert, dann auf sich zeigte, abwechselnd auf ihre Augen, dann auf das Papier und schließlich in den Himmel.
Bert sah auf den Zettel, und obwohl er die Sprache nicht lesen konnte, wußte er im Grunde doch, was darauf stand. Zwei Worte konnte er sogar deuten, die seine Vermutung bestätigten. Er schmunzelte, als er in Trebs Handschrift las:
Treb Nooccar
Suahnooccar
Renürgremmi Dlaw
Arret
Er schrieb für Treb auch seine Adresse auf, dann hieß es endgültig Abschied nehmen. Bert reichte Treb die Hand, und der erwiderte die Geste, ein kurzer Augenkontakt reichte jedoch, und ohne jede Absprache nahmen sie sich zum Abschied kameradschaftlich in den Arm. „Scham tug, Bert!“ sagte Treb herzlich.
„Du auch!“ entgegnete Bert herzlich. Er wollte sich schon auf den Weg zu seiner Rakete machen, als Treb rief: „Bert…!“ Der Raccoon von der Erde drehte sich noch einmal mit fragendem Blick um. Treb lächelte und gab ihm ein Glas Rettubszundre. „Rüf chid!“
Bert lächelte verzückt. „Danke!“ Dann winkte er dem anderen Raccoon noch einmal und machte sich auf den Weg zu seiner eigenen Rakete. Auf dem Weg zurück lächelte er versonnen vor sich hin. Nein, man mußte nicht erst eine neue Sprache lernen, um einen neuen Freund zu finden…
Bert ging noch einmal alles durch, was Cedric ihm erklärt hatte und prägte sich im Geiste alles genau ein. Wenn er es zurück zur Erde schaffte, und das müßte ihm eigentlich gelingen, da man die Heimatdaten mit einem einfachen Knopfdruck eingeben konnte, durfte ihm so ein Unglück nicht noch einmal passieren. Es reichte, daß er Cedric seine Rakete beschädigt zurückbrachte. „Tgidäscheb.“ murmelte Bert leise. Das Wort hatte er sich gemerkt. Und vermutlich würde er ausgerechnet dieses auch noch oft in seinem Leben auf der Erde gebrauchen können…
Als er sich einigermaßen sicher war, sich gut vorbereitet zu haben, atmete er durch und startete die Rakete im Rückwärtsgang. Alles verlief sehr gut, und nach einem kurzen Moment hatte er so viel an Höhe gewonnen, daß er nach vorne durchstarten konnte.
Als er den schicksalshaften Himmelskörper verließ, konnte er nicht weit entfernt eine kleine goldene Rakete in die entgegengesetzte Richtung aufbrechen sehen. Er lächelte und winkte seinem neuen Freund im geheimen hinterher, bevor er Kurs auf die Erde nahm und den eigenen Heimweg antrat.
Mit einiger Disziplin gelang es Bert, die Rakete sicher zu landen – zwar nicht in dem Labor, wo sie hingehörte, dafür aber im Vorgarten der Sneers. In dem Anwesen war mittlerweile die helle Aufregung ausgebrochen. Cedric lief aufgewühlt aus dem Haus und auf die Rakete zu, als Bert gerade die Luke öffnete. Der Raccoon hörte, wie Anweisungen geschrieen wurden, und wenig später wurde die Hebebühne neben der Rakete aufgebaut, und Cedric persönlich fuhr auf der Plattform nach oben, um seinen Freund in Empfang zu nehmen.
„Bert, bist du völlig verrückt geworden?“ Die Stimme des Erfinders überschlug sich förmlich in Bestürzung.
Bert lächelte nur milde. „Cedric, du wirst nicht ahnen, was ich erlebt habe!“
„Bert!“ Cedric warf die Arme in die Luft. „Du hättest dich umbringen können! Die Rakete war noch nicht getestet, und du bist kein erfahrener Astronaut! Du hast ja noch nicht einmal Ahnung von Technik! Was, wenn etwas schiefgegangen wäre?“
„Das sage ich dir.“ erwiderte Bert tiefgründig. „In dem Fall braucht man einen guten Freund, der einem hilft!“ Auf Cedrics konsternierten Blick legte Bert den Arm um seinen Kameraden, nahm das Glas mit der außerirdischen Erdnußbutter und den Zettel mit einer intergalaktischen Adresse und meinte nur: „Ich erklär’s dir!“ Und während die beiden Freunde auf der Hebebühne nach unten fuhren und anschließend einen langen Spaziergang durch die Gärten des Sneeranwesens machten, erzählte Bert Cedric von seiner unglaublichen Begegnung, – ohne zu merken, daß er sich jetzt wieder problemlos in seiner eigenen Sprache unterhalten konnte.
An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich der Initiatorin des Wettbewerbs Vintage danken, ohne die diese tolle Geschichte vermutlich nie entstanden wäre! Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, dieses kleine Werk zu schreiben, und den neuen Freund, den auch ich in dieser Geschichte gefunden habe, möchte ich nicht mehr missen. Und vielleicht wird es früher oder später auch noch mehr Geschichten dazu geben. ^^
Ich bin gespannt, ob es Leser gibt, die sich in der Geschichte leichter tun als Bert. ^^
Allgemeiner Hinweis zum Wettbewerb: Ich richte mich grundsätzlich nach alter Rechtschreibung. (Und, ja: Auch hier durchgängig, soweit möglich! ^^)
Und nun wünsche ich allen viel Spaß beim Lesen! ^^
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The Miracle of Friendship
Wenn Bert bei Cedric übernachtete, wurde es immer ein aufregendes Erlebnis, denn der Phantasie des Raccoons und des Aardvarks waren keine Grenzen gesetzt. Insbesondere der des Raccoons, denn Bert schaffte es, sich Welten und Abenteuer so plastisch auszumalen, daß die beiden Freunde anschließend dachten, wirklich dort gewesen zu sein und die Abenteuer erlebt zu haben.
Cedric war ein wenig bodenständiger als sein Freund, und verlor bei ihren Träumereien auch nie ganz die Wirklichkeit aus dem Blick, doch der Aardvark mit der Brille verblüffte dafür auf einem anderen Gebiet. Er war eines der hochbegabten Kinder gewesen, die schon in der Grundschule den ersten Preis im Wissenschaftswettbewerb gewonnen hatten, und die Leidenschaft der Forschung und des Erfindergeistes hatten ihn nie losgelassen. Auf diese Weise verblüffte er seine Freunde eins ums andere Mal, wenn er ihnen eine seiner Erfindungen vorstellte, und so manches Mal wünschte sich Bert, er könne auch so etwas bewerkstelligen wie sein Kamerad.
Ralph hatte es einmal sehr schön auf den Punkt gebracht, als Bert einmal mehr über Cedrics Genialität nachsinniert hatte, und sich wünschte, ein wenig mehr wie er zu sein. „Ihr ergänzt euch doch prima!“ hatte sein Jugendfreund gesagt. „Ihr seid beide kreativ, nur auf unterschiedlichen Gebieten: Cedric ist es mehr in der Realität, und du bist es mehr virtuell. Überleg‘ mal, was ihr zusammen alles erreichen könntet!“
Ja, und Ralph hatte Recht. Das hatte Bert erst da so richtig für sich realisiert. Seitdem war zwar die latente Wehmut nicht ganz verflogen, jedes Mal wenn sein bester Freund ihm stolz eine neue Erfindung präsentierte, aber er fühlte sich nicht mehr so nutzlos dabei, und so belastete es ihn nicht mehr allzu sehr, sondern ließ ihn vielmehr Stolz für seinen Kameraden fühlen.
Als Bert an diesem Abend bei seinem Freund ankam, nahm Cedric ihn mit in die Tiefe unter das Sneeranwesen. „Ich muß dir unbedingt etwas zeigen!“ hatte der junge Aardvark ihm aufgeregt mitgeteilt und ihn zu einer Tür in einem Teil des riesigen Hauses geführt, den Bert bislang noch nicht kannte. Mittlerweile - so dachte er - gab es nicht mehr viele Bereiche, die Cedric ihm noch nicht gezeigt hatte – um so aufgeregter wurde jetzt, als die beiden Freunde in ihm unbekannte Gefilde des großen Hauses vordrangen. Die Tür führte in einen Kellerraum, den der Raccoon noch nie zu sehen bekommen hatte. Es ging eine große Wendeltreppe hinunter, die schon bald dafür sorgte, daß der abenteuerlustige Waschbär die Orientierung verlor. Das sanfte Licht der Laternen, die in regelmäßigen Abständen für Licht sorgten, begleitete sie, bis sich die Wände abrupt zu den Seiten teilten, und sie in einen großen und sehr hohen, runden Raum gelangten, in welchem sie von einem hellen Laborlicht empfangen wurden. Während der rosafarbene Aardvark bereits in die Mitte des Raumes ging, blieb Bert entgeistert im Zugang stehen und schnappte sprachlos nach Luft. Ehrfürchtig sah er an der riesigen Rakete hoch, die das Zentrum des Raumes dominierte und brachte kein Wort mehr heraus.
Cedric drehte sich schmunzelnd zu Bert um. „Na, was ist? Willst du sie dir mal aus der Nähe ansehen?“
Bert riß sich aus seiner Starre, und nachdem er die ersten Eindrücke bewältigt hatte, gewann sein Abenteurergeist wieder die Oberhand. „Na, klar!“ rief er und beeilte sich, hinter seinem Freund herzukommen.
Der Erfinder ging bereits weiter zu einem Schaltpult, das auf einer Plattform montiert war, welche man außen an der Rakete hochfahren lassen konnte. Als Bert sich zu ihm stellte, betätigte der Aardvark einen Schalter, und die beiden Freunde sahen die Rakete in gemäßigter Geschwindigkeit vertikal an sich vorbeiziehen. „Das ist mein neuestes Projekt!“ erklärte er, während der Waschbär nur mit staunend offenstehendem Mund und weit aufgerissenen Augen auf die Rakete vor sich sah. „Ich habe es dir bislang noch nicht gezeigt, weil ich nicht wußte, ob es so funktioniert, wie ich es mir vorstelle. Aber jetzt ist sie praktisch fertig.“
„Fertig? Das heißt, wir könnten einen Testflug machen?“ rief Bert. Der sehnsuchtsvolle Blick des Raccoons bohrte sich förmlich in das Selbst des Wissenschaftlers, als er sich zu seinem Freund umwandte.
Der Aardvark lachte. „Theoretisch schon! Aber ich will sie vorher noch einmal von Grund auf durchchecken, damit ich weiß, daß alles in Ordnung ist, und nichts schiefgehen kann.“
„Ich will dabei sein, Cedric! Bitte sag‘ mir sofort Bescheid, wenn du losfliegst, ich will unbedingt bei dem Testflug dabei sein!“ flehte Bert.
„Keine Sorge!“ beruhigte sein Freund ihn. „Du bist der erste, der sie ausprobieren darf. Deswegen zeige ich sie dir ja!“ Sie waren bei der oberen Luke angekommen, die offenbar in die Steuerkabine der Rakete führte, und Cedric betätigte einen Schalter, der das Schott aufgleiten ließ.
Der Raccoon in dem roten Pullover folgte ihm mit vor Aufregung rasendem Puls in die kleine Kabine. Vor einem kompliziert anmutenden Schaltpult, über dem ein großer Bildschirm installiert war, standen zwei bequem aussehende, drehbare Sessel, die fest auf den Boden montiert waren.
„Die Kabine ist so angelegt, daß sie sich drehen kann.“ erklärte Cedric. „Dadurch paßt sie sich immer der Gravitation an. Wenn du außerhalb der Reichweite eines Gravitationsfeldes bis, aktiviert sich das raketeneigene Gravitationsfeld. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, daß du immer den Boden unter den Füßen hast.“
„Faszinierend…“ brachte Bert überwältigt heraus, und nahm auf eine Geste seines Freundes hin auf einem der Sessel Platz.
Stolz begann Cedric, ihm die einzelnen Funktionen zu erläutern. Bert folgte den Erklärungen interessiert und stellte fest, daß das Schaltpult doch gar nicht so kompliziert war, wie es zu Beginn ausgesehen hatte. Man mußte nur wissen, wozu die Schalter und Knöpfe, Hebel und Leuchten gut waren. „Und bevor man startet, muß man auf diesen Knopf drücken!“ schloß Cedric seine kleine Exkursion. „Damit wird nämlich die große Kuppel über uns geöffnet!“
Die Freunde sahen sich an und wechselten ein Schmunzeln.
Cedric sah zur Uhr. „Es ist schon spät. Ich würde sagen, laß uns jetzt schlafen gehen. Wir können uns morgen eventuell noch mal genauere Details ansehen.“ Damit besiegelte der Erfinder das Ende des Rundgangs und ging wieder hinaus auf die Plattform der Hebebühne. Bert folgte ihm wehmütig, und als sie schließlich den großen Raum verließen, warf er der Rakete einen sehnsüchtigen Blick nach, bis sie schließlich die Wendeltreppe wieder emporstiegen, um sich in Cedrics Zimmer zur Nacht fertigzumachen.
Während Cedric bereits schlief, lag Bert noch wach und konnte nicht schlafen. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah an die von schwachem Mondlicht erhellte Zimmerdecke. Seit Cedric ihm die Rakete gezeigt hatte, meldete sich sein latent immer vorhandenes Fernweh mit einer solchen Wucht zu Wort, daß es fast schmerzte. Er konnte einfach nicht abwarten, bis Cedric irgendwann fertig war, er mußte jetzt zu den Sternen aufbrechen! Aber Cedric hatte gesagt, daß er die Rakete noch einigen Tests unterziehen wollte…
‚Keine Sorge! Du bist der erste, der sie ausprobieren darf. Deswegen zeige ich sie dir ja!‘ Die Worte seines Freundes hallten in seinem Bewußtsein nach und schoben sich wieder in den Vordergrund. Cedric hatte nicht gesagt, daß er ihn als erster »begleiten« durfte, er hatte gesagt, er durfte die Rakete als erster »ausprobieren«. Okay, er war sich sicher, es war von dem Aardvark nur unglücklich ausgedrückt - insbesondere wenn man bedachte, daß Cedric seinen Freund bestens kannte - doch wörtlich genommen war das eine Einladung, der Bert nicht widerstehen konnte. Und Cedric hatte gesagt, die Rakete sei fertig! Warum also sollte er es nicht gleich tun?
Er richtete sich auf und sah zu seinem schlafenden Kumpel herüber. Kurz haderte er noch mit sich, dann stand er auf und schlich aus dem Zimmer. Während er versuchte, sich auf dem dunklen Gang zu orientieren und sich bemühte, den Weg zu der Tür in das kleine Forschungszentrum der Sneervilla zurückzufinden, beschlichen ihn leise Zweifel, ob es richtig war, was er tat. Als er jedoch vor der Tür stand, war die Neugierde größer, und so schaute er schnell nach links und rechts, um sich zu vergewissern, daß ihn keiner bemerkte, dann huschte er in den Wendelgang und lief die Stufen so schnell es ging hinab.
Durch die große Kuppel fiel Sternenlicht und Mondschein und tauchte alles in ein unwirkliches Licht. Andächtig blieb der Raccoon vor der gewaltigen, silbrig schimmernden Rakete stehen. ‚Ich kann nicht glauben, daß ich gleich wirklich in einer riesigen Rakete zu den Sternen fliegen werde…‘ Er schluckte kurz, angesichts seines Vorhabens, dann rief er sich alles in Erinnerung, was Cedric ihm am frühen Abend gezeigt hatte. Er fuhr auf der Hebebühne bis ganz nach oben zu der Einstiegsluke, betätigte den Schalter, der die Tür öffnete und huschte in die Kabine. Die Tür schloß sich genauso lautlos, wie sie sich geöffnet hatte, und der Raccoon sah sich schnell im Cockpit um, um sich alle Funktionen in Erinnerung zu rufen.
Nachdem er die Liste im Geiste durchgegangen war, hielt er noch einmal inne und sah gedankenverloren vor sich. Es war eine Sache, sich das Abenteuer groß auszumalen; aber eine andere, das nun wirklich durchzuziehen. Auf dem großen Monitor vor sich starrte ihm sein schemenhaftes Spiegelbild entgegen; das gelbe »B« auf seinem roten Pullover, spiegelverkehrt gedreht, stach etwas hervor und hatte etwas mit dem Leuchten der Sterne gemeinsam. Ob es dieser Gedanke war, der die Zweifel des Raccoons endgültig wegwischte, vermochte er nicht zu sagen, doch an die Stelle der Unsicherheit trat nun seine alte Entschlossenheit, und er betätigte den großen Knopf, der das Kuppeldach dazu brachte, sich zu öffnen.
Glücklicherweise ging auch das sehr lautlos vonstatten. Bert war sich dennoch nicht sicher, ob der Start selber ebenfalls so unbemerkt bleiben würde. Doch das nahm er jetzt in Kauf. Wenn er jetzt den Starthebel betätigte, würde ihn ohnehin niemand mehr aufhalten können! Den Entschluß gefaßt schaltete er das Bedienfeld ein, so wie Cedric es ihm gezeigt hatte, und zog den Starthebel herunter.
Ein Rumoren ging durch die Rakete, und einen Augenblick später wurde Bert in seinen Sessel gedrückt, von dem er erst jetzt registrierte, warum er seine eigentümliche Form hatte, denn er paßte sich seinem Körper genau an, so daß die Wucht des Starts abgefedert wurde.
Auf dem Monitor zog der dunkle Nachthimmel in Schemen vorbei, bis die Rakete aus der Erdatmosphäre in den Weltraum übertrat. Sterne rauschten an Bert vorbei, und die anfängliche Panik ging in den Rausch des Abenteuers über. Er war im Weltraum, wirklich und tatsächlich. Dies war keine seiner Phantasien, dies war eine unwiderlegbare Reise zu den Sternen!
Der Rausch der Sterne hielt genau so lange an, bis sich auf dem Monitor ein Himmelskörper direkt in der Flugbahn der Rakete zeigte.
Bert schnappte nach Luft und versuchte sich zu erinnern, wie er die Rakete lenken konnte, doch von einem Augenblick zum anderen war sein Gehirn von der Panik wie leergefegt, und er erinnerte sich nicht einmal mehr an die grundlegendsten Funktionen, die Cedric ihm gezeigt hatte. Nur ein Impuls war wie automatisiert in seinem Kopf auf »ausführen« geschaltet; und so setzte er all seine Kraft in einen einzigen, scharfen Bremsvorgang.
Die Rakete trat gerade in die Atmosphäre des großen Himmelskörpers ein, der so etwas wie ein Mond sein mochte. Bert vermochte den Aufprall nicht mehr zu verhindern – allein eines bewirkte er durch den Bremsvorgang; daß die Rakete nicht allzu hart auf dem Boden aufschlug. Die spitze Schnauze der Rakete bohrte sich in den Boden, und Bert beglückwünschte seinen Freund dazu, daß er die Kabine so gebaut hatte, daß sie sich immer waagerecht mit dem Boden nach unten ausrichtete; andernfalls hätte er spätestens jetzt den Fußboden über sich gehabt.
Benommen rappelte sich der Raccoon mit dem grauen Fell vom Boden auf. Dann sah er sich verzagt um. In dem Schaltpult zischte es alarmierend, als hätte es einen Kurzschluß gegeben, und die Schieflage, in der sich die Rakete laut der Anzeige auf dem Monitor befinden mußte, verhieß auch nichts Gutes. In was für einen Schlamassel hatte er sich da nur wieder reinmanövriert…?
Er zog sich am Schaltpult hoch und aktivierte die Außenkameras. Zumindest gaben diese eine Ansicht der Umgebung wieder. Es sah trostlos aus, genau, wie man sich eine Mondlandschaft eben vorstellte: Öde, verwaist, im Umkreis von einigen Kilometern kein Zeichen von Leben, geschweige denn Aussicht auf Proviant oder Wasser. „Na, herzlichen Glückwunsch.“ kommentierte Bert und mochte noch gar nicht daran denken, daß er ja keine Ahnung hatte, wie man eine solche Rakete reparierte. Er blendete das Anzeigefenster auf dem Monitor ein, auf dem die wichtigsten Daten über die Umgebung angegeben wurden und atmete durch. Zumindest gab es hier eine Atmosphäre, in der ein Lebewesen von seiner Sorte überleben konnte. Ob das nun Segen oder Fluch war, würde sich zeigen müssen…
Bert war bereits eine knappe Stunde gewandert, auf der Suche nach irgend etwas, das ihm auf diesem trostlosen Himmelskörper Hoffnung verlieh. Doch bislang hatte er nichts entdeckt, außer trister, staubiger Einöde. Er achtete darauf, in einem Radius zu bleiben, von dem aus er seine Rakete immer im Blick behielt. Er war sich sicher, hatte er sie einmal aus den Augen verloren, würde er nicht mehr zu ihr zurückfinden. Er schaute rechts und links, wandte den Blick zu Boden und in den Himmel und sah immer wieder zurück, doch es war, als wäre es egal, in welche Richtung er sah, das Bild änderte sich nicht. Einen Augenblick blieb er stehen und sah zu den Sternen hinauf, die hier in ganz unbekannten Konstellationen zu ihm herunterstrahlten, und er fragte sich, ob einer davon wohl die Erde sein mochte. Er seufzte tief und setzte seinen Weg fort. Sein Blick haftete verzagt am Boden. Dieser Planet - oder was auch immer dies für ein Himmelskörper war - würde wohl in den nächsten Tagen zu seinem Grab werden…
Er sah sich zu seiner rechten um, um sicherzugehen, die Rakete nicht aus den Augen zu verlieren und stellte beruhigt fest, daß sie noch in Sichtweite war. Als er den Blick daraufhin automatisch zur anderen Seite wandte, ohne etwas Spektakuläres zu erwarten, stutzte er allerdings, und kurz darauf stockte ihm der Atem. Dort, nicht weiter entfernt als seine eigene Rakete, offenbarte sich ihm noch eine, und sie schien ebenfalls Schaden genommen zu haben… Die Form war seiner eigenen Rakete nicht ganz unähnlich, doch schimmerte diese in einem sternengoldenen Ton. Er gönnte sich nur einen Moment der Überraschung, dann lief er zu der fremden Rakete herüber, die auf dem Rücken lag, als wäre dem Piloten gerade noch eine Notlandung gelungen.
Als er näher kam, hörte er bereits ein Fluchen, allerdings offenkundig in einer fremden Sprache, die er nicht kannte. Er ging ein Stück um die Rakete herum, bis er zu einer geöffneten Einstiegsluke kam, an der nun provisorisch eine Leiter gelehnt war. „Hallo?“ machte er sich bemerkbar.
Von der anderen Seite kam daraufhin jemand um die Rakete herum, um nach dem unvermittelten Gast zu sehen. Deutliches Erstaunen spiegelte sich in dem Blick des anderen Gestrandeten, der sicher nicht mit einem anderen Besucher auf diesem verlassenen Eckchen des Universums gerechnet hätte.
Bert hielt verblüfft inne, als er den anderen Piloten sah. Vor sich sah er einen weiteren Waschbären, ungefähr von seiner Größe, doch er hatte grünes Fell. Auf seinem buschigen Schwanz wechselten sich in den markanten Streifen ein dunkles Flaschengrün mit einem hellen Moosgrün ab, und um die dunkelgrüne Maske, die das Gesicht des Raccoons zeichnete, stand das Fell etwas zerzaust in einem mittleren grün ab. Er trug sogar einen grünen Pullover, der vom Schnitt her seinem sehr ähnelte, und auf dem ein violettes »T« prangte. Bert schnappte innerlich nach Luft. War das vor ihm tatsächlich ein außerirdischer Raccoon; möglicherweise sogar vom Planeten Mars?
Beide Piloten mußten erst einmal ihrer Überraschung Herr werden, als sie einander gegenüberstanden, dann besann sich der andere Astronaut und fragte: „Rew tsib ud?“
Bert sah ihn groß an. „Es tut mir leid, ich verstehe dich nicht!“ erklärte er, und registrierte erst dann, wie unsinnig diese Mitteilung war, da sein Gegenüber ihn vermutlich genausowenig verstehen würde. Dies bestätigte sich auch in dem ratlosen Blick, den er von dem anderen zugeworfen bekam. Der Raccoon von der Erde schaltete um und zeigte auf sich. „Ich heiße Bert!“ sagte er langsam. Dann zeigte er auf seinen Gesprächspartner: „Wie heißt du?“
Der grüne Raccoon überlegte kurz und versuchte, aus dem Gesagten schlau zu werden. Dann deutete er auf sich und sagte: „Treb!“
Bert kniff leicht die Augen zusammen. „Ist das den Name?“ Er sah auf das »T« auf dem Pullover des anderen und kombinierte. „Ja, das wird es sein. Treb!“
Treb lächelte. Er zeigte auf seine Rakete. „Chi etszum nednalton. Eniem Etekar tsi tgidäscheb!“
Bert fuchtelte mit den Händen. „Warte, das ist viel zu schnell! Ich habe kein Wort verstanden!“
Treb sah ihn überfordert an. Er schaute etwas frustriert. Dann deutete er noch mal auf seine Flugmaschine. „Etekar! Tgidäscheb!“
Bert machte eine hilflose Geste.
Der andere Raccoon stöhnte unverhohlen auf und ließ Bert einfach stehen, um sich wieder an die Reparatur seiner Maschine zu machen.
„Hey, warte…“ Schnell lief Bert ihm nach. Auch wenn die Verständigung zwischen den beiden deutlich hakte; der grüne Raccoon war der einzige weit und breit, der dem Raccoon von der Erde so etwas wie Zivilisation vermittelte.
Treb hatte sich bereits wieder an die Arbeit gemacht und werkelte an dem Inneren seiner Rakete.
„Deine Rakete ist also auch abgestürzt…“ stellte Bert fest.
„Tsedrüw ud chim tztej ettib netiebra nessal? Chi ethcöm neseid netmadrevtog Tro os dlab eiw chilgöm nessalrev!“ grummelte Treb ohne sich auch nur zu ihm umzudrehen.
Bert warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Hatte der andere Raccoon ihm gerade etwas erklärt, ihn beleidigt oder ihn verspottet? Nein, letztes sicher nicht, denn dafür hätte der außerirdische Raccoon verstehen müssen, was er gesagt hatte, und das glaubte er nach den jüngsten Erfahrungen nicht. Er kniete sich zu Treb und schaute ihm auf die Finger. Der andere Raccoon arbeitete sehr zielstrebig an den Verkabelungen. Offenbar wußte er genau, was er tat; etwas, was Bert in gleicher Situation nicht von sich hätte behaupten können. „Ähm, Treb…“ begann er kleinlaut. „Ich könnte deine Hilfe gebrauchen…“
Es mußte Berts Tonfall gewesen sein, der den grünen Waschbären in seiner Arbeit innehalten ließ. Treb richtete sich auf und sah in das verlegene und hilfesuchende Gesicht seines unbeabsichtigten Kameraden. Nachdenklich sah er Bert an. „Chon lam masgnal ettib!“
Bert biß die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl, als würden sie keinen Schritt weiterkommen. Er versuchte es, indem er seine Worte mit Gesten untermalte. „Meine…“ Hier deutete er auf sich, dann zeigte er auf Trebs Weltraumflugmaschine. „… Rakete… ist abgestürzt!“ Mit der rechten Hand zeigte er einen Sturzflug an, der auf seiner linken Handfläche endete, welche die Planetenoberfläche darstellen sollte. Wieder deutete er auf sich. „Ich…“ Dann zeigte er auf die Schaltungen, an denen Treb arbeitete und schüttelte den Kopf. „… kann sie nicht reparieren!“
In Trebs Miene spiegelte sich Verwirrung. „Enied Etekar tah eniek Negnutlasch?“
Bert hielt kurz inne und dachte einen Augenblick in ihrer Konversation zurück. Ein Wort in Trebs Satz hatte er tatsächlich verstanden! Aber es brachte ihn nicht weiter… „Meine Rakete…“ Er zeigte erst wieder auf sich, dann auf Trebs Rakete. „… ist kaputt!“ Er scherte die Hände auseinander in der Hoffnung, daß zumindest die Zeichensprache auf Trebs Planeten so funktionierte wie bei ihm.
Treb nickte. „Enied Etekar tsi tgidäscheb. Sad ebah chi neffirgeb!“
Bert hielt mit einer Geste ein. Ein Wort hatte sich schon wieder wiederholt. „T…däscheb?“
„Tgidäscheb!“ Treb wiederholte Berts Geste und scherte die Hände auseinander.
„Ja!“ freute sich Bert. „Genau!“ Dann machte er eine hilflose Geste und sah Treb verzweifelt an. „Ich weiß nicht, wie man sie repariert.“
Treb überlegte, und schien dann zu kombinieren. „Tschuarb ud Eflih?“ Als Bert ihn hilflos ansah, atmete der grüne Raccoon durch und fragte langsam, während er mit Gesten untermalte: „Los chi…“ Hier deutete er auf sich, dann zuerst auf Bert und gleich darauf auf seine Rakete: „… eis rim lam nehesna?“ Beim letzten Wort zeigte er auf seine Augen.
Bert kombinierte schnell. „Du willst sie dir ansehen? Das wäre klasse!“ Er zeigte ein strahlendes Lächeln.
Anscheinend reichte das weit mehr als Antwort als seine Worte, denn Treb stand auf und packte seinen Werkzeugkoffer zusammen. „Ow tgeil enied Etekar?“ erkundigte er sich.
Bert grübelte. Treb wollte irgend etwas über seine Rakete wissen, so viel hatte er verstanden, aber was?
Treb merkte etwas angespannt, daß Bert einmal wieder kein Wort verstanden hatte und machte eine umfassende Geste, mit der er die Umgebung einschloß und sah ihn fragend an.
„Ah, du willst wissen, wo sie ist!“ kombinierte Bert. Er atmete ein wenig erleichtert durch, gab Treb einen Wink und ging voraus. Der fremde Astronaut folgte dem grauen Raccoon durch die steinige Wüste. Nach einigen Metern konnten sie in der Ferne Berts Rakete - oder vielmehr war es ja eigentlich Cedrics Rakete - ausmachen. Sie gingen ein ganzes Stück schweigend. Was hätten sie auch schon groß für eine Konversation anfangen können? Sie konnten die Sprache des anderen ja ohnehin nicht verstehen. Irgendwann hielt Bert es nicht mehr aus und fragte: „Du kennst dich sehr gut mit Raketen aus, oder?“
Treb sah ihn mit einem Blick an, in dem man sich die Fragezeichen spiegeln sehen konnte.
Bert atmete verzagt durch und sah vor sich auf den Boden. „Ach, vergiß es.“
Treb musterte ihn von der Seite und schmunzelte plötzlich leicht. „Chiltnegie tsib ud nie znag retten lrek.“
Bert sah ihn nachdenklich an. Zwar hatte er kein Wort verstanden, aber es klang zumindest freundlich, was der andere Raccoon ihm gesagt hatte.
„Ud tsah eniek Gnunha nov Netekar, redo?“ stellte Treb fest. Er ignorierte Berts überforderten Blick und sinnierte: „Uaneg eiw niem Lepmuk Cirdec!“ Er warf Bert einen kurzen Seitenblick zu, als er erklärte: „Cirdec tsi nie Remuärt, reba niek Rekinchet. Ud tsrennire chim nie ginew na nhi.“
Bert mußte gegen seinen Willen schmunzeln. Obwohl er nicht einmal annähernd den Sinn von Trebs Worten erfassen konnte, hörte sich die fremde Sprache lustig, faszinierend und auf geheimnisvolle Weise wunderschön an. Er hoffte inständig, daß Treb sich nicht gerade auf seine Kosten lustig machte, ohne daß er es bemerkte.
Gerade kamen sie bei der Rakete an, und Bert zeigte Treb das Dilemma, was sich darin ausdrückte, daß er bei dem riesigen Geschoß stehenblieb und hilflos die Arme hob.
„Szal lam nehes…!“ sagte Treb mehr zu sich selbst und ging prüfend um die Rakete herum. In seinem Blick spiegelte sich Anerkennung. „Sad tsi enie rhes enösch Tiebra!“ sagte er, während er mit der Hand über den Rumpf fuhr.
Bert wußte zwar nicht, was der grüne Raccoon gerade gesagt hatte, trotzdem meinte er erklärend: „Mein Freund Cedric hat sie gebaut. Er ist ein Genie. Ich weiß, ich hätte sie nicht nehmen dürfen. Er wollte sie noch testen, bevor wir sie zum ersten Mal ausprobieren.“
Treb ging unter dem schräg aufragenden Rumpf durch auf die andere Seite und kletterte in das Innere der Kabine. Bert folgte ihm und blieb im Eingang stehen, während Treb sich genau umsah, mit den Fingern über die Armaturen strich und die Innenausstattung bestaunte. Der außerirdische Raccoon sah ihn fragend an. „Tbig se novad chon rhem fua menied Netenalp? Eniem tsi nie Pytotorp!“ Schon während er sprach, wurde ihm bewußt, daß Bert seine Frage gar nicht verstehen würde und schaltete einen gedanklichen Gang runter, zeigte in die Richtung, in der seine Rakete lag, und dann zeigte er mit den Fingern »eine« an. Dann deutete er auf Berts Rakete und sah ihn fragend an.
„Du willst wissen, wie viele es davon gibt?“ schlußfolgerte Bert. Er lächelte und zeigte ebenfalls »eine« mit den Fingern an.
Die beiden Raccoons grinsten. Dann wurde Treb jedoch wieder ernst. „Szal snu negnafna!“ Damit sah er sich das System im Cockpit an und begann, das Schaltpult auseinanderzubauen.
Bert sah sich das Geschehen mit ein wenig gemischten Gefühlen an. ‚Hoffentlich weiß er auch, was er tut…‘ schoß es ihm durch den Sinn. Würde er mit der ihm fremden Technik überhaupt zurechtkommen?
Treb sah sich das Gewirr aus Schaltungen und Kabeln genau an, drehte sich dann aber mit fragendem Blick zu Bert um. „Tbig se gilläfuz Enälptlasch rüf enied Etekar?“
Bert hob die Schultern und schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, daß er Treb nicht verstanden hatte, ohne zu wissen, daß er im gleichen Atemzuge auch dessen Frage damit präzise beantwortet hatte.
Der grüne Raccoon seufzte tief und verdrehte leicht die Augen. „An, Chi edrew sad nosch neffasch!“ Damit krabbelte er halb in das Schaltpult, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Bert langweilte sich. Er konnte nicht effektiv helfen - er konnte ja nicht einmal Anweisungen entgegennehmen - und er konnte nicht einschätzen, wie lange Treb brauchen würde, geschweige denn, ob der andere Raccoon ihm überhaupt würde helfen können. Er konnte ja nicht einmal das Ausmaß der Beschädigungen beurteilen, und immerhin konnte es gut möglich sein, daß sich die Technologie seines Planeten grundlegend von der Technologie von Trebs Heimatwelt unterschied. Er beschloß, Treb arbeiten zu lassen und sprang zurück auf den Boden. Gedankenverloren ging er ein Stück. Was für eine seltsame Fügung des Schicksals, daß er hier ausgerechnet zu dieser Zeit mit dem anderen Raccoon zusammengeführt worden war.
Während er in Gedanken versunken ziellos nahe der Rakete umherwanderte, dachte er darüber nach, was er in dieser kurzen Zeit alles über Treb gelernt hatte. Der andere Raccoon schien sich gut mit Technik auszukennen, gut genug zumindest, um eine Rakete zu reparieren. Damit war er ihm schon mal deutlich im Vorteil. Daraus ließ sich schließen, daß seine Rakete eine Fehlfunktion gehabt haben mußte, denn sicher wäre Treb nicht so wie er nur aus reinem Ungeschick auf diesem Gestirn aufgeschlagen. Das zeigte sich vor allem daran, daß Trebs Rakete nicht mit der Schnauze voran auf dem Planeten gelandet war, so wie seine. Außerdem war Treb ein freundlicher, hilfsbereiter und sympathischer Raccoon, mit dem man bestimmt eine Menge Spaß haben konnte. Wenn man ihn nur verstehen würde… Bert atmete durch und sah frustriert in den Himmel. Wie gerne wäre er Trebs Freund geworden. Doch war das überhaupt möglich, unter den Umständen?
Er sah sich zu seiner Rakete um und versank in andere Gedanken. Würde Treb es schaffen, Cedrics Rakete zu reparieren? ‚Was mache ich, wenn es ihm nicht gelingt?‘ fuhr es ihm durch den Sinn. ‚Wenn er mit der Technologie nicht klarkommt, oder der Schaden zu groß ist?‘ Ein ungutes Gefühl stellte sich in seiner Magengegend ein. Würde er dann auf diesem Planeten, Asteroiden, Mond oder Irgendwas festsitzen, bis er einen einsamen, grauenvollen Tod starb? ‚Ob Treb mich wohl in dem Fall mit auf seinen Planeten nehmen würde?‘ dachte Bert bei sich. In Gedanken malte er es sich lustig aus, auf einem Planeten zu landen, wo alle so sprachen wie sein neuer Kamerad. Im nächsten Moment dachte er daran, wie anstrengend es werden würde, wenn er niemanden verstand. Aber andererseits könnte er dann die Sprache ja auch lernen, und vielleicht könnten sie dann doch noch Freunde werden!
Eine Weile ließ er sich in den Gedanken fallen, dann ging er langsam zur Rakete zurück. Vielleicht konnte Treb ihn auch einfach nur auf der Erde absetzen, wenn er seine eigene Rakete wieder flotthatte und sich auf den Rückweg zu seinem Planeten machte.
Als er zurück in die Kabine kam, arbeitete Treb noch immer im Inneren des Schaltpultes. Einen Augenblick später schob sich der außerirdische Raccoon wieder daraus hervor und sah Bert an. „Os, eid Negnudnibrev neheg redeiw. Chi etszum nie nechszib nereisivorpmi, osla ies ettib gitchisrov!“ Er sah in Berts ausdruckslosen Blick und schüttelte kurz den Kopf, als er sich daran erinnerte, daß er es anders angehen mußte. Er überlegte kurz, wie er Bert verständlich machen konnte, was er von ihm wollte. Er zeigte auf das Innenleben und hob einen Daumen. Anschließend streckte er die Hand aus und wackelte leicht damit, um anzuzeigen, daß etwas nur vage war. Daraufhin deutete er erst auf Bert, und spreizte dann die Finger an den Händen und senkte sie in einer sachten Geste.
Bert beobachtete die Gesten seines Gastes aufmerksam und hoffte, daß seine Interpretationen mit den Bedeutungen, die der grüne Raccoon meinte, übereinstimmten. Er nickte.
„Rhes tug! Dnu tztej nehes riw snu ned nereszuä Nedasch na.“ Damit stand er auf, schloß die Abdeckung des Pultes wieder und sprang aus der Luke zu Boden.
Bert folgte ihm zu der Schnauze der Rakete, die sich ein Stück in den Boden gebohrt hatte. Der Aufprall hatte einiges an Schaden an der Karosserie verursacht, und dabei auch einige Relais, die in der Spitze verbaut worden waren, in Mitleidenschaft gezogen. Man konnte es unter der leicht aufgebogenen Platte sehen, die ein aufgedrucktes Symbol enthielt, als Hinweis darauf, daß sich darunter eine Relaisschaltung verbarg.
Treb sah sich den Schaden nachdenklich an. Dann kniete er sich hin und durchsuchte sein Werkzeug. Als er ein passendes gefunden hatte, begann er, die Abdeckplatte zu lösen.
Bert beobachtete ihn fasziniert, fühlte sich aber wieder so nutzlos dabei, daß er nichts mit sich anzufangen wußte.
In dem Moment winkte Treb ihn zu sich. „Mok lam reh!“
Verunsichert ging Bert zu ihm herüber.
Treb deutete auf die etwas eingedrückte Verkleidungsplatte, von welcher er gerade die Schrauben löste. Dann machte er mit den Händen eine kippende Bewegung, zeigte auf Bert, und dann an die Seite der Raketenschnauze.
Bert schnappte nach Luft, als er verstand. Treb wollte, daß er ihm die Verkleidung abnahm und beiseite stellte! Er nickte eifrig, froh, endlich etwas Effektives tun zu können.
Treb bedeutete Bert, mit den Händen gegen die Platte zu halten, während er die Schrauben löste. Der graue Raccoon kam der Aufforderung sofort nach, und Treb fuhr in seiner Arbeit fort. Sorgsam legte er die Schrauben in ein Fach seines Werkzeugkoffers, dann kippten sie gemeinsam die Verkleidung zurück, und Bert nahm sie sofort an sich, um sie an den Teil des Rumpfes zu stellen, der in den Boden hineinragte.
Treb sah sich derweil bereits die Platine hinter der Abdeckplatte an. Bert gesellte sich neugierig wieder zu ihm und bemerkte staunend, was alles unter den schweren Metallplatten verbaut war. Sein neuer Kamerad ging testend mit den Fingern über die Platine und kontrollierte einige Kabel und Steckverbindungen. Er sah etwas besorgt aus. „Yako, sad theis tchin os tug sua…“ murmelte er mehr für sich.
Bert sah ihn verhalten an. „Was heißt das? War das jetzt etwas Positives?“
Treb mußte die latente Sorge in Berts Worten bemerkt haben, denn er atmete leicht durch, bevor er sich zu dem Erdenraccoon umwandte, und ihn etwas ratlos ansah. Er zeigte auf das Element, das er sich gerade angesehen hatte und erklärte langsam: „Eid Enitalp tsi tgidäscheb.“ Er schloß seine Worte mit der bereits bekannten Geste, die andeutete, daß etwas kaputt war.
Bert, der das letzte Wort deutlich verstanden hatte, fuhr entsetzt zusammen. „Sag doch sowas nicht!“
Treb deutete auf das defekte Element und ließ die Finger umeinander kreisen. „Eis szum tschuategsua nedrew.“ Er sah Bert ernst an. „Tbig se ni red Etekar enie Enitalpztasre?“ fragte er, während er zuerst in das Innere der Rakete deutete, dann auf die Platine und anschließend mit den Fingern die Zahl Zwei anzeigte.
Diesmal hatte Bert ihn genau verstanden, trotzdem hob er die Schultern, um zu signalisieren, daß er es nicht wußte.
Treb verzog verstehend den Mund. Er versank in Gedanken und sprach mehr zu sich: „Eseid Enitalp tsi gitchiw…“ Er sah Bert fragend an und deutete erst auf sich, dann auf die Kabine der Rakete und zum Schluß auf seine Augen, während er fragte: „Frad chi chim nennird lam nehesmu?“
Bert nickte. „Ja, gerne!“ Er registrierte nicht einmal, wie gut er Treb mittlerweile verstand, obwohl sie noch immer nicht die Sprache des anderen verstanden.
Treb ging zurück und verschwand im Inneren der Kabine, während Bert sorgenvoll auf dem Boden zurückblieb. Vielleicht wurde es ja tatsächlich eine der beiden Varianten, die er sich vorhin ausgemalt hatte, in denen Treb ihn entweder bis zur Erde, oder sogar zu seinem Planeten mitnahm… Aus der Kabine tönten mittlerweile verschiedene Geräusche, die Bert nicht zuordnen konnte, und so folgte er dem anderen doch und zog er sich neugierig auf den Boden des Cockpits hoch. Treb durchwühlte gerade einige Schubladen, die an der Rückwand der Kabine eingelassen waren, und hielt nach kurzer Suche freudig inne. „Rhes tug!“
„Hast du etwas gefunden?“ fragte Bert hoffnungsvoll, so daß der andere Raccoon unvermittelt zusammenzuckte.
Treb drehte sich mit einem Lächeln zu Bert um und zeigte die Platine, die er gefunden hatte. „Eid etlos nessap. Riw nessüm eis run nleschewsua!“ Er kreiste den Finger, um Bert zu signalisieren, daß sie das Element würden austauschen müssen.
Bert atmete erleichtert durch, und schon machten sich die beiden zusammen auf den Weg zurück zu dem defekten Element.
Treb begann nun, die alte, beschädigte Platine auszubauen. Es mußten Steckverbindungen gelöst, Schrauben entfernt und Klammern losgemacht werden, dann gab der Techniker Bert das alte Stück und ließ sich von ihm die neue Platine geben. Er paßte sie in die Halteklammern ein, dann zeigte er Bert etwas. Er nahm ein Kabel, an dem eine Steckverbindung zu sehen war und deutete zuerst auf das Kabel selbst, dann auf eine Markierung bei dem Gegenstück der Steckverbindung. „Eid Nebraf dnis schitnedi.“ Ihm fiel gerade etwas auf und deutete zusätzlich auf Berts Pullover.
Bert begriff. „Ah, du meinst, beide sind rot, und gehören deswegen zusammen!“ Er nickte zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
Treb zeigte nun auf einen Pfeil, der auf einer Seite der Steckverbindung angedeutet war und zeigte nach oben.
„Und der Pfeil muß immer nach oben zeigen. Verstanden!“ freute sich Bert.
Treb zeigte auf die Kabel, dann auf Bert, und schon machten sie sich gemeinschaftlich an die Arbeit. Bert steckte die Kabelverbindungen wieder zusammen, und Treb schraubte die Schrauben wieder ein. Zum Schluß kontrollierte Treb noch einmal alles und nickte schließlich zufrieden. Er schaute zu der demolierten Abdeckplatte und wechselte mit Bert einen Blick. Ohne weitere Absprache hoben sie die Platte gemeinsam an, und während Bert sie wieder an ihren Platz drückte, schraubte Treb sie fest. Nicht ganz glücklich betrachtete er das Resultat an der Ecke, die aufgebogen war und somit keinen Schutz für die Platine versprach. Mit einem Hammer versuchte er, nachzuarbeiten, und schaffte es so zumindest, die Platte so weit zurückzubiegen, daß sie die Öffnung notdürftig schloß. Er betrachtete das Werk etwas mißmutig. „Tchin nösch, reba netles!“ kommentierte er, ohne daß er für Bert eine Erklärung lieferte. Dann drehte er sich zu dem grauen Raccoon um. „Os, sad sraw! Ud tsnak tztej chan Esuah netrats!“ Er machte mit einer Hand eine einladende Bewegung, die Bert anzeigte, daß er jetzt starten konnte.
Bert lächelte. „Danke!“ erwiderte er erleichtert. Dann zeigte er in die Richtung, in der Trebs Rakete lag. „Aber was ist jetzt mit deiner Rakete?“ fragte er, während er zuerst auf Treb, und dann auf die Rakete zeigte. „Kann ich dir dabei helfen?“ Er deutete auf sich, dann wieder auf Treb, dann machte er eine Handbewegung, die er gebraucht hatte, um die Abdeckplatte festzuhalten, um Treb zu verdeutlichen, daß er ihm helfen wollte.
Treb verstand ihn sofort und lächelte ebenfalls. „Sad eräw lot!“ Da er vermutete, daß Bert nicht so viel mit der Bemerkung würde anfangen können, gab er ihm einen Wink in die Richtung der anderen Rakete, und die beiden Raccoons liefen gemeinsam los.
Auf dem Rückweg war Bert schon um einiges mutiger geworden. Jetzt, da er den Dreh langsam raushatte, glaubte er fest daran, daß eine Kommunikation mit dem anderen Raccoon möglich war. Treb schien es ähnlich zu gehen, denn er wirkte ebenfalls um einiges entspannter, als noch zu dem Zeitpunkt, als sie sich zuerst begegnet waren.
Bert zeigte, während sie gingen, auf sich und dann auf den Boden. „Ich komme von der Erde!“ Er betonte den Namen seines Heimatplaneten. Dann deutete er auf Treb. „Von welchem Planeten kommst du?“
Treb zeigte in den Himmel. „Chi enhow fua med Netenalp Arret!“ Auch er betonte den Namen seiner Heimat.
„Arret?“ wiederholte Bert.
Treb nickte. Er zeigte zu Boden. „Fua Arret,“ erklärte er verschwörerisch und legte die zusammengepreßten Hände an den Kopf, während er mit den Augen klimperte, „… tbig se eschbüh nechdäm, dnu nie sellot Leips sneman Labesab!“ Er deutete mit den Händen einen imaginären Schlag mit einem Stock an.
Bert lachte. Die Gesten konnte er auch interpretieren, ohne daß er die Sprache verstand. „Ja, so ist es auf der Erde auch!“ sagte er mit einem Nicken.
„Tsah ud enie Nidnuerf?“ wollte Treb wissen und wiederholte, nachdem er auf den Raccoon gezeigt hatte, die Geste, mit der er die Mädchen beschrieben hatte.
Bert überlegte kurz, ob er richtig verstand. „Ob ich eine Freundin habe?“ Er atmete durch. „Ich wünschte es wäre so…“
Diesmal war es keine Geste, sondern der Tonfall, der Treb vermittelte, was Bert ihm gerade für eine Antwort gegeben hatte. Betroffen und etwas schuldbewußt sah er seinen Kameraden an. „Se tut rim diel. Chi etlow chid tchin nereimirped.“ sagte er, während er in einer freundschaftlichen Geste seine Pfote tröstend auf Berts Schulter legte.
„Es ist schon gut.“ erwiderte Bert und lächelte leicht.
Treb lächelte ebenfalls. Gerade kamen sie bei seiner Rakete an, und so wurde ihre Aufmerksamkeit erst einmal auf etwas anderes gelenkt. Wie zuvor schon bei Berts Rakete machten sie sich gemeinsam ans Werk, und Treb zeigte Bert, was er tun sollte. Die Verständigung zwischen den beiden klappte immer besser. Trotz der sprachlichen Differenzen waren sie bald schon ein eingespieltes Team, und so wurden sie schnell mit der Arbeit fertig, und hatten eine Menge Spaß zusammen.
Nach getaner Arbeit knieten sie auf dem Boden und sahen sich gedankenvoll an. Beide signalisierten, daß sie sich noch nicht trennen mochten.
Plötzlich sprang Treb auf und bedeutete Bert mit einer Geste, ihm zu folgen. Als der Raccoon von der Erde seinem Partner von Arret folgte, beobachtete er, wie der in einem Fach an der Rückseite des Cockpits wühlte und sich schließlich zu ihm umdrehte. Der außerirdische Raccoon zeigte Bert euphorisch ein Glas.
Bert sah genauer hin und las auf dem Etikett: »Rettubszundre«. Etwas verunsichert erwiderte er den Blick des anderen. „Okay… Und was ist das?“ Verständnislos hob er die Schultern.
Etwas in seiner Euphorie gebremst erklärte Treb: „Sad tsi sad etseb, saw se fua Arret tbig. Ud tszum se tgnidebnu nereiborp!“ Wie zur Erklärung leckte sich Treb demonstrativ über die Schnauze. Dann öffnete er das Glas, und in dem Moment waren Worte überflüssig, als ein markanter Duft Bert in die Nase stieg, und ein freudiges Jubeln herausforderte. „Erdnußbutter!“
Treb grinste nun auch und sprang mit dem Glas zu Bert auf den Boden. Gemeinsam lehnten sie sich an den Rumpf der Rakete, und Treb gab Bert einen der beiden Löffel, die er mitgebracht hatte. So verbrachten sie gemeinsam eine Weile zusammen auf dem trostlosen Gestirn, arretianische Erdnußbutter genießend und in dem wundervollen Bewußtsein, in der Zeit hier einen neuen Freund gefunden zu haben.
Nachdem sie das Glas geleert hatten, saßen sie noch einen Moment zusammen und sahen in den Himmel. Die Sternenkonstellation hatte sich ein wenig verändert, aber das war nicht der einzige Grund, der ihnen zeigte, daß sich ihre Wege nun würden trennen müssen. Etwas wehmütig wechselten die beiden Raccoons einen Blick.
„Tja, das war’s dann wohl…“ meinte Bert traurig.
Treb schwieg, dann stand er auf und holte etwas anderes aus dem Cockpit seiner Rakete – einen kleinen Block und einen Stift. Er schrieb etwas auf und gab Bert den Zettel. „Nnew ud chim lam nechuseb tsetchöm, nad mok rehreih!“ erklärte er und untermalte seine Worte mit Gesten, mit denen er erst auf Bert, dann auf sich zeigte, abwechselnd auf ihre Augen, dann auf das Papier und schließlich in den Himmel.
Bert sah auf den Zettel, und obwohl er die Sprache nicht lesen konnte, wußte er im Grunde doch, was darauf stand. Zwei Worte konnte er sogar deuten, die seine Vermutung bestätigten. Er schmunzelte, als er in Trebs Handschrift las:
Treb Nooccar
Suahnooccar
Renürgremmi Dlaw
Arret
Er schrieb für Treb auch seine Adresse auf, dann hieß es endgültig Abschied nehmen. Bert reichte Treb die Hand, und der erwiderte die Geste, ein kurzer Augenkontakt reichte jedoch, und ohne jede Absprache nahmen sie sich zum Abschied kameradschaftlich in den Arm. „Scham tug, Bert!“ sagte Treb herzlich.
„Du auch!“ entgegnete Bert herzlich. Er wollte sich schon auf den Weg zu seiner Rakete machen, als Treb rief: „Bert…!“ Der Raccoon von der Erde drehte sich noch einmal mit fragendem Blick um. Treb lächelte und gab ihm ein Glas Rettubszundre. „Rüf chid!“
Bert lächelte verzückt. „Danke!“ Dann winkte er dem anderen Raccoon noch einmal und machte sich auf den Weg zu seiner eigenen Rakete. Auf dem Weg zurück lächelte er versonnen vor sich hin. Nein, man mußte nicht erst eine neue Sprache lernen, um einen neuen Freund zu finden…
Bert ging noch einmal alles durch, was Cedric ihm erklärt hatte und prägte sich im Geiste alles genau ein. Wenn er es zurück zur Erde schaffte, und das müßte ihm eigentlich gelingen, da man die Heimatdaten mit einem einfachen Knopfdruck eingeben konnte, durfte ihm so ein Unglück nicht noch einmal passieren. Es reichte, daß er Cedric seine Rakete beschädigt zurückbrachte. „Tgidäscheb.“ murmelte Bert leise. Das Wort hatte er sich gemerkt. Und vermutlich würde er ausgerechnet dieses auch noch oft in seinem Leben auf der Erde gebrauchen können…
Als er sich einigermaßen sicher war, sich gut vorbereitet zu haben, atmete er durch und startete die Rakete im Rückwärtsgang. Alles verlief sehr gut, und nach einem kurzen Moment hatte er so viel an Höhe gewonnen, daß er nach vorne durchstarten konnte.
Als er den schicksalshaften Himmelskörper verließ, konnte er nicht weit entfernt eine kleine goldene Rakete in die entgegengesetzte Richtung aufbrechen sehen. Er lächelte und winkte seinem neuen Freund im geheimen hinterher, bevor er Kurs auf die Erde nahm und den eigenen Heimweg antrat.
Mit einiger Disziplin gelang es Bert, die Rakete sicher zu landen – zwar nicht in dem Labor, wo sie hingehörte, dafür aber im Vorgarten der Sneers. In dem Anwesen war mittlerweile die helle Aufregung ausgebrochen. Cedric lief aufgewühlt aus dem Haus und auf die Rakete zu, als Bert gerade die Luke öffnete. Der Raccoon hörte, wie Anweisungen geschrieen wurden, und wenig später wurde die Hebebühne neben der Rakete aufgebaut, und Cedric persönlich fuhr auf der Plattform nach oben, um seinen Freund in Empfang zu nehmen.
„Bert, bist du völlig verrückt geworden?“ Die Stimme des Erfinders überschlug sich förmlich in Bestürzung.
Bert lächelte nur milde. „Cedric, du wirst nicht ahnen, was ich erlebt habe!“
„Bert!“ Cedric warf die Arme in die Luft. „Du hättest dich umbringen können! Die Rakete war noch nicht getestet, und du bist kein erfahrener Astronaut! Du hast ja noch nicht einmal Ahnung von Technik! Was, wenn etwas schiefgegangen wäre?“
„Das sage ich dir.“ erwiderte Bert tiefgründig. „In dem Fall braucht man einen guten Freund, der einem hilft!“ Auf Cedrics konsternierten Blick legte Bert den Arm um seinen Kameraden, nahm das Glas mit der außerirdischen Erdnußbutter und den Zettel mit einer intergalaktischen Adresse und meinte nur: „Ich erklär’s dir!“ Und während die beiden Freunde auf der Hebebühne nach unten fuhren und anschließend einen langen Spaziergang durch die Gärten des Sneeranwesens machten, erzählte Bert Cedric von seiner unglaublichen Begegnung, – ohne zu merken, daß er sich jetzt wieder problemlos in seiner eigenen Sprache unterhalten konnte.
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An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich der Initiatorin des Wettbewerbs Vintage danken, ohne die diese tolle Geschichte vermutlich nie entstanden wäre! Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, dieses kleine Werk zu schreiben, und den neuen Freund, den auch ich in dieser Geschichte gefunden habe, möchte ich nicht mehr missen. Und vielleicht wird es früher oder später auch noch mehr Geschichten dazu geben. ^^