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[♫ | ✎] Ralphs neue Herausforderung

von - Leela -
Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
Bert Raccoon Melissa Raccoon Ralph Raccoon
05.04.2014
05.10.2014
3
6.295
 
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05.04.2014 2.069
 
Hier kommt mein Beitrag zu dem Wettbewerb »5-mal« von Raiu, Runde 2.

Die Vorgaben:
- Ein OneShot in der Länge von 2000 Worten
- Weitere Vorgaben, die in dem OneShot verarbeitet sein müssen: Virus/Viren, Trauer

Allgemeine Hinweise:
- Ich benutze die alte Rechtschreibung! ^^

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! ^^

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Der Virus, der die Seele befiel

Es versprach, ein wunderschöner Tag zu werden. Ralph und Melissa waren von George und Nicole zu einen gemütlichen Nachmittag eingeladen worden, und Ralphs Bruder freute sich schon darauf, seine Familie mit neuer Backware zu verköstigen. Der leidenschaftliche Koch hatte ein neues Schokoladentortenrezept gefunden, das er unbedingt ausprobieren wollte; und zu welcher Gelegenheit eignete es sich besser, um es zu testen, als im Kreise der Personen, die er am meisten liebte?
      Ralph und Melissa freuten sich ebenfalls darauf, natürlich nicht nur wegen der Torte, sondern vor allem, weil sie so mal wieder etwas Zeit mit George und Nicole – und vielleicht auch mit den Kindern verbringen konnten. Lisa war zwar den Tag über unterwegs, aber zumindest Bentley war daheim. Die Chancen standen also nicht schlecht, daß sie zumindest ihrem Neffen begegnen würden; denn keiner von ihnen hatte je erlebt, daß der Junge eine Schokoladentorte ausgelassen hätte!
      Der Tag hätte nicht harmonischer und vielversprechender sein können, als das Pressepärchen bei ihren Verwandten ankam. Wie immer herrschte eine fröhliche Stimmung im Haus von George und Nicole. Und ein Gesprächsthema gab es auch!
      „Hat Ralph schon erzählt?“ fragte Melissa aufgeregt, als sich die vier Raccoons im Wohnzimmer zusammensetzten. „Er hat in dem Redakteure-Wettbewerb die erste Runde gewonnen!“
      Die beiden Gastgeber schüttelten beeindruckt den Kopf. „Nein, das wußten wir noch gar nicht!“
      Ralph winkte ab. „Es war nur der zweite Platz!“
      „Aber du bist weitergekommen!“ erinnerte Melissa und sah sich kurz zu Bentley um, der gerade zu ihnen ins Wohnzimmer kam.
      „Das stimmt! Und ich muß zugeben, gerechnet hätte ich damit nicht!“ gestand Ralph.
      „Meinst du den Artikel, bei dem Bert dir geholfen hat?“ erkundigte sich Ralphs Neffe, während er sich bei seiner Mutter auf die Sessellehne setzte.
      „Genau der!“ bestätigte Ralph. „Ohne Bert, hätte ich es auch nicht geschafft!“
      „Oh, deinen Siegerartikel würde ich ja zu gerne mal lesen!“ meinte Nicole.
      Melissa wechselte mit Ralph einen bedauernden Blick. „Schade, daß wir daran nicht gedacht haben…“ bemerkte sie. „Wir hätten ihn ja mitbringen können!“
      „Das macht ja nichts!“ meinte Nicole. „Dann holen wir das nach!“
      „Werden die Wettbewerbsartikel eigentlich auch veröffentlicht?“ sinnierte George.
      „Wenn die Runde zu Ende ist, ja!“ erklärte Ralph.
      Bentley schaltete sofort. „Dann gibt es die Artikel doch bestimmt schon im Internet!“
      „Da bin ich mir sogar ziemlich sicher!“ bestätigte Ralph.
      Der Junge reagierte sofort und sprang auf, lief aus dem Wohnzimmer, und kehrte kurz darauf mit seinem Notebook zurück. „Dann können wir ihn sicher auch schnell finden!“ erklärte er euphorisch. Er setzte sich zu seinen Eltern und den beiden Gästen in die Sitzecke und schaltete das Notebook ein. Routiniert stellte er es auf den Couchtisch, während er wartete, bis das System hochgefahren war.
      „Ich gehe mal eben nach der Schokoladentorte schauen!“ sagte George schmunzelnd in die andächtige Stille hinein und ließ die kleine Gruppe einen Augenblick allein.
      Ralph und Melissa nutzen die Gelegenheit, um sich zu Bentley auf das Sofa zu setzen. Neugierig schauten sie auf den Bildschirm, auf dem ein blinkender Unterstrich zu sehen war.
      „Komisch. So lange hat er noch nie zum Hochfahren gebraucht!“ sagte Bentley.
      Ralph, Melissa und Nicole wechselten ratlose Blicke.
      „Also, ich kann dir dabei gar nicht helfen!“ sagte seine Mutter sofort.
      Bentley schien es mittlerweile zu lange zu dauern, denn er versuchte es mit einem Neustart.
      Inzwischen kam George zurück, und das Pressepärchen räumte seinen Platz auf dem Sofa wieder für ihn; auch wenn George eine beschwichtigende Geste machte. Bentley ignorierte das Treiben um sich herum gefließentlich, als er offensichtlich ein zweites Mal an der gleichen Stelle festhing.
      „Hey, ich dachte, du hättest den Artikel schon längst aufgerufen!“ meinte George verwundert.
      Bentley biß angespannt die Zähne zusammen. Ralph und Melissa wechselten einen besorgten Blick. Daß der junge Raccoon so überhaupt nicht auf den Kommentar seines Vaters reagierte, beunruhigte sie etwas. Der Junge kniete sich nun konzentriert vor das Notebook auf den Boden, startete es noch einmal neu und gab etwas auf der Tastatur ein.
      Die Erwachsenen warteten ebenfalls gebannt. Aus irgendeinem Grund traute sich keiner von ihnen, ein Gespräch anzufangen.
      Bentley wurde derweil immer hektischer. „Nun komm schon…“ spornte er das kleine Gerät leise an.
      „Was ist denn, Bentley?“ fragte Ralph vorsichtig.
      Sein Neffe atmete kontrolliert, während seine Finger über die Tastatur huschten. „Ich versuche gerade, in einem abgesicherten Modus hochzufahren. Irgendwas stimmt hier aber nicht… Ich hoffe nur…“
      Neugierig rückten Ralph, Melissa, Nicole und George näher zusammen, um verfolgen zu können, was Bentley dort am Monitor tat. Gerade konnte man eine Desktopoberfläche mit einigen Programmsymbolen sehen. Für die älteren Raccoons sah eigentlich alles normal aus, bis Bentley versuchte, ein Programm zu öffnen. Er konnte allerdings machen, was er wollte, das Programm öffnete sich nicht. Seine Finger zitterten, als er es weiter versuchte, doch egal, was er tat, er bekam von seinem Computer keine Reaktion mehr. „Ich muß direkt in das System…“ murmelte er, mehr zu sich selbst, startete noch einmal neu und führte ein paar Befehle aus, die ihn direkt in das Herz des Computers brachten.
      „Es ist doch nicht so schlimm, Bentley. Dann lesen wir den Beitrag eben später.“ versuchte George, seinen Sohn zu beruhigen.
      „Darum geht es überhaupt nicht mehr!“ gab Bentley verbissen zurück, ohne den starren Blick vom Bildschirm zu wenden, wo er gerade versuchte, den Inhalt des Computers als Liste aufzurufen. Als er endlich dort anlangte, wo er hinwollte, war das Hauptverzeichnis leer, bis auf eine einzige Zeile, in der stand: „Hallo, lieber User! Wilbur läßt grüßen!“ In dem Augenblick schien die Temperatur im Wohnzimmer um einige Grad zu fallen. „Nein…“ Dieses kleine, gehauchte Wort löste Schauer unter den Anwesenden aus. Bentley schlug so unvermittelt auf die Tastatur, daß die vier Zuschauer zusammenzuckten.
      „Was ist passiert?“ fragte Melissa zaghaft.
      Der junge Raccoon zog scharf die Luft ein. „Das war’s…“ Selten hatte die Familie Bentley weinen sehen. Dieses Mal war es soweit. Der Junge war den Tränen nahe.
      Die vier Erwachsenen hielten den Atem an und sahen sich ratlos an.
      Bentley atmete stockend durch, doch es nützte nichts mehr, die Tränen begannen bereits zu fließen.
      „Bentley, es ist doch nicht so schlimm.“ versuchte Melissa ihn zu beruhigen und legte tröstend den Arm um ihn. „Du wirst sicher bald ein neues Notebook bekommen.“
      „Das nützt mir nichts!“ schluchzte der Junge. „»Wilbur« ist das gemeingefährlichste Computervirus, das derzeit im Umlauf ist! Sobald es einen Zugang in einen Datenspeicher findet, löscht es alles, was es in die Finger bekommt und hinterläßt… diesen netten Gruß!“ Der Sarkasmus triefte aus der Stimme des Jungen.
      Die vier älteren Raccoons wechselten betroffene Blicke.
      „Und… was heißt das jetzt genau?“ erkundigte sich Nicole vorsichtig.
      „Was das heißt?“ gab Bentley mit gebrochener Stimme zurück. „Das heißt, daß jetzt alles weg ist! Alles, was mir etwas bedeutet hat!“
      „Naja, ganz so kannst du es aber auch nicht sehen!“ wandte seine Mutter ein. „Du hast ja noch ein bißchen mehr, als nur deinen Computer.“
      Der Junge schaffte es knapp, durchzuatmen. „Ich hatte meine ganzen Daten hier drauf!“ schluchzte er. „Fotos, Musik, Bilder, Berichte, meine Briefe, Adressen, Rezepte,…“
      George atmete durch. „Wir haben das Problem verstanden, Bentley.“ lenkte er beruhigend ein.
      „Meine Schulaufgaben!“ schrie er, als wenn das endlich das Argument sein sollte, das seine Eltern wachrüttelte. Dann sprang er auf und rannte schluchzend aus dem Wohnzimmer.
      Geschockt sahen die vier ihm hinterher. Ralph reagierte als erster und rannte ihm nach. Bestürzt blieben Bentleys Eltern und Melissa zurück.
      „Hatte Bentley denn keine Sicherungskopie?“ fragte Melissa nach.
      George und Nicole hoben ratlos die Schultern.

Bentley lief blindlings aus dem Haus, doch Ralph war schneller und fing den Jungen auf dem Rasen ab. Sein Neffe zitterte und konnte kaum atmen vor Schluchzen. Ralph zog ihn sachte in die Arme und ließ sich mit ihm zu Boden sinken. Eine Weile sagte keiner ein Wort. Ralph wußte, wie wichtig dieses Notebook für Bentley war. Es war ein Geschenk seiner Eltern gewesen. In der Zeit, in der Ralphs Bruder mit seiner Familie häufig umgezogen war, war es sein bester Freund gewesen. Und er hatte wirklich alles mit ihm gemacht. Für Bentley mußte es gerade tatsächlich so sein, als wäre sein bester Freund gestorben. Und das war nicht einmal sein elementarstes Problem. Wenn es wenigstens die Möglichkeit gegeben hätte, die Daten zu retten… „Kann man die Daten denn gar nicht wieder herstellen?“ fragte der Redakteur betroffen.
      „Nicht bei diesem Virus!“ schluchzte Bentley. „Es zerstört alles!“ Er brauchte etwas, um die Kraft zum Sprechen zu finden. „Es ist sogar so fies… daß es einen Screenshot vom letzten Desktopbild im System hinterläßt… so daß man es zuerst nicht merkt.“
      „Aber hast du die Daten denn nicht irgendwo gesichert?“ fragte Ralph verwundert.
      Als er das sagte, brach Bentley erst recht in Tränen aus. „Das ist es ja! Ich habe mir ständig gedacht, das kann ich auch noch später. Ich dachte, ein Computerprofi wie ich wird nie Opfer eines Virus.“
      „Oh…“ Ralph verstand das Problem.
      Bentley weinte kraftlos weiter. „Was mache ich denn jetzt?“
      Ralph atmete verzagt durch. „Tja, so grausam es klingt, du wirst dir etwas Neues aufbauen müssen.“
      „Da waren so viele persönliche Sachen drauf! Das ist so gemein!“ stieß Bentley verzweifelt hervor.
      „Ich weiß.“ sagte Ralph sanft und registrierte plötzlich, daß er unbewußt angefangen hatte, den Jungen in seinen Armen zu wiegen. „Aber ob du es glaubst oder nicht, davon geht die Welt nicht unter.“
      Bentley sah Ralph mit einem Blick an, der dem älteren Raccoon durch Mark und Bein ging; ebenso wie das Zittern in seiner Stimme, als er sagte: „In diesem Computer lag meine Seele!“
      Ralph seufzte tief. Die Stimmung seines Neffen schlug auch ihm aufs Gemüt. Er drückte den Jungen tröstend an sich. „Ich weiß, dir ist gerade hundeelend zumute. Aber du hast immer noch deine Familie. Wir sind alle für dich da und stehen das mit dir gemeinsam durch.“
      Bentley quittierte seine Worte mit neuerlichem Schluchzen. Nichtsdestotrotz spürte Ralph, daß seine Message angekommen war, denn gerade nahm der junge Raccoon sein Angebot wie einen letzten Halt an und klammerte sich hilflos an ihn. Auch wenn er kein Wort herausbrachte; seine ganze Haltung sagte: ‚Laß mich nicht allein!‘ Und genau das hatte Ralph auch nicht vor.
      Es dauerte eine ganze Weile, bis Bentley sich einigermaßen beruhigte.
      „Dein Papa hat eine phantastische Schokoladentorte gebacken.“ erinnerte Ralph in der Hoffnung, Bentley so zumindest ein wenig aus der Reserve zu locken. „Magst du nicht mal probieren?“
      Bentley schüttelte den Kopf.
      „Schokolade ist aber Seelenfutter!“ versuchte Ralph, ihn zu ködern.
      „Mir ist alles egal!“ brachte Bentley kraftlos hervor.
      Ralph wußte sich keinen Rat mehr. Er konnte im Augenblick nichts anderes tun, als für Bentley dazusein. Er konnte sich nicht helfen, so hatte er sich den Abend nicht vorgestellt.

Ralph war noch lange bei Bentley geblieben, bis George und Nicole den völlig desolaten Jungen ins Bett gebracht hatten. Danach hatten sich die Erwachsenen noch zusammengesetzt. Auf die Schokoladentorte hatte nun allerdings keiner mehr Appetit gehabt. Es hatte Ralph und Melissa so leid getan, aber Bentleys Gemütszustand hatte sie alle so tief ergriffen, daß der Abend von Niedergeschlagenheit überschattet war. George hatte schließlich die Torte aufgeteilt und ein paar Stücke für Ralph und Melissa eingepackt, bevor sie sich beklommen verabschiedet hatten.
      „Der arme Bentley.“ meinte Melissa leise, als sie langsam nach Hause gingen.
      „Wären wir bloß nicht heute auf den Artikel zu sprechen gekommen.“ sinnierte Ralph. „Dann hätte er wenigstens die Torte noch genießen können.“
      Melissa konnte ein sarkastisches Lächeln nicht vermeiden.
      Als die beiden am Abend schließlich fix und fertig nach Hause kamen, schaute Melissa noch schnell nach der Post. Neben der üblichen Werbung war ein Brief für Ralph dabei. Sie gab ihm den Umschlag mit einem leichten Schmunzeln.
      „Na, wenigstens eine gute Nachricht heute.“ meinte er, als er den Brief öffnete.
      „Die neuen Vorgaben, für die nächste Runde vom Wettbewerb?“ erkundigte sich Melissa.
      „Ja!“ Ralph studierte den Brief, und Melissa konnte sehen, wie ihrem Ehemann die Gesichtszüge entglitten. „Wollen die mich jetzt ärgern?“
      „Was ist passiert?“ erkundigte sich die Raccoonfrau.
      Ralph ließ resigniert die Arme sinken. „Ich kann wählen zwischen zwei Themen: »Trauer« und »Computerviren«!“
      Melissa sah Ralph niedergeschlagen an. „Egal, welches Thema du wählst, frag‘ bitte nicht Bentley um Hilfe.“



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Anm. d. Aut.: Bezüge zu Cartoonfolge »Dabei sein ist alles«
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